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Flügel verliehen
Headquarter Red Bull Niederlande in Amsterdam (NL)
Auf der ehemaligen NDSM-Werft in Amsterdam sind Teile der alten Schiffsschmiede zum Sitz von Red Bull Niederlande umgewandelt worden. Der Entwurf von Sid Lee Architecture nutzt die historische Kulisse als Spielfläche für eine kontrastreich inszenierte Bürolandschaft.
1. Oktober 2012 - Robert Uhde
Im Amsterdamer Norden ist in den vergangenen Jahren die seit 1978 leer stehende NDSM-Werft sukzessive zur »MediaWharf« transformiert worden. In der riesigen Werfthalle haben sich zahlreiche Künstler niedergelassen, die ehemalige Kantine wurde als Kaffeehaus wiederbelebt. Direkt neben dem kleinen Hafen, und in Sichtweite zum Gebäude von MTV Benelux, hat zuletzt auch der österreichische Getränkehersteller Red Bull seinen neuen Hauptsitz für die Niederlande bezogen. Die ursprünglich aus dem Jahr 1927 stammende, auf Basis der alten Kubaturen und Strukturen 2010 weitgehend neu errichtete Industriehalle integriert auf einer Fläche von 875 m² eine abwechslungsreiche Bürolandschaft für rund 60 Mitarbeiter.
Bis zuletzt war Red Bull Nederland in Utrecht ansässig. 2009 hatte die Konzernleitung jedoch beschlossen, den Sitz an einen urbaneren Standort zu verlagern, der eher dem offensiv durch zahlreiche Werbekampagnen propagierten Lifestyle-Image des Unternehmens entspricht. Nach Prüfung von etwa 30 möglichen Alternativen fiel die Wahl auf die Sheddachhallen der denkmalgeschützten ehemaligen Schiffsschmiede. Aus dem begrenzten Architekturwettbewerb konnte sich schließlich der Entwurf des kanadischen Büros Sid Lee Architecture durchsetzen, das seit 2008 mehrere Architektur- und Branding-Projekte für Red Bull realisiert hat und dessen unkonventionelle Handschrift bestens zur CI des Unternehmens passt.
»Ausgehend von der besonderen Unternehmenskultur von Red Bull wollten wir ganz bewusst kein Standard-Büro schaffen«, erklärt Projektarchitekt Jean Pelland. In enger Absprache mit den Nutzern entstand stattdessen ein offen und flexibel gestaltetes Ambiente mit zahlreichen skurrilen Details und bewusster Beschränkung auf einfache, industriell anmutende Materialien wie Stahl, Glas und Holz. Um dabei ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten im Team oder allein zu ermöglichen und gleichzeitig Raum zur informellen Begegnung zu bieten, wurden zwei klar definierte Bereiche geschaffen, die durch einen zentralen Service-Kern voneinander getrennt werden. Der südliche der vier noch vorhandenen Sheddachriegel wurde gesondert ausgebaut und an eine Marketingagentur vermietet. In Richtung Norden wurde ein kompletter Riegel abgebrochen, um Platz für das noch zu errichtende, von Group A aus Rotterdam geplante Boutique Hotel zu erhalten.
Aus Alt mach Neu
Inzwischen sind die Räumlichkeiten seit rund 18 Monaten bezogen. Und auch wenn es von Weitem betrachtet so wirkt, als habe sich vor Ort kaum etwas verändert, kann von einem Altbau letztlich keine Rede mehr sein. Schließlich wurde die durch einen Brand stark beschädigte Backsteinfassade mit ihren vier dreiecksförmig nach oben zulaufenden Giebeln im Zuge des Umbaus entsprechend der vorhandenen Geometrien neu errichtet. Und ebenso wurde auch der Innenraum vollständig entkernt und durch Glas- und Trockenbauwände neu untergliedert. Zusätzlich wurden ein neuer Boden aus Betonestrich, neue Sheddächer und neue Zwischendecken sowie eine bewusst sichtbar belassene neue Lüftungsanlage für eine betont industrielle Anmutung eingefügt. Original erhalten wurden letztlich nur die verfahrbaren blauen Tore vor den Fenstern sowie ein Teil der alten Tragstruktur.
Über den Hauptzugang nach Nordwesten gelangen die Mitarbeiter zunächst in den eher informellen Teil des Gebäudes. Statt einer herkömmlich-repräsentativen Empfangssituation erwartet sie dort eine expressiv aus gefalteten und stürzenden Geometrien zusammengesetzte, dabei dreidimensional begehbare Raumskulptur mit überraschenden Perspektiven und fließendem Wechsel von Schwarz und Weiß sowie von Innen und Außen. Die von den Architekten CI-gerecht inszenierte, vom Amsterdamer Büro Fiction Factory mit einer mächtigen Stahlträgerkonstruktion sowie mit einfachen Holzplatten und einer schwarzen Stahlverkleidung errichtete Kulisse erinnert in ihrer Struktur je nach Perspektive an eine Höhlen- oder Gebirgslandschaft, an ein Schiff, an eine Skating- oder Climbing-Anlage oder an den dadaistischen Merzbau von Kurt Schwitters. Neben einer Teeküche mit Sitzecke und einem abgetrennten Konferenzzimmer beherbergt sie auch ein kleines »Kino« mit Videoleinwand. Noch attraktivere Räumlichkeiten bietet anschließend das als Mezzaningeschoss fungierende, und mit blitzförmigem Grundriss gestaltete »Dach« der riesigen Raumplastik, wo den Mitarbeitern eine bequeme Sitzecke zum Entspannen zur Verfügung steht. Über die großen Glasdreiecke in der Brüstung ergeben sich dabei ungewöhnliche Perspektiven auf‘s EG.
Flexible Arbeitswelt
Vergleichsweise funktional präsentiert sich die südlich angrenzende Bürolandschaft. Im Zentrum des Raums stehen offene Gruppenarbeitsplätze zur Verfügung, direkt angrenzend befinden sich die mit gläsernen Schiebetüren sowie mit abgehängten Zwischendecken abgetrennten Zellenbüros für die Bereiche Marketing, Finanzen, Verkauf und Leitung. »Je nach Anforderung stehen unterschiedliche Arbeitsplätze vom Einzel- bis zum Großraumbüro bereit, deren Anordnung sich bei Bedarf leicht verändern ließe«, erklärt Pelland. Zusätzliche Qualität bieten die großen, über die gesamte Gebäudetiefe reichenden Sheddach-Oberlichter, die selbst im zentralen Bereich einen optimierten Tageslichteinfall ermöglichen und damit zur hohen Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Gebäude beitragen. Zur ergänzenden Kunstlichtversorgung wurden Industrieleuchten im Großraumbüro sowie individuell steuerbare Pendelleuchten in den außen liegenden Zellenbüros integriert.
Ein wichtiges Element im Raum ist die zentral eingestellte Meeting-Box aus Glas und perforiertem schwarzem Stahl, deren asymmetrisches Schmetterlingsdach die Sheddachkonstruktion des Gebäudes zitiert. Besonders eindrucksvolle Perspektiven ergeben sich dabei am Abend, wenn die über Bodenfugen von innen her beleuchtete Raumskulptur als geheimnisvoll illuminierter Meteorit in Szene gesetzt wird. Zusätzliche Flächen bietet der zentrale Servicekern, der neben den WCs auch einen Kopierraum, einen Ruheraum sowie ein kleines Tonstudio zur Vorbereitung der verschiedenen Red-Bull-Events beherbergt.
Individuelle Möbel
Neben der Meeting-Box wurden auch zahlreiche andere Möbel individuell durch die Gestalter von Sid Lee Amsterdam entwickelt. Um dabei eine hohe Flexibilität zu ermöglichen, wurden sämtliche Elemente bewusst modular und multifunktional geplant: So lassen sich die tribünenartig angeordneten Stufen des Ruheraums gleichzeitig als riesige Schubladen verwenden. Und das riesige Wandregal im Eingangsbereich fungiert gleichzeitig als Sitzbank. »Nichts ist hier eindeutig, alles hängt von der Interpretation und Fantasie der Nutzer ab«, erklärt der Architekt das Konzept. »Auf diese Weise wollten wir die brutale Simplizität der alten Industriehalle mit der von Red Bull repräsentierten Aufforderung zur Performance verbinden.« Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente entstand eine schrille, aber stimmig umgesetzte Kulisse, die eigentümlich zwischen industriell und künstlich oszilliert und dabei in gewisser Weise tatsächlich dazu geeignet ist, den Mitarbeitern die aus der Red-Bull-Werbung bekannten Flügel zu verleihen. Zusätzlichen Reiz erhält das Ambiente durch die ebenfalls durch die Gestalter von Sid Lee Amsterdam entwickelte – und entsprechend den Markenfarben von Red Bull überwiegend in Rot- und Blautönen umgesetzte – grafische Gestaltung des Innenraums. Das durch Comic und Graffiti inspirierte Design erstreckt sich beinahe allgegenwärtig über unterschiedliche vertikale und horizontale Flächen und schafft so eine fließende Fortsetzung des expressiven Raumeindrucks im Eingangsbereich und einen gelungenen Kontrast zur sonstigen Orthogonalität der Halle. Am deutlichsten wird der rebellische Charakter der Gestaltung beim Gang auf die Toilette. Denn hier haben die Planer ein wahrhaft blasphemisches Wandmosaik mit einer Kopfhörer-tragenden Jungfrau Maria als DJane sowie mit einem fliegenden Jesus und fliegenden Red-Bull-Stieren geschaffen. Ein Hingucker in leuchtend blauen und gelben Farben, der echte Jesusfans allerdings erst mal schlucken lässt.
Bis zuletzt war Red Bull Nederland in Utrecht ansässig. 2009 hatte die Konzernleitung jedoch beschlossen, den Sitz an einen urbaneren Standort zu verlagern, der eher dem offensiv durch zahlreiche Werbekampagnen propagierten Lifestyle-Image des Unternehmens entspricht. Nach Prüfung von etwa 30 möglichen Alternativen fiel die Wahl auf die Sheddachhallen der denkmalgeschützten ehemaligen Schiffsschmiede. Aus dem begrenzten Architekturwettbewerb konnte sich schließlich der Entwurf des kanadischen Büros Sid Lee Architecture durchsetzen, das seit 2008 mehrere Architektur- und Branding-Projekte für Red Bull realisiert hat und dessen unkonventionelle Handschrift bestens zur CI des Unternehmens passt.
»Ausgehend von der besonderen Unternehmenskultur von Red Bull wollten wir ganz bewusst kein Standard-Büro schaffen«, erklärt Projektarchitekt Jean Pelland. In enger Absprache mit den Nutzern entstand stattdessen ein offen und flexibel gestaltetes Ambiente mit zahlreichen skurrilen Details und bewusster Beschränkung auf einfache, industriell anmutende Materialien wie Stahl, Glas und Holz. Um dabei ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten im Team oder allein zu ermöglichen und gleichzeitig Raum zur informellen Begegnung zu bieten, wurden zwei klar definierte Bereiche geschaffen, die durch einen zentralen Service-Kern voneinander getrennt werden. Der südliche der vier noch vorhandenen Sheddachriegel wurde gesondert ausgebaut und an eine Marketingagentur vermietet. In Richtung Norden wurde ein kompletter Riegel abgebrochen, um Platz für das noch zu errichtende, von Group A aus Rotterdam geplante Boutique Hotel zu erhalten.
Aus Alt mach Neu
Inzwischen sind die Räumlichkeiten seit rund 18 Monaten bezogen. Und auch wenn es von Weitem betrachtet so wirkt, als habe sich vor Ort kaum etwas verändert, kann von einem Altbau letztlich keine Rede mehr sein. Schließlich wurde die durch einen Brand stark beschädigte Backsteinfassade mit ihren vier dreiecksförmig nach oben zulaufenden Giebeln im Zuge des Umbaus entsprechend der vorhandenen Geometrien neu errichtet. Und ebenso wurde auch der Innenraum vollständig entkernt und durch Glas- und Trockenbauwände neu untergliedert. Zusätzlich wurden ein neuer Boden aus Betonestrich, neue Sheddächer und neue Zwischendecken sowie eine bewusst sichtbar belassene neue Lüftungsanlage für eine betont industrielle Anmutung eingefügt. Original erhalten wurden letztlich nur die verfahrbaren blauen Tore vor den Fenstern sowie ein Teil der alten Tragstruktur.
Über den Hauptzugang nach Nordwesten gelangen die Mitarbeiter zunächst in den eher informellen Teil des Gebäudes. Statt einer herkömmlich-repräsentativen Empfangssituation erwartet sie dort eine expressiv aus gefalteten und stürzenden Geometrien zusammengesetzte, dabei dreidimensional begehbare Raumskulptur mit überraschenden Perspektiven und fließendem Wechsel von Schwarz und Weiß sowie von Innen und Außen. Die von den Architekten CI-gerecht inszenierte, vom Amsterdamer Büro Fiction Factory mit einer mächtigen Stahlträgerkonstruktion sowie mit einfachen Holzplatten und einer schwarzen Stahlverkleidung errichtete Kulisse erinnert in ihrer Struktur je nach Perspektive an eine Höhlen- oder Gebirgslandschaft, an ein Schiff, an eine Skating- oder Climbing-Anlage oder an den dadaistischen Merzbau von Kurt Schwitters. Neben einer Teeküche mit Sitzecke und einem abgetrennten Konferenzzimmer beherbergt sie auch ein kleines »Kino« mit Videoleinwand. Noch attraktivere Räumlichkeiten bietet anschließend das als Mezzaningeschoss fungierende, und mit blitzförmigem Grundriss gestaltete »Dach« der riesigen Raumplastik, wo den Mitarbeitern eine bequeme Sitzecke zum Entspannen zur Verfügung steht. Über die großen Glasdreiecke in der Brüstung ergeben sich dabei ungewöhnliche Perspektiven auf‘s EG.
Flexible Arbeitswelt
Vergleichsweise funktional präsentiert sich die südlich angrenzende Bürolandschaft. Im Zentrum des Raums stehen offene Gruppenarbeitsplätze zur Verfügung, direkt angrenzend befinden sich die mit gläsernen Schiebetüren sowie mit abgehängten Zwischendecken abgetrennten Zellenbüros für die Bereiche Marketing, Finanzen, Verkauf und Leitung. »Je nach Anforderung stehen unterschiedliche Arbeitsplätze vom Einzel- bis zum Großraumbüro bereit, deren Anordnung sich bei Bedarf leicht verändern ließe«, erklärt Pelland. Zusätzliche Qualität bieten die großen, über die gesamte Gebäudetiefe reichenden Sheddach-Oberlichter, die selbst im zentralen Bereich einen optimierten Tageslichteinfall ermöglichen und damit zur hohen Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Gebäude beitragen. Zur ergänzenden Kunstlichtversorgung wurden Industrieleuchten im Großraumbüro sowie individuell steuerbare Pendelleuchten in den außen liegenden Zellenbüros integriert.
Ein wichtiges Element im Raum ist die zentral eingestellte Meeting-Box aus Glas und perforiertem schwarzem Stahl, deren asymmetrisches Schmetterlingsdach die Sheddachkonstruktion des Gebäudes zitiert. Besonders eindrucksvolle Perspektiven ergeben sich dabei am Abend, wenn die über Bodenfugen von innen her beleuchtete Raumskulptur als geheimnisvoll illuminierter Meteorit in Szene gesetzt wird. Zusätzliche Flächen bietet der zentrale Servicekern, der neben den WCs auch einen Kopierraum, einen Ruheraum sowie ein kleines Tonstudio zur Vorbereitung der verschiedenen Red-Bull-Events beherbergt.
Individuelle Möbel
Neben der Meeting-Box wurden auch zahlreiche andere Möbel individuell durch die Gestalter von Sid Lee Amsterdam entwickelt. Um dabei eine hohe Flexibilität zu ermöglichen, wurden sämtliche Elemente bewusst modular und multifunktional geplant: So lassen sich die tribünenartig angeordneten Stufen des Ruheraums gleichzeitig als riesige Schubladen verwenden. Und das riesige Wandregal im Eingangsbereich fungiert gleichzeitig als Sitzbank. »Nichts ist hier eindeutig, alles hängt von der Interpretation und Fantasie der Nutzer ab«, erklärt der Architekt das Konzept. »Auf diese Weise wollten wir die brutale Simplizität der alten Industriehalle mit der von Red Bull repräsentierten Aufforderung zur Performance verbinden.« Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente entstand eine schrille, aber stimmig umgesetzte Kulisse, die eigentümlich zwischen industriell und künstlich oszilliert und dabei in gewisser Weise tatsächlich dazu geeignet ist, den Mitarbeitern die aus der Red-Bull-Werbung bekannten Flügel zu verleihen. Zusätzlichen Reiz erhält das Ambiente durch die ebenfalls durch die Gestalter von Sid Lee Amsterdam entwickelte – und entsprechend den Markenfarben von Red Bull überwiegend in Rot- und Blautönen umgesetzte – grafische Gestaltung des Innenraums. Das durch Comic und Graffiti inspirierte Design erstreckt sich beinahe allgegenwärtig über unterschiedliche vertikale und horizontale Flächen und schafft so eine fließende Fortsetzung des expressiven Raumeindrucks im Eingangsbereich und einen gelungenen Kontrast zur sonstigen Orthogonalität der Halle. Am deutlichsten wird der rebellische Charakter der Gestaltung beim Gang auf die Toilette. Denn hier haben die Planer ein wahrhaft blasphemisches Wandmosaik mit einer Kopfhörer-tragenden Jungfrau Maria als DJane sowie mit einem fliegenden Jesus und fliegenden Red-Bull-Stieren geschaffen. Ein Hingucker in leuchtend blauen und gelben Farben, der echte Jesusfans allerdings erst mal schlucken lässt.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel