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Planet Sun & Planet Fun
Planet Sun & Planet Fun, Foto: Judith Eiblmayr
Planet Sun & Planet Fun, Foto: Judith Eiblmayr
Spectrum

Alles, was auf Erden lustig ist: das - virtuell, versteht sich - versprechen Vergnügungsreservate weltweit. Etwa das Wiener „Donau-Plex“: Freiheit der Prärie und Nervenkitzel des Dschungels - glasüberdacht und klimatisiert, inklusive Parkgarage.

13. Mai 2000 - Judith Eiblmayr
Der Begriff Entertainment Design spricht für sich selbst. Die institutionalisierte Enthemmung zu Unterhaltungszwecken findet auf allen Ebenen statt, nicht nur auf den „Park“-, „Kassa“- und „Brückenebenen“ der Vergnügungstempel, sondern auch auf jenen der Linguistik, speziell der Semantik.

Kinopolis im Donau Plex ist ein Beispiel für die superlativischen Wortkreationen, die offensichtlich notwendig geworden sind, um sich in der Dichte der in Wien erbauten Kinopaläste behaupten zu können. „Center“ ist zu einer geradezu minimalistisch anmutenden Umschreibung für den Mittelpunkt konsumorientierter Örtlichkeiten geraten, heutzutage müssen viel eher Attribute wie World, Planet oder Universum herhalten, um das Zielpublikum von den satellitenschüsselgenährten Fernsehgeräten wegzulocken.

Da sich der Kinobesuch lediglich als Appetizer für weitere Kulinarik versteht, ist die „Kinostadt“ mit ihren elf Sälen in einem neuen, ans Donauzentrum durch eine Brücke angedockten Gebäude integriert, das den Charme einer Flughafenabfertigungshalle entfaltet. Der Name Donau Plex verweist dabei nicht nur auf die Verflochtenheit mit der vorhandenen Infrastruktur, sondern auch auf die globalen Verflechtungen im Lokalangebot. Neben Altbewährtem, wie italienischem Eissalon, amerikanischem Fast- food- Restaurant und japanischem Sushi-Lokal trifft man auf selbstbewußt Österreichisches, wie die Palatschinkeninsel, aber auch auf echte Attraktionen wie zum Beispiel einen texanischen Saloon, der sich Indian dreams nennt. Fraglich, ob solch groteske Namengebung auf die Absatzsteigerung bei Feuerwasser abzielt oder die Gäste dazu animieren soll, sich nach dem Verzehr von Spareribs im nahen Sonnenstudio Planet Sun (sic!) zur Rothaut rösten zu lassen?

Auch bei der Gestaltung der Regenwald Bar wurde mit originellen Gags nicht gespart: die eingerollte Riesenschlange als Überdachung der Bar, eine Savannenszene mit Löwen, Zebras und Elefanten als Hintergrundmalerei, ein Baum mit Gesicht, der mit den Augen rollen kann - Natur pur also. Jede Menge Getier findet gemalt, modelliert oder eingebaut seinen Platz. Den wahren Eyecatcher bildet indes ein Krokodil, das alle paar Minuten das Maul aufreißt und nach den Longdrinkgläsern der Bargäste zu schnappen droht.

Wem es solcherart und nach Disney- oder Actionfilm noch nicht spaßig genug war, dem bleibt jenes Etablissement, das bislang als „Spielhölle“ in Verruf stand. Kurzerhand auf Planet Fun umbenannt, wird den Zerstreuung Suchenden klar, daß sich hier virtuell alles nachvollziehen läßt, was auf Erden wirklich lustig ist.

Dann ist das Ziel der Erfinder solcher „Freizeitträume für Frei- zeiträume“ auch schon erreicht: Die Menschen konnten aus der schrecklichen Realität, in der sie ihr berufliches oder Schülerdasein fristen müssen, „entführt und verzaubert“ werden.
G egen ein bißchen Kleingeld ist selbst die Freiheit der Prärie und der Nervenkitzel im Dschungel in der viergeschoßigen, glasüberdachten und klimatisierten Halle mitten in der Donaustadt konsumierbar (inklusive drei Stunden gratis parken in der Tiefgarage!). - Prinzipiell ist gegen derartige Vergnügungsreservate nichts zu sagen: keine Lärmbelästigung von Anrainern, der Lokalwechsel erfolgt nicht über die Straße, sondern muskelschonend über die Rolltreppe - ein absolut geschützter Bereich, wo Sicherheitsorgane die Kids unter Kontrolle haben. In Wirklichkeit werden die Jugendlichen natürlich ver führt, an einem Ort möglichst viel Geld abzulegen, und ent zaubert, denn wie soll man noch mit seinen eigenen Geschichten prahlen, wenn einem ständig ein brüllender Löwe im Nacken sitzt. Imponieren durch konsumieren ist angesagt!

Apropos Reservat: Wie Frank Stronach zweifellos bestätigen wird, ist Österreich trotz dieser jüngsten Entwicklungen und trotz Meister Hundertwassers bemühtem Spätwerk im internationalen Vergleich auf dem Gebiet der Event culture hoffnungslos unterentwickelt, selbst Afrika ist uns da weit voraus.

Bei der Jagd nach devisenbringenden Touristen wird zum Beispiel in Südafrika nicht mehr nur auf Klischees wie Wildparksafari oder Weinverkostung gesetzt, sondern gleich mit einem ganzen Königreich an Vergnügungen geworben. Sun City, Ende der siebziger Jahre in einem Homeland inmitten trockener Buschlandschaft errichtet und als Gipfel des Zynismus des Apartheidregimes geächtetes „Klein Las Vegas“, präsentiert sich nun als Africa's Kingdom of pleasure. K einen Wunsch konsumistischer Urlaubsträume läßt die in den frühen neunziger Jahren errichtete Erweiterung offen: The Lost City. Hier wird einem gar endless escapism - die Flucht vor der Realität ohne Ende - versprochen, und tatsächlich befällt einen beim Spazieren durch den Dschungel, beim Überqueren wackeliger Hängebrücken oder beim Anblick des im dezenten Stile eines indisch-maurischen Maya-Barock gehaltenen Hotel Palace das Gefühl, als Statist in einen Indi- ana-Jones-Film geraten zu sein.

Hier ist nicht nur (Gott sei Dank!) das Krokodil falsch, das in einem Tümpel am Rande des crocodile valley walk liegt, sondern die ganze Dschungellandschaft gleich dazu. Eingeflogene Pflanzen, die durch Bewässerungsanlagen zum Wuchern gebracht werden, Kaskaden aus Chlorwasser, die über als Felsen getarnte Betonbrocken plätschern, vorbei am griechischen Amphitheater und hinein ins Wellenbad, das an einen künstlichen Sandstrand mit Buschhütten und Palmen brandet - eine Apotheose des Kitsches, die einen allerdings in ihrer Perfektion und Ungeniertheit wahrlich staunen macht.
Das Erleben von gekünstelten Märchenwelten sei der Touristen größter Wunsch, Authentizität in Material oder Ort ist dabei völlig unerheblich. In Zeiten der Globalisierung wäre es wahrscheinlich kleinlich, darüber nachzudenken, ob man sich gerade in Südafrika, Los Angeles oder Ebreichsdorf befindet. Der Event -Konsument in Lost City wie Kinopolis soll das sprachlos begeisterte Kind sein. Je toller, je aufdringlicher die (Bild-)Sprache der inszenierten Örtlichkeit, desto größer die erwünschte infantile Sprachlosigkeit. Leider ist diese gleichbedeutend mit der Kommunikationslosigkeit unter Erwachsenen. Aber das macht nichts: Entertainment Design spricht für sich selbst.

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