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Landschaft mit Ruhequalität
Das Gebiet Belchen-Passwang gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN. Im Zentrum seiner Aufwertung steht die Frage, wie Wert und Charakter des Gebiets für künftige Nutzungsansprüche und Potenziale zu seiner Entwicklung erhalten werden können.
14. September 2014 - Joachim Wartner, Raphael Aeberhard
«Die Ruhe und teilweise Abgeschiedenheit erhalten», lautet eines der Schutzziele für das BLN-Gebiet Belchen-Passwang. Dabei geht es um die visuelle ebenso wie um die auditive Ruhe. Zugrunde liegt die Vorstellung einer unberührten, nicht zerschnittenen Landschaft, die weitgehend frei ist von Siedlungsstrukturen und technischen Lärmquellen. Ist die Ruhe einer Landschaft als identitätsstiftendes Qualitätsmerkmal ein mess- und darstellbarer Faktor für eine grossmassstäbliche Landschaftsentwicklung? Wie kann diese Qualität für Aufgabenstellungen der Landschaftsplanung adäquat abgebildet werden? Mit diesen Fragestellungen setzten wir uns im Teilprojekt «Raumkonzept Landschaft» auseinander. Vor dem Hintergrund der diversen Schutz- und Erhaltungsziele sollte das Konzept eine räumlich differenzierte Aussage zu landschaftsverträglichen Entwicklungen treffen.
Räumliche Einheiten
Das Amt für Raumplanung des Kantons Basel-Landschaft stellte zur Bewertung der Ruhequalitäten zwei GIS-Datensätze zur Verfügung. Im Grundlagendatensatz waren bereits alle Strassenklassen und Gebäudetypen als störende zivilisatorische Elemente markiert und herausgefiltert. Wir betrachteten das Modell differenzierter und überprüften es mit Luftbildern sowie anhand der Gebäudetypen. So fügten wir zum Beispiel Feldscheunen und Bienenhäuschen ebenso wie die wenig befahrenen Rückegassen, Feld-, Wald-, Velo- und Fusswege (Strassenklassen 5 und 6) als nicht-störende Elemente dem Datensatz wieder hinzu.
Für ein schlüssiges und flächendeckendes Raumkonzept bildeten wir räumliche Einheiten. Dabei berücksichtigten wir neben landschaftlichen Kriterien die aus einer Landschaftsbewertung hervorgegangenen Qualitätsmerkmale. Für jede Einheit schlugen wir eine anzustrebende räumliche Entwicklung vor. Insgesamt erarbeiteten wir sechs Vorranggebietstypen, beispielsweise «Natur-» oder «Meditations-Landschaft», welche auf die jeweiligen Nutzungspotenziale und Ausprägungen der BLN-typischen Schutzgüter Bezug nehmen.
Wertgebender Aspekt Ruhe
Das Vorranggebiet «Natur-Landschaft» im Bereich des Bogentals zeichnet sich durch eine hohe Ruhequalität aus. Es glänzt durch die beinahe vollständige Abwesenheit zivilisatorischer Einflüsse, was der Zielvorstellung der auditiven Ruhe ohne weiteres Zutun in hohem Masse entspricht. In dem heterogenen Muster von Wald und offenem Weideland kann einzig durch den eindringlichen, fernen Klang der Kuhglocken ein Bezug zum Menschen hergestellt werden.
Schwieriger sieht die Situation für den Aspekt der visuellen Ruhe aus: In den letzten 100 Jahren geriet das räumliche Muster der Wald-Offenlandverteilung durch eine signifikante Waldzunahme arg unter Druck. In den Schutzzielen des Bundes für das BLN-Gebiet heisst es, dass dieses charakteristische, kleinräumige Mosaik erhalten werden soll. Unser Raumkonzept schlägt vor, dass in Teilgebieten, welche nur mit viel Mühe offengehalten werden können, eine Fortsetzung der Verwaldung zugelassen werden kann.
Damit werden die weiteren BLN-Schutzziele für das Gesamtgebiet nicht infrage gestellt. Im Gegenteil, es können finanzielle Mittel verstärkt dort eingesetzt werden, wo das Wald-Offenland-Mosaik noch weitgehend dem Referenzzustand der historischen Kulturlandschaft entspricht. Diese Strategie unterstützt auch das Ziel der visuellen Ruhe, da sich kleinteilige Nutzungsmuster als Spuren menschlicher Präsenz zunehmend auflösen werden.
Das Vorranggebiet «Meditations-Landschaft» definiert sich durch Grosszügigkeit mit introvertiertem Charakter bei gleichzeitig starker kleinräumlicher Differenzierung und hoher visueller wie auditiver Ruhe. «Meditations-Landschaften» sind bislang unbewusst gestaltete Teilräume der Kulturlandschaft, die sich durch raumbildende Gehölzgruppen, geschwungene Wegeführungen und staffagenartige kleine Bauwerke auszeichnen und im Sinne der Gestaltungsintension des Englischen Landschaftsparks weiterentwickeln lassen. Die vorhandenen landschaftlichen Potenziale sollen ausgeschöpft und die Landschafts- und Erholungsqualität in einer integralen Planung erhöht werden. So soll diese idyllisch-arkadische Landschaft durch kontemplative Erholungsformen zur Entschleunigung und damit zur Wohlfahrt der Bevölkerung beitragen.
In Zukunft
Die Entwicklungstendenzen und -szenarien für die Vorranggebiete definierten wir als Leitbilder zur räumlichen Entwicklung für die nächsten 30 Jahre. Heute haben wir die Chance, das BLN-Gebiet mit einer progressiven Landschaftsentwicklung aufzuwerten und damit auch eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Die heutigen reinen Schutz- und Erhaltungsstrategien führen an vielen Orten zu einer Abwehrhaltung und gefährden letztlich sogar die Schutzziele. Aber auch die neue Strategie verlangt ein Umdenken: Mit der Aufgabe der herkömmlichen Nutzung würden sich im Bogental zweifellos wilde und abgeschiedene Landschaften entwickeln, die nicht zwingend auf Verständnis stossen, welche aber im Entwicklungsprozess des BLN-Gebiets durchaus möglich wären.
Wenn es gelingt, die Qualitätsziele räumlich differenziert und konsequent umzusetzen, entsteht ein Mehrwert für alle Nutzer.
Räumliche Einheiten
Das Amt für Raumplanung des Kantons Basel-Landschaft stellte zur Bewertung der Ruhequalitäten zwei GIS-Datensätze zur Verfügung. Im Grundlagendatensatz waren bereits alle Strassenklassen und Gebäudetypen als störende zivilisatorische Elemente markiert und herausgefiltert. Wir betrachteten das Modell differenzierter und überprüften es mit Luftbildern sowie anhand der Gebäudetypen. So fügten wir zum Beispiel Feldscheunen und Bienenhäuschen ebenso wie die wenig befahrenen Rückegassen, Feld-, Wald-, Velo- und Fusswege (Strassenklassen 5 und 6) als nicht-störende Elemente dem Datensatz wieder hinzu.
Für ein schlüssiges und flächendeckendes Raumkonzept bildeten wir räumliche Einheiten. Dabei berücksichtigten wir neben landschaftlichen Kriterien die aus einer Landschaftsbewertung hervorgegangenen Qualitätsmerkmale. Für jede Einheit schlugen wir eine anzustrebende räumliche Entwicklung vor. Insgesamt erarbeiteten wir sechs Vorranggebietstypen, beispielsweise «Natur-» oder «Meditations-Landschaft», welche auf die jeweiligen Nutzungspotenziale und Ausprägungen der BLN-typischen Schutzgüter Bezug nehmen.
Wertgebender Aspekt Ruhe
Das Vorranggebiet «Natur-Landschaft» im Bereich des Bogentals zeichnet sich durch eine hohe Ruhequalität aus. Es glänzt durch die beinahe vollständige Abwesenheit zivilisatorischer Einflüsse, was der Zielvorstellung der auditiven Ruhe ohne weiteres Zutun in hohem Masse entspricht. In dem heterogenen Muster von Wald und offenem Weideland kann einzig durch den eindringlichen, fernen Klang der Kuhglocken ein Bezug zum Menschen hergestellt werden.
Schwieriger sieht die Situation für den Aspekt der visuellen Ruhe aus: In den letzten 100 Jahren geriet das räumliche Muster der Wald-Offenlandverteilung durch eine signifikante Waldzunahme arg unter Druck. In den Schutzzielen des Bundes für das BLN-Gebiet heisst es, dass dieses charakteristische, kleinräumige Mosaik erhalten werden soll. Unser Raumkonzept schlägt vor, dass in Teilgebieten, welche nur mit viel Mühe offengehalten werden können, eine Fortsetzung der Verwaldung zugelassen werden kann.
Damit werden die weiteren BLN-Schutzziele für das Gesamtgebiet nicht infrage gestellt. Im Gegenteil, es können finanzielle Mittel verstärkt dort eingesetzt werden, wo das Wald-Offenland-Mosaik noch weitgehend dem Referenzzustand der historischen Kulturlandschaft entspricht. Diese Strategie unterstützt auch das Ziel der visuellen Ruhe, da sich kleinteilige Nutzungsmuster als Spuren menschlicher Präsenz zunehmend auflösen werden.
Das Vorranggebiet «Meditations-Landschaft» definiert sich durch Grosszügigkeit mit introvertiertem Charakter bei gleichzeitig starker kleinräumlicher Differenzierung und hoher visueller wie auditiver Ruhe. «Meditations-Landschaften» sind bislang unbewusst gestaltete Teilräume der Kulturlandschaft, die sich durch raumbildende Gehölzgruppen, geschwungene Wegeführungen und staffagenartige kleine Bauwerke auszeichnen und im Sinne der Gestaltungsintension des Englischen Landschaftsparks weiterentwickeln lassen. Die vorhandenen landschaftlichen Potenziale sollen ausgeschöpft und die Landschafts- und Erholungsqualität in einer integralen Planung erhöht werden. So soll diese idyllisch-arkadische Landschaft durch kontemplative Erholungsformen zur Entschleunigung und damit zur Wohlfahrt der Bevölkerung beitragen.
In Zukunft
Die Entwicklungstendenzen und -szenarien für die Vorranggebiete definierten wir als Leitbilder zur räumlichen Entwicklung für die nächsten 30 Jahre. Heute haben wir die Chance, das BLN-Gebiet mit einer progressiven Landschaftsentwicklung aufzuwerten und damit auch eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Die heutigen reinen Schutz- und Erhaltungsstrategien führen an vielen Orten zu einer Abwehrhaltung und gefährden letztlich sogar die Schutzziele. Aber auch die neue Strategie verlangt ein Umdenken: Mit der Aufgabe der herkömmlichen Nutzung würden sich im Bogental zweifellos wilde und abgeschiedene Landschaften entwickeln, die nicht zwingend auf Verständnis stossen, welche aber im Entwicklungsprozess des BLN-Gebiets durchaus möglich wären.
Wenn es gelingt, die Qualitätsziele räumlich differenziert und konsequent umzusetzen, entsteht ein Mehrwert für alle Nutzer.
Für den Beitrag verantwortlich: anthos
Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haid