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„Am Anfang eines jeden Projekts muss die Raumplanung stehen“
Oberösterreichische Nachrichten

Runder Tisch über Zersiedelung, Infrastruktur und die Rolle der Architekten.

13. September 2014 - Alexander Zens
Innovative Architektur und gute Kommunikation zwischen Planern, Bauherrn und der öffentlichen Hand sind unabdingbar. Darin waren sich die Diskutanten des Runden Tisches anlässlich des OÖN-Architekturpreises Daidalos einig. Über weite Strecken dominierte aber das heikle Thema Raumordnung die Debatte. Aktuell laufen beim Land Oberösterreich Verhandlungen über eine Raumordnungsnovelle.

Gemeindelandesrat Max Hiegelsberger sagte, dass in der Vergangenheit zu oft nur auf das einzelne Objekt geschaut worden sei, sowohl in Wohn- als auch Kommunalbau: „Am Anfang eines jeden Projekts muss aber die Raumplanung stehen.“ Das Thema Verkehr sei eines der wichtigsten.

Landflucht und Zersiedelung sind große Herausforderungen auch für Oberösterreich.

Derzeit finde in manchen Gemeinden und Regionen ein „sehr teurer Rückbau“ statt, sagte Hiegelsberger: „Kindergärten und Schulen werden geschlossen.“ Vernünftiger wäre es aus seiner Sicht, Ortszentren zu „reaktivieren“. Dazu brauche es eine Kombination aus Arbeitsplätzen und Wohnformen.

Ganz anders sieht das der Architekturkritiker Lorenz Potocnik, der auch in der Daidalos-Jury tätig ist. „Über 50 Jahre wurden Strukturen aufgebaut, die so teuer sind, dass die Gemeinden heute aus dem letzten Loch pfeifen.“ Es hätte längst „Krisenmanagement“ einsetzen müssen.

Dinge radikal hinterfragen

„Man muss die Dinge radikal hinterfragen“, sagte Potocnik. Er würde beispielsweise die Förderung eines Einfamilienhauses an Bedingungen koppeln, die die Energieeffizienz nicht nur des Hauses, sondern der ganzen Siedlung berücksichtigen. Und investiert werden solle in die starken Orte, sagte Potocnik: „Das sind die Ballungszentren. Gegen diesen Megatrend kann man sich nicht wehren.“ Schwache Regionen sollten behutsam „heruntergefahren“ – also bewusst zusammengeschrumpft – werden.

Heinz Plöderl, Sektionsvorsitzender der Architekten in der Ziviltechnikerkammer, nimmt eine Zwischenposition ein: Gerade angesichts der knappen öffentlichen und teils auch privaten Budgets müssten festgefahrene Paradigmen hinterfragt werden. Auf dem Land gebe es bestehende Infrastruktur, aber oft leere Ortszentren. „Wenige Gemeinden haben reagiert“, sagte Plöderl. Es brauche einen „Wettbewerb der Regionen, Rehabilitierung und räumliche Erneuerung“. Als Beispiel nannte Plöderl die ostdeutsche Stadt Leipzig.

Leipzig als Vorzeigebeispiel

Dort sei kurz nach der Wende die Entwicklung in der Altstadt zusammengebrochen, weil binnen drei Jahren drei Einkaufszentren am Stadtrand errichtet worden seien. Danach habe die Stadt mit einer gediegenen Restrukturierung begonnen – mit dem Ergebnis, dass vor fünf Jahren alle drei Einkaufszentren vom Zusperren bedroht gewesen seien, weil die Leipziger Innenstadt wieder an Attraktivität gewonnen habe.

Grundsätzlich störe die Architekten und ihre Standesvertretung, dass bei Gebäuden oft nur „über das Investment diskutiert“ werde, sagte Plöderl: „Dabei sind die Lebenszyklus-Kosten der Schlüssel zum Erfolg.“ Langfristig leistbare Strukturen seien volkwirtschaftlich sinnvoll.

Die Linzer Architektin Marion Zellinger betonte, dass Gemeinden kaum Zugriff auf vor Jahren gewidmete Baulandflächen hätten. „Diese sind oft in Toplage in der Gemeinde und werden nicht parzelliert.“ Wenn die Kommune Grund brauche, müsse sie nach außen gehen, das fördere die Zersiedelung. „Es entstehen gesichtslose Randsiedlungen“, sagte Zellinger. Der Ortskern sterbe aus. Es bräuchte Instrumente, damit die Gemeinden mehr Einfluss nehmen könnten.

Bei Neuwidmungen gibt es diese schon, wie Gunther Kolouch, Abteilungsleiter der Stadtentwicklung in der Stadtplanung Linz, sagte.

Er berichtete, dass die Stadt Linz in den vergangenen Jahren ihr Entwicklungskonzept überarbeitet habe. „Unsere Aufgabe ist es, für die absehbare Entwicklung genügend Flächen für Wohnbau und Betriebe bereitzustellen, ohne den Grüngürtel zu sehr zu beanspruchen. Und das können wir auch“, sagte Kolouch. Derzeit sieht das Konzept 160 Hektar Baulandreserven, 70 Hektar Umnutzungs- und 90 Hektar Erweiterungsflächen vor. Theoretisch wäre für 19.000 Wohnungen Platz. Diese Reserven braucht es angesichts der Prognose, dass die Stadt bis 2050 um 15 Prozent wachsen wird.

Was Hiegelsberger noch wichtig war: „In keinem anderen Land kann der Handel so einfach Zentren errichten wie bei uns.“ Der großflächige Bau von Parkplätzen sollte wie in Dänemark verpflichtend ober- oder unterirdisch vollzogen werden müssen.

Auch Zellinger sagte, dass der erste Eindruck einer Gemeinde oft ein Fachmarktzentrum sei. Das sei unattraktiv und umweltschädlich.

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