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Das Museum wird lebendig
150 Jahre auf dem Buckel, und es tritt nicht leiser – im Gegenteil: Sensationelle Installationen, spektakuläre Werkpräsentationen, provokante Themenausstellungen gab es schon, nun liegt der Schwerpunkt auch auf Design. Zur Geschichte eines Sonderfalls: das Wiener MAK.
10. Mai 2014 - Christian Kühn
Im Film „Nachts im Museum“ muss die von Ben Stiller gespielte Hauptfigur ein New Yorker Museum bewachen, in dem die Exponate nach Sonnenuntergang zum Leben erwachen. Untertags zeigt sich das Museum im Normalbetrieb als ein Ort für Dinge, die mit der Gegenwart nicht viel zu tun haben: tote Tiere, Alte Meister, längst obsolete Maschinen, Zeug von gestern. Was im Schatzhaus des Museums eingeschlossen ist, soll möglichst still halten und uns Erholung vom Alltag bieten.
Dieses Bild des Museums ist freilich längst obsolet geworden. In einem Vortrag, der vergangene Woche im Rahmen der Wiener Vorlesungen im Wien Museum zu hören war, referierte der in Zürich lehrende Kulturwissenschaftler Bernhard Tschofen über Alternativen zur Metapher des Schatzhauses. Museen seien Institutionen der Gegenwart, in denen Menschen und Dinge ein „epistemisches Gefüge“ bilden würden, also eine besondere Situation des Erkenntnisgewinns – am Objekt und im Raum. In einem guten Museum würde heute die Reflexion im Mittelpunkt stehen und nicht die Affirmation, der das Museum als Erfindung des Bürgertums im späten 18. und vor allem im 19. Jahrhundert seine Existenz verdankte. Das Museum hätte schon immer Geschichte konstruiert, aus der Perspektive von Klassen und Nationen; heute müsse es sich dessen bewusst sein und deutlich machen, wer hier für wen spricht.
Das zweite Museumszeitalter sei in den Jahren nach 1968 angebrochen, als Museen begannen, sozial- und alltagsgeschichtliche Aspekte aufzugreifen. Heute müsse ein Museum sich als Generator verstehen, als Produzent von kulturellen Aussagen, die bewusst auf den Prüfstand der Öffentlichkeit gestellt werden. Dass diese Öffentlichkeit heute alles andere als homogen ist, nämlich geprägt von kulturellen Differenzen, ist ein wichtiger Faktor. Die klassische Arbeitsteilung von Kuratoren, Gestaltern und Vermittlern sei unter diesen Umständen nicht mehr ausreichend. Das Museum müsse zur „Trading Zone“ werden, und seine Mitarbeiter müssen zu Maklern werden, die zwischen unterschiedlichen Wissensordnungen vermitteln.
Universalmuseen wie das Wien Museum sind – so Tschofen – für diese Aufgabe besser gerüstet als klassische Kunstmuseen, da sie den kulturhistorischen Kontext aus ihren Beständen beistellen könnten. Ob das Wien Museum jemals geeignete Räume für diese Aufgabe bekommen wird, muss sich in nächster Zeit klären. Nachdem die Standortentscheidung für den Karlsplatz gefallen und die Erweiterungsmöglichkeit im Groben skizziert ist, sollte noch vor den nächsten Wiener Wahlen ein Architekturwettbewerb zeigen, ob die Gemeinde Wien imstande ist, einen Kulturbau zu realisieren, der einer Millionenstadt angemessen ist.
Diese Sorge hat das Museum für angewandte Kunst, das kommende Woche seinen 150. Geburtstag feiert, nicht. Für Sammlungen und Wechselausstellungen steht genug Raum zur Verfügung. Das MAK ist von seiner Geschichte her der Sonderfall eines Museums, das sich schon immer als Ort der Produktion verstanden hat, nicht im unmittelbaren Sinn, sondern als Sammlung von vorbildlichen Produkten.
Unter der 25-jährigen Direktorenschaft von Peter Noever entwickelte sich das MAK zu einem Museum, das Gegenwartskunst vor dem Hintergrund der historischen Bestände präsentierte. Die Interventionen, die Noever Ende der 1980er-Jahre im MAK von Künstlern in der Schausammlung des Museums installieren ließ, waren eine Sensation, die – zusammen mit spektakulären Werkpräsentationen und provokanten Themenausstellungen – den Ruf des Hauses neu begründete.
Sein Nachfolger Christoph Thun-Hohenstein, der die Direktion im Herbst 2011 übernahm, hat dem MAK eine neue, weniger schillernde Ausrichtung gegeben. Die Schausammlungen wurden schrittweise neu aufgestellt, zuerst die Bestände zu „Wien 1900“, dann die Asien- und die Teppichsammlung. Das Prinzip, zeitgenössische Künstler in die Neuaufstellung der Schausammlung einzubinden, blieb erhalten, mit einer kräftigen Intervention bei der Asien-Sammlung durch Tadashi Kawamata und einer dezenten in der Teppichsammlung durch Füsun Onur. Kawamata mischt Holzlatten und Exponate zu einem Treibgut, das sich im Raum verfängt und in Dialog mit den „grottesken“ Wandmalereien tritt. Onurs Engelteppich schwebt dagegen unauffällig über der Installation aus fliegenden Teppichen, konzipiert von Michael Embacher. Dass die Kuratoren und Kustoden mehr Mitsprache haben als bisher, ist den Aufstellungen positiv anzumerken. Vor allem die Sammlung zu „Wien 1900“, die nun die Jahre 1890 bis 1938 behandelt, zeigt Überraschungen auch für Besucher, die über dieses Thema schon alles zu wissen glaubten.
Mit dem kommenden Dienstag zum 150. Geburtstag eröffneten Design Labor setzt das MAK das bisher deutlichste Zeichen für eine Neupositionierung. Die vom Wiener Designbüro EOOS unter kuratorischer Beratung des Institute of Design Research Vienna gestaltete Ausstellung ersetzt die bisherige Studiensammlung komplett. Ein Teil des Materials ist geblieben, aber lebendiger präsentiert und thematisch neu geordnet. Ein Raum widmet sich dem Produzieren: Hier stoßen künstlerische Produktion und Design aneinander, mit Franz West auf der einen und einer Zusammenschau aller Staatspreise für Design seit 1962 auf der anderen Seite, vom Damenhut bis zur Aufklärungsdrohne. Weitere Bereiche widmen sich dem Kochen und Essen, der Bekleidung (grandios: das Spezialarchiv Helmut Lang) und der visuellen Kommunikation. Das klingt nach säuberlich getrenntem Sortiment, aber EOOS freuen sich, dass diese „Supermarktaufstellung“ an vielen Punkten zu durchaus überraschenden Begegnungen führt.
Zwei Räume für Wechselausstellungenund das MAK Forum – ein multifunktionaler Vortrags- und Ausstellungsraum, in dem es trotz der Lage im Keller viel Tageslicht gibt – runden das Angebot ab. Besucher, die den direkten Weg in den Zentralraum der Studiensammlung gewohnt waren, werden den neuen Eingang, der die Besucher durchs MAK Forum führt, gewöhnungsbedürftig finden. Wenn der Beitrag des Designs zum „positiven Wandel“, den sich das MAK auf die Fahnen geschrieben hat, dort tatsächlich seinen Ausgang nimmt, lohnt sich der Umweg allemal.
Dieses Bild des Museums ist freilich längst obsolet geworden. In einem Vortrag, der vergangene Woche im Rahmen der Wiener Vorlesungen im Wien Museum zu hören war, referierte der in Zürich lehrende Kulturwissenschaftler Bernhard Tschofen über Alternativen zur Metapher des Schatzhauses. Museen seien Institutionen der Gegenwart, in denen Menschen und Dinge ein „epistemisches Gefüge“ bilden würden, also eine besondere Situation des Erkenntnisgewinns – am Objekt und im Raum. In einem guten Museum würde heute die Reflexion im Mittelpunkt stehen und nicht die Affirmation, der das Museum als Erfindung des Bürgertums im späten 18. und vor allem im 19. Jahrhundert seine Existenz verdankte. Das Museum hätte schon immer Geschichte konstruiert, aus der Perspektive von Klassen und Nationen; heute müsse es sich dessen bewusst sein und deutlich machen, wer hier für wen spricht.
Das zweite Museumszeitalter sei in den Jahren nach 1968 angebrochen, als Museen begannen, sozial- und alltagsgeschichtliche Aspekte aufzugreifen. Heute müsse ein Museum sich als Generator verstehen, als Produzent von kulturellen Aussagen, die bewusst auf den Prüfstand der Öffentlichkeit gestellt werden. Dass diese Öffentlichkeit heute alles andere als homogen ist, nämlich geprägt von kulturellen Differenzen, ist ein wichtiger Faktor. Die klassische Arbeitsteilung von Kuratoren, Gestaltern und Vermittlern sei unter diesen Umständen nicht mehr ausreichend. Das Museum müsse zur „Trading Zone“ werden, und seine Mitarbeiter müssen zu Maklern werden, die zwischen unterschiedlichen Wissensordnungen vermitteln.
Universalmuseen wie das Wien Museum sind – so Tschofen – für diese Aufgabe besser gerüstet als klassische Kunstmuseen, da sie den kulturhistorischen Kontext aus ihren Beständen beistellen könnten. Ob das Wien Museum jemals geeignete Räume für diese Aufgabe bekommen wird, muss sich in nächster Zeit klären. Nachdem die Standortentscheidung für den Karlsplatz gefallen und die Erweiterungsmöglichkeit im Groben skizziert ist, sollte noch vor den nächsten Wiener Wahlen ein Architekturwettbewerb zeigen, ob die Gemeinde Wien imstande ist, einen Kulturbau zu realisieren, der einer Millionenstadt angemessen ist.
Diese Sorge hat das Museum für angewandte Kunst, das kommende Woche seinen 150. Geburtstag feiert, nicht. Für Sammlungen und Wechselausstellungen steht genug Raum zur Verfügung. Das MAK ist von seiner Geschichte her der Sonderfall eines Museums, das sich schon immer als Ort der Produktion verstanden hat, nicht im unmittelbaren Sinn, sondern als Sammlung von vorbildlichen Produkten.
Unter der 25-jährigen Direktorenschaft von Peter Noever entwickelte sich das MAK zu einem Museum, das Gegenwartskunst vor dem Hintergrund der historischen Bestände präsentierte. Die Interventionen, die Noever Ende der 1980er-Jahre im MAK von Künstlern in der Schausammlung des Museums installieren ließ, waren eine Sensation, die – zusammen mit spektakulären Werkpräsentationen und provokanten Themenausstellungen – den Ruf des Hauses neu begründete.
Sein Nachfolger Christoph Thun-Hohenstein, der die Direktion im Herbst 2011 übernahm, hat dem MAK eine neue, weniger schillernde Ausrichtung gegeben. Die Schausammlungen wurden schrittweise neu aufgestellt, zuerst die Bestände zu „Wien 1900“, dann die Asien- und die Teppichsammlung. Das Prinzip, zeitgenössische Künstler in die Neuaufstellung der Schausammlung einzubinden, blieb erhalten, mit einer kräftigen Intervention bei der Asien-Sammlung durch Tadashi Kawamata und einer dezenten in der Teppichsammlung durch Füsun Onur. Kawamata mischt Holzlatten und Exponate zu einem Treibgut, das sich im Raum verfängt und in Dialog mit den „grottesken“ Wandmalereien tritt. Onurs Engelteppich schwebt dagegen unauffällig über der Installation aus fliegenden Teppichen, konzipiert von Michael Embacher. Dass die Kuratoren und Kustoden mehr Mitsprache haben als bisher, ist den Aufstellungen positiv anzumerken. Vor allem die Sammlung zu „Wien 1900“, die nun die Jahre 1890 bis 1938 behandelt, zeigt Überraschungen auch für Besucher, die über dieses Thema schon alles zu wissen glaubten.
Mit dem kommenden Dienstag zum 150. Geburtstag eröffneten Design Labor setzt das MAK das bisher deutlichste Zeichen für eine Neupositionierung. Die vom Wiener Designbüro EOOS unter kuratorischer Beratung des Institute of Design Research Vienna gestaltete Ausstellung ersetzt die bisherige Studiensammlung komplett. Ein Teil des Materials ist geblieben, aber lebendiger präsentiert und thematisch neu geordnet. Ein Raum widmet sich dem Produzieren: Hier stoßen künstlerische Produktion und Design aneinander, mit Franz West auf der einen und einer Zusammenschau aller Staatspreise für Design seit 1962 auf der anderen Seite, vom Damenhut bis zur Aufklärungsdrohne. Weitere Bereiche widmen sich dem Kochen und Essen, der Bekleidung (grandios: das Spezialarchiv Helmut Lang) und der visuellen Kommunikation. Das klingt nach säuberlich getrenntem Sortiment, aber EOOS freuen sich, dass diese „Supermarktaufstellung“ an vielen Punkten zu durchaus überraschenden Begegnungen führt.
Zwei Räume für Wechselausstellungenund das MAK Forum – ein multifunktionaler Vortrags- und Ausstellungsraum, in dem es trotz der Lage im Keller viel Tageslicht gibt – runden das Angebot ab. Besucher, die den direkten Weg in den Zentralraum der Studiensammlung gewohnt waren, werden den neuen Eingang, der die Besucher durchs MAK Forum führt, gewöhnungsbedürftig finden. Wenn der Beitrag des Designs zum „positiven Wandel“, den sich das MAK auf die Fahnen geschrieben hat, dort tatsächlich seinen Ausgang nimmt, lohnt sich der Umweg allemal.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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