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Loggien vor Parklandschaft
Geschosswohnungsbau am Hertweiher in Uster (CH
Wohnen im Park: das ist, kurz gesagt, das Konzept der Reaktivierung eines ehemaligen Industrieareals in Uster, westlich von Zürich. Und so sind auch die Außenräume das entwurfsbestimmende Thema beim Wohn- bau von Morger + Dettli – sämtliche Wohnungen besitzen Loggien zu beiden Seiten. Sie bilden eine ondulierende Schicht, die das gesamte Gebäude umhüllt und es mit der umgebenden Natur verzahnt.
1. September 2014 - Hubertus Adam
Uster, 20 km westlich von Zürich gelegen, erlebte im 19. Jahrhundert einen boomartigen Aufschwung. Das Zürcher Oberland verwandelte sich in eine der am stärksten industrialisierten Regionen Europas. Der schon im Mittelalter genutzte Aabach, der Pfäffiker- und Greifensee verbindet, trieb die Maschinerie der Baumwollspinnereien an und avancierte im Volksmund zum »Millionenbach«. In Niederuster errichtete der Unternehmer Heinrich Kunz 1825 die erste Großspinnerei, die durch ein Kanalsystem und drei Teiche mit Wasserkraft versorgt wurde. Die erste industrielle Phase endete allerdings bereits 1912 mit dem Verkauf des Spinnereiunternehmens. 1925 übernahm die Zellweger AG das historische Werksareal. Textilmaschinen und elektrotechnische Apparaturen, v. a. Telefone, wurden nun in Uster gefertigt, und Roland Rohn, Nachfolger Salvisbergs und der wohl wichtigste Schweizer Industriearchitekt seiner Zeit, errichtete das Verwaltungsgebäude, dem ein eleganter oktogonaler, wie ein Pfahlbau im See stehender Ausstellungspavillon vorgelagert ist. 1993 fusionierte die Zellweger AG mit der auf Lüftungs- und Klimatechnik spezialisierten Zellweger Luwa AG, die zehn Jahre später aufgelöst wurde. Durch ein Management Buyout entstand das Unternehmen Uster Technologies. Dieses ist spezialisiert auf Messtechniken zur Qualitätssicherung in der Textilindustrie, die am alten Standort in Uster produziert werden. Mit der Umstrukturierung 2003 fiel auch die Entscheidung, das dem Produktionsareal benachbarte parkartige Gelände mit seinen Kanälen und Teichen sowie dem Verwaltungsgebäude von Roland Rohn aus dem Produktionsstandort auszugliedern und zu einem Wohnstandort zu entwickeln. Das bislang unzugängliche Areal wurde damit öffentlich; die postindustrielle Transformation begann.
Integration in den Park
Die Sensiblität, mit welcher der landschaftliche und architektonische Bestand bewahrt und durch neue Elemente ergänzt wurde, ist in erster Linie der Unternehmerfamilie Bechtler zu verdanken, den früheren Eigentümern der Luwa. Basis für die Umwandlung des Zellweger Parks bildet ein 2005 von EM2N erarbeiteter Gestaltungsplan. Dieser definiert einzelne Baufelder innerhalb des parkartigen, von den Landschaftsarchitekten Schweingruber Zulauf zurückhaltend ergänzten Ambientes. Die Gebäude von Gigon/Guyer und Morger Dettli konnten schon bezogen werden, während sich ein Haus mit Mietwohnungen von Herzog & de Meuron derzeit noch im Bau befindet.
Ondulierende Gebäudehülle
Das 2013 fertiggestellte Wohngebäude von Morger Dettli hat den prominentesten Standort auf dem Areal, denn es steht direkt an der Westseite des Herterweihers und damit vis-à-vis zum historischen Verwaltungsgebäude von Roland Rohn. Mit diesem hat es nicht nur seine Nord-Süd-Ausrichtung gemein, sondern auch die Idee eines hinter Stützen zurückgesetzten EGs. Weiß gestrichen, bilden die Eingangszonen der Häuser samt Serviceräumen vier polygonale Inseln, sodass die Blickbeziehung zur umgebenden Landschaft gewahrt bleibt. Im Gespräch erklärt Meinrad Morger, dass die Verbindung der gedeckten Zonen im EG mit den daran anschließenden Freiraumflächen am Weiher mit ihren Stegen, Grünraumnischen, Uferzonen und Spielplätzen ihr zentrales Anliegen war. Überhaupt haben die Architekten alles getan, um das aus vier zu einem Riegel verbundenen Häusern bestehende Volumen mit seinen sechs Wohngeschossen über Tiefgarage und Eingangszone möglichst behutsam und landschaftsverträglich in die parkartige Umgebung einzubetten. Anzuführen ist nicht nur der Versprung der einzelnen Wohnungen, der zu der charakteristischen Zackenstruktur im Grundriss führt, sondern auch die Umhüllung des Gesamtvolumens mit Loggien, die mit einem dunklen staketenartigen Stabwerk von Brüstungsgeländern versehen sind. Diese laufen um das gesamte Gebäude herum und bilden seine Hülle.
Besitzt das lang gestreckte Gebäude im Kern eine orthogonale Struktur der Grundrissorganisation, so wird die Kontur durch die umhüllten Außenräume weicher und fließender, ohne sich jedoch dem Mimikri eines organischen, natürliche Formen imitierenden Architekturverständnisses zu befleißigen. Der Rhythmus der Fassade gliedert das horizontal gegliederte Gebäude vertikal und lässt vage Assoziationen zu den Baumgruppen in der unmittelbaren Umgebung entstehen. Über dem offenen EG verleihen die Brüstungsgeländer dem Gebäude einen dunklen Ausdruck, der es mit der Vegetation verbindet und nicht grell herausstechen lässt. Frontal erlauben die schmalen Stäbe der Staketen den Durchblick, in der Schrägsicht verbinden sie sich zu wandartigen Strukturen.
Insgesamt birgt der Bau 51 zweiseitig orientierte Eigentumswohnungen mit 3,5 bis 5,5 Zimmern – von den größeren sind drei als Maisonetten ausgebildet –, wobei die Kernzonen zwischen 109 und 163 m² umfassen. Je 18 Einheiten sind als 3,5-Zimmer-Wohnungen mit 109 m² und 4,5-Zimmer-Wohnungen mit 128 m² ausgebildet. Zusätzlich besitzt jede Wohnung Loggien von unterschiedlichen Geometrien. Die eine misst jeweils 13 m², die andere variiert je nach Lage und Größe der Wohnung zwischen 7 und 12 m². Durch den Versprung der Geometrien werden prinzipiell Ausblicke in alle Richtungen ermöglicht, darüber hinaus dienen die einspringenden Ecken auch dem Windschutz für den gedeckten Außenraum, der als Fortsetzung der Gemeinschaftsbereiche (Kochen, Essen, Wohnen), z. T. auch der individuellen Schlafräume konzipiert ist. So ergeben sich großartige Ausblicke: zur einen Seite hin auf den Herterweiher und den Zellweger Park, zur anderen auf Greifensee, Forch und Pfannenstiel. Die auskragenden Balkone bestehen aus Betonplatten, die ein Gefälle nach außen aufweisen und mit punktuellen Bodenabläufen sowie Notüberläufen versehen sind. Holzroste dienen dem barrierefreien Übergang nach draußen.
In der Peripherie von Zürich
Das Wohnen in einem Park, und das in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum, ist das primäre Qualitätsmerkmal der Wohnbauten. Uster, mit gut 30 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Kantons Zürich, hat seine Bewohnerzahl seit 1970 um die Hälfte vergrößern können. Wesentlich dazu beigetragen hat die Einrichtung der Zürcher S-Bahn, durch welche die Vorortgemeinden binnen weniger Minuten vom Stadtzentrum aus erreichbar sind. Der Zellweger Park zählt zu den bemerkenswerten neuen Wohnprojekten – nicht zuletzt wegen seiner gelungenen Verzahnung von Architektur, Natur, Kunst und Relikten der für das Zürcher Oberland prägenden Industriegeschichte.
Integration in den Park
Die Sensiblität, mit welcher der landschaftliche und architektonische Bestand bewahrt und durch neue Elemente ergänzt wurde, ist in erster Linie der Unternehmerfamilie Bechtler zu verdanken, den früheren Eigentümern der Luwa. Basis für die Umwandlung des Zellweger Parks bildet ein 2005 von EM2N erarbeiteter Gestaltungsplan. Dieser definiert einzelne Baufelder innerhalb des parkartigen, von den Landschaftsarchitekten Schweingruber Zulauf zurückhaltend ergänzten Ambientes. Die Gebäude von Gigon/Guyer und Morger Dettli konnten schon bezogen werden, während sich ein Haus mit Mietwohnungen von Herzog & de Meuron derzeit noch im Bau befindet.
Ondulierende Gebäudehülle
Das 2013 fertiggestellte Wohngebäude von Morger Dettli hat den prominentesten Standort auf dem Areal, denn es steht direkt an der Westseite des Herterweihers und damit vis-à-vis zum historischen Verwaltungsgebäude von Roland Rohn. Mit diesem hat es nicht nur seine Nord-Süd-Ausrichtung gemein, sondern auch die Idee eines hinter Stützen zurückgesetzten EGs. Weiß gestrichen, bilden die Eingangszonen der Häuser samt Serviceräumen vier polygonale Inseln, sodass die Blickbeziehung zur umgebenden Landschaft gewahrt bleibt. Im Gespräch erklärt Meinrad Morger, dass die Verbindung der gedeckten Zonen im EG mit den daran anschließenden Freiraumflächen am Weiher mit ihren Stegen, Grünraumnischen, Uferzonen und Spielplätzen ihr zentrales Anliegen war. Überhaupt haben die Architekten alles getan, um das aus vier zu einem Riegel verbundenen Häusern bestehende Volumen mit seinen sechs Wohngeschossen über Tiefgarage und Eingangszone möglichst behutsam und landschaftsverträglich in die parkartige Umgebung einzubetten. Anzuführen ist nicht nur der Versprung der einzelnen Wohnungen, der zu der charakteristischen Zackenstruktur im Grundriss führt, sondern auch die Umhüllung des Gesamtvolumens mit Loggien, die mit einem dunklen staketenartigen Stabwerk von Brüstungsgeländern versehen sind. Diese laufen um das gesamte Gebäude herum und bilden seine Hülle.
Besitzt das lang gestreckte Gebäude im Kern eine orthogonale Struktur der Grundrissorganisation, so wird die Kontur durch die umhüllten Außenräume weicher und fließender, ohne sich jedoch dem Mimikri eines organischen, natürliche Formen imitierenden Architekturverständnisses zu befleißigen. Der Rhythmus der Fassade gliedert das horizontal gegliederte Gebäude vertikal und lässt vage Assoziationen zu den Baumgruppen in der unmittelbaren Umgebung entstehen. Über dem offenen EG verleihen die Brüstungsgeländer dem Gebäude einen dunklen Ausdruck, der es mit der Vegetation verbindet und nicht grell herausstechen lässt. Frontal erlauben die schmalen Stäbe der Staketen den Durchblick, in der Schrägsicht verbinden sie sich zu wandartigen Strukturen.
Insgesamt birgt der Bau 51 zweiseitig orientierte Eigentumswohnungen mit 3,5 bis 5,5 Zimmern – von den größeren sind drei als Maisonetten ausgebildet –, wobei die Kernzonen zwischen 109 und 163 m² umfassen. Je 18 Einheiten sind als 3,5-Zimmer-Wohnungen mit 109 m² und 4,5-Zimmer-Wohnungen mit 128 m² ausgebildet. Zusätzlich besitzt jede Wohnung Loggien von unterschiedlichen Geometrien. Die eine misst jeweils 13 m², die andere variiert je nach Lage und Größe der Wohnung zwischen 7 und 12 m². Durch den Versprung der Geometrien werden prinzipiell Ausblicke in alle Richtungen ermöglicht, darüber hinaus dienen die einspringenden Ecken auch dem Windschutz für den gedeckten Außenraum, der als Fortsetzung der Gemeinschaftsbereiche (Kochen, Essen, Wohnen), z. T. auch der individuellen Schlafräume konzipiert ist. So ergeben sich großartige Ausblicke: zur einen Seite hin auf den Herterweiher und den Zellweger Park, zur anderen auf Greifensee, Forch und Pfannenstiel. Die auskragenden Balkone bestehen aus Betonplatten, die ein Gefälle nach außen aufweisen und mit punktuellen Bodenabläufen sowie Notüberläufen versehen sind. Holzroste dienen dem barrierefreien Übergang nach draußen.
In der Peripherie von Zürich
Das Wohnen in einem Park, und das in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum, ist das primäre Qualitätsmerkmal der Wohnbauten. Uster, mit gut 30 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Kantons Zürich, hat seine Bewohnerzahl seit 1970 um die Hälfte vergrößern können. Wesentlich dazu beigetragen hat die Einrichtung der Zürcher S-Bahn, durch welche die Vorortgemeinden binnen weniger Minuten vom Stadtzentrum aus erreichbar sind. Der Zellweger Park zählt zu den bemerkenswerten neuen Wohnprojekten – nicht zuletzt wegen seiner gelungenen Verzahnung von Architektur, Natur, Kunst und Relikten der für das Zürcher Oberland prägenden Industriegeschichte.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel