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Profil

Wojciech Czaja, geboren in Ruda Śląska, Polen, ist freischaffender Journalist für Tageszeitungen und Fachmagazine, u.a. für Der Standard, Architektur & Bauforum, VISO, db Deutsche Bauzeitung, und DETAIL. Er ist Autor zahlreicher Wohn- und Architekturbücher, u.a. Wohnen in Wien (2012), Zum Beispiel Wohnen (2012), Überholz (2015) und Das Buch vom Land. Geschichten von kreativen Köpfen und g’scheiten Gemeinden (2015). Zuletzt erschien HEKTOPOLIS. Ein Reiseführer in hundert Städte im Verlag Edition Korrespondenzen. Er arbeitet als Moderator und leitet Diskussionsrunden in den Bereichen Architektur, Immobilienwirtschaft und Stadtkultur und veranstaltet unter dem Titel Ähm, ja also... Praxis-Workshops zum Thema Kommunikation und Präsentation. Er ist Dozent an der Universität für Angewandte Kunst in Wien sowie an der Kunstuniversität Linz und unterrichtet dort Kommunikation und Strategie für Architekten. Außerdem ist er von 2015 bis 2021 Mitglied im Stadtbaubeirat in Waidhofen an der Ybbs.

Publikationen

Wir spielen Architektur. Verständnis und Missverständnis von Kinderfreundlichkeit, Sonderzahl-Verlag, Wien 2005
periscope architecture. gerner gerner plus, Verlag Holzhausen, Wien 2007
Stavba. Die Strabag-Zentrale in Bratislava, Wien/Bratislava 2009
Light/Night. The Nouvel Tower in Vienna, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2010
Wohnen in Wien. 20 residential buildings by Albert Wimmer, Springer Verlag, Wien 2012
Zum Beispiel Wohnen. 80 ungewöhnliche Hausbesuche, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2012
Überholz. Gespräche zur Kultur eines Materials, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2015
Das Buch vom Land. Geschichten von kreativen Köpfen und g’scheiten Gemeinden, Wien 2015
Der Fuß weiß alles. Markus Scheer, Ecowin Verlag, Wals bei Salzburg 2016
Der Erste Campus, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2017
motion mobility. Die neue ÖAMTC-Zentrale in Wien, Park Books, Zürich 2017
Hektopolis. Ein Reiseführer in hundert Städte, Edition Korrespondenzen, Wien 2018

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Artikel

27. Dezember 2014 Der Standard

Die Welt von B bis Ypsilon

Der brasilianische Architekt Isay Weinfeld, Planer des Intercont-Eislaufverein-Areals in Wien, ist derzeit in aller Munde. Der Investor Michael Tojner und das Architekturzentrum Wien widmen ihm nun eine Ausstellung.

STANDARD: Auf Youtube gibt es ein Video mit dem Titel „Der Architekt, den wir am meisten bewundern: Isay Weinfeld“. Kennen Sie den Film?

Weinfeld: Wow, echt? Nein, den kenne ich nicht! Aber ich finde es schön, dass ich mit meiner Arbeit Menschen erreichen und berühren kann. Das sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Was genau ist denn an Ihrer Arbeit bewundernswert?

Weinfeld: Das müssen Sie die Macher dieses Films fragen. Aber ich fürchte, ich komme nicht um eine Antwort umhin, oder? Na gut ... Ich denke, die Besonderheit, die mich ausmacht, ist die Feinheit, die Sensibilität, die Balance, die Unaufgeregtheit, die stille Leidenschaft meiner Architektursprache, in erster Linie aber das Zuhören-Können.

Das heißt?

Weinfeld: Wissen Sie, ich halte nichts von Architektur, bei der sich der Urheber als Star oder Genie sieht. Ich bin einfach nur ein guter Zuhörer, der die Fähigkeit besitzt, das Gehörte in etwas Gebautes zu verwandeln. Und ja, ich bin ein verdammt guter Zuhörer. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, ich sei ein besserer Zuhörer als Architekt.

Was sagen Sie zu alledem, was Sie derzeit in Wien zu hören bekommen? Stichwort: Hotel Intercontinental und Eislaufverein.

Weinfeld: Ich verstehe das. Das ist Ihre Stadt, das ist Ihr Lebensraum, das ist Ihr Lebensmittelpunkt, mit dem Sie sich auseinandersetzen und der in all seinen Facetten Gutes und nicht so Gutes birgt. Da kommen viele Emotionen hoch. Im Rahmen des Architekturwettbewerbs habe ich einen ersten Vorschlag gemacht, jetzt geht es darum, zuzuhören und unterschiedliche Meinungen zu diesem Projekt einzuholen. Je differenzierter ein Projekt betrachtet wird, desto besser wird das Resultat sein.

In welche Richtung wird sich das Projekt weiterentwickeln?

Weinfeld: Das kann ich noch nicht sagen. Wir stehen jetzt ganz am Anfang des Planungsprozesses. Was ich Ihnen allerdings versichern kann: Egal, wie sich das Projekt entwickeln wird, es wird niemals alle Meinungen respektieren und alle Menschen gleichermaßen zufriedenstellen können. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Derzeit ist im Architekturzentrum Wien (AzW) eine Ausstellung über Ihr bisheriges Werk zu sehen. Der Titel der Ausstellung lautet „A bis Z“. Das ist ein hehrer Anspruch.

Weinfeld: Das ist eine Ausstellung, die bereits in New York und São Paulo zu sehen war. A bis Z ist eine Installation mit mehreren Exponaten und Entwurfsaufgaben zwischen B und Ypsilon, die mich tangieren und die mir als Architekt zu denken geben. Architektur, also die Gestaltung des Lebensraums, ist eine Sache, die das ganze Leben begleitet. Deswegen zeige ich in der Ausstellung auch eine von mir gestaltete Wiege - das ist das A - sowie einen von mir entworfenen Sarg, das Z.

A und Z schauen einander sehr ähnlich.

Weinfeld: Ja, das ist Absicht. Beide Möbel sind aus unbehandeltem Holz und weißer Baumwolle, und beide weisen eine Architektur mit weichen, fließenden Formen auf. In gewisser Weise sind Wiege und Sarg fast das Gleiche. Das sind Gegenstände beziehungsweise Behausungen für die beiden gegenüberliegenden Enden des menschlichen Lebens.

Liegt Ihnen die Gesamtgestaltung des Lebens am Herzen?

Weinfeld: Ja. Ich bin Architekt. Ich liebe das Leben. Warum fragen Sie?

Von manchen Menschen werden Sie dafür kritisiert, dass Sie in Ihrer Arbeit sehr selektiv vorgehen und lediglich „Kunstgewerbe für die brasilianische Millionärsoberschicht“ produzieren, wie unlängst in einem Beitrag zu lesen war. Wie geht es Ihnen mit diesen Vorwürfen?

Weinfeld: Es darf sich jeder seine eigene Meinung über meine Arbeit bilden. Das ist okay. Tatsache ist: Ja, ich arbeite für die brasilianische Oberschicht, genauso gut wie ich auch für Investoren, für Kulturinstitutionen, für die öffentliche Hand und für sozial und wirtschaftlich Benachteiligte arbeite. Ich lasse mich in kein Schema pressen. Für eine einzige Bevölkerungsgruppe zu arbeiten ist mir zutiefst zuwider. Und fad ist es auch.

Wo fühlen Sie sich denn wohler?

Weinfeld: Vor einigen Wochen wurde ich eingeladen, in den Favelas von Belo Horizonte im Bundesstatt Minas Gerais ein Gemeinschaftshaus und einen Kindergarten zu planen. Es ist ein schönes Projekt. Es ist nicht besser und nicht schlechter als eine Villa für einen wohlhabenden Auftraggeber in Rio de Janeiro. Es ist anders. Ich werde Ihnen jetzt nicht antworten, bei welcher Aufgabe ich mehr Freude und Leidenschaft empfinde.

Und bei welcher Aufgabe empfinden Sie die größere Herausforderung?

Weinfeld: Die größte Herausforderung für mich ist immer das Projekt, das ich zum ersten Mal angreife, das ich noch nie zuvor gemacht habe.

Eine absolute Tätigkeitspremiere war Ihr Film „Fogo e Paixão“ („Feuer und Leidenschaft“, 1988), bei dem Sie Produktion, Drehbuch und Regie übernommen haben. Der Architekt als Gesamtkünstler?

Weinfeld: Warum nicht! Fogo e Paixão ist eine Filmkomödie über eine Gruppe Touristen, die eine Großstadt erkunden. In gewisser Weise hat auch das mit Architektur zu tun, und zwar mit der Rezeption des Systems Lebensraum.

Wenn ich das Bild aufgreifen darf: Was wird passieren müssen, damit in den kommenden Jahren auch beim Hotel Intercontinental und Eislaufverein „Fogo“ und „Paixão“ aufkommen?

Weinfeld: Lassen Sie es mich so sagen: Bis jetzt haben die Wiener für ordentlich viel „Fogo“ gesorgt. Meine Arbeit liegt nun darin, etwas mehr „Paixão“ in die Sache zu bringen.

Isay Weinfeld (62) ist Architekt in São Paulo und plante bereits Projekte in Südamerika und Europa, u. a. ein Hotel in Belgrad und ein Restaurant in London. Er ist Sieger des internationalen Wettbewerbs zur Neubebauung des Intercont-Eislaufverein-Areals und betreut das Projekt für die Wertinvest. Geplante Fertigstellung 2018. Foto: Dimo Dimov

„A bis Z. Die Welt von Isay Weinfeld“ im AzW, Museumsquartier, 1070 Wien. Zu sehen bis 23. Februar 2015. www.azw.at

20. Dezember 2014 Der Standard

Des Mammuts neue Kleider

Heute, Samstag, wird in Lyon das Musée des Confluences eröffnet. Coop Himmelb(l)au verpasste der Naturhistorie am Zusammenfluss zwischen Rhône und Saône eine durchaus zukunftsfähige Montur.

Und plötzlich steht man vor einem Mammut. Das fast vier Meter hohe Tier wurde 1859 bei Bauarbeiten in der Innenstadt gefunden und ist seitdem der größte Stolz Lyons. Das 600 Kilogramm schwere Skelett in der Exposition „Origines, les récits du monde“ ist imposant, keine Frage. Aber noch viel beeindruckender ist das Gebäude, in dem Mammuthus intermedius de Choulans sein neues Zuhause hat: Heute, Samstag, wird das Musée des Confluences nach fast vierjähriger Bauzeit offiziell eröffnet.

Dass es sich bei diesem futuristischen Gebilde in der Form einer auffrisierten, aufgeblasenen Hightech-Amöbe um ein naturhistorisches Museum handelt, sieht man ihm beim besten Willen nicht an. Die Klischeebilder solcher Räumlichkeiten, die einem in den Sinn kommen, schauen anders aus: Holzvertäfelung, knarrender Parkettboden, Vitrinen mit aufgespießten Schmetterlingen.

„Das ist kein unübersichtliches Lager ausgestopfter Tiere, kein reines Storage-Museum, wie das so oft der Fall ist, sondern ein Haus, in dem Wissen und Wissenszusammenhänge vermittelt werden“, sagt Wolf Prix vom Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au. „Und nachdem es etwas Vergleichbares unserer Recherche nach nicht gab, nachdem wir auf keine typologischen Erfahrungswerte zurückgreifen konnten, mussten wir für diese Art Museum eine vollkommen neue Form finden.“

180 Meter ist es lang, 90 Meter breit und fast 40 Meter hoch. An der Fassade dominieren 14.000 Quadratmeter glasperlengestrahlter Edelstahl, nackter Beton und Glas. Es ist, als würde sich der Bau gegen die A7 stemmen und die stets zu schnell fahrenden Autofahrer mit seiner auffällig rhythmisierten Form, mit seinen wild hinausragenden Trichtern an die Möglichkeit der Geschwindigkeitsreduktion gemahnen. „Der Reiz des Gegenteils“, so Prix.

Unter dem Gebäude, das an einigen Stellen 20, 30 Meter ins himmelblaue Nichts hinauszischt, tun sich aufregende öffentliche Räume auf. An schönen Tagen, wenn nicht gerade der eisige Winterwind unterm Haus durchpfeift, kann man sich bereits die Zukunft imaginieren. Das Wasser, das hier als Reflexionsbecken und indirekte Beleuchtung dient, wird dann wohl als Planschbecken und Abenteuerspielplatz herhalten müssen.

Und rein ins Haus. Den Auftakt macht ein rundum gläsernes Foyer, der sogenannte Kristall. Nicht die Leere wird hier zum Inhalt stilisiert, sondern die Bewegung der Besucherinnen und Besucher. „Anders als meine Freunde Rem und Frank und Zaha“, so Prix in nicht wenig ausschweifenden Gesten, „halte ich nichts vom Void Space. Ich will, dass die Menschen den Raum über Brücken, Rampen und Spiralen ergehen und erfahren können.“

Als wäre der Kristall an seinem höchsten Punkt geschmolzen, fällt ein gläserner Tropfen zu Boden. Die Stahlkonstruktion, die diese räumliche Geste ermöglicht, ist nichts anderes als eine dreidimensionale, mehrachsige Lastabtragung des Daches. Auf diese Weise konnte ein Drittel des Stahls eingespart werden. Rundherum verläuft eine scheinbar schwebende, von oben herabgehängte Spirale, auf der man - Höhenangst ausgeschlossen - den Weg vom ersten in den zweiten Stock beschreiten kann. „Das ist das intensivste und komplexeste Gebäude, das wir je gebaut haben“, wird Prix später sagen. 37 unterschiedliche Geometrien knallen hier aufeinander.

Bei den Ausstellungsräumen selbst handelt es sich um schlichte Black Boxes, die wie in einer gründerzeitlichen Wohnung links und rechts entlang eines breiten Ganges aufgefädelt sind. Große Zahlen deuten einem den Weg ins Innerste, zum Mammut und all seinen ausgestorbenen Zeitgenossen. Die meisten Tiere werden in einer Art und Weise inszeniert (Corian, Stahl, Gitterkäfige, Rampen, Glaskästen und dramatische LED-Beleuchtung), als handle es sich dabei um teure Konsumobjekte, um Schmuck und Ferraris.

„Wir haben die Räume so gestaltet und so organisiert, dass sie laufend temporär bespielt werden können“, erklärt Projektleiter Markus Prossnigg. „Sobald eine Ausstellung ab- und wieder neu aufgebaut wird, schließt man einfach den Zugang, und der Rest des Museums bleibt intakt.“ Mehrere Lastenlifte, die vom Keller hochfahren, ermöglichen einen getrennten Zugang.

„Das ist mehr als nur ein klassisches Museum“, sagt Direktorin Hélène Lafont-Couturier. „Üblicherweise wird Geschichte entsprechend rückwärtsgewandt erzählt. Hier nicht. Hier verschmelzen Natur und Architektur zu einer neuen Geschichte, die nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft erzählt.“ Nur den Fingerprint als Eintrittskarte in die einzelnen Ausstellungssäle, den sich Prix gewünscht hatte, musste man vorerst noch ad acta legen. „Wer weiß, vielleicht beim ersten Relaunch?“

Vom Stiegenhaus im zweiten Stock, nicht weit von Mammuts neuer Heimstätte entfernt, blickt man direkt auf jenen Punkt, an dem sich die beiden Flüsse Rhône und Saône am Ende der Lyoner Halbinsel vereinen. Damit ist auch das Rätsel um den geheimnisvollen Namen Musée des Confluences, Museum der Zusammenflüsse, gelüftet. Von der Dachterrasse, auf der die darunterliegenden Räume wie stählerne Schuppen und Warzen nach oben ragen, sieht man sogar auf die Lyoner Innenstadt und die schneeweiße Basilika Nôtre Dame de Fourvière.

Das 170 Millionen Euro teure Projekt ist damit Auftakt eines Stadtentwicklungsgebiets, in dem in den kommenden Jahren noch viele Wohn- und Bürobauten folgen sollen. Bis vor kurzem war Perrache trotz seiner spektakulären Lage und Nähe zur historischen Innenstadt eine Industriebrache mit Fabriken, Lagerhallen und Gleisanlagen. Heute erwacht es mit neuen, teils sehr bunten Einsprengseln von Odile Decq, Christian de Portzamparc und Jakob+MacFarlane Architectes zu neuem Leben. Damit ebnet die Naturhistorie der urbanen Zukunft den Weg.

Die Reise erfolgte auf Einladung von Coop Himmelb(l)au.

22. November 2014 mit Maik Novotny
Der Standard

Licht und Schatten über den Gleisen

Die Hauptbahnhöfe in Salzburg und Wien sind nahezu gleichzeitig startklar. Mit unterschiedlichen Fahrplänen. Im Westen stehen die Signale auf leichte Eleganz, die Hauptstadt hingegen schaltet auf Durchzug.

[Wojciech Czaja] Wie würden Sie den Salzburger Bahnhof in einem Satz beschreiben? „Great, your train is late!“, tönt es sofort aus den Mündern von Klaus Kada, Kilian Kada und Gerhard Wittfeld. Gemeinsam mit einem Team von mittlerweile hundert Mitarbeitern betreiben sie in Aachen das Büro Kada Wittfeld Architektur und gewannen 1999 den Wettbewerb zur Sanierung und Neubebauung des Hauptbahnhofs Salzburg. Lange hat es gedauert, denn „große öffentliche Projekte brauchen viel Zeit, und eine Evolution tut solchen Mammutbauwerken gut.“ Nun wurde der Bau nach fünfjähriger Bauzeit vor zwei Wochen offiziell eröffnet.

Der Hauptbahnhof Salzburg ist ein schönes Beispiel dafür, was Architekten so gerne als „Dialog zwischen Alt und Neu“ bezeichnen. Die Bahnhofshalle wurde freigelegt, zum Vorschein kamen alte Jugendstilornamente und längst verfallen geglaubte Fliesenmosaike. Dem gegenüber steht eine moderne, lichtdurchflutete Passage mit Shops und breiten Einschnitten in der Decke, durch die man in den Himmel blicken kann. Oben findet man sich unter der historischen Bahnsteighalle aus Eisen und Glas, an die ein paar schlanke, weiche Bahnsteigdächer mit einer Neuinterpretation von Glas anschließen: Über Bahnsteigen und Gleisen spannt sich eine transparente Luftkissenmembran aus PTFE-Folie.

„Wir haben lange darüber gegrübelt, und mit lange meine ich Jahre, wie wir die historische, denkmalgeschützte Halle in unseren Entwurf am besten einbeziehen können“, sagt Wittfeld. „Letztendlich haben wir uns dafür entschieden, dem Original den Vorzug zu geben.“ Unter den vielen Farbschichten der zuletzt grauen, schlammfarbenen Konstruktion kam die Ursprungsfarbe zum Vorschein: Eierschalenweiß. Dem Ambiente, so Wittfeld, komme der helle Originalfarbton durchaus zugute: „Schaut nicht aus wie ein Bahnhof, sondern wie ein Sakralbau. In gewisser Weise ist das eine Wertschätzung gegenüber den Menschen, die dieses Bauwerk benutzen.“

Rund 80 Millionen Euro haben Sanierung und Umbau gekostet. Das Gesamtinvestitionsvolumen des Projekts beläuft sich - mitsamt Brücken, Gleisbau und Signalanlagen - auf das Dreifache. Neu ist, dass es Kada Wittfeld gelungen ist, die ÖBB davon zu überzeugen, die Bahnhofspassage bis nach Schallmoos durchzubrechen und auf diese Weise einen Nebeneingang zu schaffen, wo sich auch eine Radgarage für 550 Fahrräder befindet. „Ich hasse Bahnhöfe, die den Passagieren nur das Geld aus der Tasche ziehen“, sagt Klaus Kada. „Ein Bahnhof ist kein Einkaufszentrum, sondern ein Ort der Bewegung, eine öffentliche Fußgängerzone.“ Shops gibt es, keine Frage, doch die Bühne dient hier dem Fortfahren und Ankommen.

[Maik Novotny] Architektonisch ist ein Bahnhof ja eigentlich nichts Kompliziertes. Traditionell besteht er meist aus zwei Teilen - einem Eingangsgebäude und einem Dach. Das eine verankert die weite Welt in der Stadt, das andere schützt vor Regen.

Beide Teile, das haben Architekten und Ingenieure in den letzten 180 Jahren gezeigt, lassen sich zu Spektakulärem veredeln. Manchen Bahnhöfen gelingt es, das Ankommen (wie der Westbahnhof mit seinem großen Fenster auf die Stadt) und Abfahren (wie der alte Südbahnhof mit seinen Süd-Ost-Verschlingungen) zu inszenieren, wenigen sogar, den Durchfahrenden zum Aussteigen zu bewegen.

Die Aufgabe, einen neuen Hauptbahnhof für eine alte Hauptstadt zu bauen, sollte also reichlich Chancen für Spektakuläres bieten. Sollte man meinen. Von Albert Wimmer, Ernst Hoffmann und Theo Hotz entworfen und von Stadt und ÖBB eher als rein infrastruktureller Durchlaufposten von städtebaulichem Masterplan und Immobilienverwertung behandelt denn als architektonisches Einzelstück, wurde der Wiener Hauptbahnhof von Anfang an als „Bahndamm mit Dach“ beworben, und an dieser Reduktion krankt er jetzt nach der schrittweisen Eröffnung.

Dabei ist die Grundidee des Daches keine schlechte: Die ineinander verschränkten Rauten oszillieren bildhaft zwischen Durchfahren und Abbremsen. Doch was von oben besehen dynamisch wirkt, verschmilzt von unten zu einer einzigen, dezent angerissenen Platte, die schwer über den Bahnsteigen lastet, sodass man sich besonders im nächtlichen Neonlicht wie in einer stahlverarbeitenden Fabrik wähnt.

Die Kunst der Fuge

Das Eingangsgebäude wiederum ist kein solches, sondern eine ausgefüllte Restfläche zwischen dem Bogen der Trasse und dem geplanten 88 Meter hohen Bürokomplex auf dem Baufeld A01 (Signa Holding) am Gürtel, der kleinstmögliche ÖBB-Restposten der Grundstücksverwertung. Zwar könnte man auch die „Kunst der Fuge“ architektonisch zu etwas Besonderem machen, doch dazu sind die Anschlüsse der Glasfassaden an die Glasbrüstung des Bahndamms zu unentschlossen verbastelt. Immerhin sorgt die von zwei Seiten (und viermal am Tag beidseits korrekt) lesbare Bahnhofsuhr für Aufheiterung.

Der Kern des Bahnhofs steckt ohnehin weder im Dach noch im Eingang, sondern im Damm: Dieser verknüpft die lang getrennten Bezirke vier und zehn, indem er möglichst viele Passanten durch die Einkaufspassage saugt und die kommerzfreien Durchgänge daneben als finstere Angsträume belässt. Wir lernen: Heute besteht ein Bahnhof nicht aus Dach und Eingang, sondern aus Haltestelle und Shoppingcenter.

15. November 2014 Der Standard

Sinai aus Stahl und Spritzbeton

Das Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau ist ein Versuch, zerstörte Kultur zu rekonstruieren. Ob die hohl klingende Architektur den Ansprüchen eines so sensiblen Themas gerecht wird?

Einmal durch die Glastür, und schon ist man mitten auf dem Berg Sinai. Wie von Wind und Wasser weichgespült, ragen links und rechts die geschmeidigen, sandsteinfarbenen Felswände empor. Der Himmel ist nicht zu sehen. Sanft lediglich schimmert von oben, man kann die Sonnenquelle nur erahnen, das Licht in die Tiefe der Schlucht. Fast ist man geneigt, an das Alte Testament zu denken, als Moses der Legende nach das Schilfmeer entzweite, um den Israeliten die Flucht vor den Ägyptern zu ermöglichen.

„Wir sind von einem Canyon ausgegangen, der das Gebäude in der Mitte teilt“, sagt Maritta Kukkonen, Projektleiterin im finnischen Architekturbüro Lahledma & Mahlamäki. „Aber sobald Religion und jüdische Geschichte im Spiel sind, sehen die meisten in diesem räumlichen Zitat, das uns so fasziniert hat, sofort Moses und den Marsch durch das Rote Meer. Das war zwar kein vordergründiger Gedanke, und ich bin der Meinung, dass Symbolik in der Architektur ein prinzipiell schwieriges Kapitel ist, aber wenn man diese Geste so interpretieren will, dann ist uns das nur recht. Geografisch liegen die beiden Motive ja nicht weit auseinander.“

Ende Oktober wurde das Museum der Geschichte der polnischen Juden feierlich eröffnet (der STANDARD berichtete). Letzte Woche wurde der Bau, dessen Wassermassen-Assoziationen bereits über die gesamte Medienwelt schwappten, von der Finnish Association of Architects (SAFA) mit dem renommierten Finlandia Prize for Architecture ausgezeichnet. „Die Jury hat das Museum als großartiges Gebäude bezeichnet“, meint Kukkonen mit einem Zwinkern im Gesicht. „Und sie hat dieses Urteil gefällt, ohne auch nur ein einziges Mal Moses erwähnen!“

Es hat sieben Grad Celsius. Nebel liegt über der Stadt. Über den Skwer Willy'ego Brandta, wo einst das Warschauer Ghetto war, da wo der deutsche Bundeskanzler am 7. Dezember 1970 als Zeichen der Demut und der Vergebung für den Zweiten Weltkrieg vor den Polen auf die Knie fiel, weht ein kantiger Wind. In der Mitte das schwarze Denkmal der Helden des Ghettos. Rundherum die Konturen der Plattenbauten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Der Sinai ist weit, weit weg.

Von außen gibt sich das Museum der Geschichte der polnischen Juden - kurz Polin, benannt nach dem jüdischen Namen für das Land Polen, zugleich die Übersetzung für „Bleib hier!“ und „Verweile!“ - schroff und abweisend. Eisig schimmern die vertikalen Glasschuppen, reflektieren ein bisschen Wolken, ein bisschen Himmel hie und da. Muss denn jedes jüdische Museum auf dieser Welt so hart und unnahbar brutal sein wie jenes in Berlin?

„Nein, dieses Haus ist das Gegenteil von Holocaust-Architektur“, erklärt die zuständige Programmdirektorin Barbara Kirshenblatt-Gemblett. Und Dariusz Stola, Direktor des Polin, fügt, als wolle er sich von diesen klischeehaften Bildern über Architektur im jüdischen Kontext distanzieren, hinzu: „Bei uns ist der Holocaust nur ein Teil des Museums. Wir präsentieren hier fast tausend Jahre polnische jüdische Geschichte, und der Holocaust ist nur eine Unterbrechung. Er ist weder ihr Anfang noch ihr Ende.“

Drinnen erst, in diesem Canyon, der von den wenigsten nur als amorphe Gesteinsformation verstanden werden will, weil das 2. Buch Mose schwerer wiegt als jeder architektonische Grundgedanke, werden die Worte der beiden Hausverantwortlichen manifest. Dramatische Blicke, dramatische Räume tun sich hier auf. Es ist dies die angeblich größte zweiachsig gekrümmte, monolithisch zusammenhängende Wandoberfläche, die je gebaut wurde: 63 Meter lang, fast 25 Meter hoch, wenn man die bauchige Fundamentbasis im Untergeschoß, wo sich die 4000 Quadratmeter große Hauptausstellung befindet, miteinbezieht.

Echte Herausforderung

„Das Design der gekurvten Wände war eine echte Herausforderung“, erklärt Marcin Ferenc, Projektleiter im zuständigen Warschauer Partnerbüro Kurylowicz & Associates. „Eigentlich wollten wir die Wand massiv aus Beton ausführen, aber das wäre schalungstechnisch so aufwändig und so teuer gewesen, dass wir das Foyer in technischer Hinsicht komplett umplanen mussten.“ Sogar mit Schalungsballons und aufblasbaren Hilfskonstruktionen habe man zwischenzeitlich geliebäugelt, so Ferenc.

Heute verbirgt sich hinter dem vermeintlich massiven Canyon eine Unterkonstruktion aus insgesamt 60 individuell geformten Stahlstützen, die mit Platten beplankt und anschließend mit Spritzbeton versehen wurden. Man kann es durch Klopfen, gefolgt von einem sehnsüchtig weichen, die Enttäuschung hinwegfegen wollenden Streicheln der Oberfläche, erahnen: Der Klang ist ein hohler. Das ist schade. Gerade bei einem Museum, das sich um die Rekonstruktion einer an Ort und Stelle fast vollständig zerstörten Geschichte bemüht, hätte man sich mehr Substanz, mehr unantastbare Authentizität gewünscht.

Das Jüdische Museum in Berlin (2001, Daniel Libeskind) und Yad Vashem in Jerusalem (2005, Moshe Safdie) haben die architektonische Latte hoch gelegt. Das Polin-Museum in Warschau (Baukosten 160 Millionen Zloty, rund 45 Millionen Euro) wird diesen hohen Erwartungshaltungen leider nur oberflächlich gerecht. Die anfänglich dramatische Kulisse hält der tiefen Auseinandersetzung mit dem Thema nicht stand.

Umso mehr lohnt ein Besuch der privat finanzierten Dauerausstellung im Untergeschoß, die - jahrelang minutiös zusammengestellt und solide geplant - schon fertig konzipiert war, als der Architekturwettbewerb noch nicht einmal ausgelobt war. Tausend Jahre Geschichte werden hier mit allen möglichen Mitteln visualisiert. Beim Nachbau der längst zerstörten, hölzernen Synagoge Gwozdziec in 80-prozentiger Größe wird zumindest offengelegt, dass hier nichts ist, wie es scheint.

8. November 2014 Der Standard

Weil man sich eben nicht nur bettet

Am Donnerstag wurde der Staatspreis Architektur, Tourismus und Freizeit verliehen. Siegerprojekte aus Ischgl, Krumbach und Wien zeigen: Gastgeber und Gäste werden anspruchsvoller, was der Qualität zugutekommt.

Ischgl ist das, was man salopp als Opfer von Wintertourismus bezeichnen könnte. Das Ortsbild ist geprägt von Hotels, von aufgeblasenen Pseudo-Holzhäusern, sogenannten Lederhosen mit insgesamt 11.000 (!) Gästebetten, und das Ambiente ist fest in der Hand der Skifahrerinnen und Besucher. Seit letztem Jahr jedoch gibt es in der 1600-Seelen-Gemeinde, die von der Muse der Ästhetik und modernen Architektur bislang ungeküsst blieb, so etwas wie einen mustergültigen Hoffnungsschimmer. Das Innsbrucker Architekturbüro parc setzte mitten ins ohnehin schon viel zu voll bepackte Ortszentrum ein teils unterirdisches Kulturzentrum.

Am Donnerstag wurde das Projekt mit dem Staatspreis Architektur in der Kategorie „Freizeit“ ausgezeichnet.

„In touristisch geprägten Regionen wird meist alles für den Touristen und nichts für den Einheimischen gemacht“, erklärt Georg Pendl, einer von acht Juroren, die aus insgesamt 86 Einreichungen die heurigen Preisträger auswählten. Jene Projekte, die nominiert wurden und es in die zweite Stufe schafften, wurden sogar direkt vor Ort besichtigt. „Die Besonderheit an diesem Projekt ist jedoch, dass es gelungen ist, in einem städtebaulich längst schon implodierten Chaos so etwas wie einen hochwertigen, gestalterischen Ruhepol zu schaffen, der in erster Linie den Ischglern zur Verfügung steht.“

Kein Dialog mit Lederhosen

Der in den Hang eingegrabene Bau umfasst diverse Vereinsräume, einen Musikproberaum, Büros und Verwaltung sowie Garderoben, Lagerräume und Sanitäranlagen. Die Architektursprache ist bewusst reduziert. Auf den Dialog mit den vielen Lederhosen will man sich gar nicht erst einlassen. Das Dach der Anlage, die direkt an den Dorfanger anschließt, wurde nach dem Bau begrünt und lockt in der warmen Jahreszeit - wenn die Touristen längst über alle Berge sind - Kühe und Schafe zum Grasen.

„Es geht uns mega“, sagt Architektin Barbara Poberschnigg von parc. „Wir sind ein junges Büro, da war es schon eine Freude, dass wir für den Staatspreis überhaupt nominiert wurden. Und jetzt sind wir sogar Preisträger. Das ist gigantisch! Es ist schön, dass diese Form des Bauens in Tirol einen immer größeren Stellenwert einnimmt.“

In der Kategorie „Tourismus“ ging der Staatspreis an das Hotel Daniel in Wien. Der Bau, so Jurymitglied Pendl, steht stellvertretend für einen selten gesehenen, respektvollen und sensiblen Umgang mit der nicht besonders beliebten Architektur der Sechzigerjahre. Lange Zeit stand das 1962 errichtete Stahlbetonhaus mit Curtail-Wall-Fassade, das Georg Lippert und Roland Rohn für das Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche planten, leer. Bis sich schließlich der Grazer Hotelier Florian Weitzer und das Wiener Architekturbüro Atelier Heiss der Sache annahmen. „Es hat einiger Kunstgriffe bedurft, um die alte Bausubstanz technisch fit zu machen und an die heutigen Vorschriften und Anforderungen anzupassen, und das war nicht immer leicht“, sagt Architekt Christian Heiss. „Es ist eine riesige Freude, dass unsere Bemühungen und auch die Vision des Hotelbetreibers mit dem Staatspreis belohnt wurden.“

Und noch ein drittes Projekt hat es aufs Stockerl geschafft: Der Sonderpreis ging heuer an die sieben Bushaltestellen im Bregenzerwald, besser bekannt unter dem Namen „Bus:Stop Krumbach“ (DER STANDARD berichtete).

„Das Niveau der Tourismusbauten steigt kontinuierlich“, sagt Barbara Feller von der Architekturstiftung Österreich, die den Staatspreis biennal in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der Wirtschaftskammer Österreich, der Gemeinnützigen Privatstiftung und der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten auslobt. „Es reicht nicht mehr, einfach nur ein Hotelzimmer und eine Seilbahnstation zu errichten. Sowohl Touristen als auch Einwohner werden zunehmend anspruchsvoller. Und das ist gut so.“

31. Oktober 2014 Der Standard

Drei kleine Kapuzen, eine große Vision

In Raiding wurde kürzlich das Miniprojekt „Drei Wanderer“ eröffnet. Der Radfahrunterstand des japanischen Architekten Hiroshi Hara beweist, wie groß die Leidenschaft bei kleinen Bauten sein kann. Man trete in die Pedale.

„Warum ist es so wichtig, Funktion mit Kunst zu verbinden?“, fragte der österreichische Künstler und Kurator Roland Hagenberg. Und bevor das versammelte Dorfpublikum, ORF inklusive, eine Antwort auf diese rhetorische Frage zu formulieren wagte, ratterte ein vollbeladener Kartoffeltraktor an Hiroshi Haras besagtem Funktions- und Kunstprojekt vorbei. „Weil damit der Bekanntheitsgrad einer Gemeinde wie Raiding steigt und sie damit plötzlich nicht mehr nur Dorf, sondern auch internationales Diskussionsthema ist.“ Und kollektives Kopfnicken, Applaus.

Schon einmal trommelte Hagenberg zu einer Eröffnung ins mittelburgenländische Raiding. Das war im November 2012. Damals wurde das Storchenhaus des japanischen Architekten Terunobu Fujimori, eine Art Wohn- und Atelierhaus für Touristen und Artists in Residence, eingeweiht. Letzten Samstag war es wieder einmal so weit. Und weil Raiding mit seinen 800 wissbegierigen Seelen an der Exotik aus Nippon Gefallen fand, durfte und musste es wieder ein japanischer Architekt sein, der der neuen Bauaufgabe Form und Metaphorik überstülpte. Das neue Objekt - nur ein weiteres Puzzlestück in einer Folge aus vielen, vielen Architekturpreziosen, die noch folgen werden, wie sich im Laufe des Nachmittags noch weisen sollte - ist ein Radfahrunterstand, der auf den poetischen Namen „Drei Wanderer“ hört. Genau hier, muss man wissen, kreuzen einander die beiden Radwege B40 und R47. Und wo eine Kreuzung, da auch Rast- und Kontemplationsbedarf. Ganz zu schweigen vom ebenso gebotenen Witterungsschutz.

„Ein Radfahrunterstand muss einwandfrei funktionieren, das ist ein öffentliches Bedürfnis“, sagte Dominik Petz, seines Zeichens Ingenieur, der Entwurfsskizzen und Reispapiermodelle des japanischen Architekten Hiroshi Hara in eine plan- und baubare Form verwandelte, in seiner Eröffnungsrede. Der lautstarke Traktor war längst über alle Hügel. „Doch bei diesem Radfahrunterstand fühlt man sich nicht nur physisch geschützt, sondern auch regelrecht emotional geborgen. Das räumliche Erlebnis ist beeindruckend.“

„Drei Wanderer“ (Baukosten 25.000 Euro) ist eine Konstruktion aus 16 Einzelplatten aus Fichtenschichtholz. An der Innenseite wurden die drei selbststehenden Kapuzen mit Lärchenholz furniert, an der Außenseite mit einer speziellen wasserabweisenden Beschichtung versehen. Die Baugenauigkeit des Häuschens mit seinen Tropfnasen und verdübelten Schraubenköpfen - das ist gewiss ein Verdienst japanischer Kooperation - hat nichts mit den hierzulande bekannten Zimmermannskonstruktionen zu tun, sondern grenzt an die Akribie eines Vorarlberger Möbeltischlers.

„Es gab mehrere thematische Ausgangspunkte für den skulpturalen Unterstand“, erklärt der 78-jährige Hiroshi Hara aus der japanischen Ferne. „Ich dachte an die Komposition Années de Pèlerinage (Pilgerjahre) des gebürtigen Raidingers Franz Liszt, wo er seine Reiseerfahrungen verarbeitete. Jeder, der unterwegs ist, macht Zwischenstopps, reflektiert, sammelt sich, positioniert sich neu.“

Die Pilgerreise der Gemeinde Raiding ist bereits vorgezeichnet: Im kommenden Juni soll Hiroshi Hara ein weiteres Wohnhaus nach dem Vorbild des Storchenhauses eröffnen. In den kommenden fünf Jahren, versichert Bürgermeister Markus Landauer, wolle man zehn japanische Häuser fertiggestellt haben. „Damit Raiding eines Tages mehr Architekturpilger als Musiktouristen hat.“

25. Oktober 2014 Der Standard

Vorhang auf in pinker Mission

Die Architekten von UN Studio haben einer niederländischen Kleinstadt ein umstrittenes Theater ins Zentrum hineingepflanzt. Nicht nur die Architektur ist auffällig, sondern auch der damit verbundene, geschickt getarnte Bildungsauftrag.

„Ich liebe dieses Haus, und ich liebe diese satten, knalligen Farben“, sagt Reggy Barra. Der 63-Jährige, graumeliertes Haar und beschwingter Doppelschritt auf der Fluchtwegtreppe hinauf in den Bühnenturm, ist Direktor des neuen Theater de Stoep in Spijkenisse, einer Art Schlafretorte am südwestlichen Stadtrand von Rotterdam. „Das Theater de Stoep als Institution gibt es schon seit den Siebzigerjahren, aber die bisherigen Spielstätten waren nicht besonders attraktiv. Jetzt haben wir endlich ein schönes, dramatisches Zuhause.“

Was üblicherweise in samtiges Theaterrot getüncht ist, erleuch- tet hier in kräftigen Him- und Brombeerfarben: Vorhang, Saal, Bestuhlung, Teile des Foyers, ja sogar die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen hier in fluglotsenhafter Manier Pink, Magenta, Violett. Nachts erleuchtet das weiße Theatergebäude, dessen 22 Meter hoher Bühnenturm sich unter einem geschmeidigen Buckel versteckt, in einem - wie könnte es anders sein - leuchtenden Rosa. Kreisrunde Ausschnitte in der Fassade und eine entsprechende Beleuchtung und Lackierung machen's möglich.

„Wissen Sie, das ist auch einer der Gründe, warum wir uns für dieses Projekt entschieden haben“, erklärt Barra, der dem futuristischen, vom Wind gezeichneten Entwurf des Amsterdamer Büros UN Studio im Rahmen eines EU-weiten Verfahrens den Vorzug gab. „Spijkenisse ist eine nicht besonders schöne Stadt mit wenig Farbe. Das Leben hier ist nicht gerade das bunteste.“

Oder, um es weniger metaphorisch auszudrücken: Mit seinen fast 80.000 Einwohnern weist Spijkenisse die niedrigste Bildungsrate der gesamten Niederlande auf. Kulturelle Einrichtungen haben es hier schwer. Mit der modernen, unterschwelligen Gestaltung des Hauses und dem breiten Repertoire an Gastspielen - die Aufführungen reichen von Kasperltheater und The Sound of Music bis hin zu klassischen Konzerten und Tschaikowskys Nussknacker - will man wieder mehr Publikum ins Theater locken.

„Ich bin davon überzeugt, dass das gelingen wird“, sagt Ben van Berkel, Chefarchitekt bei UN Studio. „Denn es gibt nichts Magischeres als diese lebendige, undefinierbare Energie zwischen Publikum und Bühne.“ Was für die beiden Säle mit 650 und 200 Sitzplätzen zählt, das wird auch in den drei Foyers mit visuellem Pathos zelebriert: Parkettboden, aalglatt geschleckte Wände und loungige Kaffeehaustische am unteren Ende der Rampen und Treppen geben den Blick auf Wasser und Theatervorplatz frei. Vor zwei Wochen war die offizielle Eröffnung.

Das Theater de Stoep (Baukosten 25,9 Millionen Euro) ist eine sehr clevere Neuinterpretation eines klassischen Theaterbetriebs. Das zeigt sich allein schon daran, wie die traditionellen Elemente eines solchen Hauses gestaltet wurden. Zurück in den Bühnenturm, Herrn Barra auf den Fersen. Statt immernächtlicher Schwärze dringt über große Fenster Tageslicht auf den Bühnenboden. „Wir haben nicht immer nur Aufführung, es wird bei uns auch ganz normal gearbeitet und geprobt“, erklärt der Direktor. „Warum sollen die Schauspieler, Sänger und Techniker also nicht auch ein bisschen Sonne haben? Am Abend machen wir die Schotten dann dicht.“

Unter den Einwohnern Spijkenisses wird das Haus mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. „Die Gemeinde ist eh schon pleite, und jetzt auch noch so ein unnötiges Ding mitten in der Stadt“, sagt eine Passantin, die anonym bleiben will, mit ziemlich erboster Stimme. „Eine Konditorei oder ein Supermarkt wären besser gewesen.“ Auch andere rümpfen immer wieder die Nase, wenn sie am neuen de Stoep vorbeigehen. Die Stadtregierung hat sich mit ihrer Bildungsoffensive ein hehres Ziel gesetzt. „Keine Sorge, das wird schon“, sagt Barra. Er muss es ja wissen, schließlich leitet der ehemalige Pop-Manager den Betrieb schon seit 22 Jahren. „Unser Trick ist: Wir tarnen Kultur als Unterhaltung. Das knallige Pink unterstützt uns in unserer Mission.“

18. Oktober 2014 Der Standard

„Ich bevorzuge die Fußgängerzone in der Stadt“

Am kommenden Freitag startet die Doku „Global Shopping Village“ in den heimischen Kinos. Regisseurin Ulli Gladik über Schlupflöcher im Raumordnungsgesetz, Recherche-Schocks und die Zukunft des Shoppens.

Trotz der Konkurrenz durch den Onlinehandel ist die Shoppingcenter-Dichte Europas so hoch wie noch nie. Mit 320 m² Retailfläche pro 1000 Einwohner hat Österreich - nach Slowenien - die zweihöchste Dichte in Europa. Das belegen aktuelle Zahlen von RegioData. Die Spitzenposition ist alles andere als ein Grund zur Freude, meint die Wiener Filmemacherin Ulli Gladik, die von 2011 bis 2014 an ihrem filmischen Opus Magnum „Global Shopping Village“ arbeitete. Der 80-minütige Dokumentarfilm, der am 24. Oktober in Wien Premiere hat, bietet traurige Bilder aus Österreich, Deutschland, Kroatien und Bulgarien. Vor allem aber schockiert er mit Informationen und Originalstatements aus den Abgründen der Immobilienwirtschaft. Diese - und nicht zuletzt die allzu beugsame österreichische Raumplanung - ist schuld daran, dass die Speckgürtel wachsen und die Innenstädte aussterben.

STANDARD: Wie kam die Idee zustande?

Gladik: Ich bin in Murau aufgewachsen. In den letzten 20 Jahren sind dort mehrere Kreisverkehre und Fachmarktzentren entstanden, gleichzeitig ist das kleinstädtische Leben im Ortskern verlorengegangen. Heute ist Murau tot. Das hat mich inspiriert, über die Thematik nachzudenken.

Wussten Sie zu Beginn des Projekts bereits, worauf Sie sich da einlassen?

Gladik: Die wahren Ausmaße habe ich erst erkannt, als ich auf der Real Vienna, auf der Expo Real in München und auf der Mapic in Cannes Einblick in die Immobilienwirtschaft bekommen habe. Da wird ein Shoppingcenter nach dem anderen beworben. Hier wird eine Illusion aufrechterhalten, denn in vielen ehemaligen Ostblockländern ist der private Verschuldungsgrad mittlerweile so hoch, dass die Investitionen am Marktbedarf vorbeiführen. Die Resultate sind unübersehbar. Viele Shoppingcenter sind fast leer, sind wieder geschlossen oder wurden niemals fertiggestellt.

Was war Ihr größter Schock während der Recherchen?

Gladik: Mein größter Schock war, wie offen auf den Immobilienmessen darüber gesprochen wird, auf welche Art und Weise man am schnellsten Geld machen kann. Der einzige Motor ist die hohe Rendite.

Die größte Bühne in Ihrem Film bieten Sie dem Shoppingcenter Arena in Fohnsdorf. Obwohl Fohnsdorf ein kleiner Ort ist, hat das Einkaufszentrum bereits an die 50.000 Quadratmeter Retailfläche. Wie ist das passiert?

Gladik: In einem Ort wie Fohnsdorf sind laut regionalem Entwicklungsplan 5000 Quadratmeter zusammenhängende Shoppingcenter-Fläche möglich. Mittlerweile hat die Arena wahrscheinlich schon mehr als 50.000 Quadratmeter, und sie wächst weiter. Eine Antwort war, dass es sich bei der Straße, die durch das EKZ führt, um eine öffentliche Straße handelt, und so ist die Arena per Definition kein 50.000 Quadratmeter großes Shoppingcenter, sondern eine Ansammlung von vielen Retail-Gebäuden links und rechts der Straße. So wie ich das verstanden habe, muss das ein Schlupfloch im Raumordnungsgesetz gewesen sein, das von vifen Juristen ausgelotet und ausgenutzt wurde. Jedenfalls wird die Arena als ein Shoppingcenter vermarktet. An der Einfahrt steht ein Pylon mit den Worten: „100 Geschäfte, 1 Adresse“.

Im Film ist ersichtlich, dass Sie sich um eine Stellungnahme der Raumordnungsbehörde bemüht haben, was allerdings abgelehnt wurde.

Gladik: Mich hätte die offizielle Begründung zur Größe der Arena sehr interessiert. Und ich nehme an, die Zuschauerinnen und Zuschauer auch.

Wie kommt so eine Schlupflochpolitik zustande?

Gladik: Da fehlt offensichtlich der politische Wille. Außerdem, denke ich, mangelt es an einer gewissen Aufklärung, denn die Bürgermeister, die so ein Projekt begleiten und bewilligen, machen das im Gegensatz zum Shoppingcenter-Entwickler meist nur einmal im Leben, und verfügen oft nicht über das nötige Fachwissen und die nötige Erfahrung, um die Konsequenzen mitzubedenken: Zersiedelung, Abwanderung der Arbeitsplätze, hohe Infrastrukturkosten, und so weiter.

Würde Österreich anders aussehen, gäbe es mehr Aufklärung?

Gladik: Ich denke: ja. Ich glaube an Aufklärung.

Einige Shoppingcenter-Entwickler wie etwa die deutsche ECE haben sich auf Shoppingcenter in Innenstadtlagen spezialisiert. Ist das die Lösung zum Problem?

Gladik: Aus meiner Sicht nicht. Denn meist werden auch die innerstädtischen Shoppingcenter sehr groß dimensioniert und bilden ein eigenes Universum. Laut Stadtplaner Walter Brune, der als der deutsche Victor Gruen bezeichnet wird, ist ein Innenstadtcenter nur dann legitim, wenn das Shop-Angebot eine Ergänzung und keine Verdoppelung des Innenstadtsortiments ist. Das ist meistens nicht der Fall.

Nach all der Kritik: Gibt es für Sie persönlich auch positive Shoppingcenter-Beispiele?

Gladik: Ich finde Shoppingcenter spannend im Sinne künstlich geschaffener Orte. Und ich finde es spannend, die Menschen darin zu beobachten. Aber mir fällt kein Beispiel ein, wo ich persönlich sagen könnte: Hier fühle ich mich wohl, hier will ich mich eine Zeit lang aufhalten. Zum Einkaufen bevorzuge ich die Fußgängerzone in der echten Stadt.

Gibt es Wünsche für die Zukunft?

Gladik: Ich wünsche mir mehr Diskussion und mehr kritische Auseinandersetzung. Die Shoppingcenter-Entwicklung hat unsere Städte in den letzten 20 Jahren massiv verändert, und es gab wenig Diskussion darüber, wie wir in Zukunft leben und einkaufen wollen. Das würde ich gerne nachholen. Wenn das nicht passiert, dann werden die Leute die öffentlichen Räume in der Stadt verlassen und sich immer mehr in die eigenen vier Wände zurückziehen - was sie ohnehin schon tun. Stichwort: Online-Handel. Ist das die Zukunft, in der wir leben wollen?

ULLI GLADIK (44) absolvierte die Schule für künstlerische Fotografie bei Friedl Kubelka und studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit 2003 ist sie freischaffende Fotografin und Filmemacherin. Premiere ist am 24. 10. im Filmcasino Wien (19 Uhr). Am 26. 10. und 2. 11. (13 Uhr) findet ebenda eine Matinee in Anwesenheit der Regisseurin und anschließender Podiumsdiskussion statt.

18. Oktober 2014 Der Standard

Baukultur ist der Schiefer in der Stadt

Wiens Planungswerkstatt lädt Besucher ein, über ihr Lieblingsgrätzel nachzudenken und gemeinsam neue Nutzungen für urbane Räume zu schaffen. Es ist eine Ausstellung zum Mitarbeiten - und Mitmarschieren.

„Baukultur beschreibt die Summe menschlicher Leistungen, natürliche oder gebaute Umwelt zu verändern“, heißt es nüchtern und trocken auf Wikipedia. „Baukultur geht über die architektonische Gestaltung von Gebäuden weit hinaus und betrifft nicht nur professionelle Planer, sondern alle Menschen, da sie mit gebauter Umwelt konfrontiert sind.“ Das erschließt sich einem nur mit größtem Widerwillen.

Es geht auch anders, dachten sich Volker Dienst, Robert Temel, Barbara Feller und Antje Lehn - und schufen eine Ausstellung, die dem Begriff seine Sperrigkeit nehmen soll, indem sie sich auf Emotionales, Haptisches sowie auf ein paar konkrete Beispiele aus Wiener Grätzeln stützt. Baukultur. Denke Deine Stadt anders ist derzeit in der Wiener Planungswerkstatt zu sehen.

„Baukultur ist kein Projekt und auch kein Endresultat, sondern ein Prozess“, sagt Dienst, seines Zeichens Sprecher der Plattform Baukultur, während er durch die Schauräume führt, die nach harzigem, frisch geschnittenem Fichtenholz duften. „Daher haben wir eine Ausstellung konzipiert, die mit jedem Tag weiterwächst und erst durch die Besucher, durch die vielen Schülerinnen und Schüler komplettiert wird.“

Zu Beginn noch glich die Planungswerkstatt einem Holzlager. Balken für Balken bäumte sich da ein Stadl bis zum Ansatz des Gewölbebogens auf, Schiefergefahr und Naturnähe inklusive. Und immer wieder kleine Figürchen, kluge Sprüche, satirische Bilder. Im Laufe der Zeit jedoch füllte sich der zu Beginn noch spärlich bestückte Schauraum. Hier geht es unmissverständlich um Partizipation, um den Prozess. Übrigens: Die 20 Kubikmeter Holz, die mehr und mehr hinter einer Zettelwirtschaft verschwinden, sind nur geliehen und werden nach Ende der Ausstellung verbaut. Der Rohdachboden wartet schon.

Zu Wort kommen Wienerinnen und Bewohner konkreter Gebäude, konkreter Stadtviertel. „Transdanubien ist für uns kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung.“ Und: „Das gibt's nur in Wien, wo ich mit den Badelatschen vom 23. Stock in fünf Minuten zu Fuß zum Baden an die Alte Donau gehen kann.“ Noch besser: „Das gibt's nur in Wien, dass eine Universität zur Touristenattraktion wird.“ Wie ein älterer Herr, regelmäßiger Besucher der Mensa am neuen WU-Campus, beweist: „Die glauben, das hier ist nur für die jungen Leute, aber ich bin hier auch sehr gern, ich mag die Atmosphäre.“

Auch Kritik und Vorschläge werden immer lauter, wobei der Wunsch nach einer Vergrünisierung der Stadtverwaltung unüberhörbar durch die handgeschriebenen Zeilen sickert: Man wünscht sich mehr Rad, mehr Fußgänger- und weniger Autoverkehr, mehr öffentlichen Freiraum und weniger Stellplätze, längere Grünphasen für die Fußgänger, mehr Farben und insgesamt eine fröhlichere Stimmung in der Stadt, mehr Grünflächen, frei zugängliche Dachterrassen und vor allem: „Mehr alte Häuser renovieren und weniger Neubauten.“

Viele Köche, viele Zutaten

Wie all diese Wünsche baulich manifest werden können, zeigt sich anhand von Best-Practice-Beispielen in Wien-Mitte, Favoriten, Meidling, Kagran und Stuwerviertel-Plus, dem Areal rund um den neuen WU-Campus. Ergänzt wird die Theorie von ein paar Workshops und professionell geführten Stadtspaziergängen wie etwa „Urbanes Flanieren in Meidling“ (24. 10.). Vieles ist wunderbar und respektvoll im Ansatz. Das Einzige, was man der Ausstellung vorwerfen kann, ist vielleicht ihr Pluralismus. Viele Köche, viele Zutaten, der Durchblick kommt erst beim Dessert.

„Wir möchten die Besucher animieren, sich ihr Lebensumfeld aktiv anzuschauen“, so Dienst. „Ob das nun das Ins-Gedächtnis-Rufen der vielen schönen Dinge ist oder das bewusste Beleuchten von städtischen Scheußlichkeiten. Wir alle können die Stadt aktiv mit- und umgestalten.“

Die Summe dieser Überlegungen nennt sich dann Baukultur.

11. Oktober 2014 Der Standard

Der Meister und sein Marienkäfer

Am 27. Oktober wird in Paris die Fondation Louis Vuitton eröffnet. Damit schuf der kalifornische Architekt Frank Gehry ein weiteres Denkmal für sich und das Luxuslabel LVMH - aber auch einen Meilenstein für die durchaus lukrative Zukunft des Entwerfens in 3-D.

Er ist ein riesiger Eishockey-Fan, ein Eishockeypokal-Designer, ein Lebemann und Genießer, er ist enger Freund von Daniel Barenboim und der US-Künstler Claes Oldenburg und Richard Serra. Und er ist das, was die Medien so gerne als Stararchitekt bezeichnen. Das war nicht immer so. „Als ich denen in Bilbao damals meine Modelle und Entwürfe gezeigt habe, wollten die mich umbringen“, erzählte er unlängst in einem Interview. "Da war ein baskischer Künstler, der schrie: „Tötet diesen amerikanischen Architekten!“ Es war beängstigend."

Die Eröffnung des Guggenheim-Museums, es konnte ohne Mordfall realisiert werden, ist fast auf den Tag genau 17 Jahre her, und Frank O. Gehry, eigentlich Frank Owen Goldberg, heute 85 Jahre alt, ist seitdem ein gefragter Mann für Museen, Konzerthäuser und staniolpapiergeknüllte Luxusbauten aller Art. Zu seinen letzten großen Würfen zählen die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, der Novartis-Campus in Basel sowie der 76-stöckige Wohnwolkenkratzer „New York by Gehry“ in Lower Manhattan.

Und jetzt die Fondation Louis Vuitton. Schuld daran ist der Bilbao-Effekt, dem Bernard Arnault, Vorsitzender des Pariser Mode-Koffer-Champagner-Cognac-Luxushauses LVMH, vollends erlegen ist. So etwas wolle er auch haben, meinte er damals, direkt nach seinem Guggenheim-Besuch in der baskischen Hauptstadt. Und weil Monsieur Louis Vuitton nicht nur ein Mann der großen Worte, sondern vor allem der großen Taten ist, wie auch die sukzessive Einverleibung der Luxusmarken Fendi, Donna Karan, Marc Jacobs, Bulgari, Hublot und aktuell 22,6 Prozent am Konkurrenten Hermès beweist, griff er zum Telefonhörer, lud Gehry zu sich ins Büro und gründete 2006 die Fondation Louis Vuitton, die die private Leidenschaft des Kunstsammelns nun auf eine größere, öffentlich zugängliche Plattform heben soll.

In Neuilly-sur-Seine, auf halbem Wege zwischen Paris und La Défense, liegt der Central Park der Pariser, der Bois de Boulogne. Direkt an der Avenue du Mahatma Gandhi, nur wenige Schritte vom einstigen Kinderzoo Jardin d'Acclimatation entfernt, stand bis vor wenigen Jahren eine Bowlinghalle, die, wie sich Bernard Arnault sicher war, niemand vermissen würde, wenn sie nicht mehr da wäre.

„Ich hatte Tränen in den Augen“, erinnert sich der eingeflogene Frank O. Gehry, als er zum ersten Mal das Grundstück betrat. Nicht der abgerissenen Bowlinghalle, sondern der Geschichte dieses Ortes wegen. „Wir standen mitten im Jardin d'Acclimatation, und ich musste an all die außergewöhnlichen Menschen denken, die in diesem Garten früher als Kinder gespielt haben. Vor allem aber dachte ich an Marcel Proust.“ Hier ließ der französische Schriftsteller einige Episoden seiner Suche nach der verlorenen Zeit spielen.

Ein Zitat verlorener Häuser

Gehry fand, was Proust suchte. Er ließ sich von den gläsernen Ingenieursbauten inspirieren, die hier im 19. Jahrhundert errichtet wurden und lange Zeit den Garten krönten, vom Planarium und vom nicht minder beeindruckenden Palais d'Hiver. Eine gläserne Konstruktion also müsse es sein, ein Zitat der verlorenen Häuser, darin waren sich der Bauherr und sein Architekt bald einig, und so wurde jenes Riesending aus dem Erdboden gestampft, das heute einen ganzen Hektar groß ist und imposante 46 Meter in den Himmel ragt.

Auf den ersten Blick wirkt die Fondation Louis Vuitton wie ein explodiertes Palmenhaus. Wie ein Albino-Marienkäfer, der den Panzer geöffnet hat und nun zum Flügelschlag ansetzt, um vom Erdboden abzuheben, was ihm aufgrund des Gewichts jedoch verwehrt bleibt. Oder aber, um mit den Worten Gehrys zu sprechen, wie ein Segelboot mit zwölf riesigen Glassegeln, die sich aufspannen und sich mächtig im Winde blähen. Im Rumpf, „in diesem weißen Zeug, in diesen Eisbergen“ (O-Ton Gehry), befinden sich die eigentlichen Ausstellungsflächen und Galerieräume, elf Stück an der Zahl, ein Eingeständnis an die Banalität des Funktionierens, denn: „Glas ist gut, aber man kann keine Kunst an eine Glaswand hängen.“

Ohne die gläsernen Segel würde das Haus entblößt wirken. Wie ein Bilbao ohne Staniolpapier. Mit den Segeln jedoch, die mittels atemberaubender Stahlträger und Holzleimbinder vom Haus auf Distanz gehalten sind, präsentiert sich das Privatmuseum in voller Pracht. Alles andere ist Luft, ist Show, ist Konstruktion.

„Nein, nicht nur“, sagt eine Pressesprecherin des Hauses. „Die Glassegel dienen in erster Linie der Bauphysik, denn sie verschatten das Gebäude und sammeln auf einer großen Fläche Regenwasser ein.“ Dank Wassernutzung und Geothermie konnte der Energiebedarf des Gebäudes um 25 Prozent reduziert werden. Unterm Strich steht die Zertifizierung HQE (Haute Qualité Environmentale), ein Äquivalent zum amerikanischen LEED Gold.

Rund 3600 gekrümmte und gewölbte Glasplatten, deren Form in Gehrys hauseigenem Software-Programm „Digital Project“ ermittelt wurde, waren nötig, um die riesigen Segel zu hissen. Aufgedruckte, kaum sichtbare Pünktchen verleihen dem Glas seinen leicht trüben, wolkigen Schleier. Die weißen Eisberge hingegen sind mit Ductal ummantelt, einem Betonwerkstoff, der mit Mikrosilikaten und millimeterlangen Stahlspänen bewehrt und auf diese Weise hochfest ist. Und hochteuer. 19.000 dieser Ductal-Platten zieren die Fondation.

Die kolportierten Gesamtbaukosten belaufen sich auf über 110 Millionen Euro. Über Kosten jedoch wolle man lieber nicht sprechen. Kein Kommentar. Auch zu den künftig ausgestellten Exponaten sowie zur gesamten Sammlung der Stiftung, wozu etwa Werke von Richard Prince, Jeff Koons und Ellsworth Kelly zählen sollen, hüllt man sich vor Eröffnung des Museums in eisernes Schweigen. Ein Museum von 1945 bis zur Gegenwart wolle man sein, so viel ist sicher. Das Spiel der Verknappung, der Verexklusivierung von Ware und Wissen beherrscht die Maison LVMH wie aus dem Effeff.

Die Fondation Louis Vuitton, die per Vertrag 2062 ins Eigentum der Stadt Paris übergehen wird, ist ein weiterer Meilenstein für Frank Gehry, der, obwohl er sich schon längst davon distanziert hat, von den meisten immer noch als Dekonstruktivist bezeichnet wird. Tatsächlich aber entwickelte sich Gehry zuletzt zum Haute-Couture-Architekten, der seine zerknüllten, komplizierten Kollektionen geschickt an große Firmen und Mäzene zu verkaufen weiß.

Erfolgreicher Nebenjob

Seine Trümpfe spielt der ehemalige Truck-Fahrer und Pritzker-Preis-Träger, der es als einziger Architekt der Welt geschafft hat, einen gelben Gastauftritt bei den Simpsons hinzulegen, längst nicht mehr als Entwerfer aus, sondern als Konstrukteur, als Techniker, als Ermöglicher von Visionen und Utopien. Für den Bau des Guggenheim-Museums in Bilbao ließ er eine Design-Software, die in der Flugzeug- und Automobilindustrie verwendet wird, zu seinen Zwecken adaptieren. Das war ihm nicht genug. Und so gründete er 2002 sein Imperium Gehry Technologies (GT), das sich auf die Entwicklung und Berechnung von komplizierten Bauwerken spezialisiert hat. Zu seinen Kunden zählen Zaha Hadid, Jean Nouvel und Coop Himmelb(l)au. Erst im September verkaufte er GT für eine unbekannte Summe an das US-Technologieunternehmen Trimble.

Das nächste Entwurfsprojekt ist noch unter Verschluss. Es ist eine Handtasche. Für Louis Vuitton.

4. Oktober 2014 Der Standard

Bauanleitung zur gemeinsamen Sache

Der Sieg beim kürzlich im Palais Schwarzenberg verliehenen Superscape Award ging an den Tiroler Architekten Florian Niedworok. Er entwickelte ein vielschichtiges Anreizmodell für eine lebenswerte, dichte Stadt.

Eine Stadt über der Stadt - davon hat schon der österreichische Filmregisseur und Drehbuchautor Fritz Lang geträumt. In seinem 1927 erschienenen Monumentalstummfilm Metropolis kann man sich in verschiedenen Ebenen von einem Hochhaus zum nächsten bewegen - ob nun zu Fuß, im Auto oder auf Schienen. Metropolis war nicht nur der weltweit erste Science-Fiction-Film in Spielfilmlänge, sondern auch eine der teuersten Produktionen der damals noch kurzen Filmgeschichte. Das waren halt noch Visionen.

Sozialer Austausch

Um genau die geht es auch beim Superscape Award 2014, der letzte Woche im Wiener Palais Schwarzenberg verliehen wurde. Beim Siegerprojekt „Pocket Mannerhatten Ottakring“ kann man sich wie zu Langs Zeiten von einem Gebäude zum nächsten begeben - nicht nur auf der Straße, sondern auch hoch oben jenseits der Gesimskante. Anders als im SW-Epos jedoch geht es ums Zu-Fuß-Gehen, ums Joggen, um den sozialen Austausch beim Kräuterzupfen und Kinderwagenschieben.

„Wien wird um 300.000 Einwohner wachsen, und das bedeutet, dass die Stadt nicht nur erweitert werden darf, sondern auch in bestehenden gründerzeitlichen Vierteln verdichtet werden muss“, sagt Florian Niedworok. Mit seinem Ottakringer Vorschlag konnte sich der Tiroler Architekt bei insgesamt 45 Einreichungen - sechs davon haben es in die zweite Runde geschafft - durchsetzen.

„Wir können die Errichtung von Wohnraum und öffentlichen Regenerationsflächen der öffentlichen Hand und den Wohnbauträgern und Investoren überlassen“, so Niedworok. „Oder aber wir finden eine Möglichkeit, wie wir die Verantwortung für Nachverdichtung und Städtebau dezentralisieren und auch private Grundstückeigentümer zum Investieren und Entwickeln animieren können.“

Und die sieht so aus: „Pocket Mannerhatten Ottakring“, eine in verbaler Hinsicht vielleicht etwas zu viel wollende Anspielung auf eine Art Mannerschnittenmanhattan im Ottakringer Taschenformat, ist eine Einladung zur Zusammenarbeit zwischen Grundstückseigentümern. Statt jedes Haus mit dem üblichen, von Bauordnung und Förderrichtlinien geforderten Ausstattungskonvolut doppelt und dreifach zu bestücken, untersucht das Projekt, wie man geschickte, auch finanziell interessante Reduktionen vornehmen könnte.

„Warum muss jedes Haus eine Tiefgarage, ein Stiegenhaus, einen Lift und einen ohnehin fast nie genutzten Gemeinschaftsraum haben?“, fragt Niedworok und schlägt vor, sich zusammenzutun und Synergieeffekte zu schaffen. Über sogenannte Servitutsrechte, die im Grundbuch fixiert wären, könnte man sich darauf einigen, gewisse Räume und Freiräume eines Hauses im Kollektiv zu nutzen. Das spart Geld und Fläche und macht auf diese Weise neue Ressourcen frei - zum Beispiel für eine gemeinsame, straßenblockübergreifende Gartenlandschaft über den Dächern der Stadt. Gemeinsame Sache statt Grundstücksgrenzenegois- mus. Die Visualisierungen sind unmissverständlich.

Warum sollte man das haben wollen sollen? Der Clou liegt im Detail. Als Dankeschön für die Initiative könnte sich die Stadt beim Grundstückseigentümer beispielsweise in Form einer etwas ausgedehnten Flächenwidmung bedanken - etwa indem man das maximal bebaubare Volumen geringfügig nach oben korrigiert. Viele Fliegen auf einen Streich: 1. Die Bevölkerung nimmt ihre Ei-genverantwortung wahr. 2. Die Stadt wird lebenswerter und vielfältiger. 3. Die öffentliche Hand kann einen Teil ihres Mammutprojekts anderen übergeben, indem diese die Stadt mitverdichten. 4. Ankurbelung der Bauwirtschaft. 5. Wesentlicher Beitrag zum bevorstehenden Wohnungsengpass, der einen weiteren Anstieg der Immobilienpreise befürchten lässt.

Ob das alles so realistisch ist? „Natürlich müsste man hie und da an juristischen Schräubchen drehen, aber irgendwie müssen wir uns dem bevorstehenden Wachstum sowieso stellen“, meint der 32-jährige Architekt. „Wenn die Stadt Wien und die Bauträger und Investoren das wollen, dann wird sich auch ein Weg finden.“

20.000 Euro Siegerprämie

Auslober des mit 20.000 Euro Siegerprämie dotierten Awards ist der Wiener Immobilienentwickler JP. „Für ein gutes Wohn- und Lebensgefühl in der Stadt braucht es mehr als nur die eigenen vier Wände“, sagt JP-Geschäftsführer Martin Müller. „Es braucht auch Visionen und Utopien. Nur so kann man die Entwicklung vorantreiben. Deshalb wollen wir hier einen Beitrag leisten.“

Das weit in eine soziowirtschaftliche, kollektiv intelligente Zukunft vorgreifende Konzept, das von der Jury (Wolfgang Kos, Peter Mörtenböck, Jana Revedin und Laura Spinadel) auserkoren wurde, könnte schon bald Wirklichkeit werden. Denn wenn man dem Unternehmen glaubt, so will es mit dem Wettbewerbsgewinner mögliche Schritte zur Realisierung andenken. Man darf gespannt sein. Der Superscape Award soll biennal ausgelobt werden. 2016 geht's weiter.

4. Oktober 2014 Der Standard

Gestern noch Siegerpodest, heute schon Lagune

Beim Solar Decathlon 2013 in Los Angeles wurde das österreichische Ökohaus Lisi, ein Forschungsprojekt unter Federführung der TU Wien, mit Gold prämiert. Nun geht der grüne Bungalow im Fertighauspark Blaue Lagune vor Anker - und kann auch gekauft werden.

Es passiert nicht alle Tage, dass ein preisgekröntes Projekt aus den euphorischen Wogen der Wissenschaft und akademischen Forschungselite in den seichten Hafen des Publikumsmarktes überführt wird. Schon gar nicht ohne größere Qualitätseinbußen. Meist nämlich gehen die wertvollsten und innovativsten Aspekte einer solchen technischen Errungenschaft im bisweilen stürmischen Gewässer der Marktfitmachung verlustig. Sie werden einfach über Bord geworfen.

Nicht so bei Lisi, jenem hübsch benamsten Ökohaus-Bungalow, der beim Solar Decathlon, dem größten Green-Building-Wettbewerb der Welt, letztes Jahr in Los Angeles den ersten Preis einheimsen konnte. Projektleiterin Karin Stieldorf von der TU Wien kümmerte sich schon früh um eine sinnvolle Weiternutzung des nur 60 m² kleinen, aber feinen Nullenergiehauses und wurde in den Gefilden des Fertighausmarktes fündig. Am Mittwoch wurde Lisi im Beisein von Innovations- und Technologieminister Alois Stöger schwimmenderweise wiedereröffnet - und zwar als Leuchtturmprojekt in der Blauen Lagune in der Shopping City Süd.

„Es ist das erste Projekt in der Geschichte der Blauen Lagune, das nicht auf festem Boden steht, sondern in unserer kleinen, künstlich angelegten Lagune auf einem Ponton platziert wurde“, sagt Erich Benischek, Geschäftsführer des Fertighauszentrums. „Ich sehe das durchaus als symbolische Geste, denn damit wollen wir die Besonderheit dieses Projekts hervorheben. Fertighäuser gibt es viele. Lisi gibt es nur eine.“

In Containern nach L.A.

Tatsächlich handelt es sich bei Lisi, an deren Geburt die TU Wien, die FH St. Pölten, die FH Salzburg und das Austrian Institute of Technology (AIT) beteiligt waren, um ein Fertighaus. Denn das in Österreich gefertigte Haus wurde seinerzeit in handelsüblichen Hochseecontainern - sechs Stück an der Zahl - nach Los Angeles geschippert, wo es auf dem Areal eines ehemaligen Flugplatzes sodann entfaltet, sprich aufgestellt und zusammengeschraubt wurde.

Lisi - das Akronym steht für Living Inspired by Sustainable Innovation - ist ein nachhaltiges Haus, das diesen Anspruch nicht nur marketingtechnisch ausschlachtet, sondern auch wirklich hieb- und stichfeste Beweise liefert, wie energie- und ressourcenschonendes Wohnen in Zukunft aussehen kann. Die Konstruktion besteht zu 96 Prozent aus Holz, vor allem aus Fichte, Weißtanne, Eiche, Thermoesche und überaus schicken Rindenplatten, einem gepressten Abfallprodukt aus der Holzindustrie, die im Bad und Schlafkammerl zum Einsatz kommen.

Auf dem Dach gibt es eine 100 m² große Fotovoltaikanlage, die 8,9 kWPeak erreicht. Geheizt und gekühlt wird mittels Wärmepumpen, die je nach Bedarf kaltes oder warmes Wasser durch den speziell entwickelten Klimalevel-Boden leiten. Die darin verlegten Betonplatten dienen zugleich als speicherfähige Masse. Und sogar in der Küche hat man sich etwas Spezielles einfallen lassen. Der Kühlschrank kommt ohne Elektrizität aus und wird nur über Verdunstungskälte temperiert.

„Marktkonforme“ Variante

„Möchte man das Haus so kaufen, wie es hier steht, muss man an die 400.000 Euro berappen“, sagt Christof Müller, Geschäftsführer der Weissenseer Holz-System-Bau GmbH, die das Lisi-Haus unter Lizenz der TU Wien als Generalunternehmer produzieren wird. „Ich bin mir dessen bewusst, dass das für den österreichischen Fertighausmarkt noch zu teuer ist. Daher haben wir einige Optionen entwickelt, wie man das Haus auch ohne Einbußen in Qualität und Technik marktkonform etwas reduzieren kann.“

Es wird dann wohl ein normaler Kühlschrank mit Kabel und Stecker werden. Auch auf den Teflon-Vorhang, der vor der Terrasse in der herbstlichen Lagunengischt flattert, und auf die von den Studenten der FH Salzburg entwickelten Küchenstühle aus Naturharz und zusammengepressten Pellets-Hackschnitzeln wird man dann wohl verzichten müssen.

„Das macht nichts, es geht ja schließlich um die Idee“, sagt Benedikt Welz. Der 32-jährige Architekturstudent der TU Wien ist gerade vor Ort, um die letzten Handgriffe zu machen. Hier ein bissl schrauben, dort ein bissl schleifen, Türen einjustieren. „Ich würde das Haus ja auch nicht im klassischen Fertighauskundenkreis angesiedelt sehen. Ich denke, das ist ein Gustostückerl für ein Publikum mit besonderen Interessen“, so Welz.

„Wir verkaufen das Haus gerne auch genauso, wie es jetzt hier auf dem Ponton steht“, meint Lagunenkapitän Benischek. „Aber das wird nicht realistisch sein. Wir müssen uns dem Markt etwas anpassen. Als Richtwert kann ich sagen, dass das Produkt je nach Ausstattung und Materialausführung wohl zwischen 250.000 und 350.000 Euro brutto kosten wird. Nur so zur Orientierung.“ Bis Jahresende wird in Zusammenarbeit zwischen TU Wien und Weissenseer ein Online-Konfigurator entwickelt, der Lisi in vier Größen, in einer zweigeschoßigen Variante sowie mit unterschiedlichen Ausstattungspaketen anbietet. Der Kaufpreis wird in Echtzeit berechnet. Sämtliche Adaptierungen in Hinsicht auf eine optimierte Industrialisierung kommen von den Studenten, denn das Haus - aber auch das Copyright daran - ist nach wie vor Eigentum der akademischen Forschungsgruppe.

„Ich rechne damit, dass wir im ersten Jahr zwischen acht und zehn Häusern absetzen werden“, meint Müller. In den Folgejahren, fügt Benischek hinzu, rechne man mit 20 bis 25 Stück pro Jahr. „Das ist realistisch, denn das Produkt ist innovativ und ansprechend und trifft genau den Puls der Zeit.“

Karin Stieldorf ist mit der Entwicklung mehr als zufrieden. „In der Regel landen solche innovativen Prototypen auf irgendeinem Uni-Campus oder werden an einen Liebhaber verkauft, und damit verschwindet das Projekt von der Bildfläche. In diesem Fall ist es uns gelungen, einen Schritt zu setzen, damit das Haus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.“

Die Blaue Lagune zählt rund 150.000 Besucher pro Jahr und wickelt nach eigenen Angaben rund 50 Prozent des österreichischen Fertighausmarktes ab. Die Lisi wird noch berühmt.

20. September 2014 Der Standard

Bitte betreten!

In einem Wohnbau in der Wiener Leopoldstadt kann man nun die Vergangenheit des Ortes studieren. Martina Montecuccoli und Lena Fasching haben die Historie ausgegraben und in roten Grundrissplänen auf dem grauen Asphalt verewigt. Alle Rätsel sind noch nicht gelöst.

Architekten und Bauträger greifen bekanntermaßen nicht sonderlich gerne zum Farbtopf. Zu spezifisch. Zu gefährlich. Zu geschmäcklerisch. Die meisten Wohnbauten sind demnach weiß verputzt, ein bisschen Grau und Anthrazit als i-Tüpfelchen ist da schon das höchste der chromatischen Gefühle. Im Falle des Wohnbaus in der Oberen Donaustraße 15a in Wien-Leopoldstadt darf man Architekt Josef Knötzl für diese branchenangeborene Zurückhaltung jedoch nur dankbar sein. Umso besser kommt das neue, auf den Asphalt gepinselte Kunst-am-Bau-Projekt zur Geltung.

In den Innenhöfen und öffentlichen Durchgängen, die sich durch die mehr als 500 Wohnungen fassende Anlage ziehen, sind abstrakte, kräftig aufgebrachte Farbflächen zu erkennen. Immer wieder tauchen auf dem Boden zumeist rote, manchmal auch gelbe und blaue geometrische Formen auf. Da eine Drei, dort eine etwas wackelige Sieben, am Eck ein kariertes Etwas, das dem Connaisseur als Kaminsymbol ins Auge springen könnte.

Geschichte oft verborgen

Tatsächlich handelt es sich bei der flächigen Collage um Grundrisse, und zwar jener Gebäude, die in der Vergangenheit das Grundstück zwischen Donaukanal und Augarten okkupierten. RAUMgeSCHICHTEN 1723 bis 2014. Eine Gebäudearchäologie nennt sich dieses Kunstprojekt von Lena Fasching und Martina Montecuccoli, dem eine wochenlange Recherche im Wiener Landesarchiv sowie im Staats- und Kriegsarchiv vorausging. Es ist Resultat eines 2011 von der Wiener Kunstschule ausgeschriebenen Studentenwettbewerbs.

„Es wird so viel neu gebaut, und in den meisten Fällen sind wir uns nicht bewusst, welche Geschichte sich unter den Orten verbirgt“, sagt Montecuccoli bei einer Führung, bei einer der seltenen Gelegenheiten in der bildenden Kunst, die es dem Betrachter erlauben, die Kunst nicht nur anzugreifen, sondern auch zu betreten. „Also haben wir beschlossen, uns in diesem Fall mit der Historie auseinanderzusetzen und einen inhaltlichen Bezug zum Grundstück herzustellen.“

Das Kramen in der Geschichte stellte sich als fruchtbare Angelegenheit heraus. Denn da, wo heute gewohnt wird, stand von 1723 bis 1863 eine Kaserne. Baumeister des Riesendings, das nun in einem roten Zeitschatten verewigt wurde, war niemand Geringerer als Jakob Prandtauer, der Erbauer des Stifts Melk. Man möchte förmlich durch die Räume schreiten, durch das Wachtmeisterzimmer („1“), durch die Gemeinzimmer („3“), durch die kleinen Sattel- und Monturkammern („5“). Auch die Lage der späteren Brotfabrik (gelb) und des noch viel späteren Umspannwerks (blau), die hier einst standen, kann man betreten studieren.

Bei den Bewohnern kommt das Kunstprojekt mit gemischten Gefühlen an. „Das soll Kunst sein?“, sagt eine der Bewohnerinnen. „Das sind doch nur übereinandergelegte Grundrisse von irgendwas.“ Dem Kunstprojekt gegenüber etwas besser gesinnt ist Petra Fritsch, ihres Zeichens Trainerin in Karenz: „Ich finde, dass der farbliche Akzent der ganzen Anlage guttut. Mir gefällt das Projekt gut. Noch schöner hätte ich es gefunden, wenn wir Mieterinnen und Mieter in den Prozess mit eingebunden worden wären.“

Rätselhafte Symbole

Wenig später marschiert der Pensionist Gustav Hammerschmied über die Kunst. „Ich halte das für ein g'scheites Projekt, das uns bewusst macht, dass wir nicht immer nur die Ersten sind, die etwas tun. Jeder Ort hat eine Geschichte. Und hier kriegt man eine Idee davon, was sich an dieser Stelle schon alles abgespielt haben muss.“ Abgesehen davon, so Hammerschmied, wirken die RAUMgeSCHICHTEN der grassierenden Anonymität in der zeitgenössischen Architektur entgegen.

Die Baukosten für das Kunstwerk, das von den vier Bauträgern Neue Heimat, Österreichisches Volkswohnungswerk, ÖVW und at home getragen werden, belaufen sich auf rund 80.000 Euro. „Die Identifikation mit dem eigenen Wohnort erzeugt Heimatgefühl, Sicherheit und gelebte Nachbarschaft“, sagt Tobias Wegner, Projektleiter beim ÖVW. Und Sabine Dorazin (Neue Heimat) meint: „Die Zusammenarbeit mit der Wiener Kunstschule war sehr intensiv. Das Siegerprojekt schafft es, die Transformation des ehemaligen Betriebsgebietes ins Gedächtnis der Bewohner zu rufen. Das ist eine enorme Leistung.“

Martina Montecuccoli, die den Lehrgang an der Kunstschule in der Zwischenzeit absolviert hat, hat selbst noch nicht alle Fragen beantwortet, die sie mit ihrem Projekt aufgeworfen hat: „In den historischen Grundrissplänen der Kaserne kommen einige Schraffuren und Symbole vor, die wir selbst noch nicht entschlüsselt haben. Bei manchen Dingen habe ich keine Ahnung, was sie bedeuten sollen.“ Die Verwirrung liegt den Passanten nun zu Füßen.

Eröffnung des Kunstprojekts heute, Samstag, ab 16 Uhr

20. September 2014 Der Standard

300.000 Gründe für ein Neudenken von Architektur

Wie Wien wächst (14)

Crowd-Projekte und Bürgerbeteiligung bringen frischen Wind in die Stadt. Doch mit den heutigen Bebauungsbestimmungen wird Wien den Bevölkerungszuwachs von 300.000 Menschen kaum meistern können. Darin sind sich Experten einig.

Mit rund 26.000 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Margareten der mit Abstand dichtest besiedelte Bezirk Wiens. In keinem anderen Gemeindebezirk quetschen sich so viele Menschen auf so wenig Raum. Wie soll da noch Wien wachsen können? Doch der Schein trügt. In einigen Pariser Arrondissements wohnen bis zu 40.000 Menschen pro Quadratkilometer, in manchen spanischen Städten sogar bis zu 70.000.

„In Wien gibt es noch genug Luft nach oben, aber nicht, wenn die Stadt nicht schleunigst die Bauordnung und die Bebauungsbestimmungen überdenkt“, sagt Volker Dienst, Sprecher der Plattform Baukultur. „Denn die heutigen Gesetze und Grundlagen verbieten mehr als sie ermöglichen. Unter diesen Bedingungen kann ich mir nicht vorstellen, wie Wien in den kommenden 20 Jahren um die prognostizierten 300.000 Einwohner zunehmen soll. Wo sollen all die Menschen hin? Da hilft auch die beste Architektur nicht weiter.“

Immer noch liegt das Wiener Limit bei Bauklasse 5, also bei 26 Metern Traufhöhe. Alles, was darüber liegt, gilt als Hochhaus und muss damit strengste technische Auflagen erfüllen, mit denen man andernorts schon einen Wolkenkratzer aus dem Boden stampfen kann. „Der Fokus wird in den kommenden Jahren nicht nur auf Stadterweiterung, sondern auch auf Innenstadtverdichtung liegen müssen“, erklärt Marion Gruber, Sprecherin der IG Architektur. „Doch mit den veralteten Hochhausregelungen macht man eine nachträgliche Verdichtung der bestehenden Viertel, um die wir früher oder später nicht herumkommen werden, fast unmöglich.“

Immerhin, meint Franz Kobermaier, Leiter der MA19 (Architektur und Stadtgestaltung), gebe es noch genügend Reserven oberhalb der Gesimskante. Mehr als 20.000 Dachböden (Erhebung 2012) warten darauf, ausgebaut und bewohnt zu werden. „Einige Jahre lang waren die Dachgeschoßprojekte rückläufig“, so Kobermaier zum STANDARD. „Doch nach der letzten Novelle der Bauordnung, die viele Erleichterungen mit sich gebracht hat, nimmt die Zahl der Bauansuchen wieder stark zu.“

Es ist nicht alles so düster und beengt. Spricht man mit Experten, so hat die Wiener Stadtregierung in den letzten Monaten und Jahren eine Stoßrichtung vorgegeben, die das Gesicht der Stadt langfristig massiv verändern wird. „In Wien sind jetzt die ersten Projekte entstanden, die auf Partizipation, Sozialraumanalyse und Bürgerbeteiligungsverfahren basieren“, so Kobermaier und nennt als prominentestes Beispiel die Verbegegnungszonierung der Mariahilfer Straße. „Und dieser Trend wird noch deutlich zunehmen. Als Nächstes steht die Neugestaltung des Schwedenplatzes an. Dabei könnten die neuen Tools ebenfalls zur Anwendung kommen.“

Mit diesen jüngst entwickelten Planungsmodellen werde sich der Begriff Architektur in Wien grundlegend ändern, sagt Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien. „Das System Stadt wird dynamischer. Es nehmen immer mehr Leute die Verantwortung in die Hand, die Planungen werden kommunikativer und prozessorientierter, und es entstehen immer neuere Planungsaufgaben für Architekten.“

Rückbau von Straßen

Wichtigstes Beispiel: Der Motorisierungsgrad bei den unter 40-Jährigen nimmt kontinuierlich ab. Früher oder später, so Madreiter, werde sich das auch in der Architektur niederschlagen. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Rückbau von Straßen zu Fußgängerzonen und Parkanlagen in 20, 30 Jahren ein intensives Betätigungsfeld für Planer sein wird.“

Wie diese neuen Aufgaben konkret aussehen könnten, zeigt der im November 2013 ausgeschriebene Ideenwettbewerb „Superscape“. Gefordert waren Konzepte für die Stadt von morgen. 44 Projekte wurden eingereicht. Von den sechs Finalisten, die nun auf der Shortlist stehen, handelt es sich fast ausschließlich um Crowd-Projekte, Nachverdichtung und Neunutzung des öffentlichen Raumes. Am kommenden Freitag, dem 26. September, wird im Palais Schwarzenberg der Sieger gekürt.

Die Stoßrichtung stimmt schon mal. Jetzt muss die Theorie in die Praxis umgesetzt werden. 300.000 neue Bewohner sprechen als Gründe dafür.

13. September 2014 Der Standard

Der Krumbach-Effekt

Das mit dem Warten ist so eine Sache. 30 Minuten verlorene Zeit für nichts und wieder nichts. Dass diese Zeitspanne jedoch nicht qualvoll sein muss, sondern sinnvoll gestaltet und sogar von einem gewissen kulturhedonistischen Genuss erfüllt sein kann, beweist das Projekt „Bus:Stop Krumbach“ im Bregenzerwald.

Sieben individuelle Wartehäuschen stehen da am Straßenrand, entworfen von sieben ebenso unterschiedlichen Architekten zwischen Chile und der Volksrepublik China, und bieten dem Wartenden nicht nur Obdach (sofern sie diesen Aspekt überhaupt erfüllen), sondern auch Stoff für ethnologisches Studium. Man muss nicht unbedingt den Vorarlberger Landbus abwarten: Ab kommenden Donnerstag sind die Entwürfe und Modelle der Wartehäuschen im Architekturzentrum Wien (AzW) zu bewundern.

„Das Warten auf den Bus hat eine räumliche Faszination“, sagt Dietmar Steiner, Kurator des Haltestellenprojekts und Direktor des AzW. „Mitten im Nirgendwo entsteht plötzlich eine kollektive Identität alleine dadurch, dass man gemeinsam dasitzt oder dasteht und nichts tut. Und in der Regel - natürlich nicht in Vorarlberg - kommt der Bus dann auch noch mit Verspätung.“

Dass in das Projekt keine Vorarlberger Architekten einbezogen wurden, habe einen guten Grund. „Die Vorarlberger Baukünstler der dritten Generation sind bereits so verfeinert und fast schon so dekadent in ihrer Perfektion, dass wir uns dachten, ein bissl Schmutz und Irritation von außen wird ihnen schon guttun“, so Steiner - und verweist etwa auf den archaisch wirkenden Warteturm von Alexander Brodsky, der sich mit schnell hingefetzten Skizzen statt millimetergenauer Detailpläne und Kabelbindern aus dem Baumarkt statt flächenbündig versenkten Designer-Kreuzschlitzschrauben begnügt.

Ebenfalls mit von der Partie: De Vylder Vinck Taillieu (dvvt) aus Gent mit einer Skulptur aus dreieckigen zusammengeschweißten Stahlplatten, Rintala und Eggertson (Bodø, Norwegen) mit einem Hochsitz samt Blick auf den benachbarten Tennisplatz, Ensamble Studio (Madrid) mit einem Konglomerat aus Brettern, das ein wenig an einen Haufen gestapelter Europaletten erinnert, der chinesische Pritzker-Preisträger Wang Shu mit einer überdimensionalen Camera obscura, in der man wie in einer alten Linhof-Ziehharmonika-Kamera Platz nehmen kann, sowie der chilenische Architekt Smiljan Radic mit einem gläsernen Raum, einer - wie er meint - transparenten Neuinterpretation der Bregenzerwälder Stube. Der Prototyp steht im Museumsquartier und lädt zum Warten im Maßstab 1:1 ein.

Der einzige Bus-Stop, der seine Wartenden mitunter im Regen stehen lässt, ist das Projekt des japanischen Architekten Sou Fujimoto - eine acht Meter hohe, filigrane Stangenskulptur aus Holz und Stahl, die man auf wackeligen Stufen erklimmen kann. Schönwetter muss man halt haben. Mehr Schutz als unter den Stufen ist nicht. Die Baukosten für „Bus:Stop Krumbach“ belaufen sich auf rund 350.000 Euro. Das Projekt wurde ausschließlich privat sowie über Sponsoring finanziert.

6. September 2014 Der Standard

„Squatten? Das klingt so illegal!“

Die Belgrader Architektin Iva Cukic will die Stadt vor der kompletten Privatisierung bewahren. Deshalb gründete sie vor einigen Jahren das „Ministarstvo prostora“, das Raumministerium. Wojciech Czaja traf die „Premierministerin“ letzte Woche in Alpbach.

STANDARD: Lesen Sie gerne Comics?

Cukic: Und wie! Sehr gern sogar. Ich bin nur etwas verwirrt über den Gesprächsbeginn.

STANDARD: Es gibt eine Science-Fiction-Comic-Serie von Warren Ellis und Chris Weston aus dem Jahr 2001. Die heißt „Ministry of Space“.

Cukic: Na echt? Die kenne ich gar nicht! Jetzt verstehe ich.

STANDARD: 2010 haben Sie das „Ministry of Space“ gegründet. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Cukic: Das „Ministarstvo prostora“ heißt nicht nur so, sondern ist auch tatsächlich ein Raumministerium. Wir sind ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Belgrad, und wir übernehmen all jene Agenden, die die serbische Regierung mangels Interesse, Sensibilität und Kompetenz in den letzten Jahren verabsäumt hat. Wir setzen uns mit öffentlichem Raum auseinander, erforschen und entdecken, wo es ungenutzte Ressourcen gibt, nutzen diese und geben der Bevölkerung ihren städtischen Raum zurück.

STANDARD: Wie das?

Cukic: Leute, kommt, das ist euer Raum! Nutzt und verwendet ihn! Das ist unsere Message.

STANDARD: 2011 haben Sie die alten Belgrader Inex-Filmstudios gesquattet.

Cukic: Squatten klingt so illegal. Sagen Sie das nicht! Wir haben die alte, abgefuckte Betonruine, in der früher Inex-Film beheimatet war, ausgemistet, renoviert und wieder instand gesetzt. Heute befinden sich darin Ausstellungsräume und sogar ein paar ganz einfache Wohnungen, die wir an bedürftige Menschen vergeben. Außerdem veranstalten wir auf dem Inex-Areal immer wieder Festivals und Feste.

STANDARD: Weiß der Grundstückseigentümer darüber Bescheid?

Cukic: Mittlerweile ja. Eines Tages ist plötzlich ein fremder Mann aufgetaucht, hat sich das Haus angesehen und hat sich sehr genau nach allem erkundigt. Erst am Ende hat er seine Identität gelüftet. Seitdem mögen wir uns. Wir haben ein Übereinkommen, dass wir das Grundstück so lange nutzen dürfen, bis er dafür eine andere Nutzung gefunden hat.

STANDARD: Arbeitet das Raumministerium denn legal oder illegal?

Cukic: Beides. Schreiben Sie das so rein? Ach, ist doch egal. Das wissen eh schon alle. Aber ganz im Ernst: Wo es geht, bemühen wir uns auf ganz offiziellem Wege um Bewilligungen für Projekte und Veranstaltungen sowie um Sponsorengelder. Und wo es nicht geht, legen wir eine Art freundliche Guerillataktik an den Tag.

STANDARD: Die wie aussieht?

Cukic: Hingehen, aufbauen, Strom anzapfen und loslegen.

STANDARD: Welche Taktik ist Ihnen lieber?

Cukic: Ganz ehrlich? Guerilla-Style! Wir sind vier Minister, wobei ich die Premierministerin bin, wenn Sie so wollen, aber wir haben dutzende bis hunderte Helfer - abhängig vom jeweiligen Projekt. Auf illegale Weise geht alles viel schneller. Auf diese Weise hatten wir bisher am meisten Erfolg.

STANDARD: Sind Sie schon einmal in Schwierigkeiten gekommen?

Cukic: Nein, noch nie. Außer dass mich ein Grundstückseigentümer schon einmal verprügeln wollte.

STANDARD: Arbeiten Sie auch mit dem einen oder anderen echten Ministerium zusammen?

Cukic: Wir sind ein echtes Ministerium! Wir haben zwar schon einmal versucht, mit einem anderen Ministerium zu kooperieren, aber daraus wurde nichts.

STANDARD: Nehmen sich die anderen Ministerien des Leerstandes in Belgrad bzw. allgemein in Serbien an?

Cukic: Nein. Ganz und gar nicht.

STANDARD: Wie viele Gebäude stehen denn seit der Wende 1989 leer?

Cukic: Genaue Zahlen habe ich nicht. Um nicht zu sagen: Genaue Zahlen existieren nicht, weil sie niemals erhoben wurden. Ich würde den enormen Leerstand in Serbien aber nicht so sehr auf 1989 zurückführen, sondern eher auf den Jugoslawienkrieg und auf den Zerfall des Landes Anfang der Neunzigerjahre. Durch den Krieg, durch die Sanktionen, durch die damals enorme Korruption und nicht zuletzt durch die Privatisierung, die wie eine turbokapitalistische Keule auf das Land eingeschlagen hat, kam es zu einer großen Veränderung auf dem Immobilienmarkt.

STANDARD: Was passiert mit den leeren Gebäuden heute?

Cukic: Sie stehen leer und verfallen vor sich hin. Nur um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Allein in Belgrad stehen derzeit 14 traditionelle Kinos, die nach dem Zerfall Jugoslawiens privatisiert wurden, leer. Das sind klassische Spekulationsobjekte. Sie stehen so lange leer, bis ein attraktives, unschlagbares Angebot kommt.

STANDARD: Ein solches unschlagbares Angebot ist der Bau der neuen Belgrader Waterfront an der Save.

Cukic: Hinter dem Projekt verbirgt sich der arabische Investor und Projektentwickler Eagle Hills (Tochterunternehmen von Emaar Properties, Anm.) mit Sitz in Abu Dhabi. Die Menschen mögen das Projekt, weil sie erstens die Pläne für die Uferpromenade mitsamt dem 200 Meter hohen Belgrade Tower und dem größten Einkaufszentrum auf dem Balkan schön finden. Und zweitens herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass es gut sei, wenn ein Investor wie Muhammad al Abar Geld nach Belgrad bringt. Immerhin reden wir da von etwa vier Milliarden Euro.

STANDARD: Das Raumministerium kämpft gegen das Projekt an. Warum?

Cukic: Weil es eine große Gefahr birgt. 14.000 Quadratmeter Land, die direkt an der Save liegen und die in Belgrad heute zu den letzten öffentlichen Wassergrundstücken zählen, würden damit auf einen Schlag privatisiert werden. Dessen und auch all der damit verbundenen Konsequenzen sind sich die meisten Belgrader nicht bewusst.

STANDARD: Wie schaut Ihre Aufklärungskampagne aus?

Cukic: Wir machen öffentliche Veranstaltungen und laden die Menschen zu moderierten Gesprächen ein. Eines der Themen, die wir immer wieder anreißen: Wer braucht schon Luxuswohnungen, wenn es in Belgrad nicht an Luxuswohnungen mangelt, sondern an leistbaren Billigwohnungen?

STANDARD: Leistbar bedeutet?

Cukic: Im Durchschnitt kostet eine klassische Wohnung in Belgrad 1400 Euro pro Quadratmeter, und das bei einem durchschnittlichen Einkommen von 500 Euro pro Monat. Das ist eine „mission impossible“. Ganz zu schweigen von den Wohnungen im Belgrade Tower. Wir brauchen keine Wohnungen um ein paar Tausend Euro pro Quadratmeter. Wir brauchen Wohnungen um 500 Euro pro Quadratmeter! Dafür versuchen wir die Menschen zu sensibilisieren.

STANDARD: Klappt das?

Cukic: Aufklärung und Sensibilisierung brauchen Zeit.

STANDARD: Denken Sie, dass das Projekt jemals realisiert wird?

Cukic: Nein. Nicht in dieser Form. Ich denke, dass sich die Regierung mit Emaar Eagle Hills darauf einigen wird, das Land für 99 Jahre zu verpachten. Der Belgrade Tower mit seinen Luxuswohnungen und Luxusbüros ist in erster Linie ein medientaugliches Lockmittel. Ob er jemals realisiert wird oder nicht, ist nebensächlich. In erster Linie geht es darum, das Grundstück zu blockieren und daraus dann Kapital zu schlagen.

STANDARD: Sie legen sich mit ganz schön großen Kapazundern an. Woher nehmen Sie Ihre Energie?

Cukic: Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich dazu beitragen will, Belgrad zu retten und vor der kompletten Privatisierung zu bewahren. Wenn die Regierung nicht schleunigst umdenkt und auch weiterhin bei jedem großen Kaufangebot mit den Ohren schlackert, weil hinter dem Dollar-Zeichen so viele Nullen stehen, dann wird die Stadt bald komplett ausverkauft sein. So weit darf es nicht kommen.

STANDARD: Wird es das Raumministerium in der nächsten Legislaturperiode noch geben?

Cukic: Daran besteht kein Zweifel.

6. September 2014 Der Standard

Baukultur denken ohne jedes Tabu

Die heurigen Baukulturgespräche widmeten sich der lebenswerten und gerechten Stadt. Dazu gehört auch die viel zitierte und selten eingelöste Leistbarkeit von Wohnraum

Vor wenigen Tagen gingen im hübschen Tiroler Kleinod Alpbach die Europäischen Baukulturgespräche zu Ende. Das übergeordnete Thema lautete heuer: „At the Crossroads. Lebenswerte und gerechte Städte schaffen“. Präsentiert wurden Initiativen und künstlerische Quartiersimpulse zwischen Ljubljana und Rio de Janeiro, Überlegungen zu einer neuen Form von urbaner Nachbarschaft sowie architektonische und stadtplanerische Reaktionen auf die stetig wachsende Stadt.

Und dann war da noch die Leistbarkeit, die in vielen Vorträgen und Diskussionen angeschnitten wurde. Denn leistbar - darin waren sich fast alle Diskutanten einig - ist das Wohnen in den Ballungsräumen schon lange nicht mehr. „Einen hohen, ernstzunehmenden Grad an Leistbarkeit zu erreichen erfordert Fokus und Durchhaltevermögen in der Willensbildung“, sagte Michael Wagner-Pinter, CEO der Synthesis Forschung Gesellschaft in Wien. „Das kann man nicht einfach an die Politik delegieren. Da muss die Privatwirtschaft mit anpacken.“

Teure Stadtzentren

Leichter gesagt als getan. Denn tatsächlich werden die Zentren immer teurer und teurer. Schuld daran sind nicht nur Grundstückspreise, sondern auch die kontinuierlich steigenden Anforderungen an den Wohnbau.

„Wenn wir von leistbarem Wohnen sprechen, dann müssen wir die Häuser für Menschen in Zukunft von jenen für Autos trennen“, forderte Verkehrspapst Hermann Knoflacher. „Wenn wir uns dazu nicht überwinden, wird das nicht klappen, denn ein großer Teil unserer Wohnkosten fließt in unterirdische Garagen.“ Und Georg Pendl, Präsident der Bundes-Architektenkammer, meinte: „Wir alle zitieren immer wieder die wunderbaren Wohnbauten der Pariser Architekten Lacaton & Vassal, wenn es um leistbares Wohnen geht. Völlig zu Recht! Doch die Wahrheit ist: Wenn ich so ein Haus in Österreich baue, dann lande ich im Gefängnis.“

Zu streng seien die Förderrichtlinien und Sicherheitsvorschriften hierzulande. Das verunmögliche es auch, sich der Anforderung an leistbaren Wohn- und Nutzraum in Österreich so zu nähern, wie dies andernorts der Fall ist. Beispielsweise in Amsterdam, wo der Vorarlberger Architekt Dietmar Eberle für einen privaten Investor 2010 ein 32.000 Quadratmeter großes Haus unter dem Titel „Solids Ijburg“ realisierte - und zwar ohne schon zuvor zugewiesene Funktion.

Gewünschter Funktionsmix

Das Mixed-Use-Objekt, das die konservative Immo-Wirtschaft vor ein schier unlösbares Rätsel zu stellen vermochte, wurde kurzerhand über Ebay versteigert. Mitbieten konnte jeder Interessent für Flächen zwischen 70 und 800 m². Das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Verwertungskampagne ist eine Melange aus Minihotel, Montessori-Kindergarten, diversen Büros und 25 Prozent Sozialwohnungen für sieben Euro pro Quadratmeter. So sieht er aus, jener „lebenswerte und gerechte“ Funktionsmix, über den zwar alle sprechen, den jedoch niemand so richtig anzupacken wagt.

Wie man das Unmögliche auch hierzulande möglich machen kann, darüber wurde auf den Baukulturgesprächen in einem „World Café“ sinniert. Die erfrischend radikalen Lösungsvorschläge: Förderungen für die Errichtung von Multifunktions-Objekten sowie ein grundlegendes Überdenken von Bauordnung und Mietrechtsgesetz. Ein weiterer Wunsch war die Einführung von Leerstandssteuern und Strafen für spekulativ vom Wohnungsmarkt zurückgehaltene Objekte. Damit wurde ein riesiges Tabu in der Immobilienvorschrift tangiert. Applaus.

30. August 2014 Der Standard

Du sollst übers Wasser gehen

Nach drei Jahren Bauzeit ist die Brücke zum Mont Saint-Michel fertiggestellt und soll demnächst eingeweiht werden. Der romanische Abteiberg darf endlich wieder Insel werden. Von Wojciech Czaja

Ach, weißt du noch, damals in den Siebzigern? Bei Ebbe konntest du mit dem Auto über den Damm fahren und direkt vor dem Mont Saint-Michel parken. Mitten im Watt! Das war echt lustig!" Es waren die Gezeiten, die die Länge des Besuchs vorgegeben haben. Mit der abendlichen Flut mussten die Autos verschwinden, wenn sie denn nicht vom steigenden Wasser hinweggerafft wurden, und der Klosterberg durfte sich seine untertags aufgegebene maritime Aura wieder zurückerobern.

Die oft gehörten Urlaubsanekdoten rund um den Mont Saint-Michel sind nun Geschichte - zumindest jene mit dem Auto im klatschnassen Sand. Am 22. Juli wurde nach dreijähriger Bauzeit eine fast 800 Meter lange Stelzenbrücke eröffnet, die das denkmalgeschützte Kloster nicht nur visuell, sondern vor allem auch ökologisch wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückführen soll. Im September wird das ungewöhnliche Brückenbauwerk eingeweiht. Der Weihwassertransport wird kein übermäßig langer sein.

„Ich bin sehr glücklich mit der neuen Passerelle“, sagt Père André Fournier. Der Pater mit Brille und Glatze gehört dem Orden von Jerusalem an, der die einstige Benediktinerabtei verwaltet, und ist einer von insgesamt 27 Einwohnern des Mont Saint-Michel. „Die Fußgängerbrücke ist nämlich nicht nur ein funktionales Bauwerk, sondern erlaubt den Besuchern auch einen neuen Zugang mit ganz neuen, wunderbaren Blicken auf den Berg. Für mich ist dieses Projekt ein Wunder.“

Seine Schwärmerei hört sich an wie ein Stoßgebet an Mutter Natur. Nun, da die Brücke fertiggestellt sei, so Père André, könne der Mont endlich wieder seine volle Schönheit entfalten - hier, an der Kreuzung von Wasser, Wolken, Himmel, Wind und Gestein - und wieder zur Insel zurückmutieren. „Den Damm abzubrechen und die Autos aufs Festland zu verbannen, war eine überaus gute Idee“, so André.

Und sie war nicht nur gut, sondern auch von allerhöchster Dringlichkeit. „Früher war der Mont Saint-Michel nur per Boot erreichbar, die Errichtung des Straßendamms vor rund 150 Jahren war so gesehen also keine schlechte Idee“, meint Dietmar Feichtinger. Der nach Paris emigrierte Wiener Architekt hat den 2001 ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen und das Projekt bis zur Fertigstellung betreut. „Bloß konnte damals noch niemand ahnen, dass der Damm im Laufe der Jahrzehnte maßgeblich zur Versandung und Verlandung der gesamten Bucht beitragen würde.“

War der heilige Michael einst noch vier Kilometer vom Festland entfernt, sind es nun gerademal ein paar hundert Meter, die das Eiland von der Küste trennen. Durch den Damm konnte das Wasser des zäh fließenden Couesnon, der sich hier in einem breiten Delta ins Meer ergießt, nicht mehr ungehindert den Klosterberg umspülen. Die angeschwemmten Sedimente wurden immer und mehr, die Ebbezeiten immer trockener.

„Wenn wir nichts unternommen hätten, wäre der Mont Saint-Michel in spätestens 40, 50 Jahren von öden, trockenen Salzwiesen umgeben“, erklärt Patrick Morel, Bauherrenvertreter und Vorstandsdirektor des Syndicat Mixte Maître d'Ouvrage, im Gespräch mit dem STANDARD. „Damit wäre das im elften Jahrhundert errichtete Kulturdenkmal, das seit 1979 als Unesco-Weltkulturerbe firmiert, stark bedroht gewesen. Das wiederum hätte enorme Folgen für den Tourismus und somit für die Wirtschaft der gesamten Region“, ganz zu schweigen vom Untergang eines so sensiblen maritimen Ökoreservats mit all seinen Sandkrabben, Napfschnecken und Wattwürmern.

„Stimmt nachdenklich“

Père André blickt mit einem seligen Lächeln über die Bucht, als würde er sich im Schoße Gottes wiegen, hinaus auf den Steg. Krabben, Schnecken, Wurmgetier - allesamt gerettet. Seine einzige Sorge gilt dem etwas längeren Weg als zuvor, denn anstatt schnurgerade auf den Mont zuzugehen, muss er nun einen etwas längeren, s-förmig geschwungenen Weg in Kauf nehmen. Rund 45 Minuten dauert der Fußmarsch vom Parkplatz, langsamen Schrittes und fotografierend wohlgemerkt. „Für Pilger und Touristen ist das schon okay, aber für uns Brüder und Schwestern, die wir hier wohnen? Das stimmt mich nachdenklich.“

Dass man den von manch Geistlichem täglich zurückgelegten Weg verlängert habe, sei einer der zentralen Aspekte dieses Projekts, meint Feichtinger. „Früher hat man sich dem Mont in einer geraden Achse genähert und hat dabei immer nur die Straße mit ihren Autos, Shuttlebussen und tausenden Passanten gesehen. Durch den Schwung können sich nun Blicke auf einen fast freistehenden Klosterberg entfalten, ohne dass einem unentwegt Touristen vor die Kamera hüpfen.“

Und klick. Ohne jeden Zweifel gilt die Hauptaufmerksamkeit dem romanischen Mont Saint-Michel, der sich nach einer leichten Linkskurve auf halbem Wege in seiner vollen Pracht vor der Passerelle aufbäumt. Die Brücke wird zu diesem Zeitpunkt unsichtbar. Unauffällig duckt sie sich ins Naturschutzgebiet und begnügt sich bei all ihrer Schönheit und konstruktiven Ästhetik wohlwollend mit dem zweiten Platz.

„Diese Brücke ist wie ein Werkzeug Gottes“, sagt Pater André. Von einer sehr sensiblen Verschmelzung von Stahl und heimischer Eiche indes spricht Architekt Feichtinger. Zwar hätte man auch tropische Hölzer verwenden können, die womöglich eine etwas längere Lebensdauer haben, doch dies wäre in diesem sensiblen Ort ein allzu fremder Eingriff gewesen. Nach 40 bis 80 Jahren, zeigt die Erfahrung, werde man die Eichenbohlen unter den Füßen der Fußgänger - das Material findet sich übrigens auch auf der Außenhaut der Shuttlebusse wieder - austauschen müssen.

Der Querschnitt der Brücke ist asymmetrisch. Auf der einen Seite gibt es einen schmalen, 1,50 Meter breiten Fußweg für Alleinmarschierende und vielleicht auch für verliebt dahinschlendernde Pärchen, so Feichtinger. Auf der anderen Seite hingegen, mit Blick auf den offenen Atlantik, stehen 4,50 Meter Breite zur Verfügung, um jene sommerlichen Horden aufzunehmen, die den Weg per pedes dem motorischen Dahingeshuttle vorziehen. Und davon wird es eine Menge geben. Mit rund 2,5 Millionen Besuchern pro Jahr gilt die Abtei nach Paris als beliebtestes Touristenziel Frankreichs.

Knapp 140 Stahlpfähle stützen den flach über dem Boden schwebenden Steg, wobei jeder einzelne Bohrpfahl bis zu 30 Meter tief ins Watt gerammt werden musste. Aufgrund der großen Stützendichte im Untergrund konnte diesseits der Wasseroberfläche auf dicke, mächtige Brückenkonstruktionen oder gar Fachwerke verzichtet werden. Und tatsächlich: Mit 1800 Tonnen Gesamtgewicht ist die Passerelle zum Mont Saint-Michel geradezu ein Brückenleichtgewicht. Die Gesamtnettobaukosten belaufen sich auf 31 Millionen Euro brutto.

„Wissen Sie“, meint Père André Fournier zum Abschluss, „gut Ding braucht Weile, sehr viel Weile. Jetzt einmal ist die Brücke fertig, und damit ist schon der größte Weg zurückgelegt. In den kommenden Monaten wird nun der alte Damm abgebrochen.“ Im April nächsten Jahres soll das Projekt abgeschlossen sein. Bis 2025, so die Prognose, soll das Ökosystem in der Bucht wieder intakt sein. Die Flutwassertiefe wird dann 70 Zentimeter betragen.

30. August 2014 Der Standard

Gebrauchsanweisung zum dichten Stadtleben

Die Erkenntnis der Baukulturgespräche in Alpbach: Die Stadt ist ein viel besserer Lebensort als gedacht

Alpbach - Vergessen Sie alles, was Sie bisher über das Thema Stadt zu wissen glaubten! So könnte man die Essenz der heurigen Baukulturgespräche beim Europäischen Forum Alpbach beschreiben. Unter dem Motto „At the Crossroads. Lebenswerte und gerechte Städte schaffen“ wurden viele bekannte Bilder und Statistiken hinterfragt, vor allem aber befassten sich die Vorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops mit ungewöhnlichen und bisweilen recht radikalen Ansätzen zum Thema Leistbarkeit und Wohngenuss.

Es dürfe nicht alles als Kollektiv betrachtet werden. „Ein gewisser Egoismus kann die Stadt und Nachbarschaft durchaus befruchten“, erklärte die an der Columbia University lehrende Soziologin Saskia Sassen. „Ein Migrant kommt, macht einen Shop auf, weil er selbstständig sein und von irgendetwas leben muss, und am Ende profitiert die gesamte Nachbarschaft davon.“ Kleine, informelle Strukturen seien wichtig. Große, spekulative, womöglich sogar leerstehende Quartiere, so Sassen im Gespräch mit dem STANDARD, würden die Stadt auf lange Sicht „deurbanisieren“.

Das war's dann mit der viel zitierten Dichte und Lebendigkeit. Doch genau diese ist, wie Architekt Dietmar Eberle in seinem Vortrag unterstrich, unverzichtbar. In einer von ihm in Wien, München, Berlin und Zürich durchgeführten Studie stellte er fest: Je höher die Bebauungsdichte in einem Quartier, desto höher ist die Qualität und Pflege der öffentlichen Freiräume und desto besser ist das Viertel fußläufig und mit öffentlichem Verkehr an die restliche Stadt angeschlossen.

„Es ist ein Paradoxon, doch in den letzten Jahrzehnten haben wir in Mitteleuropa den Fehler gemacht, dass wir die Neubaugebiete viel zu dünn bebaut haben, zumal sich Politik, Wohnbauträger und Investoren häufig mit großer Luftigkeit rühmen.“ Auch in der Wiener Satelliten-Seestadt Aspern, so Eberle, sei die Bebauungsdichte viel zu niedrig angesetzt. „Das ist eine Siedlung. Hier wird niemals Stadt entstehen.“ Dass es mitunter gelingt, sogar in extrem dicht bevölkerten Städten so etwas wie Lebensqualität zu sichern, erklärte Ljiljana Blagojevic, Professorin an der Universität Belgrad. „Dichte ist nie das Problem, auch nicht in einer Stadt mit so vielen städtebaulichen Schwächen und Fehlern wie Belgrad, wo wir heute mit abgewohnten sozialistischen Wohnbauten zu kämpfen haben. Es geht nur darum, was man mit dieser Dichte macht. Wir müssen lernen, die Potenziale zu erkennen. Und die gibt es immer.“ Als Fazit der diesjährigen Baukulturgespräche könnte man sagen: 1. Dichte bringt Leben. 2. Dichte sorgt für geringeren ökonomischen Druck und ist somit ein Garant für Leistbarkeit. Und 3. Selbst im baulichen Bestand lässt sich die Dichte erhöhen, indem man die bisweilen hohen Leerstände in Wohnhäusern (Stichwort Spekulation) eliminiert. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre die Einführung von Leerstandssteuern und Strafen für spekulativ vom Wohnungsmarkt zurückgehaltene Objekte. Das ergaben die Workshops der Teilnehmer. Selten zuvor waren die Baukulturgespräche radikaler und erfrischender. Da kann man ansetzen.

23. August 2014 Der Standard

Schule macht Schule

Der Ernst des Lebens kann auch Spaß machen. Zum Beispiel im neuen Bildungscampus am Wiener Hauptbahnhof, der in einer Woche in Betrieb gehen wird. Erster Spaziergang durch einen räumlichen Vorboten, der den Wiener Schulbau auf den Kopf stellen wird.

Am 1. September ist Schulbeginn. Und damit startet für viele nicht nur der Ernst des Lebens, sondern auch eine neue Ära im österreichischen Schulbau. Erstmals seit Jahrzehnten werden die Jüngsten unserer Gesellschaft nicht mehr in neun mal sieben Meter große Standardklassen gequetscht, sondern können sich zwischen individuell gestalteten Ausbildungsräumen frei bewegen, können über sogenannte Marktplätze schlendern, können je nach Belieben mal drinnen, mal draußen lernen.

Ort dieser pädagogischen Revolution, an die vor wenigen Jahren noch niemand so richtig glaubte, ist der Bildungscampus im Sonnwendviertel im Hinterland des neuen Wiener Hauptbahnhofs. Die letzten Handgriffe werden gerade gemacht. Die einen tragen höhenverstellbare Drehstühle durchs Haus und polieren die Edelstahlküchen auf Hochglanz, die anderen machen die letzten Verwaltungsrochaden und drucken die Stundenpläne aus. Bald kommen die Horden.

„In den letzten 15 Jahren haben wir so gut wie jede einzelne österreichische Schulausschreibung gelesen und studiert“, erinnert sich Georg Poduschka, PPAG Architekten. „Doch diese eine Ausschreibung hat uns mehr als überrascht. Da waren keine räumlichen Vorgaben aufgelistet, sondern pädagogisch-funktionale Wünsche. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen haben gar nicht glauben wollen, was die Magistratsabteilungen und der Stadtschulrat da hineingeschrieben haben.“

Erstmals, seit er denken kann, habe sich Poduschka ernsthaft und tiefgreifend mit dem Thema Schulbau auseinandersetzen dürfen. Mit Erfolg. Von den insgesamt 102 Teilnehmern kamen neun Büros in die zweite Bewerbungsstufe. Gewonnen hat schließlich der eckig zusammengewürfelte Cluster von PPAG, der sich - im Grundriss betrachtet - wie ein Commodore-Pac-Man durch das Schulgelände frisst.

Die ungewöhnliche Form hat inhaltliche Gründe. Denn anders als in allen bisher bekannten Schulen werden hier keine Normklassen mit Normtafeln und Normwaschbecken an Normgänge mit Normbrandlast und Normfluchtwegen gefädelt. Stattdessen gruppieren sich jeweils vier Unterrichtsklassen um einen zentralen Marktplatz, der den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung steht - und zwar nicht nur in den Pausen, sondern auch in den Schulstunden.

Über vier Meter breite Glasfalttüren lassen sich die einzelnen Klassenräume zu einem riesigen Dorfplatz zusammenfassen. Wenn gewünscht, können auf diese Weise bis zu 100 Kids gleichzeitig - und zwar fächer- und auch schulstufenübergreifend - unterrichtet werden. An jede Klasse und jeden Cluster anschließend gibt es zudem Freiluftklassen, die mal witterungsgeschützt und mal mit einer schattenspendenden Pergola versehen sind. Projektunterricht bekommt damit eine vollkommen neue Dimension.

Oder, wie Georg Poduschka sagt: „Das ist ein Schulhaus für alle Kinder zwischen null und 14 Jahren, von Kindergarten über Volksschule bis hin zur Mittelschule. Ich finde das super. Als Kindergartenkind kann ich auf dem gesamten Gelände frei herumlaufen und meinen pubertierenden Bruder in seiner Schulklasse besuchen, wenn ich das will.“ Diese Offenheit und Transparenz ist Neuland in Österreich.

„Das ist ein Schulgebäude, das es in dieser Form bislang noch nie zuvor gegeben hat“, erklärt Claudia Koch, Direktorin der Volksschule. „Die offene Bauweise ist ein baulicher Anspruch an das Lernen, dem man erst einmal gerecht werden muss. Doch unse- re Pädagoginnen und Pädagogen sind aufgeschlossen und entwicklungsfreudig. Ich persönlich freue mich schon auf den Schulbetrieb.“

Auch Andreas Gruber, Direktor der Neuen Mittelschule (NMS), meint: „Das ist eine ziemliche Umstellung, eine ziemliche Herausforderung, wie ich meine. Aber in erster Linie sehe ich den Bildungscampus als Chance, denn das ist genau das, wonach wir Pädagoginnen und Pädagogen uns in all den Jahren gesehnt haben. Ich denke, es ist eine Frage der Zeit, vielleicht sogar der Generationen, aber früher oder später wird diese Offenheit auch auf die Kinder überspringen.“

Als ob das alles nicht schon neu genug wäre, verfügt jede Klasse über eine rund 15 Quadratmeter große Raumnische. Hierher können sich die Kinder zum Lesen oder Schlafen zurückziehen. Es sei jener abgeschiedene Privatbereich, so Architekt Poduschka, der als Ausgleich zum stundenlangen Unterricht so unglaublich wichtig sei, üblicherweise jedoch hinter einer selbst zusammengebastelten Schrankwand versteckt werde. Hier muss sich die Muße nicht maskieren.

Die Neuerungen auf dem 1100 Schüler fassenden Bildungscampus, der leider nicht so bunt ist wie sein räumlich innovatives Konzept, sondern sich hinter einem Farbkonzept aus Schwarz, Weiß und militärischer Schlammtarnfarbe zurücknimmt, gehen bis ins kleinste Detail. So entwickelten die PPAG Architekten sogar einen neuen, sechseckigen Schultisch, an dem bis zu drei Schüler sitzen können. Drehstühle mit höhenverstellbarer Fußstütze machen's möglich. Bei Bedarf ist sogar noch Platz für eine Lehrperson.

Und anstatt grüner Schiefertafeln gibt es sogenannte Whiteboards. Diese können den händisch geschriebenen Text nicht nur speichern, sondern auch in ein digitales Word-Dokument umwandeln. Auf diese Weise lässt sich mit anderen Klassen virtuell kommunizieren. Möge die bessere Lehrmethode gewinnen. Das enervierende Quietschen und Kreischen der Kreide ist damit Geschichte.

Von den veranschlagten 47 Millionen Euro Baukosten (Gesamtinvestitionskosten 79 Millionen Euro) wurden nur 37 Millionen verbaut. Das ist eine Reduktion um mehr als 20 Prozent. Für diese rechnerische Leistung gebührt den PPAG Architekten ein glattes „Sehr gut“. Schade nur, dass von den einst geplanten Vogelbrutkästen, Brieftaubenstationen, Bienenhäusern und frei herumlaufenden Igeln und Katzentieren nichts geworden ist. So weit traut sich die österreichische Bürokratie dann wohl doch nicht aus dem Fenster zu lehnen.

„Kompromisse muss man immer eingehen, und es kann sein, dass sich der Bildungscampus am Hauptbahnhof in den letzten Jahren von der ersten Konzeptskizze bis zur Fertigstellung da und dort auch architektonisch verändert hat“, meint Karin Schwarz-Viechtbauer, Direktorin des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS). „Räumlich jedoch ist der Campus exakt so geworden, wie PPAG ihn entworfen hat. Damit markiert die Pilotschule einen Wendepunkt im Wiener Schulbau und definiert die Stoßrichtung für die kommenden Jahre.“

Die folgenden Bildungscampus-Bauten sind bereits in Planung und in Bau. Unter dem Arbeitstitel „Campus plus“ verfolgt die Stadt Wien das Konzept weiter und errichtet in der Seestadt Aspern und in Kagran weitere Projekte, die hoffentlich Schule machen werden. Auch ohne Normschüler und ohne Normkatalog. „Die nächsten Pilotprojekte werden für die Zukunft des Wiener Schulbaus ausschlaggebend sein“, so Schwarz-Viechtbauer.

8. August 2014 Der Standard

Eine Kämpferin für Freiheit und Komfort

Heimat großer TÖCHTER (13)

Die Wiener Architektin und Widerstandskämpferin Margarete Schütte-Lihotzky hat mehr geleistet als nur diese eine, verhasste „Frankfurter Küche“ zu bauen. In der Sowjetunion wirkte sie etwa an dutzenden Wohnbauten und auch Stadtplanungskonzepten mit.

„Jetzt seien Sie doch bitte nicht albern!“, soll sie mal einen netten Aufseher bei einer Ausstellungseröffnung im Museum für angewandte Kunst abgemahnt haben, als er der mittlerweile weit über 100-Jährigen einen Sessel vor die Füße stellte. „Schaue ich wirklich so alt aus, dass ich die 20 Minuten nicht mehr derstehen kann? Ich bitte Sie, tun sie das weg!“

Margarete Schütte-Lihotzky, 1897 in Wien geboren, ist eine Galionsfigur der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie war mit Adolf Loos und Bruno Taut befreundet. Sie plante tausende Wohnungen, entwarf unzählige Wohn- und Einrichtungstypen, arbeitete in Deutschland, in Russland, in der Türkei, in Bulgarien, in den USA und auf Kuba.

Im Gegensatz zu vielen männlichen Kollegen entwickelte Margarete Schütte-Lihotzky, die im Alter von nur 21 Jahren ihren Studienabschluss an der Wiener Kunstgewerbeschule machte, von Anfang an einen intensiven Kontakt zu den Menschen, zum Proletariat.

Kurz nach ihrem Studium fuhr sie nach Holland und betreute dort Wiener Arbeiterkinder, die nach dem Ersten Weltkrieg in der Stille der Deiche Erholung finden sollten. Der Dialog mit dem Gegenüber würde sich durch ihr gesamtes OEuvre ziehen.

Ab 1921 arbeitete sie für die erste gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der Kriegsinvaliden Österreichs. Sie wirkte unter anderem an der Planung der Reformsiedlung „Eden“ mit und entwickelte in dieser Zeit ein Interesse für die scheinbar kleinen und nichtigen Bereiche des Wohnens. Schütte-Lihotzky entwarf Möbel, beschäftigte sich mit der industriellen Serienproduktion und widmete sich verstärkt jenem Raum der Wohnung, der sie bis an ihr Lebensende klischeehaft verfolgen würde: der Küche.

In ihren Frankfurter Jahren entwickelte sie eine ergonomische Einbauküche der kurzen Wege und wenigen Handgriffe. Rund 10.000-mal wird die von ihr konzipierte Küche im sozialen Massenwohnbau Frankfurts eingebaut. „Ewig Küchen, die sind mir schon beim Hals herausgehangen!“, erzählte sie später einmal in einem TV-Interview.

Zeit in der Sowjetunion

1927 heiratete sie ihren Frankfurter Architekturkollegen Wilhelm Schütte, mit dem sie in die Sowjetunion auswandert und dort dutzende Wohnbauten und Kindereinrichtungen plant, ja sogar Stadtplanungskonzepte für Nowosibirsk, Magnitogorsk und Moskau entwickelt.

Und dann der Zweite Weltkrieg. Nachdem die Kommunistin und brennende Widerstandskämpferin nur knapp der Todesstrafe entging, landete sie 1941 im Frauenzuchthaus Aichach.

Nie wieder sollte es ihr gelingen, in Österreich Fuß zu fassen; nicht als ehemaliges Mitglied der KPÖ. Erneut verließ sie Wien, floh ins Ausland, nach Sofia, Peking, New York, Havanna, Berlin. Erst in den späten 1960er-Jahren kehrte die Pensionistin wieder zurück zu ihren Wurzeln, suchte sich eine kleine Wohnung im fünften Bezirk und blieb dort bis zu ihrem Lebensende. Erst im hohen Alter wurde der großen Tochter öffentlicher Respekt zuteil.

Küchenexplosion

Wenige Monate vor ihrem Tod lud Schütte-Lihotzky eine Gruppe von Schüler(inne)n und Studierenden zu sich nach Hause, um aus ihrem Leben zu erzählen. Vorsichtig wagte der Autor dieser Zeilen die Frage, wie es denn sei, als Architektin immer nur auf ein einziges Projekt reduziert zu werden. Weit kam er nicht. Kaum waren die beiden Worte „Frankfurter“ und „Küche“ gefallen, explodierte die 103-Jährige und schlug ihm um die Ohren: „Ich habe in meinem Leben sehr viel mehr gemacht als nur das. Wenn ich gewusst hätte, dass alle immer nur davon reden, hätte ich diese verdammte Küche nie gebaut!“

26. Juli 2014 Der Standard

Pack die Stadt bei den Hörnern!

Der Mies van der Rohe Award prämiert „Europas beste Bauten“. Und nicht selten leisten die Projekte einen nachhaltigen Beitrag für die ganze Stadt. Derzeit gastiert die gleichnamige Ausstellung in Wien.

Das Gute daran: Menschen mit einer Rot-Grün-Sehschwäche werden sich hier in einer adrett geputzten, fein säuberlich gemähten Parklandschaft wähnen. Das Schlechte daran: Auf ein Vögelchen oder gar herbeigehuschtes Eichhörnchen wird man hier länger warten müssen. Aber das ist bei der Bjarke Ingels Group (BIG) keine Seltenheit, denn von jeher liebt es das dänische Architekturbüro, mit einer gewissen, zelebrierten Künstlichkeit zu schockieren, ob nun auf dem Lande oder in der Stadt.

Doch die Menschen lieben das charmante, schelmische Augenzwinkern dieses wohl frechsten Architekturbüros der Welt, vor allem hier am Superkilen im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro. Traditionell leben hier viele Migranten. Fast 30 Prozent aller Einwohner sind Ausländer, darunter etwa Araber, Türken, Pakistanis und Somalis. Und nachdem die Kultur der südlichen Länder - ganz im Gegensatz zu uns mitteleuropäischen Dauerkonsumenten und Hausmuffeln - eine ist, die es versteht, den öffentlichen Raum zu nutzen und ihn zu bewohnen, ist es nicht verwunderlich, dass es kaum eine Tageszeit gibt, zu der Superkilen nicht von unterschiedlichsten Farben und Sprachen bevölkert wird.

„Das Rot ist kein Zufall, sondern hat gute Gründe“, erklärt Daria Pahhota vom Büro BIG. „Wir haben die Leute befragt, wie sie den Platz am liebsten nutzen möchten, und der Großteil der Einwohner sehnte sich nach einem Ort für Sport und Freizeitaktivitäten. Also haben wir uns am klassischen Sportplatz orientiert und die Stadt in diesem Bereich rot gefärbt.“ Die Gebrauchsspuren seien nicht zu übersehen. Inzwischen, meint Pahhota, könnte der Platz an einigen Stellen einen Neuanstrich gebrauchen.

Superkilen in Kopenhagen, ein Gemeinschaftsprojekt von BIG, Superflex und Topotek 1, ist eines von insgesamt 40 Projekten, die derzeit im Architekturzentrum Wien (AzW) zu sehen sind. Ausgestellt werden jene Preisträger und Finalisten, die beim letztjährigen Mies van der Rohe Award 2013, bei dem herausragende Projekte aus ganz Europa prämiert wurden, auf der Shortlist waren. Seit damals tourt die Wanderausstellung durch die EU und macht Werbung für etwas mehr Mut in der Architektur.

In natura

„Architekturpreise und Auszeichnungen im Bauwesen gibt es wie Sand am Meer“, sagt AzW-Direktor Dietmar Steiner. Doch der Mies van der Rohe Award, der seit 1988 vergeben wird, sei in zweifacher Hinsicht etwas Besonderes: „Erstens sind es nicht die Architekten, die die Projekte aus Eigeninteresse nominieren, sondern unabhängige Juroren wie etwa Kulturschaffende, Kuratoren und Journalisten. Und zweitens werden die shortgelisteten Projekte nicht nur anhand von Fotos und Plänen beurteilt, sondern anhand des konkreten Bauwerks.“ Sprich: Die Jury fährt direkt vor Ort und schaut sich das Ding in natura an. Damit werde in der Beurteilung eine Qualität erzielt, von der andere Awards nur träumen können.

„In all den 25 Jahren“, meint Antoni Vives, Präsident der Fundació Mies van der Rohe, die den Award seitdem in regelmäßigen Abständen vergibt, „hatten wir bereits 335 Projekte auf der Shortlist. Und all diese Projekte haben massiv dazu beigetragen, die europäische Stadt weiterzuentwickeln, und zwar mit einem gewissen Savoir-faire und einer Qualität auf internationalem Niveau.“

Dass dieser Beitrag kein dauerhafter und auch kein unendlich kostspieliger sein muss, beweist das Projekt „Red Bull Music Academy 2011“ in Madrid, das mit dem „Emerging Architect Special Mention Award“ ausgezeichnet wurde. Ursprünglich hätte das Flügel verleihende Musikfestival in Tokio stattfinden sollen. Doch nachdem das Erdbeben und der Tsunami die Prioritäten in Japan in diesem Jahr anders gesetzt hatten, musste das Festival kurzfristig abgesagt und übersiedelt werden. Die Wahl fiel auf Madrid.

„Niemand hat für möglich gehalten, dass dieses Projekt realisiert werden kann“, erinnert sich Architektin María Langarita im Gespräch mit dem STANDARD. „Wir hatten zwei Wochen Konzeptphase, zwei Wochen Planungsphase und acht Wochen Bauzeit. Danach musste alles stehen. Und noch dazu war das nicht irgendwann unterm Jahr, sondern im Hochsommer, Bauzeit August, also genau dann, wenn die spanischen Baufirmen und Konzerne auf Urlaub sind und das Land auf Sparflamme funktioniert.“

Aus der Not wurde eine Tugend gemacht. Auf komplizierte Bausysteme, aufwändige Konstruktionen und etablierte Markenware musste verzichtet werden. Stattdessen griffen Langarita und ihr Partner Víctor Navarro zu billigem, handelsüblichem Sperrholz. Nachdem der Baustoff nicht sonderlich wetterfest und somit auch nicht resistent gegen aufsteigende Bodenfeuchte ist, mussten die Büros, Garderoben, Technikräume, Bühnenelemente und Tribünen aufgeständert werden. Für den nötigen Schutz von oben sorgt das bestehende Dach der einstigen Großmarkthalle Matadero, die der Red Bull Music Academy Obdach gab.

Dramatisch und abenteuerlich

„Es ist sich alles irgendwie ausgegangen, aber niemals im Leben hätte ich damit gerechnet, dass wir mit diesem billigen Projekt zwei Jahre später den Mies van der Rohe Award gewinnen würden“, meint Langarita. „Das beweist für mich einmal mehr, dass auch temporäre Bauten keine Projekte zweiter Klasse sind, sondern durchaus eine gewisse architektonische, bauliche und kulturelle Qualität haben können. Und das ist gut so, denn nicht alles im Leben ist für die Ewigkeit bestimmt.“

Randnotiz: Die Red Bull Music Academy stieß bei den Madrilenen auf so große Resonanz, dass die Sperrholzlandschaft nicht - wie ursprünglich geplant - nach dem Festival wieder abgebaut wurde, sondern nach wie vor in Verwendung ist. Heute wird sie von der Stadt Madrid bespielt und hört auf den Namen „Nave de Música“.

Einem gläsernen Schiff nicht unähnlich ist jedenfalls das Harpa Concert Hall and Conference Centre im Hafen von Reykjavík, das beim Mies van der Rohe Award 2013 den Hauptpreis einheimsen durfte (DER STANDARD berichtete). Dem wohl stolzesten Projekt Islands der letzten Jahre, für das die Architekten Batteríid und Henning Larson sowie der isländische Künstler Olafur Eliasson verantwortlich zeichnen, ist im Architekturzentrum Wien der größte und prominenteste Platz gewidmet. Die kleinen Modelle vermitteln eine Idee davon, wie dramatisch und abenteuerlich die dreidimensional geformte, prismatische Glasfassade in Richtung Stadtzentrum blickt.

„Das Harpa Centre ist nicht nur ein Konzerthaus, sondern auch ein Konferenzzentrum mit perfekter Ausstattung und Dolmetschkabinen für bis zu neun Sprachen“, sagt Harpa-Chef Ásgeirsson im Interview mit dem STANDARD. „Island hat sich damit auf die internationale Landkarte katapultiert. Denn nun können wir nicht nur spektakuläre Landschaft anbieten, sondern auch eine hochrangige Konzert- und Architekturszene. So gesehen leistet zeitgenössische Architektur einen enormen Beitrag zur Aufwertung eines Ortes, und den haben wir dringend benötigt.“ Ganz gleich, ob das nun in Reykjavík ist - oder in einem einst sogenannten Problembezirk in Kopenhagen.

20. Juli 2014 Der Standard

Die Sonnenkönigsdisziplin

Letzten Samstag ging der Solar Decathlon 2014 zu Ende. Prämiert wurden innovative Projekte im Umgang mit solarer Energie

„Jetzt hör auf zu fotografieren und komm endlich her! Aber Cookies gibt's keine, nur dass du's weißt!“ Und schon steht man mitten in Holland, in einem Garten mit viel Grünzeug und Gemüse rundherum. Neben der Natur wächst eine Art Gewächshaus in den Himmel, die gesamte Fensterreihe im Obergeschoß ist aufgeklappt, der Luftzug zu dieser Tages- und Jahreszeit ein durchaus gewollter und bis zum letzten Komma kalkulierter.

Denn „Prêt-à-Loger. Home with a Skin“, eine Art Sofortwohnangebot für Grüne und solche, die es werden wollen, ist ein von der ersten Skizze bis zur buchstäblichen Schlüsselübergabe konzipiertes Plusenergiehaus, das die Energie- und CO2-Bilanz in den niederländischen Reihenhaussiedlungen am Stadtrand in kürzester Zeit und bei ebenso knapper Kasse auf ein absolutes Minimum runterdrücken soll.

Thermisch sanierungsbedürftig

„In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Niederlanden einen regelrechten Häuslbauerboom“, sagt Dennis Ijsselstijn, seines Zeichens Student an der TU Delft und Projektleiter dieses löblichen, ressourcenschonenden Unterfangens. Er sitzt auf der Hollywoodschaukel und winkt kurz rüber nach Frankfurt, Nantes und Barcelona. „Heute sind wir damit konfrontiert, dass diese Häuser katastrophale energetische Werte haben und dringend nachgerüstet werden müssen.“

Rund 110.000 dieser thermisch sanierungsbedürftigen Habitate gibt es in den Niederlanden. „Prêt-à-Loger. Home with a Skin“ zeigt vor, was man mit dieser ungeliebten Bausubstanz machen kann. Zum Beispiel. Letzten Samstag wurde das rekordverdächtige, hässliche Ziegelentlein mit der drübergestülpten Glashaube beim internationalen Solar Decathlon Paris mit dem Grand Prize in Bronze ausgezeichnet.

Ort des Geschehens: Cité du Soleil, ein temporär aufgebautes Messegelände, nur wenige Schritte vom Schlosspark Versailles entfernt. Wo einst Sonnenkönig Ludwig XIV. geherrscht hatte, ging nun zum zehnten Mal der solare Zehnkampf über die Bühne. Es ist der größte Architektur- und Ingenieurswettbewerb dieser Art weltweit. Teilnahmeberechtigt sind Studentengruppen in Zusammenarbeit mit Forschungs- und Industrieunternehmen.

Energetisch berechnet

„Dritter Preis! Nicht schlecht, was?“ Ijsselstijn erklärt die Funktionsweise des gläsernen Bausatzes, der wie eine zweite Fassade um so gut wie jedes normale Backsteinhaus gewickelt werden kann. „Das Prinzip ist ganz einfach: Im Winter dient der Wintergarten als Pufferraum und Isolierung, im Sommer entsteht auf diese Weise ein erweitertes Wohnzimmer, das aufgrund von Querlüftung und thermischer Luftzirkulation das Haus mit kühler Luft umspült.“

Zudem ist die zum Teil offenbare Konstruktion mit Photovoltaik-Zellen verkleidet. Ein unter dem Wintergarten eingebauter, flach liegender Tank dient als Wasserspeicher. Eine Wärmerückgewinnungsanlage sorgt dafür, dass kaum ein Watt abhandenkommt. Jedes einzelne Detail dieses Hauses wurde nicht nur geplant, sondern auch energetisch berechnet. Unterm Strich - und davon kann man sich auch hierzulande ein Scheibchen abschneiden - produziert das Haus im Betrieb mehr Energie, als es verbraucht.

„Our Solar King“

„Das allererste Mal hat der Solar Decathlon vor zwölf Jahren in Washington, D.C., stattgefunden, und ich hätte mir niemals gedacht, dass dieser Wettbewerb eines Tages so hohe Wellen schlagen wird“, sagt Richard King, Gründer und Direktor des internationalen Wettkampfs um die Sonnenergie, der nächstes Jahr erstmals auch in Südamerika ausgefochten werden soll. „Doch am meisten freut mich, dass sich der Preis professionalisiert und so weit entwickelt hat, dass nun die erwachsenen, berufstätigen Architekten von den jungen, innovativen, zielstrebigen Studenten lernen können, und nicht umgekehrt.“

Diese respektvolle Geste wissen die rund 600 Studenten, die sich heuer am Solar Decathlon beteiligt haben, zu schätzen. Niemand von ihnen nennt den Prinzipal des 2002 ins Leben gerufenen Wettbewerbs bei seinem eigentlichen Namen. Alle spähen sie hinüber zu den geometrisch zurechtgezupften Bäumen im Schlossgarten des einstigen Sonnenkönigs und stimmen sodann im Chor an: „Richard, our Solar King!“

Nicht nur Architektur wird bewertet

Das größte Verdienst des Solar Decathlon: Nicht allein die Architektur wird bewertet, sondern auch die Wirtschaftlichkeit, bauliche Logistik und bauphysikalische Eigenschaft des Gebäudes. Überall stehen Messgeräte. Jeder einzelne Raum wird aufgezeichnet, und das rund um die Uhr: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt, Behaglichkeit, Raumklima bei Stromausfall, eine nicht enden wollende Liste. In der Zentrale werden die Datensätze ausgewertet. Sie bilden die Basis für den Preis, der in insgesamt zehn Unterkategorien vergeben wird. Daher auch der Name.

Aufbruch. Wir spazieren nach Nantes und Rom. Ein wenig erinnert die provisorische Cité du Soleil in Versailles an einen Kirtag, an ein Wiesenfest der Ingenieure. 20 Studententeams aus aller Welt, einige von ihnen sind interdisziplinär und auch transnational zusammengewürfelt, haben sich heuer beteiligt. Die Resultate der insgesamt zwei Jahre dauernden Planungs- und Bauphase beweisen, wie vielfältig das Thema Passivhaus und Plusenergiehaus sein kann.

Speicherfähige Masse

Nantes. Hier sind die Preisträger in Silber zu Hause. „Philéas. Atlantic Challenge“ nennt sich ihr Projekt. Und auch hier wieder reagieren die Studentinnen auf eine reale Situation, ja sogar auf ein bestehendes, sanierungsbedürftiges Industriegebäude im Loire-Hafen. Dem 1895 errichteten Stahlbetonklotz setzen sie eine gläserne Haube aufs Dach. Die transparente Hutpracht dient den darunterliegenden Wohnräumen als Wärmepuffer, aber auch als Agraroase inmitten der städtischen Betonwüste.

Rom. Das Projekt „Rhome for Dencity“ hat heuer den Grand Prize in Gold nach Italien getragen. Das in Zusammenarbeit mit Rubner Haus entwickelte Projekt, eine schlichte Holzkiste in Rot und Natur, wirkt zunächst unauffällig. Erst auf den zweiten Blick entfalten sich die Features: Die Photovoltaik-Paneele sind zugleich klappbarer Sonnenschutz. Die in Leichtbauweise errichteten Wände sind zugunsten eines ausgeglichenen Raumklimas mit Sandkanistern gefüllt, die die Rolle der speicherfähigen Masse übernehmen. Und überall Querlüftungsfenster, soweit das Auge reicht.

„Wie ein gut funktionierendes Haus aufgebaut sein soll, weiß in Italien jede Oma“, erklärt Nicola Moscheni, Student an der Universität Roma Tre. „Und eigentlich haben wir nichts erfunden, sondern nur das optimiert, was uns unsere Großmütter schon beigebracht haben.“ Dem watscheneinfachen Rezept kann man seinen Erfolg nicht abstreiten.
„Noch eine Vision“

„Für mich ist dieser Wettbewerb ein Statement für die Zukunft“, sagt Robert Schild, Habitat-Manager für Österreich und Deutschland bei Saint-Gobain. Der weltweit tätige Baustoffproduzent hat beim diesjährigen Decathlon tonnenweise Isoliermaterial, Baufolien und Putze beigesteuert. „Und ich verfolge mit Begeisterung, wie innovativ die Studenten die Materialien einsetzen. Da kann sich die gesamte Baubranche etwas abschauen.“

Das italienische Studententeam hält seine wohlverdiente Glastrophäe in die Höhe, „Und jetzt tragen wir alle unsere Ideen nach Hause, denn das Land, aus dem wir kommen, kann frische Impulse gut gebrauchen“, sagt eine der Studentinnen im Taumel des Siegs. „Noch ist der Solar Decathlon eine Vision“, sagt Sonnenkönig Richard King. „Doch ich wünsche mir, dass der Preis eines Tages nicht mehr ein Blick in die Zukunft, sondern eine Zwischenbilanz über die Gegenwart sein wird.“

5. Juli 2014 Der Standard

Wenn die Kunst im Kreis verkehrt

Meist ist es bepflanzt, oft sogar ganz grausam bekunstet. Doch bei näherer Betrachtung bietet das kreisrunde, der Landschaft abgerungene Restgrundstück Potenzial für Nachdenken, Bauen und Wohnen.

Weintrauben, Weingläser, Birnenfiguren, korinthische Säulen, Kampfflugzeuge, Kühe, Krüge, Rosenbögen und allerlei angewandte Floristik: Das ist das zermürbende Bild der rund 260 Kreisverkehre im Land Niederösterreich, das damit - und zwar mit großem Vorsprung - bundesweiter Spitzenreiter des dauerlinks eingeschlagenen Lenkrads ist. „Jedoch ist der Kreisverkehr“, schreiben die beiden Kulturtheoretiker Marc Ries und Bernhard Keller in ihrem gleichnamigen Essay, „nicht nur ein verkehrstechnisches Arrangement, er ist auch eine Gestalt, ein Körper in der Landschaft.“

Und zwar einer, der niemals leer bleiben darf, der immer gestaltet und mit Kunst oder ähnlichen, dazu ernannten Stücken zu bestücken gehört. „In den meisten Fällen“, erklärt Katharina Blaas-Pratscher, Leiterin der Abteilung Kunst im öffentlichen Raum (KÖR) der Niederösterreichischen Landesregierung, „verwenden die Gemeinden den Kreisverkehr als Werbetafel und Marketinginstrument. Und manchmal darf sich auch der eine oder andere, ortsansässige Künstler darin austoben. Doch die künstlerische Qualität lässt bisweilen zu wünschen übrig.“

Um diesen Zustand zu ändern, fordert und fördert Blaas-Pratscher mit einer für drei Jahre einberufenen Jury - nicht nur, aber auch - musische Impulse für ausgerechnet jene kreisrunden Restgrundstücke, die der zunehmende Automobilverkehr der Landschaft und zu Fuß gehenden Menschheit ringsum abgerungen hat. Kunst im Kreisel, das ist vor allem auch eine Kunst der Dynamik und Distanz.

Zirkulare Ehrenrunden

Donnerstag, acht Uhr morgens. Der Pendler- und Güterverkehr hat Rush Hour. Auch hier, am erst kürzlich eröffneten und eingeweihten Kreisverkehr an der Autobahn-Ausfahrt Leobendorf bei Wien. Und trotz allmorgendlicher Hektik passiert es zu dieser Tageszeit nicht wenige Male, dass ein Autofahrer, anstatt den Ausfahrtsblinker zu betätigen, im Kreise bleibt und zugunsten der Kunstrezeption eine, manchmal sogar zwei zirkulare Ehrenrunden dreht. Das dazu anspornende Motiv, eine Skulptur der costa-ricanischen Künstlerin Priscilla Monge, hört auf den Namen The House.

„Ich war hier einige Male zu Besuch, und mich hat fasziniert, wie viele Leute rund um Wien das traditionelle, auf den ersten Blick offen erscheinende, letztendlich aber abweisende, verschlossene Wohnmodell Haus mit Garten für sich in Anspruch nehmen“, sagt Monge. „Und das trotz eines sehr großen Nationen- und Migrantenspektrums. Mich hat das fasziniert, in gewisser Weise auch irritiert.“

Die Verstörtheit an der österreichischen Raumplanung und Besiedelungspolitik ist mehr als offensichtlich. The House ist kein hübsches und auch kein konformistisches Domizil, sondern ein windschiefes Etwas, das einerseits an die expressionistischen Filme der 1920er-Jahre, andererseits an Alfred Hitchcocks Psycho-Haus hoch oben auf der Hügelkuppe erinnert. Die beiden in die Faserzementfassade eingravierten Worte unterstreichen die nicht ganz eindeutig zuordenbare Beziehung zum trauten Heim: „Heimlich“ prangt es auf der morgens beschienenen Fassade, „Unheimlich“ hingegen beansprucht die Schattenseite für sich.

Während das Haus im Kreisverkehr hierzulande eine unzugängliche künstlerische Botschaft für die schnell Vorbeifahrenden ist, wird es andernorts als genau das genutzt: als abgeschiedene, vom Umraum abgeschnittene Wohninsel für Obdachlose. „Ich habe einige Monate in Brasilien verbracht“, erzählt Leo Schatzl, der sich ebenfalls schon im Kreise gedreht hat. Im niederösterreichischen Zwiebeldorf Unterstinkenbrunn baute er in den Kreisverkehr sein fast sieben Meter hohes, leuchtendes Großes Zwiebelchen (2007, siehe Foto). „Und wenn man die Potenziale eines Kreisverkehrs zwischen hier und dort miteinander vergleicht, dann kommt man unweigerlich ins Grübeln.“

Gemeinsam mit seinen Studenten auf der Kunstuniversität Linz startete er vor einigen Jahren das Projekt Island Hopping, indem er die Kreisverkehre Österreichs zu einem artifiziellen Inselstaat von schützenden Landflecken inmitten des rauschenden Verkehrsstroms ernannte und mit seinen Studiosi sodann von Insel zu Insel hüpfte. „Kreisverkehre sind Inseln, die zu gewissen Inselträumen anregen können“, so Schatzl. „Bloß sind diese Flächen meist ausgeblendet und vergessen.“

Was man auf so einer Insel alles machen kann und machen könnte, beweist Ulrike Lienbacher mit ihrem Kreisverkehr, so der Titel der Arbeit, in Gänserndorf (2010, siehe Foto). Die Künstlerin bleibt der Fortbewegung treu und installiert auf der nur sieben Meter großen Insel eine Sportanlage mit vier nicht besonders langen und wohl auch nicht besonders leicht zu bestreitenden Laufbahnen. Die Ironie rennt mit.

Schon absurd

„Im Kreis zu laufen und nicht rauszukönnen, das hat schon etwas Absurdes“, meint Lienbacher im Gespräch mit dem STANDARD und verweist dabei auf den leistungsorientierten Wettkampf, dem wir in unserem täglichen Leben ausgesetzt sind. „Und in gewisser Weise ist der Kreisverkehr ja auch eine Laufbahn - zwar nicht für Karrieren und auch nicht für Sportler, aber für Autos.“

Und in Hainburg steht inmitten des Kreisverkehrs auf der B9 ein Grüppchen von Menschen. Die fünf Damen und Herren, die sich hier Ende 2013 zur Baubesprechung (Foto) eingefunden haben, sind eine Art verstecktes Denkmal für den niederösterreichischen Altlandeshauptmann Andreas Maurer, der für den Bau der Hainburger Donaubrücke verantwortlich zeichnet und nicht selten, mehr oder weniger genau hier, mit Ordnern und Planunterlagen gestanden sein soll.

Die Darstellung des Grüppchens im Maßstab 1:1, für das neben Maurer vier Hainburger Pate standen, wirkt so realistisch, dass Autofahrer immer wieder irritiert sind und nochmals eine Runde drehen, um den geheimnisvollen Gestalten im Kreise auf den Grund zu gehen. Damit ist den beiden Künstlern Hubert Lobnig und Iris Andraschek das gelungen, wovon die Verkehrsplanung so oft schwärmt.

„Man würde annehmen, dass ein Kunstwerk im Kreisverkehr von der Konzentration aufs Autofahren ablenkt“, erklärt der Wiener Verkehrsplaner Werner Rosinak. „Doch das Gegenteil ist der Fall. Untersuchungen haben ergeben, dass ein Irritationsmoment entlang der Straße die Geschwindigkeit reduzieren kann und dass die Autofahrer langsamer in einen Kreisverkehr einfahren, wenn die Sicht auf das Gegenüber verstellt ist.“ Zum Beispiel durch eine Zwiebel, zum Beispiel durch ein Haus.

Wie schreiben Marc Ries und Bernhard Keller über den Autofahrer? „Vielleicht empfindet er ein gewisses Unbehagen angesichts der mehr oder weniger einfallsreichen Ausgestaltung des inneren Kreises, jenes toten Gebietes, das er umfährt. Trotz aller Irritation wird er, wenn er den Kreis endlich verlässt, zufrieden darüber sein, dass er nur bremsen und nicht wie an einer Kreuzung anhalten musste.“

5. Juli 2014 Der Standard

Zur Untermiete im Teilzeitsommerhaus

Timesharing hat viel Unglück über die Immobilienwelt gebracht. Doch nun mehren sich auch hierzulande die Projekte, bei denen man sich ins Ferienhaus nicht wochenweise einkauft, sondern einmietet - in Weiden am See etwa, wo vor kurzem ein Projekt fertiggestellt wurde.

Babou hat einen alles andere als einfachen Job. Der von Isabelle Huppert gespielte, arbeitslose Paradiesvogel steigt in Paris ins Auto und landet, von chronischer Geldnot getrieben, im belgischen Oostende, um dort, ausgerechnet dort, Timesharing-Apartments zu verkaufen. Was in Urlaubsländern wie Spanien eine Zeitlang hoch im Kurs war, entpuppt sich an der kalten Nordseeküste als schweres, fast aussichtsloses Unterfangen. Umso dramatischer klingt in diesem Zusammenhang der Filmtitel des 2010 erschienenen Melodrams: Copacabana.

Abseits der Cinematografie jedoch ist Timesharing ein Stichwort, das in den letzten Jahren immer seltener auftaucht. Nach der Immobilienkrise in Spanien, die dieses Modell der auf mehrere Eigentümer verteilten Ferienwohnung überhaupt erst gebar und einigermaßen marktfähig machte, sind Timesharing-Immobilien fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. Das Stigma des unseriösen, bisweilen aggressiven Geschäfts hängt dem Teilzeiteigentum bis heute nach.

„Die Projekte, die es in der Vergangenheit gegeben hat, sind fast alle baden gegangen“, sagt Stefan Eder von der Rechtsanwaltskanzlei Benn Ibler. „Soviel ich weiß, gibt es in Südeuropa, vor allem in Spanien, und hier mit Fokus auf Mallorca, sowie in den USA in Florida noch vereinzelte Timesharing-Immobilienprojekte. Aber der Trend ist eindeutig vorbei. Der Konsument ist vorsichtiger und kritischer geworden.“

Auch die wenigen Versuche, Teilzeiteigentum in Österreich zu etablieren, sind längst Geschichte. Als Beispiel nennt Eder ein Timesharing-Wohnhaus, das ein britischer Betreiber vor einigen Jahren in Schladming vermarkten wollte. Schwarze Zahlen waren nicht in Sicht. „Doch dafür hat sich anstelle des Miteigentums in Europa ein etwas gemäßigteres Modell entwickelt, das man eher als Timesharing-Miete oder Timesharing-Leasing bezeichnen könnte“, so Eder.

Der Vorteil daran: „Man ist nicht mehr finanziell auf viele Jahrzehnte gebunden und kann wie bei einem Mietvertrag jederzeit aussteigen“, erklärt Jutta Repl von der Wiener Arbeiterkammer, zuständig für Konsumentenschutz im Bereich Reise, auf Anfrage des STANDARD und empfiehlt, eine Online-Tauschplattform einzurichten, wo die Mieterinnen und Mieter auf unkomplizierte Weise Mietzeitfenster tauschen können.

„Anders als beim Timesharing-Eigentum, wo in den letzten Jahren viele Fälle zur Bearbeitung im Europäischen Verbraucherzentrum (VBZ) gelandet sind, weil es kaum möglich war, aus einem bestehenden Vertrag auszusteigen, ist man bei der Timesharing-Miete viel flexibler.“ Und das bei weitaus geringeren Geldsummen. Der tatsächliche Unterschied zum Miteigentum - bei dem aufgrund fehlender Parifizierung, wie Anwälte warnen, einem das Objekt ohnehin niemals gehören wird - ist gering.

Projekt am Neusiedler See

Eines dieser neuen Miet-Timesharing-Modelle, die in Österreich allmählich das Licht der Welt erblicken, befindet sich in Weiden am See. Unter dem Titel „We share our home“ haben die beiden Kreativwirtschafter Albert Handler und Ulrike Tschabitzer-Handler unter der Adresse Markt 67 erst kürzlich ein Haus fertiggestellt, das sie in Form von Timesharing an gleichgesinnte Interessenten weitervermieten wollen. Vor wenigen Tagen hat die Vermarktung begonnen.

„Wir hatten schon längere Zeit nach einem Zweitwohnsitz am Neusiedler See gesucht und sind dann auf dieses Grundstück im historischen Ortskern gestoßen“, erzählt Tschabitzer-Handler. „Ursprünglich wollten wir das Haus sanieren und innen etwas modernisieren. Doch als uns dann mitten im Bau die Außenmauer zusammengefallen ist, war klar, dass wir neu bauen müssen.“

Das Resultat dieser neuen, von Architektin Claudia Cavallar entwickelten Strategie ist ein 70 Quadratmeter großes Häuschen in Ziegelbauweise, das sich so unauffällig in den Ortsbestand duckt, als wäre es immer schon dagewesen. Innen gibt es unterschiedliche Zimmer und Zonen in Holzbauweise, die Platz für bis zu vier Personen bieten. Bestückt ist das Ganze mit Vintage-Möbeln vom Flohmarkt. Alles sehr loftig.

„Wir sind mit unserem Haus sehr zufrieden, doch Tatsache ist, dass man so ein Haus als Eigentümerin nur wenige Wochen und Wochenenden im Jahr nutzen kann“, so Tschabitzer-Handler. „So ist die Idee entstanden, das Haus in all den anderen Wochen geblockt an Interessenten weiterzuvermieten.“ Konkret: Für einen jährlichen Beitrag in der Höhe von 4000 Euro kann man sich für insgesamt acht Wochen einmieten, aufgeteilt auf mehrere Zeitfenster in unterschiedlichen Saisonen.

„So ein Modell ist zwar nicht neu, aber doch interessant“, sagt Rechtsanwalt Nikolaus Vasak. „Auf jeden Fall schlage ich für beide Parteien, also für Mieter und Vermieter vor, einen Mietvertrag aufzusetzen, um mögliche Unklarheiten zu klären.“ Der Grund: Laut Mietrechtsgesetz (MRG) sind „Wohnungen oder Wohnräume, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung gemietet werden“ (Paragraf 1, Absatz 2) vom bundesweiten MRG ausgenommen. Hier gilt es, eine individuell abgestimmte Vereinbarung bezüglich Pflichten und Rechte zu treffen.

Und Oliver Koch, auf Immobilienrecht spezialisierter Anwalt, erklärt: „Gegen Timesharing auf Mietbasis ist nichts einzuwenden. Ich empfehle lediglich, im Mietvertrag gewisse Aspekte wie Instandhaltung und Umgang mit Sachbeschädigung abzuklären, und zwar unabhängig davon, ob man sich für eine Woche oder für ein halbes Jahr einmietet. Auf diese Weise kann man einem etwaigen Streit vorbeugen.“

Ein Haus mit Eigenleben

Das sei kein Problem, meint Markt-67-Vermieterin Ulrike Tschabitzer-Handler. Es sei vertraglich alles ganz genau festgelegt. „Wir sind und bleiben die Eigentümer des Objekts, es gibt eine Haushaltsversicherung, und sollte jemand ein Häferl zerschlagen, so werden wir ihn bitten, am Flohmarkt einen passenden Ersatz zu besorgen. Auf diese Weise wird das Haus ein gewisses, von uns nicht immer beeinflussbares Eigenleben entwickeln.“

Timesharing hat sich von Eigentum auf Miete verlagert. Die unguten Methoden des Konsumenten-um-den-Finger-Wickelns, die Babou noch anwenden musste, um zu einem positiven Abschluss zu kommen, sind vorbei. ?

p www.markt67.at

Publikationen

2024

Wien Museum Neu

Der Band ist eine visuelle und essayistische Reflexion über ein bedeutendes Kultur-Bauprojekt an einem der zentralen Orte Wiens in unmittelbarer Nachbarschaft zu Karlskirche, Künstlerhaus und Musikverein.
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2022

mittendrin und rundherum
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Seit über 20 Jahren ist nonconform in Deutschland und Österreich in der räumlichen Transformation tätig. Architektur ist für das interdisziplinäre Kollektiv nie bloß ein fertiges, fotogenes Resultat, sondern immer auch ein lustvoller, horizonterweiternder Prozess, in den die Bürger:innen einer Gemeinde,
Hrsg: Wojciech Czaja, Barbara Feller
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2022

Brick 22
Ausgezeichnete internationale Ziegelarchitektur

Vom handgemachten Ziegelstein zum hoch entwickelten modernen Produkt: Das Bauen mit gebrannten Tonblöcken schöpft heute aus einem Erbe von neun Jahrtausenden Baugeschichte und dank ihrer vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, ihrer konstruktiven Qualitäten und ihrer Nachhaltigkeit sind Ziegel bis heute
Hrsg: Wienerberger AG
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Wie weiblich ist die Stadt von morgen? Im Jahr 2030 werden weltweit 2,5 Milliarden Frauen in Städten leben und arbeiten. Traditionell war die Arbeit am Lebenskonzept Polis in ihrer Beauftragung, Planung und Ausführung jedoch männlich dominiert. Frauen Bauen Stadt porträtiert 18 Städtebauerinnen aus
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Almost
100 Städte in Wien

Was macht ein Reisender, wenn er nicht reisen kann? Er reist trotzdem. Wojciech Czaja setzte sich im Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 aus Frust auf die Vespa und begann, seine Heimatstadt Wien zu erkunden. Er fuhr in versteckte Gassen, unbekannte Grätzel und fernab liegende Adressen am Rande der Stadt
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Jede Stadt ist anders. Jede Stadt hat ihren eigenen Charakter, aber auch ihre ganz eigenen Geschichten. Der vielreisende Stadtliebhaber Wojciech Czaja widmet sich in seinem Buch Hektopolis genau diesen ortsspezifischen, feinstofflichen Beobachtungen, Erlebnissen und Anekdoten. Porträtiert werden hundert
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Die neue ÖAMTC-Zentrale in Wien

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2012

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20 residential buildings by Albert Wimmer

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Autor: Wojciech Czaja
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Autor: Wojciech Czaja, Michael Hausenblas
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2007

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2007

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Vor zehn Jahren haben Andreas und Gerda Gerner mit einem Einfamilienhaus begonnen: „Für ein erstes Projekt ist das Haus Hinterberger sehr unkonventionell. Wir haben uns permanent gefragt: Trauen wir uns das? Seitdem hat man sich oft aus dem Fenster gelehnt“ Entstanden ist das schwebende Haus Südsee in
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Wir spielen Architektur
Verständnis und Missverständnis von Kinderfreundlichkeit

Was ist eigentlich ein Kind? Der Jurist wird uns darauf eine andere Antwort geben als der Soziologe, der Pädagoge eine andere als der Philosoph. Und der Architekt? Wird er schweigen und weiterbauen?
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