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Profil

Studium an der TU-Wien (Dipl.Ing.) und an der ETH-Zürich (Dr.sc.techn.); unterrichtet am Institut für Gebäudelehre der TU-Wien; seit 1995 im Vorstand der österreichischen Gesellschaft für Architektur; seit 2000 Vorstand der Architekturstiftung Österreich. Publikationen unter anderem „Das Wahre, das Schöne und das Richtige - Adolf Loos und das Haus Müller in Prag“, Vieweg 1989 (Neuauflage 2001); „Stilverzicht - CAAD und Typologie als Werkzeuge einer autonomen Architektur“, Vieweg 1998; „Anton Schweighofer - A Quiet Radical“, Springer 2001; „Ringstraße ist überall - Texte über Architketur und Stadt 1992 - 2007“; seit 1992 Architekturkritiker für „Die Presse“ und „Architektur & Bauforum“. Studiendekan der Studienrichtungen Architektur und Building Science an der TU Wien von 2008 bis 2023; Vorsitzender des Beirats für Baukultur im Österreichischen Bundeskanzleramt seit 2015; Kommissär für den österreichischen Beitrag zur Architekturbiennale in Venedig 2014.

Artikel

6. Juni 2015 Spectrum

Orientiert euch!

Und jetzt alle gemeinsam: Das Wiener Museum für angewandte Kunst sucht mit der Vienna Biennale nach einer neuartigen Einheit der Künste im Zeitalter der „Digitalen Moderne“. Lässt sich so die Welt verbessern? Eine Vorschau.

Wie können Kunst, Architektur und Design zur Verbesserungder Welt beitragen? Schon bei seinem Amtsantritt als Direktor des Wiener Museums für angewandte Kunst im Herbst 2011 kondensierte Christoph Thun-Hohenstein sein Konzept für die zukünftige Entwicklung des MAK auf diese knappe Fragestellung. Die Kunst-, Architektur- und Designszene nickte diese Ansage freundlich ab, erinnerte sich etwas wehmütig an Installationen wie die fliegende Dampfwalze von Chris Burden, die es nun wohl so bald nicht mehr im MAK zu sehen geben würde, und ging zur Tagesordnung über.

Seither sind vier Jahre vergangen, und das MAK hat seine Sammlung neu aufgestellt, ein neues „Design Labor“ im Keller installiert, und ein vielfältiges Ausstellungsprogramm geboten. Aus Sicht der Architektur blieb vieles in guter Erinnerung, etwa die große Retrospektive zu Hans Hollein, die Recherche über die Produktionsbedingungen für Architektur im Fernen Osten („Eastern Promises“) und zuletzt „Wege der Moderne“ über Josef Hoffmann und Adolf Loos. Dazu wurden der jüngeren Szene Möglichkeiten geboten, sich zu positionieren, etwa Soma und „Alles wird gut“ mit kleinen Einzelausstellungen.

Und die Verbesserung der Welt durch Kunst, Architektur und Design? Christoph Thun-Hohenstein hatte schon zu seinem Amtsantritt angekündigt, dass diese Frage nicht nur als Leitmotiv seines Programms zu verstehen sei, sondern als eigener Schwerpunkt mit eigenem Format unter dem Arbeitstitel „Ideas for Change: Ideen für den positiven Wandel“. Ursprünglich war an eine Triennale gedacht, letztlich entschied sich das MAK für eine Biennale, deren erste Ausgabe am 11. Juni eröffnet wird.

Die Vienna Biennale ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Sie ist weltweit die einzige Mehrsparten-Biennale, in der Kunst, Architektur und Design gemeinsam thematisiert werden. Und sie hat ein klares inhaltliches Programm, das zwei Zukunftsfragen der Menschheit in den Mittelpunkt stellt: die Überbeanspruchung des Planeten Erde und die Digitalisierung des Lebens mit ihren positiven wie negativen Folgen. Im 250 Seiten starken Katalog zur Biennale, der um zehn Euro zu erstehen sein wird, sprechen die Autoren von einer „Digitalen Moderne“, die einen „radikalen Einstellungswandel sowohl in den reichen Industrieländern als auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern erfordert“. Zugleich bedürfe es, da „auch die Kreativsparten immer stärker im Sinne herkömmlichen Wachstums instrumentalisiert wurden, zu ihrer Erneuerung einer Kreativitätsreform“. Ansätze dafür seien bereits zu erkennen: „In Design und Architektur wird positiver Wandel immer mehr zum Kernthema, und auch die bildende Kunst findet Wege, zur Verbesserung der Welt beizutragen, ohne deshalb gleich ,angewandt‘ zu werden.“ Eine nachhaltige Überwindung der ökonomischen Eigeninteressen und der Selbstbezogenheit der Sparten werde aber erst möglich, wenn „sich Kunst, Design und Architektur zu einer neuartigen Einheit der Künste verbinden“.

Diesem hohen Anspruch folgend, ist die Vienna Biennale ein Großprojekt geworden, an dem zahlreiche Institutionen beteiligt sind. Ausstellungsorte sind neben dem MAK auch die Kunsthalle Wien und die Universität für angewandte Kunst sowie der öffentliche Raum, der mit Installationen und im Rahmen eines Performing Public Art Festivals bespielt wird. Thun-Hohenstein hat vier internationale Kuratorinnen und Kuratoren eingeladen, das Programm zu gestalten. Maria Lind, Direktorin der Tensta Konsthall in Stockholm, zeigt unter dem Titel „Future Light“ im MAK eine Gruppenausstellung und in der Kunsthalle Wien filmische Installationen von Pauline Boudry und Renate Lorenz. Pedro Gadanho, Kurator für zeitgenössische Kunst des MoMa in New York, präsentiert Projekte zum „Taktischen Urbanismus“ in sechs Weltmetropropolen, Mumbai, Istanbul, New York, Rio de Janeiro, Hongkong und Lagos. Peter Weibel wirft im MAK einen Blick auf eine Stadt des ehemaligen Ostblocks: „Mapping Bucharest: Art, Memory, and Revolution 1916–2016“. Harald Gründl, Vorstand des Instituts für Design Research in Wien, hat zehn Projekte initiiert, die sich mit zukünftigen Entwicklungen in den Bereichen Mobilität, Arbeit, Geld, Gesundheit, Wohnen, Versorgung, Gastfreundschaft, Bildung, Konsum und Unterhaltung im Kontext des städtischen Alltags befassen: „2051: Smart Life in the City“.

Gezeigt werden die Projekte einerseits in einer Zusammenschau im MAK, bei der die Milliardenstadt Hypotopia, die vergangenes Jahr von Studierenden der Technischen Universität Wien vor der Karlskirche als Modell aufgebaut wurde, als roter Faden dient, und andererseits an mehreren Standorten im öffentlichen Raum, an denen „Demonstratoren“ zu den Projekten aufgebaut werden. Um die Zukunft der Arbeit unter den Bedingungen der „Digitalen Moderne“ geht es in den von Marlies Wirth unter dem Titel „24/7“ kuratierten Kunstprojekten in der MAK Galerie und in einem vom Biennale Circle mit Erwin Bauer gestalteten Ausstellungsmanifest im Obergeschoß der Säulenhalle.

Mit einem konkreten Baublock in der Seestadt Aspern befasst sich ein Wettbewerb,bei dem sieben vom Direktor des AzW, Dietmar Steiner, ausgewählte internationale Architekturbüros – Kempe Thill, Bevk Perović, Gino Zucchi, Helen & Hard, Hild und K, Lacaton & Vassal und von Ballmoos Krucker –eingeladen wurden, alternative Herangehensweisen der Stadtentwicklung zu erproben, insbesondere in Bezug auf die Nutzungsoffenheit der Strukturen. Gezeigt werden diese Projekte ab 12. Juni im Architekturzentrum Wien.

Wie weit die Vienna Biennale ihre hohen Ansprüche einlösen kann, und ob sie dabei auch die erhoffte internationale Wirkung erreicht, werden die nächsten Monate bis Anfang Oktober zeigen. Die Besucher auf das Format einer Biennale einzuschwören, bei der die „neuartige Einheit der Künste“ vor allem dann erlebt wird, wenn man sich ein paar Tage Zeit nimmt, wird vielleicht noch nicht beim ersten Mal gelingen. Der Schritt eines Museums, sich das scheinbar Unmögliche, nämlich die Verbesserung der Welt durch die Künste, zur Aufgabe zu machen, hat jedenfalls Respekt verdient.

Aber ist das nicht alles doch etwas zu gutmenschenmäßig? Sollten wir uns nicht doch an Stéphane Hessels Empfehlung „Empört Euch!“ halten? Die Botschaft der Vienna Biennale ist anders: Orientiert euch! Und sucht den Punkt, von dem aus ihr wirksam zu einer Verbesserung der Welt beitragen könnt.

Das könnte in Österreich aus aktuellem Anlass die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen sein, die derzeit von baurechtlichen Erlässen und dem taktischen Aufbau von Zeltlagern dominiert wird. Die elende Fantasielosigkeit, mit der hier auf fast allen Ebenen agiert wird, ist beschämend. Eine „digitale Moderne“ sollte diese Aufgabe wohl anders bewältigen können, durch bessere Kommunikation und Planung, durch Architektur und Design und nicht zuletzt durch eine Kunst, die sich vielleicht als „zugewandt“ deklarieren könnte.

9. Mai 2015 Spectrum

Mut zur Mücke

Ein Bauplatz am Ende der Stadt, ein Bauherr, dem es vor allem um die Rendite ging: Wie dem Architektenteam Querkraft unter schwierigen Bedingungen ein besonderes Projekt gelingen konnte.

Eine Preisfrage für alle, die glauben, Wien zu kennen: Welche Station der U-Bahnlinie U1 liegt zwischen den Stationen Rennbahnweg und Großfeldsiedlung? Selbst für Bewohner des 21. Bezirks ist es keine Schande, die Antwort nicht zu wissen. Im Unterschied zu den beiden nach berühmt-berüchtigten Großsiedlungen aus den 1970er-Jahren benannten Stationen ist die Station Aderklaaer Straße ein Zwischenstopp im gemischt genutzten Baugebiet, wo Industrie, Handel und Gewerbe dominieren.

Für das an die Station anschließende, unbebaute Grundstück im Ausmaß von 30.000 Quadratmetern begann durch die Ankündigung des U-Bahnbaus Ende der 1990er-Jahre ein neues Zeitalter. Erste städtebauliche Konzepte datieren ins Jahr 2000. Heute befinden sich hier eine Shoppingmall mit 20.000 Quadratmetern sowie rund 1200 Miet- und Eigentumswohnungen, die zum einen Teil in zwei Hochhäusern mit jeweils 100 und 80 Metern Höhe, zum anderen Teil in einer achtgeschoßigen Blockrandverbauung und in gleich hohen, kompakten Wohnblöcken untergebracht sind. Das Dach der Shoppingmall ist begrünt und für die Bewohner zugänglich, um das nicht gerade üppige Grünflächenangebot in der Umgebung ein wenig zu kompensieren.

Ursprünglich hieß das Areal Brachmühle. Der neue Name Citygate ist so generisch wie die Shoppingmall, deren Angebot kaum mehr bietet als eine Untermenge des nur drei Stationen entfernten Donauzentrums. Nur beim Namen des zweiten Turms blitzt unfreiwillig Originalität auf: Unter Bezugnahme auf den alten Ortsnamen Leopoldau heißt er Leopoldtower, was sich auf Wienerisch nur als Leopoldauer aussprechen lässt und am besten auf Leopoldauertower erweitert werden sollte.

Architektonisch originell sind nur die beiden von Querkraft geplanten Wohnhochhäuser, von denen das erste gerade bezogen wird. Schon von Weitem fällt dieses Haus durch seine plastisch gestaltete Fassade auf, die mit einfachsten Mitteln einen einprägsamen visuellen Effekt erzielt. Erstens werden die umlaufenden schmalen Balkone in regelmäßigen Abständen halbkreisförmig auf über zwei Meter Tiefe erweitert. Zweitens werden diese Balkone nicht exakt übereinander gestapelt, sondern pro Geschoß leicht verschoben, sodass eine Wellenbewegung mit einemkontinuierlichen Verlauf über die gesamte Fassade entsteht. Und drittens werden auch die Balkongeländer – einfache „Zaunlatten“ aus Aluminium, wie sie als Massenprodukt für Gartenzäune gefertigt werden – in Bewegung gebracht: Dort, wo die Balkone tiefer werden, verdichten sich die Abstände zwischen den Latten, während die Höhe dieser Stäbe gleichzeitig ansteigt.

Auch im Grundriss hat dieses Hochhaus mit einer Innovation aufzuwarten, die von den Architekten als „vertikale Dorfstraße“ bezeichnet wird. Auf der nach Norden gerichteten Schmalseite des Turms liegen keine Wohnungen, sondern gemeinschaftlich nutzbare Räume, von der Waschküche bis zu Kinderspielräumen, und einige allgemein zugängliche Terrassen. Die Lifttüren öffnen sich auf jedem Geschoß zu diesen Räumen, die zum Gang hin verglast sind. Im Unterschied zu einem normalen Hochhaus, bei dem man erst in der Wohnung spürt, auf welcher Höhe man sich befindet, gibt es das Höhenerlebnis und damit eine vertikale Orientierung hier in dem Moment, in dem man aus dem Lift heraustritt und – je nach Höhe – mehr oder weniger weit in die transdanubische Landschaft blickt. Für dieses Erlebnis wurde auf ein paar nordseitige Wohnungen verzichtet, was durch die sonst hohe Effizienz des Grundrisses möglich war. Das Tragsystem ist ökonomisch und bietet für die Wohnungsteilung eine hohe Flexibilität. Die Wohnungen sind gut geschnitten, die Fenster nicht übermäßig breit, aber bis zum Boden geführt, was die Räume in Kombination mit dem umlaufenden Balkon erweitert. Wo immer möglich, bietet sich schon von der Wohnungstür aus ein Blick über ein gegenüberliegendes Fenster ins Freie, eine Maßnahme, die nichts kostet, aber bei jedem Betreten der Wohnung Freude macht.

Die Idee, im Hochhaus die Vertikale zu inszenieren, hat Querkraft bis ins Detail durchgezogen. Auf jeder Etage gibt es vor denLiften eine kleine Grafik und einen Text, der die Höhe mit einer Geschichte verbindet: im ersten Geschoß die Höhe einer Giraffe mit sechs Metern, im achten Geschoß das Brandenburger Tor mit 26 Metern, im 31. Stock die New Yorker Freiheitstatue mit 93 Metern, und ganz oben, im 34. Stock, wird auf die maximale Flughöhe von Stechmücken mit 100 Metern Bezug genommen.

Ähnliches leistet Heimo Zobernigs Kunst-am-Bau-Projekt, das auf eine Umfrage zurückgeht, welche Farben Menschen mit emotional besetzten Begriffen assoziieren. Für denCitygate-Tower wurde die Verteilung zum Begriff Geselligkeit gewählt, bei der Orange mit 25 Prozent dominiert, und als Leitfarbe für die Geschoße verwendet. Diese ist von außen im Schlitz zu sehen, den die vertikale Dorfstraße an der Nordseite ins Hochhaus schneidet, und in den Erschließungsgängen zu den Wohnungen.

Bauherr der Türme und eines Teils der sonstigen Wohnungen ist die Stumpf AG des Investors Georg Stumpf, der mit dem Millenniumstower und der anschließenden Mall ein Vermögen gemacht hat, das ihm 2005 den Kauf des Areals ermöglichte. Die Ausschlachtung eines Projekts bis zum einträglichen Maximum ist sein Markenzeichen. Ein erstes, von Frank und Partner entworfenes Projekt, das diesem Prinzip bedingungslos huldigte, scheiterte mehrfach am Fachbeirat für Stadtgestaltung, dem jedes Hochhaus vorzulegen ist, und vor allem am Grundstücksbeirat, der über die Wohnbauförderung entscheidet. Unter dem Vorsitz von Dietmar Steiner schickte der Beirat das Projekt so lange in die Warteschleife, bis 2010 ein neues städtebauliches Verfahren erfolgte und Stumpf den Auftrag an Querkraft übertrug. Dass auch Querkraft zu kämpfen hatte, zeigen acht Zentimeter dünne Gipskartonwände in den Wohnungen und manche Details, wo mit wenig Geld Architektur statt Improvisation hätte entstehen können.

Das Ergebnis ist ein Teilerfolg in der Kanalisierung von Privatkapital in verträglichen Wohnbau mit öffentlicher Förderung. Die Kompromisse und Kämpfe sieht man dem Projekt an, etwa, wo der Turm mit dem banalen Wohnbauriegel zusammenstößt, den Frank und Partner am Ende bauen durften. In 50 Jahren wird man fragen, wie eine Epoche zu solcher Schizophrenie fähig war.

11. April 2015 Spectrum

Luftschiffe im Hinterhof

Wien wächst auch durch innere Verdichtung. Ein Ausflug nach Simmering, Mautner-Markhof-Gründe. In die Zukunft des städtischen Wohnbaus?

Simmering gilt nicht unbedingt als die feinste Gegend von Wien. Für die Bewohner Döblings beginnt hier der Osten, der Balkan, die Steppe. Allerdings ist dieser Osten durch den Bau der U-Bahnlinie U3 inzwischen nahe ans Zentrum gerückt: Von der Station Wien Mitte ist man in nur neun Minuten am Enkplatz in Simmering.

Wer sich für die Stärken und Schwächen des aktuellen Wiener Wohnbaus interessiert, ist gut beraten, diese kurze Fahrt anzutreten. Hier sind auf dem Areal der ehemaligen Mautner-Markhofschen Fabrik in den letzten zwei Jahren rund 900 neue Wohnungen entstanden, in der Werbesprache der Stadt ein „neuer Stadtteil“, streng genommen eher ein großes Implantat, das sich in die bestehende Bebauung einfügen muss.

Das städtebauliche Konzept stammt vom Büro Hermann und Valentiny mit Peter Podsedensek. Es ist das Ergebnis eines Wettbewerbs aus dem Jahr 2007 und sieht eine große Fußgängerachse vor, die von der Simmeringer Hauptstraße, also von der U-Bahnstation am Enkplatz, durch das Grundstück bis zur Mautner-Markhof-Gasse führt und dabei einen Platz durchquert, der das urbane Zentrum des „neuen Stadtteils“ bilden soll, neben einem niedrigen, villenartigen Altbestand, der teilweise denkmalgeschützt ist. An beiden Enden der Fußgängerachse verdichtet sich die Bebauung und passt sich dem Blockrand an, während in der Mitte eine lockere Struktur mit frei stehenden Baukörpern entsteht, die relativ tief sind und über zentrale Lichthöfe erschlossen werden.

Die Umsetzung dieses konventionellen, aber in sich schlüssigen städtebaulichen Konzepts zeigt eine Schwäche des Systems auf, mit dem in Wien auf dieser Maßstabsebene Stadtplanung betrieben wird. Im städtebaulichen Wettbewerb müssen die Planer nicht nur eine Baumassenstudie liefern, sondern bereits eine detaillierte Aussage über die vorgesehenen Grundrisstypologien und Freiräume. Das hat seine Berechtigung, ist aber niemals durch das Honorar gedeckt, das für städtebauliche Wettbewerbe bezahlt wird. Im konkreten Fall betrug das Preisgeld für die acht geladenen Planer je 7000 Euro. Kompensiert wird dieses garantierte Verlustgeschäft durch die inoffizielle Zusage, dass der Gewinner gemeinsam mit einem Bauträger am folgenden Bauträgerwettbewerb teilnehmen darf – und dabei als sogenannter Fixstarter nicht mehr verlieren kann.

Diese eigenartige Vorstellung von Wettbewerb hat Konsequenzen, die man auf den Mautner-Markhof-Gründen besichtigen kann. Der Bauträger Wien Süd, der das gesamte Areal erworben hatte, beauftragte als Fixstarter das Team Hermann, Valentiny und Podsedensek mit dem großvolumigen Bauteil an der Simmeringer Hauptstraße und für das Pendant am anderen Ende der Achse ein weiteres Team aus dem städtebaulichen Wettbewerb, Harry Glück und Atelier4. Die frei stehenden Baukörper dazwischen wurden an andere Bauträger vergeben. Dabei kam auf einem Baufeld mit Rüdiger Lainer für den Bauträger Wiener Heim ein weiterer Teilnehmer aus dem städtebaulichen Wettbewerb zum Zug, die zwei restlichen Baufelder wurden durch die Architekten Tillner und Willinger für das Österreichische Siedlungswerk und Geiswinkler und Geiswinkler für Neues Leben geplant.

Nicht zuletzt diese Konstellation erklärt das beachtliche Qualitätsgefälle der Anlage. Die großvolumigen, vom Bauträger Wien Süd entwickelten Teile sind Massenware: rein pragmatisch der Wohnblock von Harry Glück, als große Geste inszeniert der Bauteil von Hermann und Valentiny an der Simmeringer Hauptstraße. Die Maschinenästhetik von Hermann und Valentiny, schon immer eine Art Parodie auf die russische Revolutionsarchitektur, ist hier unangemessen monumental und im Detail schlecht umgesetzt. Auch das Freiraumkonzept von Jakob Fina, das an der Hauptachse klassische Motive von Straße und Platz zitiert, wird der spezifischen Situation eines großen, etwas wilden und potenziell geheimnisvollen Hinterhofs nicht gerecht. Das Ergebnis ist paradox: überinszeniert und trotzdem langweilig.

Innovation findet man allerdings in den frei stehenden Wohnbauten, die den vorgegebenen Typus des kompakten Blocks mit zentraler, von oben belichteter Erschließungshalle sehr unterschiedlich interpretieren. Bei Rüdiger Lainer wird aus der Halle eine geschoßweise Begegnungszone mit hoher Aufenthaltsqualität: Blick ins Freie und wenige Vertikalverbindungen. Die Halle bei Tillner und Willinger ist an sich ein großzügigeres Treppenhaus, das allerdings im Erdgeschoß und ersten Stock geschickt mit den Sozialräumen des Hauses verbunden ist.

Die überzeugendste Interpretation des Typus liefern Geiswinkler und Geiswinkler. Ihre Halle ist ein mehrgeschoßiger, heller Aufenthaltsraum mit Stiegenläufen, für die man gerne darauf verzichtet, den Lift zu benutzen. Im Unterschied zu den beiden anderen Variationen des Typus, denen man von außen ihren Passivhaus-Standard deutlich anmerkt, schweben die Häuser von Geiswinkler und Geiswinkler wie Luftschiffe im Hinterhof, mit verglasten Ecken und umlaufenden Balkonen, deren Brüstungen aus fein gelochtem Aluminiumblech in der Sonne blitzen. Die tiefen, raffiniert gestaffelten Ausbuchtungen der Balkone sind echte Sommerwohnzimmer, mit Pflanztrögen und Rankgerüsten aus Metall. Alle Details passen, auch solche, die man nicht sieht: Die Entwässerung der Balkone, sonst meist außen in Rohren geführt, wird man an dieser Fassade vergeblich suchen.

Eine besondere Qualität des Projekts ist die Freilegung der Kellergeschoße, die durch das leicht abfallende Gelände begünstigt wird. Zwischen den drei identischen Baukörpern entsteht so eine Gemeinschaftszone, die an einem Ende einen Kindergarten aufnimmt, am anderen einen großen Veranstaltungssaal und unter dem mittleren Baublock eine offene, aber überdachte Spielfläche. Die hervorragende Gartenarchitektur stammt von Auböck und Kárász, die beweisen, dass es auch ohne den Maschendrahtzaun geht, der in diesem „neuen Stadtteil“ die meisten Parzellen voneinander trennt.

Alle, die über die Zukunft des Wiener Wohnbaus zu entscheiden haben, sollten sich diese Architektur genau ansehen. Dem aktuellen Kostendruck kann man vom heute erreichten Qualitätsniveau aus durch typologische und technische Innovationen und durch Durchforstung von Normen und Regulierungen begegnen. Oder dadurch, dass man sich von den Pragmatikern 30 Jahre in die Vergangenheit katapultieren lässt.

21. März 2015 Spectrum

Was muss hier brennen?

In Frankfurt brennen zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank fürs Erste die von Demonstranten angezündeten Autos. Ist dieser Turm ein Symbol für Europas Zukunft?

In der Finanzkrise ducken sich auch die guten Banken lieber weg. Wer Geld beim Staat aufnehmen muss, um seine Liquidität zu sichern, gibt sich besser bescheiden. Pläne für neue „Headquarters“ kommen gerade in solchen Phasen schlecht an, selbst wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Als die Erste Bank 2008 den Wettbewerb für ihre neue Zentrale am Wiener Hauptbahnhof durchführte, geschah das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Über den Entwurf der Architekten Henke und Schreieck, der den Wettbewerb gewann, konnte damals praktisch nicht berichtet werden, da weder Visualisierungen noch Pläne des 300-Millionen-Euro-Projekts freigegeben wurden.

Die Europäische Zentralbank hat mit 1,3 Milliarden Euro rund das Vierfache gekostet, und sie wäre wohl kaum in dieser Form realisiert worden, hätte der Wettbewerb für das Projekt nicht schon im Jahr 2004 stattgefunden, als von einer Finanzkrise noch nichts zu bemerken war. 2004 hatten die Europäischen Staatschefs in Rom gerade den Entwurf jener Unionsverfassung unterzeichnet, die im Jahr darauf an Referenden in Frankreich und in den Niederlanden scheitern sollte. In der kurzen Phase der EU-Euphorie, die diese Entwicklung begleitete, beschloss die EU gleich zwei neue Headquarters für ihre zentralen Organe zu errichten: Der Europäische Rat und der Rat der EU sollten ein neues, gemeinsames Gebäude in Brüssel erhalten, die Europäische Zentralbank eines in Frankfurt. Die übrigen vier Organe – Kommission, Parlament, Rechnungshof und EU-Gerichtshof – waren baulich bereits gut versorgt. Aus Anlass der Verfassungsgebung ein neues Parlament zu errichten – wie das in vielen Nationalstaaten der Fall war – wäre in der EU keine gute Idee gewesen: Mit den Parlamentsbauten in Straßburg und Brüssel leisten wir uns ja bereits zwei aktive Parlamentsstandorte mit Transferkosten von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Vom dritten Plenarsaal in Luxemburg, der nur einige Jahre in Betrieb war, wird heute lieber nicht mehr gesprochen.

Dass die Europäische Zentralbank zu einem Symbol für den Zusammenhalt der Europäischen Union wurde, ist ebensowenig Zufall wie ihr Standort. Die Einführung des Euro und damit die Aufgabe der Deutschen Mark waren der Preis, den Deutschland für die Wiedervereinigung zu leisten hatte. Obwohl zahlreiche Ökonomen die Einführung der gemeinsamen Währung für verfrüht hielten, behielten die politischen Argumente die Oberhand. Immerhin bekam die EZB ihren Sitz in Frankfurt, dem Finanzzentrum Deutschlands, um dem Euro ein wenig von der Aura der Deutschen Mark mitzugeben.

Der Turm der EZB ist daher weniger ein Monument des Kapitals als vielmehr ein Monument der Europapolitik. Wer hier aus österreichischer Perspektive eine Entsprechung sucht, kann sie im Projekt für die Nationalbank der k. u. k. Monarchie, der Österreichisch-Ungarischen Bank, finden, in deren Druckereigebäude am Otto-Wagner-Platz bis heute die Oesterreichische Nationalbank untergebracht ist.

1911 konnte der Wagner-Schüler Leopold Bauer, der sich zu diesem Zeitpunkt schon von seinem Lehrer entfremdet und dem Neoklassiszismus zugewandt hatte, den Wettbewerb für ein monumentales Zentralbankgebäude an der Alser Straße für sich entscheiden, das mit einem fast 100 Meter hohen, pyramidenförmigen gekrönten Turm als Symbol für die k. u. k. Monarchie als supranationale Einheit gedacht war. Begonnen wurde der Bau mit dem Druckereitrakt, einem schlichten Industriebau, der mit der Bank über eine Brücke verbunden gewesen wäre. 1917 stand dieses Gebäude im Rohbau und wurde von 1923 bis 1925 zum Verwaltungsbau der Nationalbank umgestaltet, dessen Dimension dem geschrumpften Österreich entsprach. Statt dem monumentalen Turm findet sich heute eine lieblos gestaltete Grünfläche, die sinnigerweise Ostarrichi-Park heißt.

Der Europäischen Zentralbank ist ein solches Schicksal erspart geblieben, da alle wesentlichen Entscheidungen noch vor der Finanzkrise gefällt wurden. Für den Standort östlich außerhalb des Bankenviertels, in dem die EZB bisher untergebracht war, hatte man sich bewusst entschieden, um den Unterschied zwischen der Zentralbank und den anderen Banken hervorzuheben. Auf dem Areal am Main, das für das Projekt zur Verfügung stand, befand sich eine denkmalgeschützte Großmarkthalle, 1928 nach einem Entwurf von Martin Elsaesser errichtet.

Die Halle, mit 250 mal 50 Metern zur Bauzeit eines der größten Gebäude der Welt, liegt in der Mitte des annähernd quadratischen, 300 mal 300 Meter großen Grundstücks und musste in den neuen Komplex integriert werden. Das Ergebnis ist sicher eines der markantesten und schönsten Hochhäuser der Welt. Wer von Coop Himmelb(l)au und den Tragwerksplanern Bollinger und Grohmann dekonstruktivistische Collagen erwartet, wird von der disziplinierten und trotzdem mysteriösen Geometrie des Turms überrascht sein, der eigentlich aus zwei durch eine Halle miteinander verbundenen Türmen besteht. Die seitlichen Außenflächen sind sogenannte HP-Flächen, doppelt gekrümmte hyperbolische Paraboloide, die aus geraden Elementen konstruiert werden können. Da die beiden Türme leicht gegeneinander verschoben sind und das Gesamtgebäude keinen horizontalen oberen Abschluss hat, sondern einen schräg angeschnittenen, bietet es aus unterschiedlichen Blickrichtungen jeweils ein völlig anderes Erscheinungsbild: kompakt und fast wuchtig in der Ostansicht, schlank und dynamisch in der Westansicht vom Stadtzentrum aus.

Die besondere typologische Innovation des Turms ist die innere Halle, die in mehrere bis zu 60 Meter hohe vertikale Abschnitte geteilt ist. Auf den Zwischenebenen halten offen geführte Expresslifte, in jedem der beiden seitlichen Bürotürme gibt es weitere Liftgruppen, die über die Halle zugänglich sind. Wer von einem Bürogeschoß in ein anderes wechseln möchte, betritt dafür zuerst die Halle, statt einfach von einem identischen Bürogeschoß in ein anderes katapultiert zu werden.

Das ist eine Veränderung der Alltagsdramaturgie, die nicht gering zu schätzen ist. Einzelne Stege zwischen den beiden Bürotürmen stellen weitere Verbindungen zwischen bestimmten Abteilungen her. Zusätzliche, der Stabilisation der beiden Türme dienende Stahlträger laufen schräg durch den Raum. Die Glaswände, die beiderseits die Atrien nach außen abschließen, sind konstruktive Meisterwerke mit einem markanten Knick in der Mitte, der Bewegungen der Fassade abfedert.

Der Turm steht seitlich neben der mit großem Aufwand restaurierten Markthalle. Sie wurde durch Einbauten in ein Konferenzzentrum verwandelt und bildet auch den Hauptzugang zum Gebäude. Hier entsteht tatsächliche eine Collage zwischen Alt und Neu: Ein horizontaler Trakt durchschneidet die Halle schräg und verfällt dabei in eine heftige Krümmung, die sich über den Eingang schiebt. Dahinter entwickelt sich eine gut rhythmisierte Raumfolge, die schließlich in das erste, unterste Atrium des Turms führt. Frei zugänglich ist nur ein kleiner Teil des Areals, dessen Außenanlagen von Günther Vogt gestaltet wurden. Das Konferenzzentrum ist ein zumindest halböffentlicher Bereich, hinter dem dann die Hochsicherheitszone des Turms beginnt.

Wer dieses Gebäude als Inbegriff all dessen interpretiert, was in der Europäischen Union falsch läuft, wird es von Herzen hassen. „Architektur muss brennen“, haben Coop Himmelb(l)au vor vielen Jahren gefordert, und vielleicht wird dieses Gebäude in einigen Jahren tatsächlich in Flammen aufgehen. Es ist teuer, dominant und elitär. Es könnte aber auch ein Symbol für den Versuch werden, Rationalität und Leidenschaft miteinander in Verbindung zu bringen, sich in einem vereinten Europa große, schwer erreichbare Ziele zu setzen und dabei erfolgreich zu sein. Wofür dieses Gebäude am Ende steht, werden die nächsten Jahre entscheiden.

14. Februar 2015 Spectrum

Kann das gesund sein?

Die Rezepte und ein paar Zutaten vom Spitzenkoch, zubereitet wird bei der Fastfoodkette. Wenn der Architekt seine Schuldigkeit getan hat: das Private-Public-Partnership-Modell.

Es wird der wichtigste Kulturbau sein, den die Stadt Wien in eigener Verantwortung seit über 50 Jahren realisiert: die Erweiterung des Wien Museums am Karlsplatz. Noch heuer soll der Wettbewerb über die Bühne gehen, bis Jahresende könnte ein Generalplaner feststehen, der das Projekt vom Entwurf bis zur künstlerischen Oberleitung betreut, inklusive aller nötigen Zwischenschritte wie Ausführungs- und Detailplanung. Es ist das Modell, das große öffentliche Bauherren wie die Bundesimmobiliengesellschaft seit Jahrzehnten erfolgreich praktizieren. Doch Wien ist anders: Das Museumsprojekt soll „PPP-tauglich“ sein, also eventuell im Rahmen eines sogenannten Private-Public-Partnership-Modells realisiert werden. In diesem Fall – so erklären die juristischen und wirtschaftlichen Berater der Stadt Wien – könne den Siegern des Wettbewerbs nur eine Beauftragung von Entwurfs- und Einreichplanung und einigen Leitdetails garantiert werden. Alle weiteren Planungsstufen müssten vom privaten Partner verantwortet werden. Den Architekten könnte nur eine Beraterrolle auf der Seite der Stadt eingeräumt werden, aber keine Verantwortung für die finale Detailplanung und künstlerische Oberleitung.
Was treibt die Stadt Wien dazu, sich auf ein Verfahren einzulassen, das man mit dem Versuch vergleichen könnte, für ein Festessen (also das Museum) das Rezept (den Entwurf) und ein paar ausgewählte Zutaten (die Leitdetails) in einem Spitzenrestaurant einzukaufen und dann die Zubereitung einer Fastfoodkette zu überlassen. Ob unter diesen Bedingungen internationale Spitzenarchitekten, für die eine weitgehende Kontrolle über ihre Projekte selbstverständlich ist, überhaupt am Wettbewerb teilnehmen werden, ist fraglich.

Woher kommt die Motivation der Stadt, sich auf dieses Risiko einzulassen? Die Antwort führt in einen Dschungel volkswirtschaftlicher und juristischer Sachzwänge, die ihren Ausgangspunkt bei der Lage der öffentlichen Finanzen haben. Dazu kommt die ideologisch belastete Frage, ob die öffentliche Hand oder private Unternehmen besser mit dem Geld der Steuerzahler umgehen. Die Idee von PPP-Modellen stammt nicht zufälligerweise aus Großbritannien, wo Tony Blairs New Labour nach ihrem Wahlsieg 1997 die Idee eines Dritten Wegs propagierte, der eine stärkere Beteiligung privater Investoren an öffentlichen Aufgaben vorsah, als Partnerschaft, im Unterschied zur radikalen Privatisierung der Thatcher-Ära. Bis zu 20 Prozent günstiger – so lautete das Versprechen – könnten Projekte werden, wenn sie der trägen Beamtenschaft entzogen und agilen Privaten übertragen werden.

Die Realität sah freilich anders aus. Ein Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments kam 2011 zum Ergebnis, dass Nachforderungen der Investoren die Regel sind. Zu einer ähnlich kritischen Haltung kam 2014 der Deutsche Bundesrechnungshof, der mittels PPP errichteten Autobahnprojekten Mehrkosten in Milliardenhöhe im Vergleich zu einer öffentlichen Umsetzung attestierte. Befürworter des Modells sprechen von einzelnen Negativbeispielen und sehen den zentralen Vorteil von PPP in der höheren Kostenwahrheit, da der Private einen realistischen Fixpreis zusagen muss. Öffentliche Auftraggeber würden stattdessen oft mit zu niedrigen Budgets in ein Projekt starten und danach nicht die Kosten minimieren, sondern ihren Arbeitsaufwand und ihr politisches Risiko.

Die anhaltende Attraktivität von PPP-Projekten hat freilich andere Gründe: Im PPP muss sich die öffentliche Hand nicht in der Höhe der Projektkosten verschulden, sondern für eine Zeitspanne von 20 bis 30 Jahren ein jährliches Nutzungsentgelt zahlen, wobei das Objekt am Ende in den Besitz der Stadt übergeht. Mit dieser Konstruktion belastet das Projekt die öffentliche Verschuldung Österreichs, zu deren Beschränkung auf 60 Prozent des BIP sich die Republik im Rahmen des Euro-Stabilitätspakts verpflichtet hat, nur im Rahmen der Jahresrate.

Gemessen wird dieser Wert von der Statistik Austria nach Regeln, die von ihrem Äquivalent auf EU-Ebene, der Eurostat, vorgegeben werden und im europäischen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 2010) ihren rechtlichen Rahmen haben. Diese Regeln zielen darauf ab, Scheinkonstruktionen, bei denen sich die öffentliche Hand der Privaten nur bedient, um die Schuldenbremse zu umgehen, von „echten“ PPP-Projekten zu unterscheiden. Zentrales Kriterium ist das Risiko, das der Private übernimmt. Dabei müssen drei Risken eindeutig dem Privaten zugeordnet werden: das Baukostenrisiko, das Verfügungsrisiko und das Finanzierungsrisiko. Der letzte Punkt bedeutet, dass die öffentliche Hand für die Kredite des Privaten nicht haften darf; der zweite, dass Zeitverzögerungen zu Lasten des Privaten gehen; und der erste, dass Baukostenüberschreitungen nicht an die öffentliche Hand weitergegeben werden dürfen.
An diesem Punkt setzt die verzwirbelte Kette der Sachzwänge an, wie sie die Berater der Stadt argumentieren. Wird der Private dazu verpflichtet, die Architekten aus dem Wettbewerb weiter zu beauftragen, könnte der Umstand eintreten, dass der Private eine Baukostenüberschreitung auf eine fehlerhafte Ausführungsplanung der Architekten zurückführt und die Mehrkosten der öffentlichen Hand zu verrechnen versucht, die ihn ja „gezwungen“ hat, diese Planer zu beauftragen. Dieser Fall ließe sich zwar vorab in einem Vertrag zwischen der Stadt und dem Privaten explizit ausschließen.
Allerdings könnte eine solche Regelung in einem Zivilprozess nach § 879 ABGB von einem Richter als „sittenwidrig“ eingestuft und aufgehoben werden. Würde nun der Private auf diesem Weg Mehrkosten erfolgreich einklagen, hätte er einen Teil des Baukostenrisikos auf die öffentliche Hand abgeschoben – und dann könnte der Fall eintreten, dass die Statistik Austria das Projekt nicht als „echtes“ PPP-Projekt anerkennt und der Schuldenstand der Stadt um die Projektkosten ansteigt.

Die vielen Konditionalsätze in dieser Argumentation bedeuten vor allem eines: Die Stadtregierung kann den privaten Partner mit gutem Gewissen dazu verpflichten, die Gewinner des Architekturwettbewerbs mit der weiteren Planung zu beauftragen. Sie müsste dafür allerdings tun, wofür sie gewählt ist: politische Verantwortung übernehmen. Die im letzten Herbst veröffentlichten „Baukulturellen Leitlinien“ der Stadt sollten als Motivation ausreichen. Immerhin versprechen sie „qualitätsorientierte Prozesse für die Planung aller Bauten im Einflussbereich der Stadt Wien“.

Es geht hier nicht nur um das Wien Museum. Acht neue Wiener Campusschulen und zahlreiche andere Sozialbauten sollen in den nächsten Jahren als PPP-Projekte umgesetzt werden. Es wird Mut zur Qualität und die Bereitschaft brauchen, im Rahmen der Möglichkeiten des ESVG neue Modelle der maastrichtneutralen Finanzierung und Umsetzung, die es sehr wohl gibt, zu entwickeln. Vor dem Restrisiko in die Knie zu gehen, ist jedenfalls kein gesunder Weg.

31. Januar 2015 Spectrum

Tanz der Türme

Ein neues Hochhauskonzept für Wien liegt vor. Wird es Wirkung zeigen?

Wer baut Wien? Unter diesem Titel publizierte Reinhard Seiß 2007 sein Sittenpanorama der Wiener Stadtplanung seit den 1980er-Jahren. Das Skandalöse an diesem Titel war die Frage nach dem „Wer“: Gibt es überhaupt noch so etwas wie persönliche Verantwortung im Städtebau? Baut sich die Stadt nicht längst selbst, in einem Strom systemisch verknoteter, unkontrollierbarer Prozesse, die sich jedem individuellen Zugriff entziehen? Seiß hat nachgewiesen, dass diese Darstellung der Dinge falsch ist und vor allem ein Ziel verfolgt: die für die Stadtplanung grundlegende Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Interessen zu vernebeln. Für die Jahre bis 2007 konnte Seiß an zahlreichen Wiener Beispielen nachweisen, wie sich in diesem Nebel gute Geschäfte machen ließen, von denen Investoren, Parteifreunde und Beamte profitierten.

Seither hat sich viel geändert. Das Jahr 2010 markiert den Beginn einer rot-grünen Koalition, deren Juniorpartner für die Stadtplanung verantwortlich ist. Das Bekenntnis zur Stadt, das Maria Vassilakou kurz nach ihremAmtsantritt ablegte, klang authentisch. Die Stadt ließ ihr auch keine Wahl, da sie beschlossen hatte, heftig zu wachsen. Das wirft Fragen nach Bebauungsdichten und -höhenauf, die zu den Idealen mancher grüner Parteigänger – für die ein Haus grundsätzlich nicht höher zu sein hat als ein Baum – deutlich im Widerspruch stehen. Dass sich das Hochhaus in den Jahren der rot-grünen Koalition vom Exoten zu einem Normalfall der Stadtverdichtung entwickelt hat, ist jedenfalls bemerkenswert.

Die bisherigen Leitlinien für den Bau vonHochhäusern stammen aus dem Jahr 2002 und waren kein Konzept, sondern ein Patchwork, mit Angaben über Ausschlusszonen, freizuhaltende Sichtachsen und einer Definition von Eignungszonen, die der Spekulation mehr als genug Raum ließ: „Alle nicht als Ausschlusszonen deklarierten Stadtbereiche sind potenzielle Eignungszonen.“ Zusätzliche Vorgabe war das Vorhandensein einer „höherrangigen“ öffentlichen Verkehrsanbindung – ein Konzept, das spitze Kommentare geradezu herausforderte: Kann in Wien ein Hochhaus gebaut werden, wo immer sich zwei Straßenbahnlinien kreuzen und keine Ausschlusszone vorliegt? Städtebauliche Leitbilder sollten erst im Lauf der Projektentwicklung für ein konkretes Hochhaus entstehen, was gewissermaßen eine Schubumkehr der Stadtplanung bedeutet: Statt vom Leitbild gesteuert zu werden, schafft das Projekt sich sein Leitbild selbst.

Dieses Hochhauskonzept aus dem Jahr 2002 war das dritte, das die Stadt Wien in Auftrag gegeben hatte. Das erste wurde 30 Jahre zuvor von Hugo Potyka verfasst. Es lieferte 1972 einen auf einer minutiösen Analyse von Topografie, Verkehr und Stadtstruktur aufbauenden städtebaulichen Entwurf, der geeignete Standorte und verträgliche Höhen festlegte, durchaus mit dem Ziel, mit einigen dieser Objekte Dominanten zu setzen, so wie es expressionistische Architekten wie Bruno Taut in den 1920er-Jahren mit ihrer Idee der „Stadtkrone“ getan hatten. Auf besonderes Interesse stieß dieses Konzept nicht. Im Gegenteil: Ende der 1980er-Jahre herrschte in den für die Stadtentwicklung zuständigen Abteilungen des Wiener Magistrats geradezu eine Hochhausphobie. Dass Wien seine eigene, kleine Tradition im Hochhausbau besaß, wurde verdrängt. Hochhäuser aus den 1950er-Jahren wie der Ringturm und das Hochhaus am Matzleinsdorfer Platz – als Theodor-Körner-Hof hochrangig tituliert – wurden zu ihrer Zeit als Wahrzeichen des Wiederaufbaus verstanden. Auch das erste Wiener Hochhaus in der Herrengasse, ein Entwurf der Architekten Theiss und Jaksch aus dem Jahr 1932, war nicht nur ein elegantes bürgerliches Wohnhaus im Stil einer moderaten Moderne, sondern auch ein Politikum.

Erste Ideen, Hochhäuser auch im Rahmen des sozialen Wohnbaus zu errichten, gab es bereits Mitte der 1920er-Jahre. Es blieb freilich bei vertikalen Gesten – wie beim Reumann-Hof aus dem Jahr 1926, für dessen Zentrum Hubert Gessner ursprünglich ein zwölfgeschoßiges Hochhaus geplant hatte. Stadtrat Franz Siegel („Persönlich bin ich prinzipiell gegen das Hochhaus“) entschied, den Leuchtturm des aufstrebenden Proletariats nicht zu bauen.

Zwei Jahre später hatten sich die Dinge geändert: 1928 fand ein Wettbewerb für ein Hochhaus an der Ecke Währingerstraße/Spitalgasse, also auf dem Gelände des heutigen Arne-Carlsson-Parks statt, mit dem sich die Sozialdemokratie ein Denkmal setzen wollte. Neben 245 Wohnungen sollte das Haus eine Bibliothek, die Zentrale der Wiener Stadtwerke, ein Jugendheim, Postamt, Kindergärten und Künstlerateliers enthalten. Der Wagner-Schüler Rudolf Fraß gewann den Wettbewerb mit einem expressionistischen Entwurf, der breite Zustimmung fand.

Ende 1930 waren die Ausführungspläne fertiggestellt, Brandschutz- und Windkanalversuche positiv abgeschlossen. Zu dem für das Frühjahr 1931 vorgesehenen Spatenstich kam es jedoch nicht. Die dem roten kommunalen Wohnbau äußerst feindselig gestimmte schwarze Bundesregierung beschloss einen neuen Finanzausgleich, der den Wiener sozialen Wohnbau zugunsten Niederösterreichs praktisch zum Erliegen brachte. Als dann die bereits bewilligten Mittel aus der Bundeswohnbauförderung in das Hochhausprojekt in der Herrengasse umgeleitet wurden, legten die Sozialdemokraten ihre Hochhauspläne zu den Akten. Das bürgerliche Lager hatte den Wettlauf um das erste Hochhaus gewonnen. Öffentliche Flächen beschränkten sich hier auf ein Tanzcafé in den obersten beiden Geschoßen. Ende der 1960er-Jahre wurde auch dieses in Wohnungen umgewidmet.

Die ausführliche Darstellung dieser Geschichte findet sich im zweiten Wiener Hochhauskonzept, das Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky von Coop Himmelb(l)au 1992 gemeinsam mit Michael Wagner-Pinter vom Forschungsinstitut Synthesis und zahlreichen Partnern wie Max Rieder, Hans Peter Wörndl und Jan Tabor erstellten. Der Auftrag dafür kam vom damaligen Planungsstadtrat, Hannes Swoboda, der den Magistrat von seiner Hochhausphobie kurieren wollte. Coop Himmelb(l)au, der Stadt spätestens nach der Erfahrung mit dem gescheiterten Projekt des Ronacher-Umbaus in Hassliebe verbunden, produzierte mit ihren Partnern ein dreibändiges Werk, das, kostbar gebunden, nur in wenigen Exemplaren aufgelegt wurde. Das provokante Großformat war darauf angelegt, in keinen Papierkorb zu passen und so der raschen bürokratischen Entsorgung zu entgehen.

Inhaltlich hätte die „Wiener Hochhausstudie“ diese Überhöhung nicht gebraucht. Sie geht das Thema in voller Breite an, von der Geschichte des Hochhauses über städtebauliche und konstruktive Fragen bis hin zum Planungsprozess und zur Sozialverträglichkeit. Gefordert werden die programmatische Durchmischung von Hochhäusern und die Schaffung von Durchlässigkeit und zusätzlichem öffentlichem Raum in den unteren Geschoßen, wofür sich die Autoren amerikanische Großstädte wie New York zum Vorbild nehmen. Nicht zuletzt geht es im Konzept um die politische Dimension von Architektur, die bei Hochhäusern naturgemäß von besonderer Bedeutung ist. Das liest sich dann streckenweise wie eine Abrechnung mit der Selbstgefälligkeit der roten Alleinregierung in Wien: „Die Vorstellung von einem Zentrum der Politik, die im Modell der Industriegesellschaft kultiviert wird, beruht auf einer eigentümlichen Halbierung der Demokratie. Einerseits bleiben Handlungsfelder der Subpolitik von der Anwendung demokratischer Regeln ausgespart. Andererseits trägt auch im Inneren die Politik den systematisch geschürten äußeren Ansprüchen nach majestätische Züge.“

Ob die solcherart Adressierten diese Sprache verstanden haben, darf bezweifelt werden. Das Konzept wurde im Magistrat jedenfalls von Herzen ignoriert. Dass wenig später der Wienerberg zum erstrangigen Hochhausstandort werden konnte, abseits von öffentlicher Verkehrsanbindung und ohne sinnvolles städtebauliches Leitbild, spricht für sich.

Die große Chance zu einem städtebaulichen Durchbruch war zu diesem Zeitpunkt schon durch die Entscheidung verspielt, das Gelände vor der UNO-City als Hochhauszone freizugeben, statt die Wiener Messe hier anzusiedeln. Im Konzept von Coop Himmelb(l)au und Synthesis war noch zumindest die Option enthalten gewesen, Hochhäuser diesseits der Donau entlang der Lassallestraße auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs zu realisieren. Dieser Standort hatte im Vergleich zum Gelände vor der UNO-City durchaus höhere Attraktivität, da er mehr Spielraum bot und deutlich weniger isoliert ist als der transdanubische. Für diesen hätte sich als Nachnutzung der geplanten Weltausstellung Expo 95 die Übersiedlung der Wiener Messe angeboten, die damit unmittelbar neben dem Konferenzzentrum zu liegen gekommen wäre. Zwei Nutzungen, die sich gegenseitig stärken, hätten damit zueinander gefunden. Zugleich wäre das Messegelände – immerhin ein Areal von 600 mal 200 Metern – als ein Wohnbaugebiet zur Verfügung gestanden, das in jeder Hinsicht dem Wohnen vor der UNO-City vorzuziehen ist. Die Windbelastung ist geringer, das Stadtzentrum näher, die Verkehrsanbindung besser und der Prater als Erholungsgebiet unmittelbar vor der Tür. Von dieser Lösung hätteauch die neue Wirtschaftsuniversität profitiert, die heute im Nordosten nicht von der undurchdringlichen Mauer des Messegeländes begrenzt wäre, sondern von einer lebendigen Wohnbebauung.

Dass diese Lösung – Hochhäuser im Bereich Praterstern/Lassallestraße, Messe vor der UNO-City und Wohnbebauung am bisherigen Messegelände – nicht weiter verfolgt wurde, nachdem die Wiener 1991 in einer Volksbefragung den Fehler des Jahrzehnts machten und sich gegen die Expo 95 entschieden, ist nicht leicht zu erklären. Ein Grund mag die Hochhausphobie gewesen sein: Man wollte die Hochhäuser in sicherer Distanz halten, jenseits der Donau, wo mit der UNO-City ja bereits ein erster Sündenfall begangen worden war. Für die Lassallestraße schwebten manchen Stadtplanern und Bezirksvertretern die Champs-Élysées vor, eine gewagte Analogie, der das heutige Erscheinungsbild der Straße, abgesehen von der Überbreite, nicht wirklich entspricht. Die wesentlichen Gründe für die Entscheidung lagen jedoch im wirtschaftlichen Bereich: Das Areal vor der UNO-City war im Besitz der Stadt, während der Nordbahnhof den ÖBB gehörte. Für Hans Mayr, den Wiener Finanzstadtrat und neben Helmut Zilk heimlichen Bürgermeister Wiens, war die Entscheidung klar: Warum sollten die ÖBB einen Widmungsgewinn einstreifen, der am anderen Standort der Stadt selbst zugute käme? Noch dazu versprach der Standort vor der UNO-City die Sanierung der dort unter der Oberfläche liegenden Mülldeponie und in weiterer Folge die Überplattung des gesamten Gebiets mit einer Betondecke, mit schönen Aufträgen für stadtnahe Unternehmen.

Diese Praxis, Stadtplanung über das Finanzressort zu betreiben, hat sich bis heute gehalten. Ein aktuelles Beispiel ist dieBebauung der sogenannten Hoerbiger-Gründe im 11. Bezirk, Standort eines Schweizer High-Tech-Unternehmes auf dem Gebiet der Automatisationstechnik mit Wurzeln in Wien. Als der Hoerbiger-Konzern 2012 über einen Neubau seines Wiener Werks nachzudenken begann, stand die Übersiedlung nach Bratislava im Raum. In den Verhandlungen konnte Wien ein Grundstück in der Seestadt Aspern anbieten, das ausreichend Expansionsmöglichkeiten und gute Verkehrsanbindung aufweist. Das scheint nicht ausgereicht zu haben, um Hoerbiger zu überzeugen. Erst eine neue, massiv verdichtete und auf Wohnnutzung veränderte Widmung des bestehenden Standorts gab offenbar den Ausschlag: Die Flächenwidmung ist eine dezente Förderung und fast so effektiv, wie Geld zu drucken.

Von der Idee, einen geladenen Architekturwettbewerb für sein neues Wiener Hauptquartier in der Seestadt durchzuführen, war das Unternehmen vor diesem Hintergrund wohl leicht zu überzeugen. Was sind – so wird man sich im Planungsressort gedacht haben – die großen Gewinne ohne die kleinen. Finanzstadträtin Renate Brauner ist ihr Erfolg, ein Hightech-Unternehmen in Wien gehalten zu haben, zu gönnen. Aber wer übernimmt die Verantwortung für die Kollateralschäden in Simmering: viel zu dichte Bebauung, unzureichende Freiräume, schlechte Wohnqualität? War das Widmungsgeschenk wirklich die Ultima Ratio in diesem Prozess? Spielt städtebauliche Qualität überhaupt eine Rolle im kollektiven Bewusstsein der Stadtregierung?

Das aktuellste Wiener Hochhauskonzept kann als therapeutischer Versuch gelesen werden, die Selbstheilungskräfte der Stadt durch kollektive Einübung ins städtebauliche Denken zu stärken. Das Konzept, das von Christoph Luchsinger, Professor für Städtebau an der TU Wien, und seinen Mitarbeitern im Dialog mit zahlreichen Akteuren im Magistrat und externen „Echogruppen“ erarbeitet wurde, baut auf den bisherigen auf, unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: Es gliedert die Stadt in Bereiche, in denen je unterschiedliche Muster der Hochhausentwicklung Platzgreifen sollen. Die „Konsolidierte Stadt“ im historischen Zentrum, das „Urbane Komposit“ im Simmeringer Osten, die „Südlichen Terrassen“ auf den Ausläufern des Wienerbergs, die „Fluviale Stadtlandschaft“ an den Uferbereichen der Donau und schließlich die „Transdanubische Ausdehnung“ in die Fläche. Diese Eignungsbereiche nehmen nur einen Teil des Stadtgebiets ein; dazwischen gibt es Übergangszonen, in denen keine Hochhausbebauung stattfinden soll. Die Beschränkungen durch Welterbe und Sichtachsen bleiben wie im Konzept aus dem Jahr 2002 bestehen, ebenso die Forderung nach hochrangiger öffentlicher Verkehrsanbindung. Diese Festlegungen sind allgemein genug, um keine Anhaltspunkte für Spekulation zu bieten, aber doch so aussagekräftig, dass sie im Anlassfall konkrete Schlussfolgerungen erlauben.

Rechtlich verbindlich wird das neue Regelwerk genauso wenig sein wie der Stadtentwicklungsplan 2025, dessen Bestandteil es sein wird. Manche laufenden Projekte scheinen aber im Konzept bereits vorweggenommen. So wirkt das Projekt dreier Wohnhochhäuser neben den Gasometern in Simmering am Franzosengraben durchaus kompatibel mit dem Muster für das „Urbane Komposit“, das „poröse Sockelzonen“ vorsieht, die zur Vernetzung der stark fragmentierten Stadtstruktur beitragen sollen.

Der Teufel steckt freilich im Detail: Während im Konzept eine moderate Höhenentwicklung angedeutet ist, schieben sich die drei Türme im konkreten Projekt fast ungebremst in den Himmel. Wer hier das Maß vorgibt und mit anderen Projekten im Umkreis abstimmt, bleibt ungeklärt. Der in Luchsingers Text elaborierte Prozess in vier Phasen (Idee, Konzept, Entwurf und Realisierung) weist die Klärung dieser Frage der Phase zwei (Konzept) zu, in der ein „lokales Leitbild“, die Nutzungsvielfalt und der Mehrwert für die Umgebung festgelegt werden. Eine „argumentierte Höhenfestlegung laut Bereichsbeschreibung“ deutet darauf hin, dass die Höhe nicht gänzlich von Renditeüberlegungen abhängen sollte. Auch in der „Transdanubischen Ausdehnung“ ist die Realität dem Hochhauskonzept vorausgeeilt. Hier kann sich das Luchsinger-Konzept „Hochpunkte als Landmarks für ein kapillares Netzwerk von Zwischenzonen der heterogenen Siedlungsstrukturen“ vorstellen, also das Gegenteil der sonst üblichen Zusammenballung von Hochhäusern zu „Clustern“. Diesen Anspruch erfüllt etwa das Citygate-Hochhaus von Querkraft Architekten an der U-Bahn-Station Aderklaaer Straße, das auch typologisch innovativ ist, etwa mit gut belichteten Erschließungszonen und Gemeinschaftsflächen auf allen Geschoßen. Wie viele solche Türme der transdanubische Immobilienmarkt verträgt, wird sich zeigen. Wenn durch eine Mischung von frei finanzierten, geförderten und Sozialwohnungen eine Ghettobildung vermieden werden soll, müssen sich genug Käufer finden, die einen sehr fernen Fernblick aufs Stadtzentrum ebenso schätzen wie die Nachbarschaft von Rennbahnweg und Rinterzelt.

Mit dem neuen Hochhauskonzept könnte der Stadtplanung ein Schritt in Richtung eines systematischen, aus der Stadtstruktur abgeleiteten Umgangs mit dem Phänomen Hochhaus gelingen. Eine Prämisse dafür findet sich gleich zu Beginn des Erläuterungstextes: „Aus den topografischen, morphologischen, atmosphärischen, naturlandschaftlichen, funktionalen, sozialen und ökologischen Qualitäten Wiens ergibt sich: Wien benötigt Hochhäuser nur unter der Voraussetzung, dass diese außerordentliche Mehrwerte für die Allgemeinheit beisteuern.“ Dem wird man zustimmen, wobei die diffuse Begrifflichkeit des „Mehrwerts“ zu denken gibt. Die Vernichtung städtebaulicher Qualität lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass ein Investor Leistungen für die öffentliche Hand übernimmt wie etwa die Errichtung einer Sporthalle. Der Mehrwert muss in erster Linie ein stadträumlicher und stadtgestalterischer sein. Die Abschöpfung zumindest eines Teils des Widmungsgewinns ist ein anderes Thema, das auf gesetzlicher Ebene so rasch wie möglich umgesetzt werden sollte.

Für das aktuelle Projekt eines Turms am Wiener Eislaufverein lässt sich aus dem neuen Hochhauskonzept keine Rechtfertigung ableiten. Ein nach allen Regeln der Moderationskunst eingefädeltes kooperatives Planungsverfahren mit angeschlossenem Architekturwettbewerb kann nichts daran ändern, dass hier kein Mehrwert für die Öffentlichkeit gegeben ist. Das Ergebnis wäre stattdessen eine nachhaltige Blamage für eine Stadt, die auf ihr historisches Erbe stolz ist.

Warum die Gefahr dennoch groß ist, dass es zu einer Realisierung kommt, zeigt eine einfache Rechnung: Der Marktwert der obersten sechs Geschoße des 18-geschoßigen Turms beträgt bei 600 Quadratmeter verkaufbarer Fläche pro Geschoß und einem vorsichtig geschätzten Preis von 25.000 Euro pro Quadratmeter 90 Millionen Euro. Da bleibt auch nach großzügigen Spenden an die Stadt einiges übrig. Wie weit die Stadt fähig ist, dem Druck standzuhalten, der durch die Verflechtung der Projektbetreiber mit den größten Boulevardmedien der Stadt zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. Vielleicht zeigt die Einübung ins städtebauliche Denken im Rahmen des neuen Hochhauskonzepts ja Wirkung. Am Ende könnte ein neues Projekt für den Eislaufverein stehen, das der Besonderheit des Ortes gerecht wird.

20. Dezember 2014 Spectrum

Zwei Betten, eine Wiege, ein Sarg

Zwei Architekturausstellungen, zwei Welten. Das Museum für angewandte Kunst zeigt verschlungene Wege zur Moderne, das Architekturzentrum Wien wirbt für Isay Weinfeld und seinen Hochhausentwurf am Wiener Eislaufverein.

Auch ich bin schöpferisch, ich schöpfe Verdacht. So lautet einer der bekannten Aphorismen aus Oswald Wieners Roman „Die Verbesserung von Mitteleuropa“. Er findet sich als Zitat im Katalog zur aktuellen Ausstellung „Wege der Moderne – Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen“ im Wiener Museum für angewandte Kunst.

Dass diesen beiden Antipoden der österreichischen Kulturgeschichte erst jetzt zum ersten Mal eine große gemeinsame Ausstellung gewidmet wird, ist bemerkenswert. Überall Verdacht geschöpft, also radikaleKulturkritik betrieben, hat nur einer von beiden, Adolf Loos. Zur Verbesserung Mitteleuropas, das damals noch schlicht Österreich hieß, brachte er 1903 eine eigene Zeitschrift heraus: „Das Andere. Ein Blatt zur Einführung abendländischer Kultur in Österreich“.

Darin findet sich die berühmte Geschichte vom Sattlermeister, dem eingeredet wird, seine Sättel seien nicht mehr modern, weil „ohne Phantasie“ gestaltet. Er wendet sich an die Kunstgewerbeschule, wo sich eine Meisterklasse sofort an den Entwurf zeitgemäßer Sättel im Secessionsstil macht. Als dem Sattlermeister die Resultate präsentiert werden, hellt sich seine Miene auf. „Herr Professor! Wenn ich so wenig vom Reiten, vom Pferde, vom Leder und von der Arbeit verstehen würde wie Sie, dann hätte ich auch Ihre Phantasie!“ Und Loos gibt der Geschichte ein glückliches Ende, in dem sein eigenes Ideal guten Designs aufleuchtet: „Er lebt nun glücklich und zufrieden. Und macht Sättel. Moderne? Er weiß es nicht. Sättel.“

Für Loos war eine neue Ästhetik „von oben“, wie sie die von Josef Hoffmann gegründeten Wiener Werkstätten propagierten, unvorstellbar. Das Neue könne man nicht erzwingen, es entstehe von selbst, bedingt durch neue Technologien und neue Bedürfnisse der Benutzer. Loos lehnte – wie Otto Wagner – jeden Stil ab, auch jeden „modernen“. Das hinderte ihn nicht, „Stilmöbel“ in seinen Interieurs zu verwenden, etwa Kopien von Chippendale-Sesseln in den Speisezimmern. Das Sitzen „bei Tisch“ hätte sich seit 300 Jahren nicht verändert. Für das Sitzen im Kaffeehaus entwarf Loos dagegen eigene Sesseltypen aus Bugholz, oder genauer: Er kombinierte die Elemente mehrerer vorhandener zu einem neuen Typ.

Hoffmann verstand sich dagegen als schöpferischer Künstler im klassischen Sinn. Seine Produktivität war enorm, sowohl als Designer als auch als Architekt. Allein für das Palais Stoclet in Brüssel, ein Hauptwerk der frühen Moderne, existieren tausende Zeichnungen. Die Anzahl seiner Entwürfe für Stoffe, Geschirr und Möbel geht in die Hunderte. Er war nach Otto Wagner bis in die 1920er-Jahre mit Abstand der renommierteste österreichische Architekt, nicht zuletzt durch prestigeträchtige Projekte im Ausland, etwa dem Pavillon für die Kunstgewerbeausstellung in Paris 1925.

Die Ausstellung im MAK stellt die Auseinandersetzung zwischen Loos und Hoffmann in einen breiteren historischen Kontext, der vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Es ist ihr Verdienst, das 19. Jahrhundert nicht als Zeitalter des schlechten Massengeschmacks zu denunzieren, sondern als ersten Versuch einer Kultur der Massengesellschaft darzustellen. Das MAK kann diese Darstellung zum größten Teil aus eigenen Beständen bespielen, bis hin zu Goldrahmen aus Papiermaché und Perserteppichen in Prägetechnik. Die enormeAnzahl an Exponaten ist in diesem Fall berechtigt, weil sie vermittelt, dass diese Massenkultur in die Krise kommen musste.

Auch den Reaktionen darauf wird breiter Raum gegeben. Otto Wagner als erste zentrale Figur ist mit Großstadtentwürfen und Möbeln vertreten, in denen die „Phantasie“ durch ein Verständnis für Material und Herstellung auf der Höhe des industriellen Zeitalters kultiviert ist. Vorbei an der 1:1-Rekonstruktion einer Geschäftsfassade Wagners, des Depeschenbüros „Die Zeit“ aus blitzendem Aluminium, geht es weiter in den zentralen Raum, in dem die ästhetischen Welten von Loos und Hoffmann gegeneinander in Stellung gebracht werden. Als Referenzobjekte dienen hier zwei Schlafzimmer: die Rekonstruktion des mit weißen Angorafellen und blauem Spannteppich ausgelegten, das Loos 1903 in seiner eigenen Wohnung einrichtete und unter dem Titel „Das Schlafzimmer meiner Frau“ publizierte, und ein im Quadratraster diszipliniertes aus dunklem Holz von Josef Hoffmann. Um diese zentrale Szene herum platziert finden sich Modelle und Pläne der Hauptwerke von Loos und Hoffmann sowie Werke befreundeter Künstler, wie etwa Kokoschka auf der einen und Klimt auf der anderen Seite.

Damit hat der Besucher erst zwei Drittel der Ausstellung abgeschritten, die danach noch Werke aus dem Umfeld der beiden Hauptfiguren zeigt, etwa von Josef Frank und Grete Schütte-Lihotzky, und dann in die Gegenwart überleitet. Michael Embachers Ausstellungsgestaltung lässt den Objekten trotz der Fülle des Materials viel Raum, man fühlt sich nirgendwo bedrängt, sondern zum Entdecken angeregt. Ähnliches gilt für den hervorragenden Katalog, den die Kuratoren Christian Witt-Döring und Matthias Boeckl mit zahlreichen Autoren – unter anderem Otto Kapfinger, Ernst Strouhal und Andreas Vass – herausgegeben haben.

Im Sinne einer radikalen Kulturkritik muss man freilich auch bei dieser Ausstellung Verdacht schöpfen. Wird hier nicht mit viel Liebe zum Detail eine österreichische oder besser Wiener Leitkultur weiterkonstruiert, die de facto Vergangenheit ist, so sehr man sich auch bemüht, sie in die Gegenwart scheinen zu lassen? In unsicheren Zeiten könnte das legitim sein, nicht als Nostalgie, sondern als Aufruf, das Reflexionsniveau dem Neuen gegenüber wieder auf eine Höhe zu bringen, wie sie im Konflikt zwischen Loos und Hoffmann erreicht war.

Anlass dafür bietet die zweite diese Woche eröffnete Architekturausstellung, die über den Architekten Isay Weinfeld im Architekturzentrum Wien zu sehen ist. Verdacht zu schöpfen, lohnt sich hier besonders. Weinfeld ist der Architekt des geplanten Hochhauses am Wiener Eislaufverein, dessen Developer die Ausstellung, die zuvor in São Paulo und in New York zu sehen war, nach Wien geholt hat und nun gegen eine großzügige Spende im AzW zeigen darf. Dass diese Ausstellung nicht kritisch sein kann, ist klar. Zumindest müsste sie aber die Voraussetzung für Kritik schaffen, indem sie Weinfelds Projekt umfassend zeigt, inklusive Blick vom Belvedere und Heumarkt, Details der Fassade und einer Renditeberechnung dieses spekulativen Unternehmens, das den Stadtkörper Wiens beschädigen wird wie kaum eines davor.

Stattdessen wird man mit einem Modell des Projekts im Maßstab 1:1000 abgespeist. Der Rest der Ausstellung zeigt einen Architekten, der – in den Begriffen der Loos-Hoffmann-Debatte – Kunstgewerbe für die brasilianische Millionärs-Oberschicht produziert. Auch im Zentrum dieser Ausstellung stehen zwei 1:1 installierte Schlafräume, jeweils mit einer Designer-Wiege und einem Designer-Sarg nach Entwurf von Isay Weinfeld möbliert. Der Architekt als Weltdekorateur, der seine Kunden von der Geburt bis in den Tod begleitet: Das war der Albtraum, gegen den Loos Zeit seines Lebens gekämpft hat. Das poetische Geschwurbel, mit dem Weinfeld seine Projekte begleitet, ist das rhetorische Äquivalent dazu. Hinter diesem Vorhang wächst der Profit.

22. November 2014 Spectrum

Reden unter Glas

Nach Jahren der Vorbereitung liegt der Entwurf für die Sanierung des Parlamentsgebäudes am Ring vor. Jabornegg/Pálffy beweisen wieder einmal ihre Meisterschaft im Umgang mit wertvoller Bausubstanz.

In Österreich, so heißt es in Artikel eins der Bundesverfassung, geht das Recht vom Volk aus. Diese abstrakte Formel wird konkret im Parlament, wo die Repräsentanten des Volkes sich versammeln, um Gesetze zu diskutieren und zu beschließen. Wie ein Haus aussehen soll, das die repräsentative Demokratie repräsentiert, wirft heute viele Fragen auf. Ist es ein nationales Monument, das die Bedeutung eines Landes nach innen und außen verdeutlicht? Soll es sich offen und transparent geben, um eine entsprechende Politik zu signalisieren? Soll man ihm vielleicht anmerken, dass es das Parlament eines Landes ist, das zur Europäischen Union gehört? Immerhin basieren 80 Prozent der hier beschlossenen Gesetze auf EU-Vorgaben, und die laufende Reform der Geschäftsordnung des Nationalrats sieht vor, den österreichischen EU-Abgeordneten hier ein Rederecht einzuräumen.

Auf den ersten Blick scheint es, dass Österreich sich über diese Fragen keine besonderen Gedanken machen müsste. Wir haben ja ein Parlament, ein schönes und „repräsentatives“ noch dazu, ein Ringstraßenjuwel aus dem Jahr 1883, entworfen von Theophil Hansen. Es handelt sich um ein Meisterwerk des Historismus, in Hansens Lieblingsstil geplant, der griechischen Klassik. Kritiker nannten es bei seiner Eröffnung eine „gefrorene Satire auf die Akropolis“. Zu Unrecht: Hansen war ein hervorragender Baumeister, vom großen Maßstab bis ins feine Detail. Dem Charme des Hauses können sich auch eingefleischte Gegner des Historismus nur schwer entziehen.

Leider ist dieses Haus ziemlich marode, da es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von mehreren Bomben getroffen und durch den folgenden Brand in 60 Prozent seiner Substanz beschädigt wurde. Der Wiederaufbau nach dem Krieg erfolgte mit den beschränkten finanziellen und technischen Mitteln der Zeit. Fünfzig Jahre lang, bis zum Beginn des neuen Jahrtausends, konnte man den Betrieb durch schrittweise Reparaturen aufrechterhalten. Im Jahr 2004 kam es zur bisher umfangreichsten: Die Rampe vor dem Haus wurde komplett erneuert, was dem Haus einen zusätzlichen Eingang an der Ringstraße und ein Besucherzentrum in der Unterkonstruktion verschaffte. 2008 sollte der Plenarsaal an die Reihe kommen. Der Architekturwettbewerb dafür erbrachte zwar ein Siegerprojekt, vor dessen Umsetzung man aber zur Einsicht gelangte, doch besser eine Generalsanierung des gesamten Hauses durchzuführen.

Die Kosten für diese Sanierung wurden zu einem Politikum. Umfangreiche Gutachten ergaben für eine reine Bestandssanierung einen Kostenrahmen von 250 Millionen Euro; für eine „effizienzsteigernde“ Variante mit zusätzlichen Räumen für Ausschüsse und Büros, einer Besuchercafeteria und einem „Ökologiepaket“ zur Senkung des Energieverbrauchs wurden 300 Millionen Euro errechnet, jeweils ohne Mehrwertsteuer und mit einem Spielraum von 20 Prozent nach oben oder unten.

2013 wurden die Generalplanerleistungen für das Projekt ausgelobt. Die zehn aufgrund eines Bewerbungsverfahrens ausgewählten Planerteams hatten unter anderem ein „Qualitätsangebot“ in Form eines detaillierten architektonischen Entwurfs einzureichen. Noch während des laufenden Verfahrens beschloss der Nationalrat eine Budgetobergrenze von 350 Millionen Euro für das Projekt, womit die Finanzierung der „effizienzsteigernden“ Variante gesichert war. Im Juli dieses Jahres fällte eine Jury die Entscheidung für den Entwurf des Planerteams Jabornegg/Pálffy und Axis. Vor drei Wochen konnte das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Diese Chronologie klingt reibungsloser, als sie sich tatsächlich ereignet hat. Einsprüche von nicht geladenen Architekten und ein Disput über die Vertragsbedingungen, der zum Rückzug von zwei Planerteams führte, sorgten für monatelange Verzögerungen. Die Anzahl der Jurymitglieder wurde kurzfristig auf 24 verdoppelt, da jede politische Fraktion ein weiteres Mitglied entsenden wollte, und damit auch die Zahl der Fachpreisrichter entsprechend erhöht werden musste. Es ist ein Verdienst der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und des Juryvorsitzenden Ernst Beneder, dass am Ende eine einstimmige, von allen Parteien getragene Juryentscheidung erzielt wurde.

Das Siegerprojekt zeichnet sich dadurch aus, dass es Hansen als Architekten des Maschinenzeitalters ernst nimmt. Denn hinter der spielerischen Leichtigkeit des Dekors verbirgt sich bei Hansen eine strenge Rationalität, die den Geist der industriellen Revolution verrät. Die Einbauten von Jabornegg und Pálffy nehmen diesen Geist auf. Sie sind präzise wie neue Maschinenteile in die alte Substanz gesetzt, spürbar vor allem im Besucherfoyer im Erdgeschoß und in den Treppenhäusern, die in bestehende Lichthöfe implantiert wurden. Über dem Plenarsaal wird sich eine Glaskuppel wölben, die die Grenzen des heute statisch Möglichen auslotet. Auf der Ebene darunter liegt eine neu geschaffene, zusätzliche Besuchergalerie mit Blick in den Saal.

Im Plenarsaal selbst regiert weniger die Handschrift der Architekten als jene des Denkmalamts. Der bestehende Saal aus dem Jahr 1956 von Max Fellerer und Eugen Wörle gehört nämlich zu den besten Werken der österreichischen Nachkriegsarchitektur. Bei der Eröffnung urteilte Roland Rainer: „Ein Saal der Arbeit, ernst und klar, fast durchsichtig, sachlich und höchst gediegen. An dieser Arbeit hätte Adolf Loos seine Freude gehabt – er würde wenig anders gemacht haben.“ Den Architekten sei zudem „eine legitime Fortsetzung des Hauptwerks Theophil Hansens“ gelungen.

Zu einer wirklichen Unterschutzstellung, die den Abgeordneten weiterhin enge Sessel zugemutet und eine Beschränkung der Barrierefreiheit bedeutet hätte, konnte sich das Denkmalamt nicht durchringen. Schon beim Wettbewerb 2008 hatte es zur schizophrenen Zauberformel gefunden, die „derzeitige Optik in der Vertikalen“ zu erhalten und in der „Horizontalen umfassende Grundrissänderungen“ zuzulassen.

Diese Art von Denkmalpflege ergibt keinen Sinn, sondern schadet in beide Richtungen: Sie erhält statt der Komplexität des Bestands bestenfalls dessen Optik und behindert Bauherren und Architekten bei der Suche nach dem zeitgemäßen Ausdruck für eine Bauaufgabe. Der Saal von Fellerer und Wörle mag Messlatte und Inspiration sein. Wie die Optik und die künstlerische Ausgestaltung eines de facto neuen Saals am Ende aussehen, darf sich die Republik aber nicht vom Denkmalamt vorschreiben lassen.

Wenn der Saal 2020 nach der Sanierung wiedereröffnet wird, sollte er keinen Zweifel daran lassen, dass die österreichische Demokratie im 21. Jahrhundert angekommen ist. Symbole des Stillstands finden sich in diesem Land genug.

24. Oktober 2014 Spectrum

Bahn frei für das Mittelmaß

Ein Architekturwettbewerb für das 250 Millionen Euro teure Gebäude fand nie statt. Man merkt es dem Ergebnis an. Zu Wiens neuem Hauptbahnhof.

Auf der Strecke Wien–Linz–Salzburg hat die Bahn den PKW längst als schnellstes Verkehrsmittel überholt. Eine gefühlte Stunde nach Linz, zwei nach Salzburg, vier nach München: Solche Zahlen verändern die mentale Landkarte. Die Bahn hat in dieser Hinsicht eine große Tradition. Schon im 19. Jahrhundert spielte sie als Katalysator der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eine ähnliche Rolle wie heute das Internet. Entsprechend eindrucksvoll waren damals auch die Bahnhöfe. Angelegt am Rand der bestehenden Städte waren sie hybride Gebäude, in denen sich Architektur und Ingenieurwesen auf eine sehr spezielle Art begegneten: Zur Stadt hin zeigten sie Palastfassaden, hinter denen sich Meisterwerke der Ingenieurskunst verbargen, die größten und am weitesten gespannten Hallen, die bis dahin errichtet worden waren.

Im heute weitgehend elektrifizierten Betrieb muss ein Fernbahnhof freilich nicht unbedingt aussehen wie eine Kathedrale der Industriegesellschaft. Vom praktischen Gesichtspunkt her ist er eine bessere Schnellbahnstation mit vielen Gleisen und höherer Besucherfrequenz. Letztere hat allerdings einen wichtigen Seiteneffekt: Wo viele Menschen unterwegs sind, entsteht heute fast zwangsläufig ein Shoppingcenter. Dass die Eröffnung des Wiener Hauptbahnhofs vor zwei Wochen eigentlich die Eröffnung des Shoppingbetriebs feierte und nicht die Inbetriebnahme der Gleise für den Fernverkehr, die erst im Dezember folgen wird, spricht für sich.

Städtebaulich ist die Lage des neuen Bahnhofs eine Herausforderung. Als Durchgangsbahnhof scheint er selbst auf der Durchreise zu sein. Seine Ausrichtung folgt der optimalen Kurve des Gleiskörpers, ohne sich besonders um den umliegenden Stadtraum zu kümmern. Dazu kommt das Problem, dass die U-Bahnlinie U1, die den Bahnhof an den öffentlichen Verkehr anschließt, relativ weit entfernt liegt und die Gleise nicht in der Mitte, sondern am westlichen Ende erschließt. Hätte man den Bahnhof zurückversetzt, um einen größeren Vorplatz zu schaffen, wäre diese Distanz, die schon jetzt knapp 500 Meter Gehweg bis zu den Gleisen bedeutet, weiter gewachsen.

Alle weiteren städtebaulichen und architektonischen Entscheidungen in diesem Projekt müssen als Versuche verstanden werden, aus dieser Situation das Beste zu machen. Manches ist gelungen: Der lange Weg zur U-Bahn ist abwechslungsreich und zumindest punktuell natürlich belichtet. Die Verbindung der beiden Bezirke Wieden und Favoriten unter dem Gleiskörper ist an mehreren Punkten hergestellt, nicht zuletzt durch die innere Passage, die auf der einen Seite Geschäfte und auf der anderen die Aufgänge zu den Gleisen erschließt. Sie mündet auf der Favoritner Seite in einen zweiten Bahnhofsvorplatz, an dem auch das Hochhaus der ÖBB-Zentrale liegt. Der Bahnhof verbindet damit die beiden Bezirke als gleichwertig, ohne eine Vorder- und eine Rückseite auszubilden. Auch eine Bahnhofshalle gibt es: Sie schmiegt sich seitlich an den Gleiskörper und wird an beiden Stirnseiten von großen Glaswänden abgeschlossen.

Auf der Glaswand zum Südtiroler Platz klebt eine Uhr mit vier Meter Durchmesser, die der alten Uhr an der Wand des Südbahnhofs nachempfunden ist. Dasselbe gilt für den Schriftzug, und im inneren der Halle ist der kleine Markuslöwe aufgestellt, der als letztes Relikt des im Krieg zerstörten Südbahnhofs erhalten blieb. Dass die Uhr auf der Glaswand, von der Rückseite her betrachtet, die verkehrte Zeit anzeigt, ist symptomatisch. Hier wird mit historischen Versatzstücken Stimmung gemacht, statt technische Infrastruktur auf der Höhe der Zeit zu konzipieren. Trotz hohem Aufwand reicht es architektonisch gerade noch fürs Mittelmaß.

Dasselbe gilt für die Überdachung der Bahnsteige. Die weit gespannte Stahlkonstruktion besteht geometrisch aus fünf ineinander verzahnten Bändern, die konstruktiv als 14 jeweils 76 Meter lange rautenförmige Elemente mit einem zentralen Oberlicht ausgebildet sind. Durch die wellenförmige Verzahnung der Bänder entstehen zusätzlich seitliche Belichtungsfelder. Das Dach schwingt sich über den Aufgängen zu den Bahnsteigen auf beachtliche 15 Meter Höhe auf, läuft Richtung Osten gemächlich auf die Höhe normaler Bahnsteigdächer aus. Alle 38 Meter tragen massive schräge Stützen die Last des Stahldachs in den Boden ab.

Aus der Vogelperspektive wirkt dieses Dach relativ klar. Aus der Perspektive der Besucher dominiert aber die skulpturale Wirkung der Einzelteile, die kein Ganzes ergeben. Die Auf- und Abbewegung aller Elemente und die leichte Krümmung der Gesamtanlage tragen dazu bei. Man fühlt sich nicht geschützt unter einem Dach, sondern wie ein Zwerg, der unter eine Herde von Wasserbüffeln mit stämmigen Beinen geraten ist, die ihre Bäuche aneinander reiben. Die Planer sind stolz darauf, dass hier so viel Stahl verbaut wurde wie im Eiffelturm. Man hätte sich besser Bahnhöfe wie Salzburg oder Dresden zum Vorbild nehmen sollen, leichte Konstruktionen mit Dächern aus Kunststoffmembranen.

Wer der Frage nachgeht, von wem dieser Entwurf stammt, kommt zu einem überraschenden Ergebnis. Im Jahr 2004 kürte eine Jury in einem städtebaulichen Wettbewerb für das Bahnhofsareal zwei Preisträger ex aequo, das Team Theo Hotz/Ernst Hoffmann und Albert Wimmer. Beide hatten in ihren Modellen die Bahnhöfe als Baukörper angedeutet: Wimmer als eine Kiste ähnlich jener, die er am Praterstern realisiert hat, Hotz/Hoffmann als Fantasiegebilde aus Bandnudeln. Als wenig später die Ingenieurleistungen für den neuen Bahnhof und die Gleisanlagen vergeben wurden, waren Hotz/Hoffmann und Wimmer als Teil eines Konsortiums dabei: Bandnudeln und Kiste entwickelten sich zum Rautendach. Ein Architekturwettbewerb für das 250 Millionen teure Bahnhofsgebäude fand nie statt. Man merkt es dem Ergebnis an.

27. September 2014 Spectrum

Schön allein ist nicht genug

Spitzengastronomie bietet die Gelegenheit, gutes Essen und gute Architektur an einem Ort zusammenzuführen. Mit der Erweiterung des Steirerecks im Wiener Stadtpark ist PPAG die ideale Bühne für eine Begegnung gelungen, die alle Sinne anspricht.

Gutes Essen und gute Architektur haben eines gemeinsam: Schön aussehen reicht noch lange nicht. Für das gute Essen ist dieser Grundsatz allgemein anerkannt. So schön kann sich eine Speise gar nicht auf dem Teller präsentieren – wenn sie fad schmeckt, ist sie beim Gast unten durch. In der Architektur ist die Sache etwas komplizierter. Ihr Problem ist, dass sie massenhaft über Bilder verbreitet wird und deshalb oft als primär optisches Phänomen gilt. Dass Architektur auch etwas damit zu tun hat, ob ein Raum alltagstauglich organisiert ist, wie sich seine Oberflächen anfühlen und ob er gut klingt, ist für viele Menschen alles andere als klar. Aber auch hier gilt: So schön kann ein Raum gar nicht aussehen – wenn er akustisch oder funktionell misslungen ist, kann er nicht für sich beanspruchen, gute Architektur zu sein.

Die Spitzengastronomie bietet eine perfekte Gelegenheit, gutes Essen und gute Architektur an einem Ort zusammenzuführen. Das Restaurant Steirereck der Familie Reitbauer hat den ersten Schritt in diese Richtung im Jahr 2005 gesetzt, als es seinen gutbürgerlichen Standort im dritten Bezirk aufgab und in ein teilweise denkmalgeschütztes Objekt im Wiener Stadtpark übersiedelte, die sogenannte Meierei, eine ehemalige Milchtrinkhalle aus dem Jahr 1903. Deren ursprünglicher Entwurf stammt von Friedrich Ohmann, neben Otto Wagner Leiter einer Meisterklasse an der Akademie und im Stadtpark auch für die Architektur der Wienflussausmündung verantwortlich, einer Abfolge von Treppen und Pergolen, die mit Otto Wagners angrenzender Stadtbahnstation eine recht eigenartige Symbiose eingehen.

Im Vergleich zu dieser üppig dekorierten Architektur war die Meierei ein schlichtes Gebäude mit Mansarddach und großen Bogenfenstern an beiden Hauptfronten, von denen heute – nach Kriegszerstörungen und zahlreichen Umbauten – noch das Fenster zum Wienfluss erhalten ist. Schon 2005 hatten die Reitbauers das Haus für einen Betrieb auf zwei Ebenen eingerichtet: Auf Ebene der Kaipromenade gibt es einen verglasten Zubau, der unter dem Namen Meierei als Gastraum eines eigenen Lokals mit kleiner Karte betrieben wird. Über eine Treppe verbunden liegt im Geschoß darüber das eigentliche Steirereck, dem eine große Gartenterrasse vorgelagert war. Bei der aktuellen Erweiterung ging es darum, diese Gartenterrasse mit einem neuen Gastraum zu überbauen und darunter zusätzliche Räume für Küche und Lager zu schaffen.

Die Suche nach den richtigen Architekten für die Aufgabe haben sich die Bauherren nicht leicht gemacht. Ihr ursprünglicher Plan war, einen Direktauftrag an ein Büro mit großer Erfahrung und Referenzprojekten im Gastronomiebereich zu vergeben. Das Ergebnis wäre erwartbar gut gewesen, aber nicht unbedingt herausragend. Die Bauherren entschlossen sich daher, einen Wettbewerb unter acht eingeladenen Büros auszuloben, darunter auch zwei ausländische und zwei Teams von jungen Absolventen. Jedes Team bekam ein separates Briefing in Form eines Essens mit anschließendem Blick hinter die Kulissen, wo in einem Lokal der Spitzengastronomie auf einen Koch zwei Gäste kommen und die Summe des Personals annähernd gleich mit der Anzahl der Sitzplätze anzusetzen ist.

Die Ergebnisse des Wettbewerbs waren aus der Sicht der Bauherren durchwegs hervorragend. Den Zuschlag bekam das Projekt der Architektengruppe PPAG (Anna Popelka und Georg Poduschka) vor allem, weil es die Einbeziehung des Stadtparks in die neuen Räume am besten gelöst hatte. Ihr Plan sieht im Zubau keinen großen Gastraum vor, sondern eine Struktur, die aussieht, als wäre sie wie ein Kristall von der Front des Altbaus her in mehreren Fingern in den Park gewachsen. Im Inneren ergeben sich dabei zahlreiche Nischen unterschiedlicher Figuration, in denen die Tische locker platziert sind. Trotz der Nischen wirken die Räume großzügig, da jeder Finger eine beachtliche Tiefe aufweist.

Der Haupteingang mit Windfang liegt genau zwischen den beiden mittleren Fingern und wird über einen schmalen, zum Park hin offenen Hof erreicht. Der Eingangsbereich liegt hier genau an der richtigen Stelle: Nach links bietet eine Glaswand einen ersten Blick in die obere Küche, in der ein Dutzend Köche mit weißen Hauben an der Arbeit ist. Vor dem Besucher liegt ein verglastes Weinlager und rechts ein kleines Empfangspult, das nicht aussieht wie ein Empfangspult, sondern wie eine suprematistische Skulptur. Folgt man der Erklärung der Bauherrschaft, ist das aber Zufall: Das Pult ist vor allem praktisch, und seine unterschiedlichen Höhen und Tiefen bieten mehr Möglichkeiten, mit den Gästen beim Abgeben der Garderobe ins Gespräch zu kommen.

Auf die Idee, sich selbst einen Sitzplatz zu suchen, kommen die Besucher hier schon deshalb nicht, weil erst eine Drehung um 180 Grad den Blick zu den Tischen öffnet. Dass man dort eine andere Zone betritt, macht auch der Wechsel im Bodenbelag deutlich. Im Eingangsbereich ist ein Fliesenboden in einem PPAG-typisch vertrackten Muster verlegt, dessen Logik sich erst bei genauerer Betrachtung erschließt, in den Speiseräumen ein hellgrauer Terrazzo. Ursprünglich hatten die Architekten hier einen Boden aus Kunststoffgewebe vorgeschlagen. Man entschloss sich dann doch für die harte Oberfläche, aus hygienischen Gründen, aber auch aus einem viel subtileren: Auf jedem Boden klingen die Schritte der Kellner anders, und der Kunststoff hatte für die Bauherren zu viel „Eigenleben“.

Das signifikanteste Element im Entwurf von PPAG sind die großen Schiebefenster, die sich vertikal nach oben schieben lassen und dann wie große Bilderrahmen über die Dachkante des Zubaus hinausstehen. In der Fassade wechseln sich diese Schiebelemente ab mit Verkleidungen aus matt spiegelndem Aluminium, demselben magischen Material, mit dem Kazuyo Sejima die kürzlich eröffnete Louvre-Außenstelle im französischen Lens verkleidet hat. Die polygonale Geometrie des Steirerecks bringt diese Materialien zur vollen Entfaltung: Abhängig von Licht und reflektierter Umgebung bekommt jede Fläche ihren eigenen Glanz.

Neben seinen vielen praktischen Vorzügen erfüllt das Projekt damit auch eine andere Vorgabe der Bauherren: Es bietet eine signifikante und einprägsame Figur, die den Besuchern in Erinnerung bleibt.

Wem das Ergebnis nicht „wienerisch“ genug ist, sollte bei Josef Frank nachlesen, der schon 1931 postuliert hat, dass ein beliebiges Polygon einen besseren Grundriss abgibt als ein regelmäßig-rechteckiges.

Frank wollte der Architektur ihre Gravität nehmen und hat in späteren Jahren unter dem Begriff des „Akzidentismus“ Phantasieentwürfe skizziert wie das berühmte Giraffenhaus, als dessen Urenkel man das Steirereck mit seinen hochgeschobenen Fenstern durchaus betrachten darf. Architektur mit Humor ist eine Seltenheit. PPAG ist sie hier gelungen.

30. August 2014 Spectrum

Cluster macht Schule

Volksschule Mariagrün in Graz, zumindest hier bewegt sich das Bildungssystem: Lerninseln ersetzen die Korridore, Bildungsbereiche die Klassenzimmer. Werden sich diese neuen Räume auch bewähren?

Die letzte große Bildungsreform in Österreich, das Schulorganisationsgesetz von 1962, liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Bildungspolitisch leben wir im Land der kleinen Schritte und vorsichtig austarierten Kompromisse, hinter denen aber zumindest manchmal größere Ambitionen hervorleuchten.

Spürbar werden diese Ambitionen nicht zuletzt im Schulbau. Hier hat sich in den vergangenen Jahren, meist unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit und abseits der Schusslinie im Grabenkampf um die Schulreform, ein Paradigmenwechsel vollzogen, dessen Resultate nun österreichweit wirksam werden. Zwei repräsentative Beispiele, die auf Wettbewerbe aus dem Jahr 2011 zurückgehen, nehmen im Herbst ihren Betrieb auf: die Volksschule Mariagrün in Graz und der Bildungscampus Sonnwendviertel in Wien, eine Kombination aus Kindergarten, Volksschule und Neuer Mittelschule. Es sind nur zwei Beispiele von vielen. In allen Bundesländern und auch auf Bundesebene wurde in den letzten Jahren begonnen, die starren, teilweise gesetzlich fixierten Regeln für den Bau von Kindergärten und Schulen zu flexibilisieren und neue Unterrichtsformen auch architektonisch zu unterstützen.

Charakteristisch für das neue Paradigma ist die Auflösung des Systems aus Klassenzimmern und Erschließungsgängen zugunsten von offeneren Grundrissen, die unterschiedliche Lehr- und Lernformen und nicht nur den Frontalunterricht unterstützen. Dahinter stehen Ideen, die in der Pädagogik alles andere als neu sind, aber in den letzten Jahren durch neue Bildungsziele und Schlüsselqualifikationen an Brisanz gewonnen haben. Die homogene Klasse, in der gleich begabte Kinder mit gleicher Geschwindigkeit dasselbe lernen, gibt es längst nicht mehr. Schule geht heute vom Prinzip der Inklusion aus, womit nicht allein die Integration sogenannter behinderter Schüler gemeint ist, sondern ein so weit wie möglich auf die Persönlichkeit des einzelnen Kindes zugeschnittener Unterricht. Das ist ein hoher Anspruch, der nicht nur exzellente und motivierte Pädagogen braucht, sondern auch geeignete Räume. Es ist kein Zufall, dass die Formulierung, der Raum sei – neben den anderen Kindern und den Lehrern – der „dritte Pädagoge“, von Loris Malaguzzi in Italien geprägt wurde, einem Land, das seit den 1970er-Jahren auf inklusiven Unterricht setzt und schon damals seine Sonderschulen weitgehend abgeschafft hat.

An der Volksschule Mariagrün in Graz lässt sich erkennen, dass die „neue Schule“ nicht unbedingt spektakulär aussehen muss. Der Entwurf der Vorarlberger Architekten Philipp Berktold und Christoph Kalb ist eine einfache, holzverkleidete Box am Hang. Auf demselben Grundstück liegen ein als Kindergarten genutztes, denkmalgeschütztes Sanatorium aus dem 19. Jahrhundert und eine 2010 errichtete Kinderkrippe, ein Massivholzbau von Martin Strobl. Mit diesen Einrichtungen teilt sich die Schule nicht nur den Freiraum, ein parkähnliches Areal im Grazer Stadtteil Mariatrost, sondern auch die Küche und den Speisesaal, die im Altbau liegen. Bedingt durch die Hanglage befindet sich der Haupteingang zur Volksschule im obersten der drei Geschoße. Eine großzügige, flexibel nutzbare Halle mit Oberlicht empfängt die Besucher. Linker Hand liegt die Direktion, ein Stockwerk tiefer die gemeinsame Garderobe mit eigenem Ausgang in den Garten. Auf dem untersten, teilweise in den Hang gegrabenen Niveau liegen der Turnsaal und Werkräume mit überdachten Terrassenflächen. Der Unterschied zu einer normalen Schule besteht in der Anordnung der Unterrichtsräume. Sie gliedern pro Geschoß sich in einen großen, von jeweils vier Gruppen gemeinsam nutzbaren offenen Bereich, an den vier mit Schiebetüren zu öffnende „Klassenräume“ angelagert sind. Dazu kommt ein großzügig dimensionierter Teamraum für die Lehrer, ein Lagerraum für Unterrichtsmaterialien und die WCs für die Schüler. Eine solche, um eine gemeinsam nutzbare Mitte herum angeordnete Einheit wird im Schulbau als „Cluster“ bezeichnet. In Mariagrün werden die vier Gruppen als Jahrgangsklassen geführt, im zentralen Raum wird aber jahrgangsübergreifend und im Team gearbeitet.

Auch der neue Campus Sonnwendviertel in Wien, ein Entwurf der Architekten PPAG, folgt diesem Clusterprinzip. Für den Wiener Schulbau muss das Projekt als Auslöser einer kleinen Revolution gesehen werden. Während die ersten Campusschulen nach dem Muster Gang und Klassenzimmer konzipiert waren, hat sich der Cluster heute als Standard im Schulneubau der Stadt etabliert. Inzwischen wurde auch das Potenzial dieses Prinzips für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung erkannt: Eine Kombination von Kindergartengruppen und Schulklassen in einem Cluster bietet die Möglichkeit, die wichtige Schnittstelle zwischen diesen Institutionen flexibler und besser auf die individuellen Bedürfnisse hin orientiert zu gestalten.
Sowohl im Wiener wie im Grazer Beispiel zeigt sich, dass der Clustertypus eine Neujustierung von Gewichtungen erfordert. In Graz wurden die „Klassenräume“ auf 48 m² verkleinert, um Flächen für den Zentralraum zu schaffen. In Wien wurde der Hort als eigenständige, nur halbtags genutzte Institution aufgegeben und seine Flächen der Schule zugeschlagen. In beiden Fällen wird der Möblierung große Bedeutung gegeben: Eine flexible Schule funktioniert nur mit leichten, beweglichen Tischen und Sesseln und zusätzlichen Aufbewahrungsmöglichkeiten für Schulsachen.

Solche Verschiebungen über Budgetgrenzen hinweg klingen einfacher als sie sind, ebenso die Kombination von bisher säuberlich getrennten Institutionen wie Kindergarten und Schule. Die eigentlichen Helden in diesem Spiel sind Beamte der Bildungs- und Bauressorts, die gemeinsam mit engagierten Pädagogen Grenzen einreißen und neue Regeln definieren. Ohne eine kluge Wettbewerbsausschreibung, die von den Architekten Innovationen einfordert, wäre keine der beiden genannten Schulen möglich gewesen.
Die anstehende große Reform unseres Bildungssystems kann diese Entwicklung nicht ersetzen. Sie schafft aber eine wichtige Voraussetzung einer zeitgemäßen Pädagogik. Jetzt geht es darum, die neuen Konzepte im Betrieb zu beobachten, aus ihnen zu lernen und die Erkenntnisse in die Breite zu tragen.

2. August 2014 Spectrum

Eine undichte Stelle

Das Wiener Stadthallenbad ist endlich eröffnet. Die Farce um seine Sanierung endet wohl vor Gericht.

In der aktuellen Ökonomie der Aufmerksamkeit ist der Wert der Architektur im Schwinden begriffen. Noch vor zehn Jahren setzte das amerikanische „Time Magazine“ unter dem viel versprechenden Titel „The Shape of Things to Come“ den Stararchitekten Daniel Liebeskind aufs Titelblatt und ließ ihn und andere Götter in Schwarz über die Zukunft der gebauten Umwelt räsonieren. Auch in einer der jüngsten Ausgaben von „Time“ ging es in einem immerhin knapp 40 Seiten starken Sonderteil um Architektur unter dem Titel „The Smarter Home“. Das Titelblatt zeigte diesmal allerdings die Zeichnung eines Einfamilienhauses, das zwar ästhetisch eher ins Fertighausparadies der „Blauen Lagune“ passen würde, technisch aber einiges verspricht, unter anderem seinen eigenen Energiebedarf abzudecken, durch ausgefeilte Sensorik auf die Bedürfnisse seiner Nutzer zu reagieren und über LEDs beliebige Lichtstimmungen erzeugen zu können.

Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass Architektur außerhalb der Reservate der Architekturkritik in einem neuen Rahmen diskutiert wird: als Gerüst, auf das wir Schalter und Tasten montieren, mit denen wir unseren Komfort steuern. Mit der Realität des Architekturschaffens haben solche Fantasien freilich nur wenig zu tun. Die zunehmende Komplexität der Gebäudetechnik ist ein Faktum, das die Architektur dazu zwingt, viele ihrer klassischen Mittel neu zu denken. Der Schluss, dass Ingenieure und Haustechniker und eine vielleicht noch entstehende Berufsgruppe von Interfacedesignern eine ganzheitliche architektonische Planung ersetzen könnten, wäre freilich verhängnisvoll. Am Ende stünde dann oft ein saftiger Bauskandal – die andere verblieben Möglichkeit für ein Gebäude, heute noch in die Zeitung zu kommen.

Das Wiener Stadthallenbad hat sich in den vergangenen Jahren zu einem solchen Skandal entwickelt, in dessen Zentrum die Frage des Vertrauens zwischen der Bauherrenseite und den verantwortlichen Architekten steht. Begonnen hat dieser Skandal im Jahr 2009, als die Stadt Wien den schon lange fälligen Entschluss fasste, das Stadthallenbad zu sanieren. Das Sportamt hatte einen Planer mit einem Sanierungsentwurf beauftragt, der auf eine grobe Verunstaltung des Gebäude hinausgelaufen wäre. Dass die Verantwortlichen nicht wirklich wussten, womit sie es zu tun hatten, zeigte sich schon an dem kleinen Detail, dass in der Projektbeschreibung ein gewisser Arnulf Rainer als Architekt des Ursprungbaus aus dem Jahr 1974 angeführt war.

Tatsächlich handelt es sich beim Stadthallenbad um eines der Hauptwerke von Roland Rainer, ein auch im internationalen Vergleich herausragendes Werk, nicht so spektakulär wie seine frühen Hallen, aber unglaublich raffiniert in Konzept und Detail. Die schräg geneigten Träger, die sich aus der Höhenstaffelung der Halle Richtung Sprungturm ableiten, geben dem Raum eine besondere Dynamik. Auch der Grundriss, an sich ein einfaches Rechteck, das der Kontur der beiden Schwimmbecken folgt, wird durch das „störende“ Element des Sprungturms in Bewegung gebracht: Die Verglasung weicht ihm in mehreren, mit der Neigung der Dachträger synchronisierten Stufen aus, während die Wettkampftribünen leicht schräg in den Raum gestellt sind, um die Blicke der Zuschauer auf die Springer zu fokussieren. Das Ergebnis ist ein pulsierender Hochleistungsraum, weder Spaßbad noch Wellness-Oase, aber seinem ursprünglichen Zweck, als Trainingsanlage für den Spitzensport zu dienen, in jeder Hinsicht angemessen.

Durch Proteste der Fachöffentlichkeit sensibilisiert, beantragte die Stadt Wien selbst praktisch im letzten Moment Denkmalschutz für das Bad und ließ in einem Generalplanerverfahren nach einem entsprechend kompetenten Architekten suchen. Georg Driendl, der selbst bei Roland Rainer studiert hat, überarbeitete die vorliegende Planung von Grund auf. Das technisch und denkmalpflegerisch größte Problem waren die bereits in den 1990er-Jahren erfolgten Sanierungen, bei denen unter anderem der Hallenboden leicht angehoben und eine Edelstahlwanne anstelle des gekachelten Beckens eingesetzt wurde. In vielen Punkten hatten sich seit 1974 Vorschriften geändert, für Geländer ebenso wie für Türhöhen, und hier galt es, sinnvolle Lösungen zu finden, teilweise unter Beibehaltung der alten Standards, wie das bei denkmalgeschützten Altbauten ja auch in anderen Fällen in Kauf genommen werden muss.

Die Sanierung begann 2010 und sollte im Herbst 2011 abgeschlossen werden. Wie bei vielen Sanierungen traten zusätzliche Probleme auf, die unter anderem auf jahrelange Vernachlässigung der Substanz zurückzuführen waren. Zum öffentlich gravierenden Problem wurde kurz vor Abschluss der Sanierung das Edelstahlbecken, das sich als undicht erwies. Die ausführende deutsche Firma, von der das Becken in den 1990er-Jahren stammte, empfahl, etappenweise nach den undichten Stelle zu suchen und das Bad trotzdem zu eröffnen, da die austretende Wassermenge minimal sei. Die Stadthalle unter der Führung ihrer neuen kaufmännischen Direktorin, Sandra Hofmann, entschloss sich nach kritischen Zeitungsberichten zu einem anderen Weg, nämlich einen Schuldigen zu suchen. Sie veranlasste Ende Jänner 2012 einen Baustopp und eine gerichtliche Beweissicherung.

Seit damals hat sich diese Causa zu einer Farce entwickelt, die Hunderttausende Euro an Gutachter- und Rechtsanwaltshonoraren gekostet hat. Bereits nach Plänen von Georg Driendl errichtete Teile wie der Kassenschalter beim Eingang wurden abgebrochen und neu errichtet und fertig verlegte Böden getauscht. Der Aufgang auf den Sprungturm wurde neu als Standardtreppe statt als Leiter errichtet und steht entsprechend unglücklich im Weg. Um viel Geld wurde auch eine Gesamtprüfung des vorgespannten Tragwerks durchgeführt, in der Hoffnung, das ungeliebte Gebäude könnte aus statischen Gründen als nicht erhaltenswert eingestuft werden. Die von einem Tragwerksplaner aus dem Umfeld von Pier Luigi Nervi stammende Konstruktion hielt dieser Prüfung aber mit mehrfacher Sicherheit stand.

Inzwischen ist das Edelstahlbecken dicht. Wer heute im Stadthallenbad schwimmen geht, darf sich an einer ästhetisch und funktionell hervorragend gelungenen Sanierung erfreuen. Auch die Wasserqualität ist – nach der Korrektur der Fehler, die schon zu Roland Rainers Zeiten gemacht wurden – hervorragend. Bei der Pressekonferenz zu der im Juni erfolgten Eröffnung sprach Sandra Hofmann von 300 Planungsfehlern des Generalplaners, der auf mindestens 6,8, möglicherweise 15 Millionen Euro Schadenersatz geklagt werde. Womit man wieder im ursprünglichen Budgetplan sei. Das klingt nach Realitätsverweigerung. Falls es tatsächlich zu diesem Prozess kommt, wird der Steuerzahler aller Voraussicht nach heftig zur Kasse gebeten werden. Dass das Becken schon vor der Sanierung des Bads undicht war, ist bekannt. Hätte man die Energie ins Lösen von Problemen statt in die Suche nach Schuldigen gesteckt, wäre das Bad wohl schon im März 2012 in Betrieb gegangen: ohne Skandal, als Erfolgsstory einer intelligenten und einfühlsamen Sanierung.

5. Juli 2014 Spectrum

Nichts ist egal

Seine Bauten waren ihrer Zeit Jahrzehnte voraus. So ist es keine Überraschung, dass sie heute dringend saniert werden müssen. Wien sollte das Andenken an Helmut Richter ehren, indem es seine Bauten weitersprechen lässt– die Stadt hat nicht viele Räume dieser Qualität zu bieten.

Über Architektur zu sprechen ist Helmut Richter nie leicht gefallen. Ein allgemeines Gespräch zum Thema „Architektur“ hielt er für sinnlos, weil es keine ästhetischen Argumente gäbe, sondern nur ästhetische Postulate. Die würden allerdings nicht vom Himmel und dem Architektengenie in die Hände fallen. Vielmehr sei festzuhalten, dass „die ständige Beschäftigung mit einem Problem, dauernde Anstrengung und der Wille, etwas zu verbessern, neben der Verwendung von klaren Argumenten bei der Kontrolle unserer Handlungen zu dem Resultat führt“.

Es ist symptomatisch, dass Richter „dem Resultat“ kein Adjektiv beistellt, wie man es an dieser Stelle erwarten würde. Sollte es nicht zumindest „korrekt“ sein, besser noch „gelungen“ oder „herausragend“? Das wäre für Richter schon zu viel an Selbstgefälligkeit gewesen. Das Resultat ist, was es ist. Aber im selben Text, der 1984 in der Zeitschrift „UmBau“ erschien, heißt es auch: „Die Methode sei der ständige Zweifel, die Kontrolle, die Korrektur.“ So macht man sich und seiner Umgebung kein leichtes Leben. Aber man gelangt zu außergewöhnlichen Resultaten. Und das ist das Mindeste, das man über Helmut Richters Architektur sagen kann.

Geboren wurde Richter 1941 in Ratten in der Steiermark. „Aufgewachsen bin ich im Wald“, sagte er vor Jahren in einem Interview und legte damit wahrscheinlich eine falsche Fährte: Sein Vater war Bergbauingenieur, und beeinflusst haben ihn weniger die Natur als das industrielle Gerät und die Industriebauten des Kohlebergwerks im Ort. Nach dem Architekturstudium an der TU in Graz ging Richter 1969 in die USA, um an der University of California, Los Angeles, weiterzustudieren. Dem Trend der Zeit entsprechend, belegte er Vorlesungen in System- und Netzwerktheorie und war bis 1971 als Forschungsassistent tätig. Er kehrte nicht direkt nach Österreich zurück, sondern wechselte für vier Jahre als Assistenzprofessor an die École nationale superiéure des beaux-arts in Paris.

Dort freundete sich Richter mit einer internationalen Gruppe von Architekten an, die gerade mit der Planung des Centre Pompidou befasst waren. Zum ersten Mal in der Geschichte Frankreichs hatten an dem Wettbewerb für dieses Projekt auch ausländische Architekten teilnehmen dürfen, und aus fast 700 Einreichungen machte das Team des Engländers Richard Rogers und des Italieners Renzo Piano das Rennen. Das Projekt eines anderen Briten, des 23 Jahre alten William Alsop, kam auf Platz zwei. Richter hoffte, sich in diesem Pariser Umfeld als internationaler Architekt selbstständig machen zu können. Das ging nicht auf, aber der kontinuierliche Austausch mit den Architekten und Ingenieuren der Architekturströmung, die man ab Mitte der 1970er-Jahre als „Hightech“ zu bezeichnen begann, ließ ihn Konstruktion und Material neu denken: nicht als Mittel zum Zweck, sondern als zentrales Medium des architektonischen Schaffens. Unter den österreichischen Architekten gelangte nur Konrad Frey, der zur selben Zeit wie Richter an der TU Graz diplomiert und danach in London bei Arup Associates – den Ingenieuren des Centre Pompidou – gearbeitet hatte, zu einem vergleichbaren Verständnis.

Im Jahr 1977 kehrte Richter nach Wien zurück und gründete gemeinsam mit Heidulf Gerngroß ein eigenes Büro, das sehr rasch auffällig wurde. Während an der TU Wien mit Rob Krier ein wortgewaltiger Vertreter der Postmoderne den Ton angab, legten Gerngroß/Richter Projekte einer zweiten, entspannt wirkenden Moderne vor. Es waren kleine und kleinste Aufgaben: das Einfamilienhaus Königseder in Oberösterreich, das Bad Sares und das Restaurant Kiang in Wien, alle in den Jahren zwischen 1980 und 1985 realisiert. Für viele Studierenden an den Wiener Architekturschulen wurden diese Projekte zu Leitbildern. Sie waren der gebaute Beweis, dass ihre Lehrer unrecht hatten. Die behaupteten nämlich zu dieser Zeit, man müsse einem Projekt ansehen, dass es die Weltgeschichte der Architektur ehrfurchtsvoll zitiert. Die Projekte unter dem Label von Gerngroß/Richter zeigten eine Alternative auf, die völlig im Heute zu Hause war. Wer diesen Weg verfolgte, war aber auch gegen jede Art von Dekonstruktivismus immunisiert. Richters Lieblingsphilosophen waren Wittgenstein und Popper. Er verstand Entwerfen als deduktiven Prozess, dessen Ergebnisse sich im Leben zu bewähren haben, und Bauschäden als Erkenntnisgewinn durch Falsifikation.

Zur Attraktivität der Person Helmut Richters bei der jungen Szene trug wesentlich seine kompromisslose Haltung bei – sie führte aber nicht immer zum Erfolg. Beim Wohnbau auf den Wiener Gräf-und-Stift-Gründen, der als Stahlkonstruktion geplant war, erlebte er eine doppelte Niederlage: Die Ausführung erfolgte in Massivbauweise, und die zahlreichen Grundrissvarianten, die der Entwurf den Nutzern angeboten hätte, wurden auf zwei reduziert. Im Kampf mit der Genossenschaft ließ sich Richter auf keinen Kompromiss ein, bis er den Auftrag verlor. Sein Gegenüber erwartete von einem Haus nicht mehr, als dass es warm, trocken und möglichst billig war. Richters Leidenschaft galt der Präzision bis ins letzte Detail. Richard Manahl von Artec, einer der ersten Mitarbeiter im Büro Gerngroß/Richter, berichtet, er hätte dort vor allem ein Prinzip gelernt: „Nichts ist egal.“ In der Wiener Welt des Durchwurstelns ist das bis heute eine Kampfansage.

Diese Ansage hat Richter seit den frühen 1980er-Jahren auf vielen Wegen in die österreichische Architekturszene getragen. Da wären einerseits die Mitarbeiter in seinem Büro, andererseits die Studierenden, die er zuerst als Lehrbeauftragter an der Angewandten, dann als Gastprofessor in Kassel und schließlich ab 1991 als Nachfolger von Ernst Hiesmayr an der TU Wien unterrichtet hat. In seiner Zeit als Professor betreute Richter rund 750 Diplomarbeiten: eine ganze Architektengeneration.

An der TU etablierte er mit seinen Assistentinnen und Assistenten eine Schule, die aus dem Betrieb herausleuchtete. Zu denen, die ihm auf die eine oder andere Art wesentliche Impulse verdanken, gehören viele, auch einige der besten der heute um die 50-jährigen Architekten in Wien, unter anderem Fasch und Fuchs, Querkraft, Gerner und Gerner, Andreas Treusch, Pichler Traupmann, Berger und Parkkinen, Bulant und Wailzer, Tillner und Willinger.

Diese Architekten verbindet ein Verständnis für Konstruktion und Material, wie es an den beiden Hauptwerken Richters, der Wohnhausanlage in der Brunner Straße und der Hauptschule am Kinkplatz, abzulesen ist. Peter Cook hat diese Architektur als „Hand-Tailored Tech“ bezeichnet. Sie ist exklusive Maßarbeit, im Unterschied zum britischen und französischen Hightech, der auf große Ingenieurbüros und ausführende Firmen mit Stahlbautradition zurückgreifen konnte. Richter und sein Ingenieur, Lothar Heinrich von Vasko und Partner, entwickelten Konstruktionen, die ihrer Zeit 20 Jahre voraus waren. Scheinbar serielle Industrieprodukte, die aber nicht aus der Fabrik, sondern aus der Schlosserei stammen.

Dass diese Bauten heute, nach 20 Jahren, dringend saniert werden müssen, ist keine Überraschung. Sie teilen dieses Schicksal mit dem Centre Pompidou, dessen erste Generalsanierung 20 Jahre nach der Eröffnung begann. Mit heutigen Technologien lassen sich Richters Bauten warm und dicht machen, ohne ihre Qualität zu zerstören. Am 15. Juni ist Helmut Richter nach langer Krankheit verstorben. Wien sollte das Andenken an diesen stillen, fast scheuen Architekten ehren, indem es seine Bauten weitersprechen lässt. Die Stadt hat nicht viele Räume in dieser Qualität zu bieten.

10. Mai 2014 Spectrum

Das Museum wird lebendig

150 Jahre auf dem Buckel, und es tritt nicht leiser – im Gegenteil: Sensationelle Installationen, spektakuläre Werkpräsentationen, provokante Themenausstellungen gab es schon, nun liegt der Schwerpunkt auch auf Design. Zur Geschichte eines Sonderfalls: das Wiener MAK.

Im Film „Nachts im Museum“ muss die von Ben Stiller gespielte Hauptfigur ein New Yorker Museum bewachen, in dem die Exponate nach Sonnenuntergang zum Leben erwachen. Untertags zeigt sich das Museum im Normalbetrieb als ein Ort für Dinge, die mit der Gegenwart nicht viel zu tun haben: tote Tiere, Alte Meister, längst obsolete Maschinen, Zeug von gestern. Was im Schatzhaus des Museums eingeschlossen ist, soll möglichst still halten und uns Erholung vom Alltag bieten.

Dieses Bild des Museums ist freilich längst obsolet geworden. In einem Vortrag, der vergangene Woche im Rahmen der Wiener Vorlesungen im Wien Museum zu hören war, referierte der in Zürich lehrende Kulturwissenschaftler Bernhard Tschofen über Alternativen zur Metapher des Schatzhauses. Museen seien Institutionen der Gegenwart, in denen Menschen und Dinge ein „epistemisches Gefüge“ bilden würden, also eine besondere Situation des Erkenntnisgewinns – am Objekt und im Raum. In einem guten Museum würde heute die Reflexion im Mittelpunkt stehen und nicht die Affirmation, der das Museum als Erfindung des Bürgertums im späten 18. und vor allem im 19. Jahrhundert seine Existenz verdankte. Das Museum hätte schon immer Geschichte konstruiert, aus der Perspektive von Klassen und Nationen; heute müsse es sich dessen bewusst sein und deutlich machen, wer hier für wen spricht.

Das zweite Museumszeitalter sei in den Jahren nach 1968 angebrochen, als Museen begannen, sozial- und alltagsgeschichtliche Aspekte aufzugreifen. Heute müsse ein Museum sich als Generator verstehen, als Produzent von kulturellen Aussagen, die bewusst auf den Prüfstand der Öffentlichkeit gestellt werden. Dass diese Öffentlichkeit heute alles andere als homogen ist, nämlich geprägt von kulturellen Differenzen, ist ein wichtiger Faktor. Die klassische Arbeitsteilung von Kuratoren, Gestaltern und Vermittlern sei unter diesen Umständen nicht mehr ausreichend. Das Museum müsse zur „Trading Zone“ werden, und seine Mitarbeiter müssen zu Maklern werden, die zwischen unterschiedlichen Wissensordnungen vermitteln.

Universalmuseen wie das Wien Museum sind – so Tschofen – für diese Aufgabe besser gerüstet als klassische Kunstmuseen, da sie den kulturhistorischen Kontext aus ihren Beständen beistellen könnten. Ob das Wien Museum jemals geeignete Räume für diese Aufgabe bekommen wird, muss sich in nächster Zeit klären. Nachdem die Standortentscheidung für den Karlsplatz gefallen und die Erweiterungsmöglichkeit im Groben skizziert ist, sollte noch vor den nächsten Wiener Wahlen ein Architekturwettbewerb zeigen, ob die Gemeinde Wien imstande ist, einen Kulturbau zu realisieren, der einer Millionenstadt angemessen ist.

Diese Sorge hat das Museum für angewandte Kunst, das kommende Woche seinen 150. Geburtstag feiert, nicht. Für Sammlungen und Wechselausstellungen steht genug Raum zur Verfügung. Das MAK ist von seiner Geschichte her der Sonderfall eines Museums, das sich schon immer als Ort der Produktion verstanden hat, nicht im unmittelbaren Sinn, sondern als Sammlung von vorbildlichen Produkten.

Unter der 25-jährigen Direktorenschaft von Peter Noever entwickelte sich das MAK zu einem Museum, das Gegenwartskunst vor dem Hintergrund der historischen Bestände präsentierte. Die Interventionen, die Noever Ende der 1980er-Jahre im MAK von Künstlern in der Schausammlung des Museums installieren ließ, waren eine Sensation, die – zusammen mit spektakulären Werkpräsentationen und provokanten Themenausstellungen – den Ruf des Hauses neu begründete.

Sein Nachfolger Christoph Thun-Hohenstein, der die Direktion im Herbst 2011 übernahm, hat dem MAK eine neue, weniger schillernde Ausrichtung gegeben. Die Schausammlungen wurden schrittweise neu aufgestellt, zuerst die Bestände zu „Wien 1900“, dann die Asien- und die Teppichsammlung. Das Prinzip, zeitgenössische Künstler in die Neuaufstellung der Schausammlung einzubinden, blieb erhalten, mit einer kräftigen Intervention bei der Asien-Sammlung durch Tadashi Kawamata und einer dezenten in der Teppichsammlung durch Füsun Onur. Kawamata mischt Holzlatten und Exponate zu einem Treibgut, das sich im Raum verfängt und in Dialog mit den „grottesken“ Wandmalereien tritt. Onurs Engelteppich schwebt dagegen unauffällig über der Installation aus fliegenden Teppichen, konzipiert von Michael Embacher. Dass die Kuratoren und Kustoden mehr Mitsprache haben als bisher, ist den Aufstellungen positiv anzumerken. Vor allem die Sammlung zu „Wien 1900“, die nun die Jahre 1890 bis 1938 behandelt, zeigt Überraschungen auch für Besucher, die über dieses Thema schon alles zu wissen glaubten.

Mit dem kommenden Dienstag zum 150. Geburtstag eröffneten Design Labor setzt das MAK das bisher deutlichste Zeichen für eine Neupositionierung. Die vom Wiener Designbüro EOOS unter kuratorischer Beratung des Institute of Design Research Vienna gestaltete Ausstellung ersetzt die bisherige Studiensammlung komplett. Ein Teil des Materials ist geblieben, aber lebendiger präsentiert und thematisch neu geordnet. Ein Raum widmet sich dem Produzieren: Hier stoßen künstlerische Produktion und Design aneinander, mit Franz West auf der einen und einer Zusammenschau aller Staatspreise für Design seit 1962 auf der anderen Seite, vom Damenhut bis zur Aufklärungsdrohne. Weitere Bereiche widmen sich dem Kochen und Essen, der Bekleidung (grandios: das Spezialarchiv Helmut Lang) und der visuellen Kommunikation. Das klingt nach säuberlich getrenntem Sortiment, aber EOOS freuen sich, dass diese „Supermarktaufstellung“ an vielen Punkten zu durchaus überraschenden Begegnungen führt.

Zwei Räume für Wechselausstellungenund das MAK Forum – ein multifunktionaler Vortrags- und Ausstellungsraum, in dem es trotz der Lage im Keller viel Tageslicht gibt – runden das Angebot ab. Besucher, die den direkten Weg in den Zentralraum der Studiensammlung gewohnt waren, werden den neuen Eingang, der die Besucher durchs MAK Forum führt, gewöhnungsbedürftig finden. Wenn der Beitrag des Designs zum „positiven Wandel“, den sich das MAK auf die Fahnen geschrieben hat, dort tatsächlich seinen Ausgang nimmt, lohnt sich der Umweg allemal.

11. April 2014 Spectrum

Penthouse für alle?

Baugemeinschaften lassen die Genossenschaftsidee im Wohn-bau wieder aufleben. Wie Reich- tum durch Teilen entsteht: so gesehen in Wien-Leopoldstadt.

Eine Sache zu teilen bedeutet meist, weniger von ihr zu haben. Es gibt aber auch Güter, die sich beim Teilen vermehren. Ein Auto, das von vielen Nutzern geteilt wird, vervielfacht sich zwar nicht physisch, entfaltet aber beim Carsharing einen deutlich vermehrten Nutzwert. Auch wenn es bis heute keiner der großen Automobilkonzerne gewagt hat, statt Autos schlicht Mobilität zu verkaufen, ist abzusehen, dass die Entwicklung in diese Richtung gehen wird. Systeme, in denen geteilt wird, sind grundsätzlich flexibler und effizienter. Individuelles Eigentum wird in solchen Systemen durch den Zugang zu Ressourcen genau dann ersetzt, wenn sie benötigt werden.

Ein verwandter Trend lässt sich im Wohnbau unter dem Begriff „Baugemeinschaften“ beobachten. Der Begriff klingt nicht zufällig nach „Wohngemeinschaft“: Es geht ums gemeinsame Planen, Errichten und Benutzen von Wohnraum. In der Regel wird dabei kein individuelles Eigentum begründet, sondern eine andere Form der Bauträgerschaft gewählt. Die meisten Baugemeinschaften agieren als Vereine, andere als Eigentümergemeinschaften oder als Kooperationsprojekte mit einem Bauträger, bei dem die Projektbetreiber als Mieter auftreten. Das bekannteste Wiener Vorbild für eine „Baugemeinschaft“ ist die sogenannte „Sargfabrik“ im 14. Bezirk, ein Mitte der 1980er-Jahre begonnenes Wohnprojekt, das nach einem Entwurf der Architektengruppe BKK-2 geplant und in der ersten Baustufe 1996 eröffnet wurde. BKK-2 steht nicht von ungefähr für „Baukünstlerkollektiv“: Die Videoaufnahmen der legendären wöchentlichen Diskussionen, in denen das Projekt gemeinsam im Plenum entwickelt wurde, sind Lehrstücke für die Mühen der Basisdemokratie, an denen schon viele ähnliche Projekte gescheitert sind. Die Sargfabrik hat fast zehn Jahre von der Vision bis zur Umsetzung gebraucht.

Die jüngeren Baugemeinschaften, die derzeit in Wien mit ersten Realisierungen auf sich aufmerksam machen, haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Beim Wohnbau auf dem Areal des ehemaligen Nordbahnhofs, hinter dem ein Verein mit dem trockenen Namen „Wohnprojekt Wien“ steht, dauerte es exakt vier Jahre von der Vereinsgründung bis zur Fertigstellung. Das Wohnprojekt ist kleiner als die Sargfabrik: 39 Wohnungen, 65 Erwachsene und 27 Kinder. Entscheidungen fallen nicht basisdemokratisch, sondern „soziokratisch“ nach einem in den Niederlanden entwickelten Partizipationsmodell, das Entscheidungen in eigenverantwortliche und mit eigenem Budget ausgestattete Arbeitskreise delegiert. Dass zu den Bauherren auch Unternehmer und Organisationsentwickler gehören, hat dem Projekt offenbar geholfen – was nicht selbstverständlich ist: Auch die Ballung von Expertise hat schon manches Projekt zu Fall gebracht.

Institutionell lehnt sich das „Wohnprojekt“ insofern an die Sargfabrik an, als der Verein als Betreiber eines Heims auftritt. Die Wohnbauförderung für Heime liegt pro Quadratmeter zwar unter jener von Wohnungen, dafür erhalten auch Gemeinschaftseinrichtungen – bis zu einem Ausmaß von 25 Prozent der sonstigen Wohnfläche – eine Wohnbauförderung. In diesem Fall haben die Betreiber das Potenzial fast vollständig genutzt: Seminarräume und Werkstätten liegen in dem über einen großen Spielhof belichteten Keller, eine Gemeinschaftsküche im Erdgeschoß, und anstelle eines Penthouse finden sich im obersten Geschoß eine Sauna, eine Bibliothek und drei Gästezimmer, die nach Bedarf genutzt werden können. Eine große Hürde für Baugemeinschaften ist in Wien die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Der Traum von der Baulücke mit begrüntem Hof in einem der inneren Bezirke ist angesichts der aktuellen Preise auf dem Immobilienmarkt illusorisch. Um an ein Grundstück zu kommen, ging der Verein „Wohnprojekte Wien“ eine Kooperation mit einem gemeinnützigen Bauträger ein, mit dem er bei einem von der Stadt Wien ausgelobten Bauträgerwettbewerb für ein Grundstück auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs teilnahm. Die Genossenschaft Schwarzatal schlug ein Mischprojekt für das Grundstück vor: einen Block mit 51 Wohnungen mit normaler Wohnbauförderung, einen zweiten Block mit 39 Wohnungen als Heimmodell für den Verein.

Den Wettbewerb, der unter dem Schlagwort „interkulturelles Wohnen“ ausgelobt war, konnte das Projekt nicht zuletzt aufgrundder Zusammensetzung der Baugruppe für sich entscheiden: Ihre Mitglieder sprechen 17 Sprachen und kommen aus 40 verschiedenen Berufen. Ein Solidaritätsfond, der für einige Mitglieder den Eigenmittelbedarf auf null reduzierte, ist Teil des Konzepts.

Für den „normalen“ Wohnbau wurden Superblock Architekten verpflichtet, für das Wohnprojekt Katharina Bayer und Markus Zilker, die gemeinsam als Einszueins Architektur firmieren. Das Wohnprojekt ist solide ausgeführt, ein eleganter Baukörper mit gut nutzbaren, zwei Meter tiefen Balkonen aus Sichtbeton vor einer mit Holz verkleideten Fassade. Die Grundrisse sind pragmatisch im guten Sinn. Offenbar haben die Bewohner ihren Architekten im Rahmen des aufwendigen Partizipationsprozesses zu vertrauen gelernt und sich in puncto Gestaltung auf die Auswahl aus sechs unterschiedlichen Fensterformaten beschränkt.

Der Luxus des Projekts besteht – neben den Gemeinschaftsflächen – in zwei tiefen Einschnitten in den Baukörper, die aus einem sonst dunklen Mittelgang eine gut belichtete Erschließungszone machen, einen luftigen Raum mit Sichtverbindungen nach außen und zwischen den Ebenen. Der Verzicht auf die Maximierung der Nutzfläche ist wie so oft Voraussetzung für eine gute Lösung.

Das Projekt ist ein Beweis dafür, dass Baugemeinschaften ein erfolgreicher Weg zu einem selbst gestalteten Wohnen außerhalb der üblichen Spielregeln des Markts sind. Zum Spekulieren ist das Modell nämlich nicht geeignet. Wer auszieht, bekommt seinen Eigenmittelanteil zurück, aber keine etwaige Wertsteigerung. „Penthouse für alle“ beschreibt die Idee des Projekts daher nur unzureichend. Es ist auch ein politisches Projekt, das zu Fragen von Eigentum, Solidarität und Verantwortung für die Polis Stellung bezieht. Die Gemeinde Wien hat sich inzwischen mit der Idee der Wohngemeinschaften so weit angefreundet, dass diese auch ohne Bauträgerwettbewerbe zu Grundstücken kommen. Aktuelle Projekte, vor allem in der Seestadt Aspern, finden sich übersichtlich unter gemeinsam-bauen-wohnen.org zusammengestellt.

7. April 2014 dérive

»Architektur ist ein Medium gesellschaftlicher Veränderung.«

Christian Kühn, Kommissär der Architekturbiennale 2014 in Venedig, im Gespräch mit Christoph Laimer und Elke Rauth über den Österreichbeitrag Plenum. Orte der Macht. Die Ausstellung im österreichischen Pavillon präsentiert 200 nationale Parlamentsgebäude weltweit und thematisiert Fragen zu Demokratie, Legitimität, Symbolik, Identität und natürlich dem Stellenwert sowie der Rolle von Architektur.

dérive: In den Texten zum österreichischen Biennale-Beitrag finden sich zwei Zitate, die widersprüchlich erscheinen: »Architektur spiegelt Gesellschaft wider« und »Die Räume der Macht werden architektonisch nicht mehr erfasst«. Wie ist das zu verstehen?

Christian Kühn: Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir die Ausstellung Räume der Macht oder Orte der Macht, also Spaces of Power oder Places of Power nennen sollen. Die traditionellen parlamentarischen Institutionen als Gebäude sind natürlich places. Heute würde man aber viel eher von Spaces of Power sprechen und damit auch ganz andere Räume inkludieren, wie den virtuellen Raum oder den Freiraum rund um ein parlamentarisches Gebäude. Trotzdem wäre es eine völlig unsinnige Aussage, dass Architektur und Städtebau Gesellschaft nicht mehr widerspiegeln. Auch die neuen sozialen Bewegungen suchen sich sehr gezielt ihre Orte im öffentlichen Raum und versuchen, diese Räume anders zu besetzen und damit andere Machtstrukturen zu erzeugen: Sehr oft als Gegenposition zu einem gebauten Parlament, zu einem Ort der Macht, der sich mit Mauern umgeben hat. Natürlich sehr oft auch mit dem Ziel, diese gebauten Orte der Macht für sich zu erobern.

Auch das Ausstellungskonzept scheint die in diesen Krisenjahren deutlich hervortretenden Macht- Verhältnisse wiederzugeben: Im Innenraum des österreichischen Pavillons werden 200 Modelle von Parlamentsgebäuden präsentiert, während im Außenraum ein landschaftsarchitektonisch dichter Wildwuchs entstehen soll, der mit einer Klang-Installation aus Protest-Tweets bespielt wird. Wie nahe können die neuen sozialen Bewegungen der Macht kommen?

Sehr weit kommen die Bewegungen in unserer Gestaltung tatsächlich nicht. Wir wollen natürlich darstellen, dass etwas von außen diese Mauer überwindet, diese existierende Mauer auch bricht und sich der Monumentalarchitektur nähert. Das ist eine dynamische Geste, die geplanten Bäume wachsen ja tatsächlich weiter. Aber natürlich bleibt das auf einer symbolischen Ebene. Wir weisen auf ein Phänomen hin und versuchen es mit dem Medium einer Architekturausstellung erfahrbar zu machen. Selbstverständlich ist geplant den Diskurs hineinzulassen, in Form von Veranstaltungen, mit denen dieses Parlament der Parlamente belebt wird. Aus diesem Blickwinkel ist das Diskursprogramm natürlich ein wichtiger Teil des Ganzen, vielleicht wichtiger als das Bühnenbild, das wir aufbauen.

Wie zeigt sich bei den 200 Beispielen von Parlamentsgebäuden das Verhältnis von Neubauten und bestehenden Gebäuden? Gibt es eine Art Kanon, einen Fundus, aus dem die jeweiligen Zeichen der Repräsentation stammen?
Der überwiegende Teil der Parlamente stammt aus dem 20. Jahrhundert, viele sind Neubauten. Die Recherche bringt natürlich interessante Dinge ans Licht: So haben die kolonialisierten Staaten bald nach ihrer Befreiung vielfach Parlamentsgebäude gebaut und in der Regel verständlicherweise auf Architekten aus Ländern zurückgegriffen, die mit dem Kolonialismus nichts zu tun hatten. Auch in Afrika hat man lieber schwedische oder finnische Architekten beauftragt, als englische oder französische Planer. Man könnte jahrelang Forschung betreiben auf der bauhistorischen, architektonischen, politik- und kulturwissenschaftlichen Seite – da gibt es noch vieles zu entdecken und aufzuarbeiten.
Was die Zeichensprache betrifft, dominiert ganz eindeutig der Klassizismus, bis in die Gegenwart. Es gibt wenige kleinere Staaten, die versuchen autochthone Formen einzuführen, das geht manchmal gut, manchmal wird es katastrophal. Dann natürlich die klassische Moderne, die in einer Phase die Chance hatte, zeitgemäße Architekturen zu realisieren. Gerade bei afrikanischen Parlaments­gebäuden aus der Phase nach der Unabhängigkeit wurde gerne auf die Formen­­­sprache der Moderne zurückgegriffen, mit der Idee autonom an den Fortschritt anzuschließen. Heute finanziert China, ein selbst mehr oder weniger demokratisches bis diktatorisches Regime, in Afrika Parlamentsgebäude, neben vielem anderen. Es ist beispielsweise hoch interessant, dass die Afrikanische Union strukturell zwar nach dem Vorbild der EU modelliert ist, mit Kommission, mit Parlament – also genau dieselbe Idee. Aber das 400 Mio. Dollar­ Gebäude in Addis Abeba, das vor zwei Jahren eröffnet wurde, ist von China geplant, finanziert und zum Teil sogar von chinesischen Arbeitern gebaut worden. Und dann gibt es in einigen überaus reichen Ländern katastrophal kitschige, geradezu unfassbare Gebäude, die eben nicht auf demokratische, sondern auf autokratische Systeme zurückführen.

Im Bewusstsein der Diskussion um die Auflösung der Zeichen, der Rede vom »ornamentalen Setzkasten Architektur«: Kann an der Gebäudesprache die politische Verfasstheit des jeweiligen Staates überhaupt abgelesen werden?

Wenn man genau hinsieht und recherchiert – ja. Wenn nur die Oberfläche betrachtet wird, sieht man gar nichts. Die Knesset in Israel stellt beispielsweise ein Monumentalgebäude dar, dessen erster Entwurf ausgesehen hat wie NS-Architektur – geschuldet der Idee, dauerhafte Strukturen zu schaffen. Und der Klassizismus ist usurpiert worden von totalitären Regimen, ist aber natürlich per se keine totalitäre Geste. Wenn man Architektur als Prozess auffasst und sagt, Architektur ist alles was passiert plus das bauliche Resultat, dann erkennt man sehr viel. Schließlich müssen in diesem Prozess Aufgabenstellungen definiert und Selbstbilder hinterfragt werden. Da kommt einiges zum Vorschein. Im Falle des österreichischen Parlaments kommt ja gerade zum Vorschein, dass man sich einer Debatte nicht stellen möchte. Hier wird hinter einer Sanierung die Frage versteckt, wie eine zeitgemäße parlamentarische Maschinerie aussehen müsste. Ich glaube, dass Architektur tatsächlich ein Medium gesellschaftlicher Veränderungen darstellt, wenn auch ein relativ zähes und langsames. Architektur ist in meinem Verständnis nicht nur Kulisse und nicht nur Spiegel der Gesellschaft, sondern es ist ein Medium, in dem die Gesellschaft sich ausdrückt. Das aktuelle Ziel der österreichischen Politik ist: möglichst keine Veränderung; und das drückt sich auch in der Art und Weise aus, wie mit diesem Sanierungsprozess umgegangen wird, der de facto ein massiver Umbauprozess ist: Nach außen wird die Illusion verkauft, dass alles bleibt wie es ist – man pflegt das Parlament als Bau-juwel von Theophil Hansen und alles andere läuft unter der Bezeichnung kleinere Maßnahmen. Dabei werfen gerade letztere die entscheidenden Fragen auf: Wie geht man in Zukunft hinein in dieses Gebäude als Bürger und Bürgerin? Wie bringe ich eine Arbeitsatmosphäre zustande, die nicht im 19. Jahrhundert oder den 1950er Jahren steckt, sondern modernen Anforderungen entspricht? Das sind wichtige Fragen, die in der Öffentlichkeit gar nicht gestellt werden.

Inwiefern will diese Ausstellung selbst eine Aussage über den Zustand der Institution Parlament treffen?

Wir arbeiten hier mit dem Medium der Ausstellung, es ist keine Konferenz oder Publikation. Was wir versucht haben, ist den Übergang vom Monument zum Ornament darzustellen. Wir bauen diese Modelle im Maßstab 1:500, aber wir stellen sie nicht wie üblich aus, sondern hängen sie wie Schmetterlinge an die Wand. Damit verändern sie sich, es entsteht ein Effekt, als ob die Wand sich aufblähen würde. Die Modelle werden ornamental und darin steckt natürlich auch eine Botschaft von uns als Kuratoren: Man könnte zu überlegen beginnen, wie viel Ornament in dieser Institution Parlament steckt und wie viel reale Macht. Damit will ich nicht sagen, dass alles Ornament ist, aber es ist sehr viel mehr Ornament als noch vor 20 Jahren. Das hat gute Gründe. Das Nachdenken über supranationale Strukturen, die getragen werden von den nationalen Strukturen, wäre das eigentliche Thema, das uns in den nächsten 20 Jahren beschäftigen sollte.

Ein wenig klingt das auch in der Gegenüberstellung der zwei Projekte von Coop Himmelb(l)au an, die ebenfalls präsentiert werden: Zum einen der Entwurf für das albanische Parlament in Tirana, dessen Realisierung auf Eis liegt, zum anderen das Konferenzzentrum in Dalian/China, eine asiatische Ausgabe des Weltwirtschaftsforums Davos.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist keine politisch legitimierte Struktur, besitzt aber enorme Macht, die von Politikern auch genutzt wird. Die tauchen dort auch reihenweise auf, treffen auf andere Menschen, und natürlich werden dort Netzwerke geknüpft, Entscheidungen vorbereitet und getroffen, die über das Nationalstaatliche deutlich hinausgehen. Ich finde in diesem Zusammenhang den Begriff des »Davos Man«, geprägt durch den Politikwissenschaftler Samuel Huntington, sehr interessant: Die Beschreibung einer eigenen Spezies, die keine nationale Grenzen kennt und sich den Nationen auch nicht verantwortlich fühlt, deren Interesse darin liegt, das Kapital in alle Richtungen hin und her zu verschieben. Es ist uns wichtig gewesen, das in dieser Ausstellung zu zeigen und auch die Dimension sichtbar zu machen, in der dieses Gebäude verwirklicht worden ist. Das ist natürlich ein Versuch, etwas auszudrücken.

15. Februar 2014 Spectrum

Furchtlos in Zürich

Architektur, die an nichts erinnern und nichts erzählen will. Adolf Krischnitz' Projekt für die Zentrale der Zurich-Versicherung besticht durch Gelassenheit.

Die Stadt der Zukunft muss in Europa in der Stadt der Vergangenheit errichtet werden. Selbst wenn wir in den nächsten 200 Jahren alle Gebäude – mit der Ausnahme einiger weniger Denkmäler – durch Neubauten ersetzen, geht das nur in so kleinen Etappen, dass die alten Strukturen auf die eine oder andere Art in den neuen weiterleben werden. Umso wichtiger sind übergeordnete Ziele, die helfen, auch im Rahmen dieser kontinuierlichen Erneuerung zu einer substanziellen Steigerung der Qualität zu gelangen.

Die Bewohner der Stadt Zürich haben sich in einer Volksabstimmung im Jahr 2008 ein solches Ziel gesetzt: die 2000-Watt-Gesellschaft. Das bedeutet, dass jeder Einwohner der Stadt mittelfristig mit einem Energiebedarf auskommen soll, der einer stetigen Leistung von 2000 Watt entspricht. Derzeit beträgt dieser Wert das Dreifache. Die reiche Schweiz könnte sich einen Verbrauch auf diesem Niveau wohl noch ein paar Jahrhunderte leisten. Wozu also sparen? Hinter der 2000-Watt-Gesellschaft steht nicht die Idee, in den Alpen eine energieautarke Insel der Seligen einzurichten, sondern die Absicht, ein Vorbild für die globale Entwicklung zu setzen. Wenn alle aufstrebenden Schwellenländer das Anspruchsniveau der Industrieländer entwickeln, müssen rasch Wege gefunden werden, dieses Niveau mit geringerem Ressourcenverbrauch zu erreichen.

Mit dem Bauen hat dieses Ziel insofern zu tun, als die Errichtung und der Betrieb von Gebäuden in Mitteleuropa bis zu 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs beanspruchen. Aber hat es auch etwas mit Architektur zu tun? Geht es hier nicht primär um technische Fragen, von den Dämmstoffstärken bis zur Gebäudesteuerung? Sollte man dieses Feld nicht besser den Ingenieuren überlassen und von den Architekten nur noch die Gestaltung schöner Hüllen für die effizienten Green-Buildings der Zukunft verlangen? Es sieht nicht danach aus. Gerade weil Bauen heute so gut wie immer Bauen im Bestand bedeutet, sind architektonische Entscheidungen gefordert, die sich nicht auf Technik plus Hülle reduzieren lassen.

Als die Zurich Versicherung – ein alteingesessener Schweizer Konzern, der seinen Umlaut längst der Expansion zu einer der größten Versicherungsgesellschaften der Welt geopfert hat – die Neugestaltung ihres Hauptquartiers am Zürichsee in Angriff nahm, ging es vorerst um die Frage, welche Teile des Bestands überhaupt zu erhalten waren. Dass der denkmalgeschützte Stammsitz, ein historistischer Prachtbau am Mythenquai, dazu gehörte, war klar, aber für das anschließende Konglomerat aus unterschiedlichen Stilepochen fiel diese Entscheidung schwer.

Alles hätte sich sanieren lassen. Dem Bauherrn ging es aber um eine Qualitätssteigerung nicht nur im thermischen Sinn. In der Ausschreibung zum Wettbewerb, den er für die Sanierung auslobte, stand bei den Beurteilungskriterien der Bereich „Gesellschaft“an erster Stelle, gefolgt von „Wirtschaft“ und „Umwelt“. Als gesellschaftliche relevante Kriterien waren darin die Qualität der Gestaltung der Bauten und ihrer Beziehung zur Stadt an erster Stelle genannt. Dazu kamen ergänzend die Umsetzung der Unternehmenskultur, die Zugänglichkeit für alle sowie die Schaffung von ausreichenden und hochwertigen „Kontemplationsflächen“.

Kontemplation im Sinne von Achtsamkeit ist nicht nur für einen Versicherungskonzern eine wertvolle Übung. Für das hehre Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft dürfte sie überhaupt die Voraussetzung sein. Es wäre naiv zu glauben, dass die Reduktion des Energieverbrauchs auf ein Drittel nur eine technische Frage und nicht eine der Lebensweise ist. In diesem Kontext darf man Ludwig Wittgensteins Bemerkung, die Arbeit in der Architektur sei wie die Philosophie Arbeit „an einem selbst“ ins Kollektive übertragen: Zu welchen Formen gelangt eine Gesellschaft, wenn sie im Medium der Architektur über ihre aktuelle Situation nachdenkt?

Jeder anspruchsvolle Architekturwettbewerb mit guter Ausschreibung und kompetenter Jury ist ein Labor für die Beantwortung dieser Frage. Im Falle des Züricher Wettbewerbs haben 14 internationale Architektenteams in diesem Labor mitgewirkt. Gewonnen hat ein Projekt des Wiener Architekten Adolf Krischanitz, in dem laut Jury alte und neue Teile so eng ineinandergreifen, dass ein Betrachter ohne Vorkenntnis sie im Lageplan nicht unterscheiden könnte. Die historischen Bauten bleiben erhalten und werden teilweise von Zubauten befreit. Als neues Volumen wird ein im Grundriss u-förmiges Gebäude eingesetzt. Seine Trakte sind unterschiedlich breit und können so perfekt auf den Bestand reagieren: Der schmalste Trakt endet im Innenhof in einem verglasten Kopfbau, der vom Mythenquai aus in der Lücke zwischen zwei Bestandsbauten als Turm zur Wirkung kommt. Der neue Haupteingang liegt auf der dem See abgewandten Seite des Blocks, exakt auf der Achse eines niedrigen Bestandsgebäudes, das quer zum Prachtbau in die Tiefe führt.

Das Bemerkenswerte an diesem Projekt ist seine Gelassenheit. Es will an nichts erinnern, will nichts erzählen. Es spinnt Motive früherer Bauten von Krischanitz weiter, etwa die gefaltete Glasfassade, die sich in ähnlicher Form in seinem Laborgebäude für Novartis in Basel findet. Nur ist die Geometrie hier komplexer, horizontal und vertikal gefaltet. So statisch es auf den ersten Blick wirkt, so dynamisch ist das Projekt im Detail. Die diversen Trakttiefen und Hofsituationen erzeugen unterschiedliche, aber immer hochwertige Arbeitsplätze. Die Geschoßhöhen variieren, was zur Spannung der Fassade ebenso beiträgt wie das schrittweise Zurückversetzen ihrer vertikalen Steingewände: Was in den unteren Geschoßen als vertikale Lisene beginnt, endet oben in einem Bandfenster. Die Jury attestiert Krischanitz zu Recht, er hätte die unterschiedlichen Gebäudehüllen „konsequent, ja furchtlos entwickelt“.

Furchtlos ist hier ein treffender Begriff. Krischanitz Architektur war nie gefällig. Sie reagiert auf das, was der Fall ist. Sie vermeidet jede Anbiederung, an den menschlichen Maßstab ebenso wie an die unmittelbar aktuellen Bedürfnisse. Dafür lässt sie Platz für Entwicklung, fürs Reinwachsen und fürs Weiterbauen. Architektur, hat Adolf Krischanitz einmal geschrieben, ist der Unterschied zwischen Architektur. Über diesen Zen-buddhistischen Satz kann man lange nachdenken. Im Getriebe der Sachzwänge hilft er, Gelassenheit zu bewahren.

7. Dezember 2013 Spectrum

Die Retter der Sofie

Würstel statt Engel, Investoren statt Mäzene: die neu-alten Wiener Sofiensäle, ein Pyrrhussieg der Denkmalpflege.

Manche Gebäude sind nicht umzubringen. Nach dem spektakulären Brand der Sofiensäle im August 2001 waren die Hoffnungen gering, dass dieser einzigartige Wiener Veranstaltungsort je wieder seinen Betrieb aufnehmen würde. Das Gerücht, dieser Brand sei nicht zufällig entstanden, hielt sich hartnäckig und wurde durch die Bemühungen des Eigentümers, des „Baulöwen“ Julius Eberhardt, so rasch wie möglich eine Abbrucherlaubnis zu erwirken, nicht gerade entkräftet.

Von den Sofiensälen war tatsächlich wenig mehr übrig als die Fassade zur Marxergasse und die Seitenwände des großen Saals mit Resten von Stuck und einigen Balkongeländern. Die Nebengebäude mit den weiteren Sälen hatten den Brand ebenso wenig überlebt wie das hölzerne Dach über dem Hauptsaal. Auch der Holzboden des Saals war verbrannt und ließ eines der ursprünglichen Besonderheiten des Gebäudes sichtbar werden: das große, aus Ziegeln gemauerte Becken, in dem einmal ein Schwimmbad untergebracht war. Im Winter wurde das Becken überplankt und der Raum darüber als Saal für Bälle und Konzerte genutzt, wobei der große Hohlraum unter dem Boden als Resonanzköper wirkte und zu einer exzellenten Akustik beitrug. Die Pläne, nach denen das Sofienbad in den Jahren 1846 bis 1850 errichtet wurde, stammten von den Architekten der Staatsoper, Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg. Von den Sofiensälen im Plural sprach man seit 1886, als der zweite, kleinere Saal errichtet wurde. 1899 erhielt das Ensemble eine neue, sezessionistisch angehauchte Fassade, entworfen von Ernst Gotthilf-Miskolcz, von dem unter anderem auch die Länderbank und der Anker-Hof im ersten Bezirk stammen.

Bedeutend waren die Sofiensäle aber nicht nur wegen ihrer Architektur. Hier haben zwischen 1850 und 1896 fast 100 Werke von Johann Strauss (Sohn) ihre Uraufführung erlebt; hier wurde 1926 die österreichischen NSDAP gegründet; ab 1938 dienten die Sofiensäle als Sammelstelle für die Deportation jüdischer Bevölkerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete die DECCA das modernste Aufnahmestudio Europas, das bis in die 1970er-Jahre in Betrieb war. In den 1980er-Jahren waren die Sofiensäle eine beliebte Location für Bälle wie das Elmayer-Kränzchen oder das ÖKISTA-Gschnas und schließlich ab 1990 ein Ort für Clubbings. Investiert wurde in die Säle kaum mehr, was ihnen ein einigermaßen abgewohntes Flair bescherte. Der Brand war das letzte Kapitel eines allmählichen Abstiegs.

Dass die Brandruine nicht sofort abgerissen wurde, ist dem Denkmalamt zu verdanken. Es attestierte den Resten einerseits ausreichende Standfestigkeit, andererseits einen Erhaltungszustand an den Oberflächen, der eine Wiederherstellung rechtfertigen würde. Die Strategie des Eigentümers, in dieser Hinsicht die Zeit für sich arbeiten zu lassen, indem die Wände des Saals der Witterung ausgesetzt blieben, ging nicht auf. Das Denkmalamt konnte gerichtlich durchsetzen, dass der Eigentümer zumindest die Erhaltung der Reste zu finanzieren hätte. Der geplante Hotelneubau auf dem Grundstück war unter diesen Bedingungen nicht zu realisieren.

2006 verkaufte Eberhardt das kulturhistorisch kontaminierte Areal an den Bauträger ARWAG, die hier vor allem Wohnungen errichten wollte und vom Architekten Alfred Wimmer ein Konzept ausarbeiten ließ, das die Erhaltung des Saals mit einer umgebenden Wohnnutzung verbinden sollte. 2010 zogsich die ARWAG teilweise aus dem Projekt zurück. Sie behielt nur den von historischem Ballast freien nördlichen Teil des Grundstücks und verkaufte den Rest samt Brandruine an die ifa, eine Tochterfirma der Soravia-Gruppe. Der Entwurf von Albert Wimmer, der bis zur Einreichplanung gediehen war, wurde von den neuen Eigentümern übernommen. Die Ausführungs- und Detailplanung erfolgte durch den Generalplaner L-Bau-Engineering sowie Söhne und Partner. Zur Wohnnutzung kamen noch ein Hotel, ein Fitnesscenter und ein Restaurant.

Die ifa versammelte eine Gruppe von rund 100 privaten Investoren im Rahmen eines Bauherrenmodells, die nun namentlich auf einer großen Tafel beim Eingang als Retter der Sofiensäle ausgewiesen sind, so wie sich im Musikverein eine Tafel mit Mäzenen findet, die dessen Bau finanziert haben. Die Chuzpe ist beachtlich: Während die Mäzene ihr Geld für den Musikverein gespendet haben, durften die Investoren bei den Sofiensäle ihr Geld vermehren, und das mit beachtlicher Unterstützung aus Steuermitteln. 2,7 Millionen Euro hat die Stadt Wien aus der Wohnbauförderung beigetragen, zwei Millionen aus dem Kulturbudget. Dass eine Wohnbauförderung an diesem zentrumsnahen Standort nicht nötig ist, um die Wohnungen zu verwerten, liegt auf der Hand. Hier könnte man die De-facto-Übernahme des Verwertungsrisikos durch die Stadt noch mit sozialer Durchmischung verteidigen. Der Mix von 49 geförderten und 21 frei finanzierten Wohnungen ist so aber nicht zu begründen. Noch heikler ist die hohe Förderung aus dem Kulturbudget: Würde diese nicht höchste Qualität in der architektonischen Umsetzung und ein ausgereiftes Betriebskonzept für den Saal voraussetzen?

In beiden Punkten schneidet das Projekt denkbar schlecht ab. Mit tatkräftiger Unterstützung des Denkmalamts wurde zwar der Saal blitzblank und goldglänzend rekonstruiert. Er sieht aus wie neu und ist es auch: 90Prozent des Stucks sind neue Ware. Geschichtliche Spuren wurden zugunsten eines scheinbaren Urzustands ausgelöscht. Die Übergänge zwischen Alt und Neu wirkeneher zufällig als geplant, die Details billig. Die künstlerischen Interventionen, etwa Erwin Wurms Würstelmänner, die in einigen Nischen im Saal die früheren Engelsfiguren ersetzen, sind provokant gemeint, wirken in diesem Umfeld aber wie eine Faschingsdeko.

Und was wird hier passieren? Für die Kulturförderung reichte ein sehr schwammiges Konzept der Soravia'schen Kunststiftung SoArt aus, das vom Design bis zur Literatur alles Mögliche und mit den Nachbarn Verträgliche verspricht. Ein Programm ist das nicht, und es ist zu befürchten, dass hier vor allem Firmenfeiern und Promo-Events stattfinden werden. An eine Alternative zu dieser verunglückten Rekonstruktion wollte offenbar niemand denken: ein neuer, multifunktionaler Saal ohne Blattgold, der den Geschichtsfaden weiterspinnt, statt die Geschichte auszulöschen. Wien hat sich, wie schon bei den Redoutensälen, wieder einmal für die Vergoldung der Asche entschieden

23. November 2013 Spectrum

Ein böses Problem

Ein kooperatives Verfahren, wie es sein sollte: Alle haben dazugelernt, am Ende steht ein Kompromiss, aber kein fauler. Über den aktuellen Stand in der Sache Otto-Wagner-Spital, Ostareal.

Gute Planer unterscheiden zwei grundsätzlich verschiedene Klassen von Problemen. Auf der einen Seite jene, bei denen die Aufgabenstellung klar definiert und der Lösungsweg weitgehend vorgezeichnet ist. Solche Probleme mögen komplex und knifflig sein, aber man weiß im Prinzip, wie die Lösung aussehen soll und wann man sie erreicht hat. Auf der anderen Seite gibt es Probleme, die sich einer klaren Definition entziehen, viele Lösungswege offenlassen, und bei denen sich die eigentliche Aufgabenstellung oft erst dann klärt, wenn man schon viele Schritte gegangen ist. Im schlimmsten Fall weiß man dann zwar im Nachhinein, was die richtige Lösung gewesen wäre, kann aber nicht mehr an den Start zurück.

Der Planungstheoretiker Horst Rittel hat diese zwei Klassen als „zahme“ und „bösartige“ Probleme bezeichnet und postuliert, dass die meisten Aufgaben der Stadtplanung zur Klasse der bösartigen Probleme zählen. Es ist kein Zufall, dass sein mit Melvin Webber an der Universität Berkeley verfasster Text über „Dilemmas in a General Theory of Planning“ 1973 erschienen ist. Die Stadtplanung dieser Zeit war von der Idee einer rationalen Planung getragen: Ist-Analyse, Zieldefinition und Festlegung der nötigen Schritte von A nach B. Für Technokraten ist jedes Problem „zahm“: Sie fühlen sich im Besitz der Hoheit über die nötigen Mittel und über die Zieldefinition, natürlich immer zum Besten der Betroffenen. Genau diese Hoheit wurde den Technokraten aber seit den späten 1960er-Jahren von den Betroffenen streitig gemacht. Die Politik – bis dahin natürliche Schutzmacht der Technokratie – knickte unter dem Druck der Medien ein, die rasch erkannten, welche Machtposition sie sich durch die Unterstützung und Steuerung von Bürgerinitiativen erobern konnten.

Ein Lehrstück für diese Entwicklung ist die Geschichte der „Steinhofgründe“, einer Erweiterungsfläche für die „Heil- und Pflegeanstalt am Steinhof“, zur Zeit ihrer Errichtung 1907 mit über 2000 Betten eines der größten Spitäler der Welt. Die „Steinhofgründe“ nicht für die Erweiterung des Spitals zu nutzen, sondern als Wohngebiet in bester Grünlage, war naheliegend, gab es doch bereits eine entsprechende Flächenwidmung. Als die Stadt Wien Ende der 1970er-Jahre beschloss, dieses Potenzial zu realisieren und hier 900 Gemeindewohnungen zu errichten, gelang es einer Bürgerinitiative, einen Sturm der Entrüstung gegen die Verbauung auszulösen, der 1981 zu einer Volksbefragung führte. Die Technokraten des Magistrats mussten fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass zwar 83 Prozent der Befragten für den sozialen Wohnbau an sich stimmten, aber 53 Prozent die Errichtung solcher Wohnungen auf den Steinhofgründen ablehnten, einem Areal, das davor nicht öffentlich zugänglich war, und dessen Existenz vor der Volksbefragung in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt war.

Heute hat sich der Begriff „Steinhofgründe“ so sehr ins kollektive Bewusstsein eingeprägt, dass auch ein aktuelles Projekt in den Medien gern unter diesem Namen geführt wird. Es handelt sich dabei allerdings um das östlich gelegene Wirtschaftsareal der heute auf Otto-Wagner-Spital umbenannten Anlage. Hier wollte die Stadt Wien über den Bauträger Gesiba im Jahr 2012 rund 570 Wohnungen errichten, nach einem Plan von Albert Wimmer unschön eingeklemmt zwischen die bestehenden Pavillons, zum Teil auf Grünflächen, die jeder sensible Planer auch dann freihalten würde, wenn sie nicht auf Otto Wagner zurückgehen. Diese rücksichtslose Verdichtung hatte freilich Gründe: Über den Verkauf der Grundstücke sollte ein Beitrag zur Finanzierung des Wiener Krankenanstaltenverbunds, des Eigentümers des Spitals, geleistet werden. Auch diesmal erhob sich ein Sturm der Entrüstung, zuerst von Anrainern, dann von Kunsthistorikern und schließlich von Architekten. Besonders „bösartig“ wurde das Problem, weil sogar die Interessen der Gegner höchst unterschiedlich waren: Teile der Bürgerinitiative wandten sich gegen jede Bebauung, andere, darunter auch die meisten Architekten, sahen Potenzial für eine sinnvolle Verdichtung. Als die Medien das Thema genüsslich aufzukochen begannen, zog der Bürgermeister die Notbremse und verordnete dem Projekt eine Nachdenkpause.

Im Unterschied zu 1981 hat die Stadt gelernt, dass Probleme dieser Art sich besser durch einen Abgleich von Interessen im Dialog lösen lassen als durch eine Volksbefragung. In einem ersten Mediationsverfahren wurden 2012 die Zielkonflikte erfasst, unter dem Vorsitz von Adolf Krischanitz wurde ein Expertengremium eingesetzt, das im April 2013 eine Empfehlung an die Stadtregierung abgab: keine Neubauten auf den Grünflächen zwischen Haupt- und Ostareal; kein Verkauf der Grundstücke, sondern Vergabe im Baurecht auf Basis genauer Gestaltungsrichtlinien; Entwicklung von Nutzungsszenarien für das Gesamtareal und ehestmögliche Gründung einer entsprechenden Betriebsgesellschaft; Definition eines Parkpflegewerks für das Gesamtareal; Durchführung eines kooperativen Testplanungsverfahrens für das Ostareal unter Einbindung aller Beteiligten.

Dieses Verfahren wurde im Sommer 2013begonnen und das Ergebnis letzte Woche der Öffentlichkeit vorgestellt. Unter dem Vorsitz von Christoph Luchsinger entwickelten sechs Architektenteams unter Einbeziehung von Mitgliedern aus dem Mediations- und Expertenverfahren ein Bebauungskonzept, das zehn quadratische Baufelder vorsieht, die präzise in den Bestand eingepasst sind. Ein elftes, längliches Baufeld markiert den Abschluss nach Norden. Diese Felder dürfen viergeschoßig und zu rund 60 Prozent überbaut werden, wobei an jede der vier Seiten der Feldumgrenzung angebaut werden muss. Als Fassadenmaterial sind, wie in vielen der Bestandsbauten, Sichtziegel vorgeschrieben. Die sechs Planungsteams – Hermann Czech, Jabornegg & Pálffy, königlarch, Werner Neuwirth, Pool und PPAG – haben mit ihren Entwürfen bewiesen, dass diese Vorgaben viel individuellen Spielraum lassen, aber trotzdem ein stimmiges Gesamtbild erzeugen. 160 vermietbare Einheiten lassen sich so realisieren, weitere 100 durch Sanierung des Bestands. Ein Viertel davon soll von der Gesiba an soziale Einrichtungen für betreutes Wohnen vergeben werden.

Maria Vassilakou und Michael Häupl haben sich inzwischen zu diesem Projekt bekannt und seine Umsetzung ab 2014 garantiert. Dass sie die politische Verantwortung übernommen und nicht an die Boulevardmedien delegiert haben, verdient Respekt. Jetzt geht es um die „Zähmung“ des nächsten Problems: für das Kerngebiet des Spitals muss eine sinnvolle Nachnutzung gefunden werden. Nachverdichtung ist dort ausgeschlossen, umso mehr ist Kreativität im Umgang mit dem Bestand gefragt.

25. Oktober 2013 Spectrum

Und ewig schallt das Opernklo

Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut: Der Sanierung und Neugestaltung der Opern- und Karlsplatzpassage fehlen Witz, Geschmack und der Mut zum radikalen Eingriff in die historische Substanz. Bericht aus einer Unterwelt ohne Schatten.

So viel war klar: Hier muss etwas geschehen. Die unterirdische Verbindung zwischen Karlsplatz und Oper, einer der meist frequentierten Orte Wiens, war zusehends heruntergekommen, die Oberflächen abgenutzt und schäbig, Wasserschäden an der Decke, schlechte Beleuchtung. Irgendwann war der Drogenhandel dazugekommen, der für die Passanten zwar eine mehr gefühlte als reale Bedrohung darstellte, aber das Sicherheitsempfinden erheblich belastete.

Genau genommen handelt es sich um zwei Passagen, die Opernpassage, die seit 1955 existiert, und die Karlsplatzpassage, im Zuge des U-Bahnbaus Anfang der 1970er-Jahre errichtet. Letztere war ein typisches Produkt ihrer Zeit, ein Fußgängerkorridor für eilige Passanten, an dem sich kleine Geschäfte für den Alltagsbedarf angelagert hatten: Blumenläden, günstige Kleidung und Schuhe sowie Fast Food, von den großen Ketten bis zum Sushi-Laden und Süßwarenkiosk. Zwingend notwendig ist dieser Korridor, der Fußgänger aus dem Stadtraum abzieht und an der Oberfläche eine tote Zone schafft, nicht. Aber der Komfortverlust für Fahrgäste, die von den Straßenbahnlinien am Ring in die U-Bahnlinien U2 und U4 umsteigen wollen, wäre ohne ihn doch beachtlich.

Als Passage im engeren Sinn kann man von den beiden nur die Opernpassage bezeichnen. Zu diesem Begriff gehört nämlich untrennbar der Flaneur, für den der gut geschützte Weg vorbei an den Schaufenstern wichtiger ist als das Ziel. Diesem Anspruch wurde die Opernpassage in ihrer ursprünglichen Form durchaus gerecht. Im Jahr des Staatsvertrags und gleichzeitig mit der instand gesetzten Oper eröffnet, sollte sie den Wienern „den unbeugsamen Willen, Weltstadt zu werden“ vor Augen führen, wie es der zuständige Stadtrat zur Eröffnung ausdrückte. Sie war weit mehr als nur ein Verkehrsbauwerk, nämlich ein wichtiges Stück Nachkriegsarchitektur, oder genauer: ein Stück Architektur in der Nachgeschichte des Faschismus. Da gibt es den Neonröhren-Schick der 1950-Jahre, Materialien wie eloxiertes Aluminium, aber auch eine fast klassizistische Doppelreihe aus Säulen und kleine elegante Details, die auf die Wiener Architektur der Zwischenkriegszeit verweisen. Besucher aus den Bundesländern reisten extra nach Wien an, um dieses Ambiente zu erleben, mit der ersten Rolltreppe Österreichs auf und ab zu schweben.

Der Architekt der Passage, Adolf Hoch, 1910 geboren, hatte bei Peter Behrens an der Akademie studiert und von 1929 bis 1938 im Atelier von Behrens und Popp gearbeitet, wo er vor allem an der Planung der Linzer Tabakfabrik beteiligt war. 1938 machte er sich selbstständig. Als Mitglied der NSDAP seit 1933 hatte Hoch nach Kriegsende Berufsverbot, erhielt aber 1947 seine Befugnis zurück und entwickelte sich zu einem der produktivsten Architekten der Nachkriegszeit. Zu seinen Bauten zählen das Unfallkrankenhaus Meidling, das Lorenz-Böhler-Krankenhaus, das Stadion von St. Pölten sowie als exotischer Beitrag das Hotel Palace Ducor in Monrovia, Liberia, ein elegantes Beispiel internationaler Hotelarchitektur. Das Stadtbild am deutlichsten geprägt hat Hoch mit den Verkehrsbauten am Ring, der Opern- und Bellariapassage, von denen an der Oberfläche vor allem die zarten, verglasten Einhausungen der Abgänge in Erscheinung treten.

Für solche Subtilitäten hatten die U-Bahnbauer der 1970er-Jahre wenig Verständnis: Sie ließen ihren Korridor in die Opernpassage einbrechen, als sei diese nicht mehr als ein praktischer Hohlraum zur Aufnahme von Fußgängerströmen. Ein Viertel der Passage wurde auf diese Weise demoliert, der Rest im Lauf der Jahre bis zur Unkenntlichkeit verändert, inklusive des ursprünglich voll verglasten zentralen Cafés, dessen nobles Interieur einer Ankerbrot-Filiale weichen musste. Das Denkmalamt meinte dennoch, dass die restliche Substanz eine Unterschutzstellung gebot. Vor diesem Hintergrund war die Sanierung der beiden Passagen für die Architekten Gerda und Andreas Gerner (gerner°gerner plus; realisiert wurde das Projekt von der Arge gerner°gerner plus, Ritter+Ritter und Vasko+Partner) von Anfang an eine Aktion im Kreuzfeuer unterschiedlicher Interessen: drei Stadtressorts (Verkehr, Kultur und Finanzen); die Wiener Linien; eine Bewilligung nicht nur nach Baurecht, sondern auch nach Eisenbahnrecht; die Interessen der Mieter, für die Ersatzflächen geschaffen werden mussten, so sie keine Ablöse akzeptierten.

Spannungen waren vorprogrammiert: Als bei der Sanierung der Opernpassage entdeckt wurde, dass die Verkleidung der Säulen ursprünglich aus Linoleum mit Marmor-Maserung bestanden hatte, verweigerte der Brandschutz seine Zustimmung zu einer Rekonstruktion. Die unsäglichen Musikersterne auf dem Boden und das kitschige Opernklo, aus dem 24 Stunden am Tag der Donauwalzer in die Passage schallt, erwiesen sich als vertraglich so gut abgesichert, dass an eine Entfernung dieser Peinlichkeiten nicht zu denken war.

Gerner und Gerners Konzept für die Karlsplatzpassage besteht im Wesentlichen darin, das Licht in dieser Unterwelt aufzudrehen. Auch wenn die eingesetzten LEDs in den nächsten Jahren noch etwas nachdunkeln werden, wird der Korridor ein schattenloser Durchgangsraum bleiben, in dem sich die von den Architekten erdachten bunten Lichtstreifen an Boden und Decke mit einem Kunstwerk von Ernst Caramelle in die Haare geraten, einem 70 Meter langen abstrakten Wandgemälde in dezenten Farbtönen, das vor allem nicht stört. Von den kleinen Läden sind eine Trafik und ein Schuhgeschäft geblieben, McDonald's, Starbucks und Ströck dominieren den Raum. Die Drogenszene hat sich an andere, touristisch weniger sensible Standorte verlagert.

Für die Opernpassage wurde mit dem Denkmalamt ein Gestaltungskatalog entwickelt, der irgendwann ein möglichst ursprüngliches Erscheinungsbild inklusive der Neonbeschriftung in den Geschäften herstellen soll. Dass der Denkmalschutz leider oft das Denken abstellt, beweist die Lösung, die für Säulen und Boden gefunden wurde: Erstere erhielten eine teure Glasummantelung mit aufgedrucktem Linoleumdekor, Letztere einen Natursteinbelag, der Linoleum ähnelt. Argument: Das hätte Adolf Hoch 1955 sicher auch gemacht, wenn das Budget gereicht hätte. Dass sich das Denkmalamt dabei explizit auf den französischen Denkmalpfleger des 19. Jahrhunderts, Eugène Viollet-Le-Duc, beruft, der berüchtigt dafür war, gotische Kirchen viel gotischer zu restaurieren, als sie es je waren, ist erstaunlich.

Um aus dem stilistischen Konglomerat der beiden Passagen etwas Substanzielles zu schaffen, hätte es Witz, Geschmack und den Mut zu radikalen Eingriffen in den historischen Bestand gebraucht. Davon ist hier leider nichts zu merken.

14. September 2013 Spectrum

Karneval der Alphatiere

Fünf Jahre nach dem Wettbewerbsentscheid ist der neue Campus der Wirtschaftsuniversität fertig. Aufgeteilt auf verschiedene Baufelder, entstanden im Wiener Prater schwarz-weiß gescheckte, grellbunte und atemberaubend schräge Gebäude. Gut gelaunte Architektur. Aber ist sie auch ernst zu nehmen?

Eine der schönsten Definitionenvon Urbanität stammt von dem großen amerikanischen Architekten Louis Kahn: Die Stadt ist eine Versammlung von Institutionen, die miteinander im Dialog stehen und einen gemeinsamen Raum bilden. Die Decke dieses Raums ist der Himmel, und seine Wände sind die Fassaden. Die Qualität des Lebens in der Stadt hänge wesentlich davon ab, auf welchem Niveau der Dialog der Institutionen oft über Jahrhunderte in Gang gehalten werde.

Auch der neue Campus der Wirtschaftsuniversität folgt diesem Prinzip. Der Dialog der Institutionen konnte sich hier allerdings nicht über Jahrhunderte entwickeln. Zwischen dem Wettbewerb, der 2008 entschieden wurde, und der Fertigstellung des Campus liegen nur fünf Jahre. Ursprünglich war dieser Wettbewerb auch nicht für einen Campus mit verteilten Baukörpern ausgeschrieben. Die meisten der Wettbewerbsbeiträge sahen große zusammenhängende Strukturen vor, quasi einen Campus aus einem Guss. Das Projekt von Laura Spinadel (BUSArchitektur) teilte dagegen das Areal in Baufelder auf, für die ein zusätzlicher Wettbewerb abgehalten wurde. Die Teilnehmer, die zu dieser Stufe geladen waren, rekrutierten sich überwiegend aus dem Umfeld des Juryvorsitzenden Wolf Prix, was nicht nur den Vorteil hatte, dass drei Pritzker-Preisträger an den Start gingen, sondern auch erwarten ließ, dass es bei aller Eigenständigkeit der Beiträge eine Kohärenz zwischen den architektonischen Ansätzen geben würde.

Ob das gelungen ist, lässt sich inzwischen im Maßstab 1:1 beurteilen. Eigenständig sind die Beiträge, die letztlich realisiert wurden, tatsächlich geworden. Von Kohärenz kann allerdings keine Rede sein. Stararchitekten sind Alphatiere, und Jury und Bauherr entschieden sich im Zweifelsfall für die starke Geste. Die Begegnung der Institutionen findet trotzdem statt, sie tendiert aber anlassmäßig eher zum Gschnasfest als zur Promotionsfeier. Den Preis für das beste Kostüm gewinnt dabei eindeutig das Learning Center von Zaha Hadid, das im Zentrum der Anlage liegt. Das LC ist ausgesprochen fotogen und wird der WU mit Sicherheit eine Präsenz in den Medien garantieren. Man merkt dem Gebäude an, dass sich Detailplaner und Ausführende mit großem Einsatz bemüht haben, eine Idee kompromisslos umzusetzen. Tatsächlich sieht das Ergebnis aus wie die ursprünglichen Visualisierungen, mit einigen angesichts der geometrischen und technischen Komplexität nicht verwunderlichen Abstrichen im Detail.

Zwei Ansichten sind fotografisch besonders zu empfehlen: eine Außenansicht mit den Rennstreifen der Fassade im Vordergrund und dem dramatisch vorkragenden dunklen Bauteil im Zentrum sowie eine Innensicht der Halle, aufgenommen aus dem dritten Stockwerk mit Blick zum Treppenturm der Bibliothek. Die von Fotografen gefürchteten „stürzenden Linien“ sind in diesem Fall unvermeidlich, da alle wesentlichen Bauteile um einige Grade aus der Vertikalen gekippt sind, als hätte das Gebäude sich ein wenig betrunken. Der Begriff „Sick Building“ bekommt hier eine neue Bedeutung, die sich leider auch auf den Besucher überträgt: Selten habe ich ein Gebäude so gern wieder verlassen wie dieses. Aber möglicherweise gibt es auch hier bei Dauerbesuchern einen Gewöhnungseffekt.

Den wird es beim zweiten für die Studierenden wichtigen Gebäude, dem Hörsaal- und Seminarzentrum, nicht brauchen. Die Pläne dafür stammen von BUSArchitektur, die als Generalplaner für dieses Gebäude sowie für den Masterplan und die Freiraumplanung verantwortlich waren. Auch hier ist die Eingangshalle großzügig, aber sie empfängt den Besucher, statt ihn überwältigen zu wollen. Über dem Audimax, das mit 650 Sitzplätzen so groß ist wie bisher an der alten WU, befindet sich ein großer, abgestufter Raum mit studentischen Arbeitsplätzen, an denen man sofort gerne studieren möchte. Den größten Raumgewinn im Vergleich zum bisherigen Angebot gibt es bei den Seminarräumen, von denen nun 53 statt bisher 35 zur Verfügung stehen. Sie liegen in mehreren Geschoßen über dem Niveau des Audimax. Die notwendigen Fluchttreppen haben BUSArchitektur wie große Stahlskulpturen nach außen an die Hinterseite des Gebäudes gelegt. Der Charakter einer freundlichen Maschine wird durch die Verkleidung des Baukörpers mit rostroten Cortenstahlplatten unterstrichen.

Den Instituten gehören auf dem Campus drei Bauteile, die jeweils von Hitoshi Abe, Carme Pinós und Peter Cook entworfen wurden. Abes Bauteil liegt dem Hörsaalzentrum gegenüber und trägt ein schwarz-weiß geschecktes Kostüm. Seine gekurvten Baukörper umschließen einen attraktiven Außenraum und bieten im Inneren die interessantesten Institutsräume mit hellen, teilweise mehrgeschoßigen Erschließungszonen. Um die gepixelte Fassade von Carme Pinós' Institutsgebäude wurde wegen der speziellen Fensterzuschnitte lange gestritten. Das Ergebnis ist überzeugend, gerade in den Büroräumen, die durch die Fenster einen individuellen Charakter bekommen. Insgesamt ist dieses Institutsgebäude das disziplinierteste unter den dreien. Die langenInnengänge hätten wesentlich davon profitiert, wenn sich die WU an innovativen Unternehmen orientiert und zumindest Glaswände zu den Gängen installiert hätte. Die traurigen Mattglasschlitze in den Türen symbolisieren, dass Wissenschaftler hier lieber Einzelkämpfer bleiben wollen.

Der grellbunte Kakadu unter den Alphatieren ist das Institutsgebäude von Peter Cook, das mit seinem Fassadendekor aus Holzlatten für den meisten Gesprächsstoff auf dem Campus sorgt. Was aussieht, als sei dem Bauherrn das Geld ausgegangen, ist in Wahrheit vom Architekten explizit so geplant und war äußerst aufwendig umzusetzen. Dasselbe gilt für die offen geführten Leitungen im Inneren, die ausschauen, als hätten mehrere Pfuscherpartien fröhlich Kabel und Lüftungsrohre gezogen, wo es ihnen gerade passt. Um sich solche Witze leisten zu dürfen, müsste man ein exzellenter Architekt sein, und das ist Cook leider bei Weitem nicht. Hier hätte der Bauherr den billigen Effekten eine Grenze ziehen müssen. Dass er ihm stattdessen auch noch die Innenausstattung übertragen hat, die an Laubsägearbeiten aus den späten 1970er-Jahren erinnert, ist unverständlich.

Trotz solcher Teilaspekte ist der neue WU-Campus in Summe ein Erfolg. Er bringt eine Universität an einen der besten Standorte der Stadt, zwischen zwei U-Bahnstationen, direkt am grünen Prater. Er wurde zeitgerecht und im Kostenrahmen umgesetzt, was wesentlich den Generalplanern Vasko & Partner und BUSArchitektur zu verdanken ist. Angesichts der Komplexität mancher Bauteile und der speziellen Lösungen bei Brandschutz und Haustechnik ist das eine beachtliche Leistung. Die Bundesimmobiliengesellschaft als Bauherrin wird sich überlegen müssen, welche Lehren sie aus diesem Projekt zieht. Zurück zur Mittelmäßigkeit der Zeit vor der Gründung der BIG sollte die Devise jedenfalls nicht lauten.

31. August 2013 Spectrum

Lässig im neuen Anzug

In Eisenstadt ist Pichler und Traupmann einer der besten Kulturbauten Ostösterreichs gelungen. Ihr Medienzentrum in Wien hat dagegen kaum mehr Chancen auf Realisierung.

Ursprünglich sollten sie alle gleich aussehen: Acht Kulturzentren wollte der 1972 gegründete „Verein zur Planung, Errichtung und Erhaltung von Kultur- und Bildungszentren“ gleichmäßig über das Burgenland verteilen, alle geplant nach einem Grundkonzept des Architekten Matthias Szauer. Das erste entstand 1976 in Mattersburg, eine kraftvolle Sichtbetonarchitektur; bei wohlwollender Betrachtung ein Bau im Geist des „Brutalismus“, jener Architekturströmung der 1960er-Jahre, für die roher Beton, starke Plastizität und robuste Konstruktion charakteristisch waren.

Das 1981 fertiggestellte Kulturzentrum in Eisenstadt stammte zwar vom selben Architekten, dieser war aber in der Zwischenzeit vom Virus der historisierenden Postmoderne infiziert. Das Gebäude versuchte sich zum Stadtzentrum hin als abstrahierter Palast zu tarnen und war im ersten Obergeschoß über eine im Grundriss gekrümmte Brücke mit dem benachbarten Hotel verbunden.

Von dieser grotesken Anlage ist heute nichts mehr zu erkennen. 2009 gewannen die Architekten Johann Traupmann und Christoph Pichler den internationalen Wettbewerb für die Sanierung und Erweiterung des Kulturzentrums. Erhalten blieben vom Vorgängerbau der an sich gut funktionierende Saal und ein Treppenhaus. Die Brücke zum Hotel wurde abgebrochen, ein großer Gewinn für den Stadtraum, der so seinen selbstverständlichen Fluss wiedergewinnen konnte und das Kulturzentrum als eigenständigen Baukörper besser zur Wirkung kommen lässt.

Der Besuchereingang liegt am Franz-Schubert-Platz, zu dem sich auch die Hauptfassade des Gebäudes öffnet. Die Architekten haben dem Haus einen neuen Anzug aus Aluminium geschneidert, eine Netzhaut, die Altbau und Neubau geschickt zusammenfasst. Das glänzende Metall kommt dabei in unterschiedlichen Konfektionen zum Einsatz, einerseits als Streckmetallgitter, andererseits als Baumaterial für die Lamellen, die vor den Glaswänden des Foyers im Erdgeschoß und im ersten Stock als regulierbarer Sonnenschutz dienen. Lebendig wird die Fassade nicht zuletzt dadurch, dass hinter den scheinbar einheitlichen Oberflächen ganz unterschiedliche Ebenen zu erkennen sind.

An manchen Stellen ist das Streckmetall nur eine Verblendung, hinter der die schwarz gestrichenen Oberflächen des Altbaus zu sehen sind; an anderen Stellen sind die Außenwände hinter dem Gitter verglast und lassen die Tiefe des Hauses erahnen. Bei Nacht wird dieser Effekt naturgemäß verstärkt, und da sich die Betreiber eine recht aufwendige LED-Beleuchtung geleistet haben, die Farbenspiele aller Art möglich macht, darf das untertags silbergraue Haus bei Nacht auch ab und zu ein buntes Festkleid anlegen.

Stadträumlich klug ist die Idee, die Fassade zur Platzmitte hin niedriger zu machen und eine Terrasse anzuordnen, der ein vorkragender Baukörper im ersten Stock entspricht: ein erweitertes Foyer vor dem großen Saal und zugleich ein Regenschutz für den Eingang ins Haus. Auch die Terrasse ist kein isoliertes Element, sondern Teil eines komplexen Wegesystems, das vom Eingang über eine großzügige innere Treppe bis hinauf zu einer Dachterrasse mit wunderbarem Blick über die Stadt führt.

Neben dem großen Saal gibt es zudem einen neuen kleineren, der bei Bedarf nach einem großen zusammenhängenden Raum mit dem Foyer verbunden werden kann. Ein Geschoß tiefer als die Eingangsebene liegt die Burgenländische Landesgalerie, zu erreichen über eine breite Treppe mit Sitzstufen, die auch die Möglichkeit bietet, Vorträge abzuhalten. Mehrere Schichten von Glas garantieren die sichere und unabhängige Benutzung der einzelnen Bereiche, erlauben aber viele Durchblicke dazwischen und zum umgebenden öffentlichen Raum.

Pichler und Traupmann ist hier einer der besten Kulturbauten nicht nur des Burgenlandes, sondern ganz Ostösterreichs gelungen. Dass es sich um einen Umbau handelt, macht das Projekt noch bemerkenswerter, vor allem wegen des gelassenen Umgangs mit der alles anderen als hochwertigen Altsubstanz. Besonders an der Nordseite, wo der neue Anzug etwas lockerer sitzt, blitzen nicht nur die Oberflächen des Bestandsgebäudes hervor, sondern auch die Reste gestalterischer Absichten aus den 1980er-Jahren: etwa dick in Vollwärmeschutz gepackte Erker, die hinter dem Metallgitter wie abstrakte Skulpturen wirken.

Ob Pichler und Traupmann solche zufälligen Zusammenstöße tatsächlich mit Sympathie sehen, ist fraglich. Ihre Architektur hat sich in den letzten Jahren deutlich in Richtung eines organischen Determinismus entwickelt, der Bewegungsströme und städtebauliche Faktoren zum Anlass für fließende skulpturale Formen nimmt. Es ist kein Zufall, dass Johann Traupmann an der Universität für angewandte Kunst an der Klasse von Zaha Hadid unterrichtet. 2012 gewannen Traupmann und Pichler den Wettbewerb für das neue Medienzentrum der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, den Schlussstein in der Verwandlung der ehemaligen Veterinärmedizinischen Universität im dritten Bezirk in einen Campus für diese künstlerischen Bereiche.

Der Entwurf war ein Raumkunstwerk, das die Jury ins Schwärmen brachte: „Einprägsame Raumsequenzen und die geschmeidige Abfolge von Wegen, kaskadenförmiger Treppe und kommunikativen Aufenthaltszonen inspirieren den Alltag der Studenten und das Raumerlebnis der Besucher.“ Die zukünftigen Nutzer zeigten sich weniger erfreut und brachten das Projekt zu Fall, nicht zuletzt mit der Forderung nach mehr Flexibilität und nach rechteckigen statt „dynamisch sinusförmigen“ Probesälen. In einem aktuellen Urteil bestätigte das Bundesvergabeamt in erster Instanz den Widerruf des Wettbewerbs durch die Bundesimmobiliengesellschaft.

Dass die Universität die Nutzer nicht von Anfang an ausreichend in die Planung einband und deren eigentliche Anforderungen erst zutage kamen, nachdem 84 teilnehmende Büros in Summe einen Millionen-Euro-Betrag in den Wettbewerb investiert hatten, ist ein Skandal für sich. Unabhängig davon wirft der Fall aber eine prinzipielle architektonische Frage auf, der sich jede Architektur Zaha-Hadid'scher Prägung stellen muss: Wie viel Spielraum bleibt den Nutzern in ihren nur auf den ersten Blick so „geschmeidigen“ Räumen?

6. Juli 2013 Spectrum

Drei Jahre danach

2010 habe ich an dieser Stelle behauptet, „einen der wichtigsten Beiträge zum Wiener Wohnbau der letzten Jahre“ vorzustellen. Und wie ist der Eindruck heute? Tokiostraße, Wien-Donaustadt: ein Wiedersehen.

Architekturkritik kommt meistens zu spät. Ein Theater bleibt leer, wenn sich die Verrisse häufen, ein lau kritisiertes Buch verkauft sich schlecht. Schlechte Architektur dagegen bleibt, von Kritik weitgehend ungerührt, jahrzehntelang im Weg stehen. Architekturkritiker behaupten daher gerne, für die Zukunft zu schreiben, in der Hoffnung, dass gute Beispiele zum Vorbild werden und ein Verriss die Wiederholung von Fehlern verhindert.

Insofern kommt Architekturkritik aber auch zu früh. Sie erfolgt meist unmittelbar nach der Fertigstellung, bevor ein Bauwerk beweisen musste, dass es alltagstauglich ist und von den Nutzern in seinem Potenzial auch verstanden und angenommen wurde. Wenn ein Gebäude nach seiner Eröffnung wieder als Architektur in die Zeitung kommt, dann meistens Jahrzehnte später, wenn die nicht mehr vorhandene Alltagstauglichkeit die Substanz gefährdet und das Denkmalamt gegen einen Abriss oder Umbau einschreitet.

Der Wohnbau in der Tokiostraße von Artec-Architekten wurde 2010 fertiggestellt und hat bis zur denkmalpflegerischen Behandlung noch einen Weg vor sich. Ich habe das Haus im Jahr 2010 an dieser Stelle im Spectrum als „einen der wichtigsten Beiträge zum Wiener Wohnbau der letzten Jahre“ vorgestellt und mit Lob nicht gespart: ein genialer Mix aus gestapelten Wohntypen sei hier zu finden; hohe Dichte, aber trotzdem viel Licht und Luft; raffinierte Übergänge zwischen öffentlichen und privaten Bereichen; viele Terrassen und Loggien als wohnungsnahe Freiräume, die sich die Benutzer noch gärtnerisch gestalten würden; viel soziale Infrastruktur, etwa ein doppelgeschoßiger Partyraum, Schwimmbecken mit Liegewiese auf dem Dach und eine offene Erdgeschoßzone, die sich die Bewohner für Feste aneignen könnten. Dieses Programm ist in einer baukünstlerischen Eigenart umgesetzt, die aus der Wohnhausanlage einen urbanen Ort macht, den man sich merkt. Ein warmgrauer Verputz und Sichtbeton an der Fassade stehen im Kontrast zu kräftigen Rot- und Gelbtönen in den Hallen und Treppenhäusern. Die Fassade zur Tokiostraße hin ist ein dreidimensionales Vexierspiel aus schrägen Stahlrohren in einem raffinierten Muster, und abends leuchtet der Partyraum an der Stirnseite wie eine rote Laterne in den Straßenraum.

Nicht alle Leser teilten diese Meinung. Die Fotos zeigten das Haus unmittelbar vor der Besiedlung, und es gab den üblichen Leserbrief, der mich darauf hinwies, dass nur Architekten Sichtbeton schön finden, aber auch einen anderen, der das Haus als formalistisch und am Leben vorbeigeplant kritisierte. Gegen diese Fundamentalkritik muss sich das Haus selbst wehren, dachte ich mir damals, und notierte mir eine Besichtigung nach ein paar Jahren im Kalender.

Letzte Woche war es so weit. Begleitet von einem der Geschäftsführer der Wohnbaugenossenschaft „Neues Leben“, Johann Gruber, durfte ich das Haus nach drei Jahren Betrieb besuchen. Von der Betreiberseite hat das Haus die Erwartungen erfüllt; einzige Ergänzung war der zusätzliche seitliche Abschluss einer Erschließungshalle durch ein Kunststoffgewebe, da im Winter an windigen Tagen Flugschnee in die Halle geweht wurde.

Dass die Bewohner das Haus in Besitz genommen haben, ist deutlich zu sehen. Die privaten Kleinstgärten auf den Terrassen und Balkonen sind begrünt, je nach gärtnerischem Talent mit unterschiedlicher Dichte. Auch in der Erschließungshalle sind die Vorbereiche vor den Wohnungen genutzt, freilich großteils als Abstellplätze für Fahrräder und Kinderwägen. Nur vor einer Wohnung ist ein kleiner Sitzplatz mit Kaffeehaustisch aufgebaut, der aber eher als symbolische Geste wirkt. Es gibt auch hier einiges an Grün, in den oberen, gut belichteten Ebenen wuchert vor einer Wohnung sogar ein kleiner Empfangsdschungel aus Topfpflanzen. Im öffentlich zugänglichen Hof ist der Rasen gepflegt, die Betonwände werden von Pflanzen erobert und haben ihre Härte verloren. Ein kleines „Nimm ein Sackerl“-Hinweisschild im Rasen weist auf potenzielle Interessenskonflikte in einem halböffentlichen Grünraum hin. Schon mehrmals hätte die Hausverwaltung mit dem Gedanken gespielt, erklärt Johann Gruber, das Problem durch einen Maschendrahtzaun mit Tür zu lösen, sei aber davon zu überzeugen gewesen, dass damit eine wesentliche Qualität des Hauses zerstört würde: die hohe Dichte durch ein Angebot an gut gestalteten öffentlichen und halböffentlichen Freiräumen zu kompensieren.

Zu diesen Räumen gehört auch die Dachterrasse mit Schwimmbecken im Trakt zur Tokiostraße, die allen Bewohnern der in Summe 100 Wohnungen zur Verfügung steht. Die Terrasse ist geteilt, im vorderen Bereich liegt das Becken, dann geht es über ein paar Stufen hinunter auf die Liegewiese. Hier trifft man auf Bewohner, die erzählen, dass sie mit dem Haus sehr zufrieden sind. Es gebe Klagen über Lärmbelästigung durch die Straßenbahn in der Tokiostraße, deren Fahrgeräusch durch die offene Erdgeschoßzone auch in der Halle merkbar sei. Überhaupt: Benutzt werde diese Halle nur als luxuriöser Abstellplatz für Fahrräder, und auch der Partyraum sei kaum in Betrieb. Die übrigen Kritikpunkte beziehen sich auf Details, die Ausführung des Sichtbetons und punktuelle Wasserschäden in der Sockelzone des Verputzes in der zweiten Eingangshalle.

Die Überraschung des Besuchs ist, dass es keine Überraschungen gibt. Das Haus grünt sich unter tatkräftiger Mithilfe der Bewohner ein. Die halböffentlichen Zonen funktionieren nicht, oder genauer: Sie haben in unserer Gesellschaft keinen praktischen Wert mehr, sondern einen symbolischen. Wer in Kagran unter Menschen sein möchte, geht nicht zum Nachbarn, sondern ins Donauzentrum. Abschaffen darf man diese Zonen dennoch nicht: Sie inszenieren den Abstand, den wir zueinander brauchen, und machen das Leben in dichter Packung erst erträglich.

Das Haus in der Tokiostraße hat auch das Glück, in einem der wenigen städtebaulich gelungenen Entwicklungsgebiete Transdanubiens zu liegen. Der Masterplan aus dem Jahr 1993 stammt von Elsa Prochazka, und nach 20 Jahren zeigt sich, dass hier ein urbaner Raum mit Aufenthaltsqualität entstanden ist. Was den meisten Häusern hier dennoch fehlt, ist der Dialog zwischen Haus und Stadt, die subtile Verbindung zwischen öffentlichen und halböffentlichen Zonen. Diese Qualität besaß auch die angeblich so vorbildliche Blockrandbebauung der Gründerzeit nicht oder nur dort, wo sie aufgrund bestehender älterer Bauten dazu gezwungen war. Gerade hier läge aber – wie das Haus von Artec beweist – das Potenzial der heutigen Stadterweiterung.

Der Genossenschaft „Neues Leben“ sind diese Qualitäten offenbar ein besonderes Anliegen. Auf dem Areal des ehemaligen Nordbahnhofs errichtet sie gerade drei Wohnhäuser auf einer quadratischen Parzelle, geplant von den Architekten Sergison und Bates aus London, von Ballmoos Krucker aus Zürich und Werner Neuwirth. Drei Häuser im Dialog, eine fein justierte Mitte, mehr braucht es nicht. Im stadträumlichen Elendsviertel, zu dem der Nordbahnhof leider geworden ist, sind diese Häuser zumindest ein Lichtblick.

11. Mai 2013 Spectrum

Will das der Markt?

Hauptsache Rendite: wie man Wohnungen verkauft, in die der Käufer nie einziehen würde. Ein Beispiel aus Wien.

Wohnen ist, so sagt es die UN-Menschenrechtskonvention in Artikel 25, ein Grundrecht: „Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der ihm und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen.“ Wohnen ist zugleich ein Wirtschaftsfaktor. Im Schnitt wird in Österreich knapp ein Drittel des Haushaltseinkommens für Wohnen, Energie und Wohnungsausstattung aufgewendet.

Wohnen ist daher auch ein Geschäft. Allerdings eines, in das der Staat – zumindest in Österreich – massiv eingreift, durch die Regulierung bestimmter Segmente des Mietwohnungsmarktes, aber auch durch Förderungen. Die Wohnbauförderung erlaubt es, Bauträgern Qualitätsstandards vorzuschreiben, etwa in Bezug auf den Energieeinsatz und die Wohnungsqualität, und zugleich die Baukosten zu begrenzen. Gemeinnützige Bauträger stöhnen zwar gerne über diese Schere. Sie hat aber zumindest in Wien per Wettbewerb zu hoher Qualität und vielen Innovationen geführt: raffinierte Grundrisse mit hoher Flexibilität, großzügige Erschließungs- und Gemeinschaftsbereiche, die das Leben trotz hoher Dichte angenehm machen, begrünte Freibereiche vor den Wohnungen und nicht zuletzt bautechnische Innovationen, die Baukosten reduzieren helfen.

Dass der geförderte Wohnbau in Wien einen höheren Standard hat als der frei finanzierte, ist daher nichts Neues. In meinem jüngsten Beitrag an dieser Stelle des „Spectrums“ („Licht von unten“, 13. April 2013) über einen geförderten Wohnbau in der Raxstraße im zehnten Bezirk habe ich behauptet, dass sich private Wohnungskäufer überlegen sollten, warum sie „für deutlich weniger Qualität das Drei- bis Vierfache jener rund 1400 Euro bezahlen sollen, die eine geförderte Wohnung in der Errichtung kostet“. Die Reaktion folgte prompt: Ich würde hier Äpfel mit Birnen vergleichen, und außerdem sei ein Wohnungspreis von über 4000 Euro im frei finanzierten Bereich in ähnlicher Lage niemals zu erzielen.

Das hat mich neugierig gemacht. Ich bin überzeugt davon, dass man Äpfel sehr wohl mit Birnen vergleichen kann: Einem frischen Apfel wird man den Vorzug vor einer faulen Birne geben. Und was die Wohnungspreise betrifft, hilft ein Blick in den Inseratenteil: „Neubau-Eigentum, Wien 10. Erlachplatz, 45 m², Kaufpreis 180.000 Euro“. Welche Besonderheit hat diese Wohnung, wenn ich für sie trotz der alles anderen als guten Lage 4000 Euro pro Quadratmeter hinblättern muss?

Die Neugier steigt, wenn man vom Makler eine Werbebroschüre zum Projekt zugesandt bekommt. Erstens wird in dieser Broschüre der Standort als „sehr zentral“ dargestellt: „In nächster Nähe befinden sich der Hauptbahnhof und das Schloss Belvedere.“ Sicher, alles ist relativ, und der neue Hauptbahnhof wird auch den zehnten Bezirk aufwerten. Aber bis ins Belvedere ist man doch eine halbe Stunde unterwegs und hat dabei einige nicht unerhebliche Hindernisse wie den Gürtel, Wiens meistbefahrene Straße, zu überwinden. Zweitens springt einem auf dem Grundriss die Erschließung des Hauses ins Auge, ein mehrfach geknickter Mittelgang ohne natürliche Belichtung. Ein Effekt davon ist, dass keine einzige der Wohnungen über Querlüftung verfügt. In einem energietechnisch optimierten Haus mit mechanischer Raumlüftung zur Wärmerückgewinnung wäre das kein Problem. Hier ist es ein echter Mangel an Wohnkomfort. Ein zweiter Effekt ist der Weg zur eigenen Wohnung: Für die oben beschriebene Wohnung (im Plan ganz links hinten) beträgt er vom Lift aus gemessen 25 Meter, zwei 90-Grad-Drehungen inklusive.

Die Wohnung selbst hat einen brauchbaren Zuschnitt und eine ausreichend dimensionierte Loggia. Was auf dem Plan nicht zu erkennen ist: Sie orientiert sich nicht zum begrünten Erlachplatz, sondern zu einem eher tristen Hinterhof, den die Sonne bestenfalls im Hochsommer für ein paar Stunden erreicht. Weniger glücklich dürfen sich die zukünftigen Mieter anderer Wohnungen schätzen: Mehrfach geknickte Erschließungsgänge und dunkle Kochnischen waren für den Planer offenbar kein Problem.
Die nordseitig orientierten Wohnungen, in die mit Sicherheit nie ein Lichtstrahl fallen wird, haben zum Ausgleich einen Balkon, von dem aus sie den Blick ins drei Meter entfernte Schlafgemach ihrer Nachbarn genießen können. Auch für diese Wohnungen werden noch Preise von über 3000 Euro pro Quadratmeter verlangt – im Dachgeschoß bis zu 5000 Euro. Ausführung: Stahlbeton, Polystyroldämmung, Kunststofffenster.

Wie geht das? Eine Rückfrage beim Projektentwickler bringt Aufklärung: Selbst er würde – „Samma uns ehrlich“ – nie in einer solchen Wohnung wohnen wollen. Seine Käufer aber auch nicht. Es handelt sich nämlich um das Modell „Anlegerwohnung“ oder „Vorsorgewohnung“. Der Käufer wird die Wohnung, die er als „Beimischung zu seinem Vermögensportfolio“ gekauft hat, wahrscheinlich nie betreten. Er bezahlt auch nicht die oben genannten Bruttopreise, sondern Nettopreise, da die Wohnung ja gewinnbringend vermietet wird, in der Regel wieder vom Projektentwickler im Auftrag des Käufers. Das Modell funktioniert, solange Wohnungen knapp sind. In Städten wie Wien und Graz mit steigender Bevölkerungszahl wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit so bleiben. Daher ist der Projektentwickler vor allem dort aktiv, mit derzeit 2500 Wohnungen in Planung und Bau.

Soll man solche Wohnungen kaufen? Wem es gleichgültig ist, wie seine Mieter wohnen, wird da keine Skrupel haben. Er sollte den Projektentwickler aber auffordern, seine Kalkulation offenzulegen: Wenn, wie in diesem Fall, der Netto-Durchschnittspreis der Wohnungen bei 3300 Euro pro Quadratmeter liegt und die Errichtungskosten bei bestenfalls 1700, bleibt selbst nach Abzug des Grundstücksanteils ein mehr als satter Gewinn übrig. Hoffnung auf eine Wertsteigerung sollte man bei diesem Preis in dieser Lage jedenfalls nicht haben.

Dass privates Kapital in Wohnungen dieser Kategorie fließt, ist trotzdem zu begrüßen. Aber gibt es nicht irgendeine Möglichkeit, den freien Markt so zu justieren, dass die Wohnqualität dabei ein zentraler Faktor wird? Ich weiß es nicht. Anregungen sind willkommen.

Publikationen

2025

Neue Lernwelten
Impulsgebende Schulen und Kindergärten in Österreich

In den letzten 15 Jahren sind in Österreich zahlreiche Bildungsbauten entstanden, die Impulse für neue Lernwelten jenseits der traditionellen Gangschule geben. Hinter dieser Entwicklung stehen gemeinsame Bemühungen von Akteur*innen aus Pädagogik, Architektur und öffentlicher Verwaltung, Bildungsräume
Hrsg: Christian Kühn, ÖISS — Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau
Verlag: JOVIS

2018

Operation Goldesel
Texte über Architektur und Stadt 2008–2018

Christian Kühns Texte sprechen auch Leser an, die mit Architektur nicht beruflich befasst sind. Sie schätzen daran, dass er Architektur nicht als zweckmäßigen Hintergrund oder als Bühne sieht, sondern als Idee, als Traum oder als verschlungenen Weg einer Projektgeschichte: vom ersten Entwurf über den
Autor: Christian Kühn
Verlag: Birkhäuser Verlag

2008

Ringstraße ist überall
Texte über Architektur und Stadt 1992-2007

Warum vergolden die Österreicher ihre Baudenkmäler selbst dann, wenn sie zu Staub zerfallen? Wieso bauen die Deutschen ihren Automobilen Tempel? Und was passiert, wenn Ernst Neufert in Graz auf Buster Keaton trifft? Seit 1992 bereichern die Texte Christian Kühns im Feuilleton der Tageszeitung „Die Presse“,
Autor: Christian Kühn
Verlag: SpringerWienNewYork

2007

Türme & Kristalle
Wettbewerb ehemalige Sternbrauerei Salzburg

Die Diskussion über die Möglichkeiten, an einer Stadt kreativ weiterzubauen, wird, wenn überhaupt, nur punktuell geführt. Als die Stadt noch von Planungsbehörden verordnet wurde, gab es dafür auch keinen Bedarf. Das ändert sich im Zeitalter, in dem private Investoren ganze Stadtteile entwickeln. Auf
Hrsg: Christian Kühn
Verlag: Verlag Anton Pustet