Artikel
300.000 Gründe für ein Neudenken von Architektur
Wie Wien wächst (14)
Crowd-Projekte und Bürgerbeteiligung bringen frischen Wind in die Stadt. Doch mit den heutigen Bebauungsbestimmungen wird Wien den Bevölkerungszuwachs von 300.000 Menschen kaum meistern können. Darin sind sich Experten einig.
20. September 2014 - Wojciech Czaja
Mit rund 26.000 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Margareten der mit Abstand dichtest besiedelte Bezirk Wiens. In keinem anderen Gemeindebezirk quetschen sich so viele Menschen auf so wenig Raum. Wie soll da noch Wien wachsen können? Doch der Schein trügt. In einigen Pariser Arrondissements wohnen bis zu 40.000 Menschen pro Quadratkilometer, in manchen spanischen Städten sogar bis zu 70.000.
„In Wien gibt es noch genug Luft nach oben, aber nicht, wenn die Stadt nicht schleunigst die Bauordnung und die Bebauungsbestimmungen überdenkt“, sagt Volker Dienst, Sprecher der Plattform Baukultur. „Denn die heutigen Gesetze und Grundlagen verbieten mehr als sie ermöglichen. Unter diesen Bedingungen kann ich mir nicht vorstellen, wie Wien in den kommenden 20 Jahren um die prognostizierten 300.000 Einwohner zunehmen soll. Wo sollen all die Menschen hin? Da hilft auch die beste Architektur nicht weiter.“
Immer noch liegt das Wiener Limit bei Bauklasse 5, also bei 26 Metern Traufhöhe. Alles, was darüber liegt, gilt als Hochhaus und muss damit strengste technische Auflagen erfüllen, mit denen man andernorts schon einen Wolkenkratzer aus dem Boden stampfen kann. „Der Fokus wird in den kommenden Jahren nicht nur auf Stadterweiterung, sondern auch auf Innenstadtverdichtung liegen müssen“, erklärt Marion Gruber, Sprecherin der IG Architektur. „Doch mit den veralteten Hochhausregelungen macht man eine nachträgliche Verdichtung der bestehenden Viertel, um die wir früher oder später nicht herumkommen werden, fast unmöglich.“
Immerhin, meint Franz Kobermaier, Leiter der MA19 (Architektur und Stadtgestaltung), gebe es noch genügend Reserven oberhalb der Gesimskante. Mehr als 20.000 Dachböden (Erhebung 2012) warten darauf, ausgebaut und bewohnt zu werden. „Einige Jahre lang waren die Dachgeschoßprojekte rückläufig“, so Kobermaier zum STANDARD. „Doch nach der letzten Novelle der Bauordnung, die viele Erleichterungen mit sich gebracht hat, nimmt die Zahl der Bauansuchen wieder stark zu.“
Es ist nicht alles so düster und beengt. Spricht man mit Experten, so hat die Wiener Stadtregierung in den letzten Monaten und Jahren eine Stoßrichtung vorgegeben, die das Gesicht der Stadt langfristig massiv verändern wird. „In Wien sind jetzt die ersten Projekte entstanden, die auf Partizipation, Sozialraumanalyse und Bürgerbeteiligungsverfahren basieren“, so Kobermaier und nennt als prominentestes Beispiel die Verbegegnungszonierung der Mariahilfer Straße. „Und dieser Trend wird noch deutlich zunehmen. Als Nächstes steht die Neugestaltung des Schwedenplatzes an. Dabei könnten die neuen Tools ebenfalls zur Anwendung kommen.“
Mit diesen jüngst entwickelten Planungsmodellen werde sich der Begriff Architektur in Wien grundlegend ändern, sagt Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien. „Das System Stadt wird dynamischer. Es nehmen immer mehr Leute die Verantwortung in die Hand, die Planungen werden kommunikativer und prozessorientierter, und es entstehen immer neuere Planungsaufgaben für Architekten.“
Rückbau von Straßen
Wichtigstes Beispiel: Der Motorisierungsgrad bei den unter 40-Jährigen nimmt kontinuierlich ab. Früher oder später, so Madreiter, werde sich das auch in der Architektur niederschlagen. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Rückbau von Straßen zu Fußgängerzonen und Parkanlagen in 20, 30 Jahren ein intensives Betätigungsfeld für Planer sein wird.“
Wie diese neuen Aufgaben konkret aussehen könnten, zeigt der im November 2013 ausgeschriebene Ideenwettbewerb „Superscape“. Gefordert waren Konzepte für die Stadt von morgen. 44 Projekte wurden eingereicht. Von den sechs Finalisten, die nun auf der Shortlist stehen, handelt es sich fast ausschließlich um Crowd-Projekte, Nachverdichtung und Neunutzung des öffentlichen Raumes. Am kommenden Freitag, dem 26. September, wird im Palais Schwarzenberg der Sieger gekürt.
Die Stoßrichtung stimmt schon mal. Jetzt muss die Theorie in die Praxis umgesetzt werden. 300.000 neue Bewohner sprechen als Gründe dafür.
„In Wien gibt es noch genug Luft nach oben, aber nicht, wenn die Stadt nicht schleunigst die Bauordnung und die Bebauungsbestimmungen überdenkt“, sagt Volker Dienst, Sprecher der Plattform Baukultur. „Denn die heutigen Gesetze und Grundlagen verbieten mehr als sie ermöglichen. Unter diesen Bedingungen kann ich mir nicht vorstellen, wie Wien in den kommenden 20 Jahren um die prognostizierten 300.000 Einwohner zunehmen soll. Wo sollen all die Menschen hin? Da hilft auch die beste Architektur nicht weiter.“
Immer noch liegt das Wiener Limit bei Bauklasse 5, also bei 26 Metern Traufhöhe. Alles, was darüber liegt, gilt als Hochhaus und muss damit strengste technische Auflagen erfüllen, mit denen man andernorts schon einen Wolkenkratzer aus dem Boden stampfen kann. „Der Fokus wird in den kommenden Jahren nicht nur auf Stadterweiterung, sondern auch auf Innenstadtverdichtung liegen müssen“, erklärt Marion Gruber, Sprecherin der IG Architektur. „Doch mit den veralteten Hochhausregelungen macht man eine nachträgliche Verdichtung der bestehenden Viertel, um die wir früher oder später nicht herumkommen werden, fast unmöglich.“
Immerhin, meint Franz Kobermaier, Leiter der MA19 (Architektur und Stadtgestaltung), gebe es noch genügend Reserven oberhalb der Gesimskante. Mehr als 20.000 Dachböden (Erhebung 2012) warten darauf, ausgebaut und bewohnt zu werden. „Einige Jahre lang waren die Dachgeschoßprojekte rückläufig“, so Kobermaier zum STANDARD. „Doch nach der letzten Novelle der Bauordnung, die viele Erleichterungen mit sich gebracht hat, nimmt die Zahl der Bauansuchen wieder stark zu.“
Es ist nicht alles so düster und beengt. Spricht man mit Experten, so hat die Wiener Stadtregierung in den letzten Monaten und Jahren eine Stoßrichtung vorgegeben, die das Gesicht der Stadt langfristig massiv verändern wird. „In Wien sind jetzt die ersten Projekte entstanden, die auf Partizipation, Sozialraumanalyse und Bürgerbeteiligungsverfahren basieren“, so Kobermaier und nennt als prominentestes Beispiel die Verbegegnungszonierung der Mariahilfer Straße. „Und dieser Trend wird noch deutlich zunehmen. Als Nächstes steht die Neugestaltung des Schwedenplatzes an. Dabei könnten die neuen Tools ebenfalls zur Anwendung kommen.“
Mit diesen jüngst entwickelten Planungsmodellen werde sich der Begriff Architektur in Wien grundlegend ändern, sagt Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien. „Das System Stadt wird dynamischer. Es nehmen immer mehr Leute die Verantwortung in die Hand, die Planungen werden kommunikativer und prozessorientierter, und es entstehen immer neuere Planungsaufgaben für Architekten.“
Rückbau von Straßen
Wichtigstes Beispiel: Der Motorisierungsgrad bei den unter 40-Jährigen nimmt kontinuierlich ab. Früher oder später, so Madreiter, werde sich das auch in der Architektur niederschlagen. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Rückbau von Straßen zu Fußgängerzonen und Parkanlagen in 20, 30 Jahren ein intensives Betätigungsfeld für Planer sein wird.“
Wie diese neuen Aufgaben konkret aussehen könnten, zeigt der im November 2013 ausgeschriebene Ideenwettbewerb „Superscape“. Gefordert waren Konzepte für die Stadt von morgen. 44 Projekte wurden eingereicht. Von den sechs Finalisten, die nun auf der Shortlist stehen, handelt es sich fast ausschließlich um Crowd-Projekte, Nachverdichtung und Neunutzung des öffentlichen Raumes. Am kommenden Freitag, dem 26. September, wird im Palais Schwarzenberg der Sieger gekürt.
Die Stoßrichtung stimmt schon mal. Jetzt muss die Theorie in die Praxis umgesetzt werden. 300.000 neue Bewohner sprechen als Gründe dafür.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom