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Ein Nachlass als Vorbild?
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Eine Aussichtsplattform mit Weitblick und ein revitalisierter Heustadel, beides in der Unesco-Welterberegion Hallstatt/Salzkammergut: Und was bedeutet „Weltkulturerbe“ eigentlich? Eine Annäherung.

12. Juli 2014 - Romana Ring
Weltkulturerbe: In diesem Begriff schwingt vieles mit. Was den einen als wirksamer Schutzmechanismus wertvollen Kulturguts erscheint, dient den anderen als schlagkräftiges Instrument zur Ankurbelung des Fremdenverkehrs, während wieder andere den Blick vor allem auf die Einschränkungen richten, die so eine der ganzen Welt vermachte Erbschaft mit sich bringt. Bautätigkeit im Weltkulturerbe bedarf jedenfalls einer positiven Stellungnahme seitens der Unesco. Zwei Objekte am Hallstättersee zeigen, wie unterschiedlich man die Frage nach dem angemessenen Bauen auf weltkulturgeweihtem Boden beantworten kann.

Steigen wir zunächst auf den Salzberg – wir können auch die Seilbahn nehmen; denn die Aussichtsplattform, die der Linzer Ingenieur Erhard Kargel im Bereich des Einganges zum historischen Salzbergwerk für die Salzwelten GmbH Hallstatt geplant hat, ist vom Seeufer kaum sichtbar: ein schlanker Flügel aus Stahl, der sich, mit einer im Flugzeugbau häufig eingesetzten Farbe beschichtet, nur zart vor dem Himmel abzeichnet. Der Eindruck, dass wir es hier mit einem Minimum an Bauwerk bei gleichzeitig maximalem Ausdruck seiner Funktion zu tun haben, verfestigt sich, sobald wir die Plattform aus der Nähe sehen. In der Verlängerung einer vorgefundenen Stützmauer über dem Grundriss eines schlanken Dreiecks entwickelt, lehnt sie sich, verblüffend fragil anmutend, weit in den Abgrund hinaus. Ein Hohlkasten aus Stahlblech, an der Bergseite durch das Gegengewicht einer Betonplatte gehalten, wird im Querschnitt wie im Grundriss zur Spitze hin immer schlanker. Ein feines Netz aus Edelstahl zeichnet die Kontur der Plattform nach. Leicht nach innen geneigt, vermittelt es Besuchern Sicherheit, ohne das Panorama zu verstellen. So treten wir hinaus, um den „Weltkulturerbeblick“ zu genießen. Dabei tut es gut zu wissen, dass die Verjüngung der Tragkonstruktion nach vorne ebenso der Stabilität dient wie die Dreiecksform des Grundrisses: An der Spitze hat nur ein Mensch Platz, während weiter hinten, dem Auflager zu, mehrere stehen können.

So schauen wir also hinunter auf Hallstatt und den von abrupt aufragenden Bergen umschlossenen See. Gegenüber, an seinem östlichen Ufer, liegt, von einer bewaldeten Halbinsel verdeckt, eine Hütte. Ursprünglich als Heustadel errichtet, wird sie seit Jahrzehnten nicht mehr als solcher, doch nach wie vor im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des umliegenden Grundstückes genutzt. Ihre längst überfällige Revitalisierung war selbst für das in ähnlichen Aufgaben höchst erfahrene Architekturbüro Luger & Maul aus Wels keine leichte Aufgabe: Die Organe der Unesco konnten sich mit keinerlei Änderung des von außen wahrnehmbaren Erscheinungsbildes der Hütte anfreunden. Denn dieses ist Bestandteil des Weltkulturerbes. So befindet sich nun hier, auf dem Gemeindegebiet von Obertraun, der wohl am aufwendigsten revitalisierte Heustadel der Welt. Mögen die Nutzungsanforderungen auch bescheiden sein: Ein trockener Boden, intakte Wände und eine stabile Dachkonstruktion sind als Voraussetzungen heute nicht mehr verhandelbar. So haben Luger & Maul sich nach genauer Vermessung des Bestandes daran gemacht, diese unter Wahrung des ursprünglichen architektonischen Ausdrucks zu schaffen. Die vier brüchig gewordenen Steinpfeiler an den Ecken der Hütte wurden fachgerecht restauriert und innen mit einer verputzten Vorsatzschale aus Glasschaum gedämmt; der Boden der Hütte wurde abgegraben, gedichtet und gedämmt wieder aufgebaut; die Wände zwischen den Steinpfeilern wurden als gedämmte Holzkonstruktion mit einer vertikalen Schalung aus Lärchenholz ergänzt; und die drei Fenster in ihrer vorgefundenen Größe wurden ebenfalls aus Lärchenholz erneuert.

Über das Innere der nun mit Holzschindeln gedeckten und bis zu den geschnitzten Zierbrettern an den Ortgängen dem „Original“ entsprechenden Hütte wurde seitens der Unesco nicht befunden. Es ist – Erhard Kargels Aussichtsplattform nicht unähnlich – dem Gedanken der Reduktion auf das Wesentliche verpflichtet. Ein Tisch, eine Bank, eine Kochstelle, ein Schlafplatz sowie ein WC und eine Dusche haben auf etwa 35 Quadratmeter bebauter Fläche Platz gefunden. Der Raum wirkt dennoch hell und großzügig. Die Sorgfalt, mit der Luger & Maul ihn gestaltet haben, übersteigt die ursprünglichen Ansprüche der Anlage bei Weitem, ohne den Rahmen des Ortes zu sprengen. Im Gegenteil: Hier – wie auch in der sachte verfeinerten Ausformung der Hülle – werden alte Traditionen nicht bloß oberflächlich nachgeäfft, sondern tatsächlich aufgegriffen und weiterentwickelt. Jedes Detail des in möglichst ungestörter Geometrie vollkommen mit geölter Weißtanne ausgekleideten Raumes trägt ebenso zur Funktionalität bei wie zur Vervollkommnung des Gesamteindrucks. Der von den Fenstern schlicht gerahmte Blick in die Landschaft gehört nun als ganz wesentliches Element dazu.

Was wir heute am Hallstättersee als Weltkulturerbe bewahren wollen, ist in Gebäuden und Anlagen festgeschriebener Alltag von Bergbauern und Bergleuten. Was wir in Form malerischer Ausblicke genießen, brachte für sie in hohem Maß Mühsal und Bedrohung mit sich. Den Zeugnissen ihrer längst versunkenen Welt mit Respekt zu begegnen bedeutet auch, sich am Vorbild ihrer Klugheit, ihres Erfindungsreichtums und nicht zuletzt ihres ästhetischen Anspruchs zu orientieren. Erhard Kargel hat mit seiner Aussichtsplattform gezeigt, wie man ein Bauwerk ganz ohne Leihgaben aus dem Formenvokabular vergangener Zeiten harmonisch in die alpine Landschaft fügt; Luger & Maul haben mit der von ihnen revitalisierten Hütte eine nicht minder schwierige Aufgabe gemeistert: das scheinbar Historische ohne Abgleiten in den Zynismus zu gestalten.

Auf dem Rückweg nach Hallstatt zweigen wir noch kurz von der Hauptstraße Richtung Seeufer ab. Hier befindet sich seit Kurzem das im „authentischen Baustil des Salzkammergutes“ errichtete „Resort Obertraun“. Gut und gerne 30 „Chalets“ genannte Doppelhäuser hat hier jemand ohne jede Ambition zur Bildung nutzbarer Außenräume in bautechnisch nicht nachvollziehbarer Mischung aus verputzten und mit Holz verkleideten Fassaden auf die Wiese geworfen. Auch so kann man Weltkulturerbe interpretieren. Für die Unesco jedenfalls scheint das kein Problem zu sein.

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