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Platz braucht Zeit
Spectrum

Mödling hat ein Verkehrsproblem und einen unattraktiven Bahnhofplatz. Für Letzteren gäbe es schon eine Lösung.

28. Juni 2014 - Franziska Leeb
Am Mödlinger Bahnhofplatz soll ein Bürogebäude entstehen und im Zuge dessen auch der Platz neu geordnet und gestaltet werden. Die Stadtgemeinde agierte vorbildlich, lobte einen zweistufigen Wettbewerb aus, setzte eine kompetent besetzte Fachjury ein und kürte Ende November 2013 ein Siegerprojekt. Bei den Beurteilungskriterien setzte die Jury den Fokus auf den Platz als Visitenkarte der Stadt. Das gewünschte Bürohaus sollte ein „Haus am Platz“ sein und nicht der Platz als Vorbereich des Bürogebäudes aufgefasst werden. Natürlich galt auch der Funktionalität des Verkehrskonzepts hohes Augenmerk. Dem Entwurf des in Wien ansässigen Architekturbüros Stiefel & Company (Hannes Stiefel und Patrick Krähenbühl) wurde diesbezüglich vom Preisgericht unter Vorsitz von Bettina Götz das höchste Potenzial zugesprochen. So weit, so gut. Im April wurde das Projekt öffentlich präsentiert. Auch das ist lobenswert, schließlich treffen auf einem öffentlichen Platz zahlreiche Interessen von Anrainern und Nutzern aufeinander, die Gehör verdienen. Was bislang noch nicht stattgefunden hat, ist eine sachliche Diskussions- und Weiterbearbeitungsphase.

Dafür setzte sich die Lokalpresse mit dem Projekt auseinander und fokussierte vor allem auf die Kritik einzelner Bürger und das in Mödling generell weiträumig ungelöste Verkehrsproblem, das mit einem neu gestalteten Platz allein nicht maßgeblich zu entschärfen sein wird. Der Platz könne das „falsche Publikum“ anziehen, das man vor Jahren bereits durch das Abmontieren von Bänken und das Anbringen von Sprinkleranlagen in den Grünflächen vertrieben hat. Weiters befürchtet man Geschäftseinbußen durch die Baustelle, bekrittelt, dass damit das Verkehrsproblem nicht gelöst sei, und generell passe das Projekt nicht zu Mödling.

Anlass genug, den Status quo und den Gestaltungsvorschlag anzusehen: Selbst wenn nicht Hochbetrieb herrscht und Hunderte Schüler auf einmal von und zu den Bahnsteigen und Bussen strömen, sind die Nöte des Platzes offenkundig. Der Autoverkehr zwängt sich vor dem Bahnhof über den Platz, weder auf den Grünflächen noch an den Bushaltestellen oder vor den Kiosken gibt es attraktive Aufenthaltsbereiche für Wartende. Im Gegensatz zu anderen Mödlinger Stadtplätzen hat der Platz architektonisch und atmosphärisch wenig zu bieten.

Ihn irgendwie attraktiver zu machen und Funktionalitäten zu optimieren wäre keine große Kunst. Ihn aber so zu ertüchtigen, dass er sowohl den Erfordernissen einer wachsenden Stadt im Wiener Umland gerecht werden als auch in der Reihe der urbanen Plätze der Stadt qualitativ mithalten kann und strukturell angebunden wird, braucht es mehr als die Neuorganisation von Busspuren und ein wenig Grün.

Stiefel & Company legten ihrem Entwurf eine stadtstrukturelle Analyse zugrunde und reagierten folgerichtig im Besonderen auf die Topografie Mödlings. Die zentralen Orte der Stadt liegen zwischen und entlang zweier parallel in Ost-West-Richtung verlaufender Achsen – einerseits der landschaftlich geprägten parkartigen, ruhigen Achse entlang des Mödlingbaches, andererseits der belebten Verkehrsachse, an der wie an einer Perlenschnur die verschiedenen Stadtplätze aufgefädelt sind. Hannes Stiefel sieht am Bahnhofplatz, der sich zwischen diesen beiden Achsen erstreckt, die Chance, Mobilität und Landschaft ineinanderfließen zu lassen. Der geforderte Bürozubau wird in Distanz zum bestehenden Verwaltungsgebäude „mit minimalem Fußabdruck“ angeordnet. So entsteht ein durchlässiger Raum, der mit öffentlich zugänglichen Rampen, Stiegen und Terrassen sowohl den Bürokomplex an den Bahnhofplatz angliedern als auch die notwendige Eingangsfunktion Richtung Stadtzentrum leisten kann.

Für den Platz entschieden sich die Architekten für eine unkonventionelle, aber schlüssige Konfiguration, bei der der vorhandene Baumbestand Regie führte. Analog zu den vielfach ein Gefälle aufweisenden alten Mödlinger Plätzen schaffen sie eine neue Platztopografie aus entsprechend haltbarem Holz, deren Form nicht dekorativen Gründen geschuldet ist, sondern in der die verschiedenen funktionalen und sozialräumlichen Anforderungen zusammengeführt sind. Die Bäume wachsen durch Öffnungen in dieser neuen Platzoberfläche in die Höhe. Auf den hochliegenden begehbaren Decks, die den neuen Bushaltestellen Schutz geben, wandelt man tatsächlich zwischen Baumkronen. Das ist ungewöhnlich und mag auf manche Bürger irritierend wirken, schließlich entsteht durch die veränderten Niveaus eine neue Relation zwischen dem öffentlichen Raum und der umgebenden Bebauung.

Bloß weil etwas ungewöhnlich ist, muss es nicht untauglich sein. Der Platz ist übersichtlich strukturiert, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von motorisiertem Individualverkehr, öffentlichem und Fahrradverkehr sowie Fußgängern werden entflechtet. Für alle weiteren Funktionen, die auch jetzt schon da sind, wie Kioske oder die Jugendberatung, wird es weiter Platz geben. Die Aufenthaltsfläche am Platz wird aber flächenmäßig verdoppelt, und die entschleunigende Wirkung des Materials Holz wird dem hektischen Ort sicher auch guttun. Derzeit müssen sich zahlreiche Nutzergruppen auf engstem Raum organisieren. Das Siegerprojekt des Wettbewerbes hingegen schafft eine Vielfalt an räumlichen Angeboten. Darüber wurde bislang kaum diskutiert. „Der Platz muss sukzessive zu Ende gedacht werden“, sagt Thomas Proksch, der als Landschaftsplaner mit im Boot ist, und plädiert dafür, dass ein Teil des Budgets für den Platz für das Management der künftigen Bespielung beiseitegelegt werden soll. Aus langjähriger Erfahrung ist ihm auch vertraut, was nun in Mödling passiert: „Sobald ein Vorschlag für eine Platzgestaltung da ist, geht die Verkehrsdiskussion los.“ Vorher großräumig die Verkehrsprobleme zu lösen würde es natürlich einfacher machen, ein treffsicheres Verkehrskonzept für den jeweiligen Platz zu finden. Dies muss in Mödling nun Hand in Hand geschehen.

Auch beim Innsbrucker Eduard-Wallnöferplatz, den Stiefel mit dem Architekturbüro LAAC und dem Künstler Christopher Grüner konzipierte, gab es anfangs Skepsis. Dank professioneller Begleitung seitens der Stadtplanung ist er heute ein gut akzeptierter und gern genutzter Platz, der es sogar in die Auswahl von „Europas besten Bauten“ (zu sehen vom 10. Juli bis 15. September im Architekturzentrum Wien) geschafft hat.

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