Artikel
James Bond und andere Weggefährten
Roman Delugan und Elke Meissl mögen James-Bond-Filme. Vor allem die alten, der superben Architektur wegen . Sicherheitshalber haben sie sich nun selbst eine Art Moonraker gebaut, doch auch andere ihrer Architekturen sind filmreif, wie der geplante Aufzug auf den Mönchsberg.
8. März 2003 - Ute Woltron
Die Zeit ist ein Faktor in der Architektur, über den sehr viel nachgedacht wurde, und über den man wunderbar philosophieren kann. Soll ein Haus ewig stehen bleiben? Soll die so genannte „Formensprache“, in der es errichtet wird, den Geist der Entstehungszeit vermitteln, und wenn ja, wie schaut der jeweils aus? Gibt es alte Gebilde, die heute noch zeitlos oder sogar modern sind? Und gibt es Zeitgenössisches, das schon morgen vorgestrig ist?
Roman Delugan und Elke Meissl, die beide im Vergleich zu einem Dom zum Beispiel gerade wenige Momente alt sind, arbeiten sozusagen am Puls der Zeit, ohne Hörigkeiten zu entwickeln. Die jungen Wiener Architekten suchen für ihre Häuser nach den neuesten Materialien und Technologien und arbeiten dabei Hand in Hand mit Hightechunternehmen Wenn sie entwerfen, finden sie neue Formen und Raumstrukturen, interessante und dem Bewohner nützliche Verschachtelungen, die den Mehrwert bieten, den gute Architektur so mit sich bringt.
Sie produzieren damit eine sehr selbstbewusste und trotzdem „unmodische“ Baukultur, die nicht nur für ein paar Augenblicke Bestandsberechtigung genießt, und schon das ist mehr, als man über vieles derzeit Gebautes sagen kann. Die Architekturschmiede der beiden liegt in Wien, genauer am Mittersteig, und ist von einer bestechend säuberlichen Eleganz ohne Firlefanz. Ein Architekturbüro von Leuten, die genau wissen, wo sie kein Geld auszugeben brauchen, um trotzdem picobello arbeiten zu können. Gleich gegenüber, durch Panoramafensterscheiben gut zu sehen, liegt ein glattes und unaufregendes Wohnhaus aus den 50er-Jahren. Es repräsentiert bei genauer Betrachtung genau diese Mischung aus Zeiten und Epochen, die das großstädtische Leben so interessant macht: Ganz unten residiert die Caritas. Man verkauft hier Möbel, Krempel, Allerlei aus den vergangenen Jahrhunderten. Dazwischen, wie gesagt, prangt die kahle Nacktheit, wie sie vor 50 Jahren en vogue war, und ganz oben ragt die Zukunft in Form eines gewaltigen Dachaufbaus gen Himmel.
Der ist natürlich von Delugan und Meissl, stellt deren künftiges Privatdomizil dar, befindet sich im finalen Ausbaustadium und wird, so viel ist sicher, zu einer der meistbesprochenen jüngeren Architekturen des Landes werden. Eine sagenhafte Stahlkonstruktion windet sich da über das Dach und produziert zwei durch Rampen, Innen- und Außenräume ineinander überlaufende Geschosse. Ein amorphes Ding, in dem - und das ist der Unterschied - jeder Kubik- und nicht nur jeder Quadratzentimeter genau durchdacht ist. Die Möbel scheinen aus den Wänden, Decken, Böden zu wachsen, jedes Detail ist maßgeschneidert und in diese wüste, sympathische Form eingepasst. Doch davon mehr im Frühsommer, sobald die letzten Handgriffe getan sind.
Roman Delugan und Elke Meissl pflegen ihre Architekturprodukte nicht mit schwerem Ideologiegehabe zu vermitteln, weshalb sie auch angesichts ihres neuesten Konstruktes eher von alten James-Bond-Filmen zu reden beginnen, denn die wurden seinerzeit gelegentlich in den wunderbaren kalifornischen Häusern des John Lautner gedreht. Wenn es ein Vorbild gebe, so die beiden, dann sei das dieser unvergleichliche Meister der fließenden Räume und der scheinbar ins Nichts kippenden Schwimmbadkanten hoch über dem Meer. Der heimische Lehrmeister der beiden hieß hingegen Wilhelm Holzbauer. Roman Delugan studierte bei ihm, Elke Meissl arbeitete für ihn. In Holzbauers Büro lernten sie einander kennen, und die Erinnerungen an den Wiener Lokalmatador sind für beide ausgesprochen positiv. Trotzdem machten sie sich gemeinsam rasch selbstständig, weil sie im Rahmen des Expo-Wettbewerbes den zweiten Preis für Absolventen abräumten, was erfreulicherweise mit einem Startkapital von damals 200.000 Schilling verbunden war. Es folgten aufgrund dieses Erfolges diverse Ladungen zu weiteren Wettbewerben, wie etwa jenem, der sich mit der Wohnbebauung auf der Donauplatte befasste, und der mit einem Sieg für die beiden endete. „Wir haben damals von null auf hundert ein Büro aufgemacht“, sagt Meissl, die als Projektleiterin für Holzbauer-Werke wirtschaftliche Straffheit gelernt hat und quasi den kommerziell-ökonomischen Kopf des Duos darstellt.
In rascher Folge entstanden die beiden ersten Häuser, nämlich der so genannte „Balken“ sowie das Mischek-Wohnhochhaus auf der Platte. Ersteres ist ein 180 Meter langes aufgestelztes Wohnhaus. Letzteres stellt eine Art Lehrstück dar im Umgang mit einem extrem knapp kalkulierenden Auftraggeber, ein Werk, das mit Kompromissen belastet ist, aus dem man aber den reichen Nutzen der Erfahrung ziehen durfte.
Mittlerweile sind die Architekten etwas emanzipiertere Auftragnehmer, und wenn schon nicht kompromissloser, so doch findiger in gemeinschaftlich akzeptierten und guten Auswegen aus allzu streng gerechneten Vorgaben. Ein vor kurzem fertig gestelltes Wohnhaus auf dem Wiener Paltramplatz veranschaulicht das recht gut: Die 22 Wohnungen, die hier untergebracht sind, verfügen alle über raffinierte eingeschobene Loggien, die nicht, wie anderswo, Kästchen mit Brüstung sind, sondern wie voll verglaste Terrarien den Blick auf die Stadtumgebung großzügig definieren. Dadurch ergibt sich eine neuartige, dreidimensionale Fassade, eines der Markenzeichen der Planer. Eine Photovoltaikanlage ist integrierter Bestandteil der Architektur.
Dass sie nicht nur gute Wohnbauer sind, bewiesen Delugan und Meissl mit ihrem Wiener Stadthaus in der Wiener Wimbergergasse, das mit ungeheuer komplizierten Grundrissen und auf verschiedenen Niveaus Wohnen und Arbeiten unter begrünten Dächern vereint. Dieses Konglomerat aus Funktionen und Raumhöhen wurde in diversen internationalen Medien besprochen und bis Japan publiziert. Hierzulande gelten die Architekten erstaunlicherweise trotzdem eher noch als Geheimtipp. Doch das dürfte sich nun mit einem kleineren, nichtsdestotrotz höchst prominenten Projekt in Salzburg rasch ändern.
Dort benötigt das neue Museum auf dem Mönchsberg (geplante Eröffnung Sommer 2004) eine Liftanlage, die seine Besucher von der unten gelegenen Stadt über 55 Meter Höhenunterschied auf den Berg hinauf- und wieder hinunterbefördern soll. Vor wenigen Wochen schlugen Delugan und Meissl im Rahmen eines geladenen Wettbewerbs Mitanbieter wie Zaha Hadid aus dem Rennen und wurden von einer Jury unter Vorsitz des Schweizers Luigi Snozzi zu den Siegern erklärt. Ihr Aufzugsprojekt sieht eine in sich gewundene Stahlkonstruktion vor, an der eine gläserne Kabine entlanggleitet. Wieder legte man Bedacht auf Zeiten und Epochen - in Salzburg bekanntlich kein unwichtiger Faktor - und verband gekonnt Altes mit Neuem.
Der Aufzug startet unten in einem kleinen Häuschen, das vordergründig brav die Traufenhöhe seiner Nachbarn übernimmt, die umgebenden Denkmäler allerdings insofern überlistet, als die Fassade semitransparent ausgeführt ist. Das funktioniert folgendermaßen: Ganz zuunterst ist sie blickdicht, wird allerdings nach oben hin immer transparenter, sodass die hinaufschießende Aufzugskabine bereits ab dem letzten Drittel der Fassade sichtbar wird, um dann vollends im Freien geführt zu werden. Auch die Ankunft vor dem Museum erfolgt über einen kleinen, raffinierten Kunstgriff, denn oben verläuft die stählerne Lifthalterung über einen sanfte Überhöhung, sodass die Besucher erst einen raschen Ausblick über das Museum erhalten, um dann ruhig in das Ziel, den Ausstieg, zu gleiten. Erste Bürgerversammlungen zeigten große Zustimmung für das Projekt, nur die Salzburger FPÖ maulte ein wenig, doch der tatsächlichen Umsetzung scheint nichts mehr im Weg zu stehen.
„Wir haben uns in den vergangenen zehn Jahren weiterentwickelt“, resümieren die Architekten, „doch wir wollen nicht modisch, sondern zeitgemäß sein.“ So wie die guten Architekturen in den Bond-Filmen. Die sind zwar alt, sie werden aber auch morgen noch nicht vorgestrig sein.
Roman Delugan und Elke Meissl, die beide im Vergleich zu einem Dom zum Beispiel gerade wenige Momente alt sind, arbeiten sozusagen am Puls der Zeit, ohne Hörigkeiten zu entwickeln. Die jungen Wiener Architekten suchen für ihre Häuser nach den neuesten Materialien und Technologien und arbeiten dabei Hand in Hand mit Hightechunternehmen Wenn sie entwerfen, finden sie neue Formen und Raumstrukturen, interessante und dem Bewohner nützliche Verschachtelungen, die den Mehrwert bieten, den gute Architektur so mit sich bringt.
Sie produzieren damit eine sehr selbstbewusste und trotzdem „unmodische“ Baukultur, die nicht nur für ein paar Augenblicke Bestandsberechtigung genießt, und schon das ist mehr, als man über vieles derzeit Gebautes sagen kann. Die Architekturschmiede der beiden liegt in Wien, genauer am Mittersteig, und ist von einer bestechend säuberlichen Eleganz ohne Firlefanz. Ein Architekturbüro von Leuten, die genau wissen, wo sie kein Geld auszugeben brauchen, um trotzdem picobello arbeiten zu können. Gleich gegenüber, durch Panoramafensterscheiben gut zu sehen, liegt ein glattes und unaufregendes Wohnhaus aus den 50er-Jahren. Es repräsentiert bei genauer Betrachtung genau diese Mischung aus Zeiten und Epochen, die das großstädtische Leben so interessant macht: Ganz unten residiert die Caritas. Man verkauft hier Möbel, Krempel, Allerlei aus den vergangenen Jahrhunderten. Dazwischen, wie gesagt, prangt die kahle Nacktheit, wie sie vor 50 Jahren en vogue war, und ganz oben ragt die Zukunft in Form eines gewaltigen Dachaufbaus gen Himmel.
Der ist natürlich von Delugan und Meissl, stellt deren künftiges Privatdomizil dar, befindet sich im finalen Ausbaustadium und wird, so viel ist sicher, zu einer der meistbesprochenen jüngeren Architekturen des Landes werden. Eine sagenhafte Stahlkonstruktion windet sich da über das Dach und produziert zwei durch Rampen, Innen- und Außenräume ineinander überlaufende Geschosse. Ein amorphes Ding, in dem - und das ist der Unterschied - jeder Kubik- und nicht nur jeder Quadratzentimeter genau durchdacht ist. Die Möbel scheinen aus den Wänden, Decken, Böden zu wachsen, jedes Detail ist maßgeschneidert und in diese wüste, sympathische Form eingepasst. Doch davon mehr im Frühsommer, sobald die letzten Handgriffe getan sind.
Roman Delugan und Elke Meissl pflegen ihre Architekturprodukte nicht mit schwerem Ideologiegehabe zu vermitteln, weshalb sie auch angesichts ihres neuesten Konstruktes eher von alten James-Bond-Filmen zu reden beginnen, denn die wurden seinerzeit gelegentlich in den wunderbaren kalifornischen Häusern des John Lautner gedreht. Wenn es ein Vorbild gebe, so die beiden, dann sei das dieser unvergleichliche Meister der fließenden Räume und der scheinbar ins Nichts kippenden Schwimmbadkanten hoch über dem Meer. Der heimische Lehrmeister der beiden hieß hingegen Wilhelm Holzbauer. Roman Delugan studierte bei ihm, Elke Meissl arbeitete für ihn. In Holzbauers Büro lernten sie einander kennen, und die Erinnerungen an den Wiener Lokalmatador sind für beide ausgesprochen positiv. Trotzdem machten sie sich gemeinsam rasch selbstständig, weil sie im Rahmen des Expo-Wettbewerbes den zweiten Preis für Absolventen abräumten, was erfreulicherweise mit einem Startkapital von damals 200.000 Schilling verbunden war. Es folgten aufgrund dieses Erfolges diverse Ladungen zu weiteren Wettbewerben, wie etwa jenem, der sich mit der Wohnbebauung auf der Donauplatte befasste, und der mit einem Sieg für die beiden endete. „Wir haben damals von null auf hundert ein Büro aufgemacht“, sagt Meissl, die als Projektleiterin für Holzbauer-Werke wirtschaftliche Straffheit gelernt hat und quasi den kommerziell-ökonomischen Kopf des Duos darstellt.
In rascher Folge entstanden die beiden ersten Häuser, nämlich der so genannte „Balken“ sowie das Mischek-Wohnhochhaus auf der Platte. Ersteres ist ein 180 Meter langes aufgestelztes Wohnhaus. Letzteres stellt eine Art Lehrstück dar im Umgang mit einem extrem knapp kalkulierenden Auftraggeber, ein Werk, das mit Kompromissen belastet ist, aus dem man aber den reichen Nutzen der Erfahrung ziehen durfte.
Mittlerweile sind die Architekten etwas emanzipiertere Auftragnehmer, und wenn schon nicht kompromissloser, so doch findiger in gemeinschaftlich akzeptierten und guten Auswegen aus allzu streng gerechneten Vorgaben. Ein vor kurzem fertig gestelltes Wohnhaus auf dem Wiener Paltramplatz veranschaulicht das recht gut: Die 22 Wohnungen, die hier untergebracht sind, verfügen alle über raffinierte eingeschobene Loggien, die nicht, wie anderswo, Kästchen mit Brüstung sind, sondern wie voll verglaste Terrarien den Blick auf die Stadtumgebung großzügig definieren. Dadurch ergibt sich eine neuartige, dreidimensionale Fassade, eines der Markenzeichen der Planer. Eine Photovoltaikanlage ist integrierter Bestandteil der Architektur.
Dass sie nicht nur gute Wohnbauer sind, bewiesen Delugan und Meissl mit ihrem Wiener Stadthaus in der Wiener Wimbergergasse, das mit ungeheuer komplizierten Grundrissen und auf verschiedenen Niveaus Wohnen und Arbeiten unter begrünten Dächern vereint. Dieses Konglomerat aus Funktionen und Raumhöhen wurde in diversen internationalen Medien besprochen und bis Japan publiziert. Hierzulande gelten die Architekten erstaunlicherweise trotzdem eher noch als Geheimtipp. Doch das dürfte sich nun mit einem kleineren, nichtsdestotrotz höchst prominenten Projekt in Salzburg rasch ändern.
Dort benötigt das neue Museum auf dem Mönchsberg (geplante Eröffnung Sommer 2004) eine Liftanlage, die seine Besucher von der unten gelegenen Stadt über 55 Meter Höhenunterschied auf den Berg hinauf- und wieder hinunterbefördern soll. Vor wenigen Wochen schlugen Delugan und Meissl im Rahmen eines geladenen Wettbewerbs Mitanbieter wie Zaha Hadid aus dem Rennen und wurden von einer Jury unter Vorsitz des Schweizers Luigi Snozzi zu den Siegern erklärt. Ihr Aufzugsprojekt sieht eine in sich gewundene Stahlkonstruktion vor, an der eine gläserne Kabine entlanggleitet. Wieder legte man Bedacht auf Zeiten und Epochen - in Salzburg bekanntlich kein unwichtiger Faktor - und verband gekonnt Altes mit Neuem.
Der Aufzug startet unten in einem kleinen Häuschen, das vordergründig brav die Traufenhöhe seiner Nachbarn übernimmt, die umgebenden Denkmäler allerdings insofern überlistet, als die Fassade semitransparent ausgeführt ist. Das funktioniert folgendermaßen: Ganz zuunterst ist sie blickdicht, wird allerdings nach oben hin immer transparenter, sodass die hinaufschießende Aufzugskabine bereits ab dem letzten Drittel der Fassade sichtbar wird, um dann vollends im Freien geführt zu werden. Auch die Ankunft vor dem Museum erfolgt über einen kleinen, raffinierten Kunstgriff, denn oben verläuft die stählerne Lifthalterung über einen sanfte Überhöhung, sodass die Besucher erst einen raschen Ausblick über das Museum erhalten, um dann ruhig in das Ziel, den Ausstieg, zu gleiten. Erste Bürgerversammlungen zeigten große Zustimmung für das Projekt, nur die Salzburger FPÖ maulte ein wenig, doch der tatsächlichen Umsetzung scheint nichts mehr im Weg zu stehen.
„Wir haben uns in den vergangenen zehn Jahren weiterentwickelt“, resümieren die Architekten, „doch wir wollen nicht modisch, sondern zeitgemäß sein.“ So wie die guten Architekturen in den Bond-Filmen. Die sind zwar alt, sie werden aber auch morgen noch nicht vorgestrig sein.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom