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Was immer schon Turm war, wird auch Turm bleiben
Der Standard

Einem gründerzeitlichen Stadthaus in Innsbruck setzte Architekt Daniel Fügenschuh einen Hut auf. Das Dachgeschoß beweist, wie exakt die Gratwanderung zwischen Alt und Neu sein kann.

28. Juni 2014 - Wojciech Czaja
Innsbruck - Beirat und Baubehörde waren zu Beginn alles andere als begeistert. Etliche Male mussten Architekt und Bauherr vor der elfköpfigen Jury antanzen, um das Bauvorhaben zu verteidigen. „Dieses Gebäude war schon immer ein Turm, und es wird ein Turm bleiben“, lautete das bestechende Argument des Innsbrucker Architekten Daniel Fügenschuh. „Wir setzen da ja kein Ufo und keinen Fremdkörper drauf, sondern verstärken nur den bereits bestehenden Charakter des Gründerzeithauses.“ Das reichte zur Überzeugung.

Drei Jahre dauerte die Baustelle, was vor allem daran liegt, dass das Projekt von Anfang so konzipiert war, dass der Bauherr selbst Hand anlegen und Vieles in Eigenleistung komplettieren kann. „Vor allem bei der Bauweise und bei der Größe der einzelnen Bauelemente habe ich darauf geachtet, dass man nicht auf hochprofessionelle Arbeitskräfte und Maschinen angewiesen ist, sondern auch mit geringen Mitteln selbst weiterbauen kann“, erklärt Fügenschuh. „Auf diese Weise konnten die Baukosten erheblich reduziert werden.“

Der gesamte Rohbau besteht aus Holz, was konstruktive, aber auch statische Vorteile hatte. Dadurch mussten Haus und Keller in keinster Weise verstärkt werden. Die große Spannweite der Holzelemente ermöglichte zudem, dass die Ecken in Glas aufgelöst sind und die Aufstockung nun wie eine etwas eckige Hutpracht über dem sich schon seit Generationen in Familienbesitz befindlichen Haus zu schweben scheint. Selbst im Angesichte der historischen Bauten nebenan muss man schon zweimal über den Inn blicken, um das Neue inmitten des Alten zu erkennen.

„Genau das war der Plan“, sagt der Architekt. „Schließlich handelt es sich hier um einen Privatbau. Alles andere wäre stadtbildlich anmaßend gewesen.“ Zu verdanken ist die Tarnung dem Fassadenmaterial. Denn der gesamte Dachgeschoßhut ist mit großflächigen, aber dünnen Fertigteilen aus Sichtbeton verhängt. „In Verbindung mit dem Sockelgebäude wirkt der mineralische Baustoff recht homogen“, so Fügenschuh. „Fast so, als hätten wir das Haus mit einigen Jahrzehnten Verspätung einfach weitergebaut.“

Und was meint der Bauherr? „Was den Alltag betrifft, kann ich noch nicht viel sagen, denn wir sind erst kurz davor einzuziehen“, erzählt der 42-Jährige Musikinstrumentebauer, der auf die Fertigung von klassischen Klarinetten und Querflöten spezialisiert ist. „Ich weiß nur: Mein erster Eindruck, als mir Daniel den Entwurf präsentiert hat, war: radikal und gut! Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich freue mich jetzt schon auf die tolle Aussicht.“

Vor allem im Sitzen wird man von der erhöhten Lage viel haben. Wie ein Band zieht sich der Glasstreifen 360 Grad um Wohnzimmer, Küche und Dachterrasse. Der schmale Streifen ist mehr als nur ein ästhetisches Mittel: Durch die geringe Höhe und die Dicke der Außenwand wird ein Teil der sommerlichen Sonne abgebremst.

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