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Für soziales und ökologisches Design
Neue Zürcher Zeitung

Die Gruppe Global Tools

Vor 40 Jahren wandte sich die Gruppe Global Tools wie einst die Arts-and-Crafts-Bewegung der alternativen Gestaltung zu. Sie legte damit die Basis für das radikale Design von Studio Alchimia.

25. September 2014 - Gabriele Detterer
«Global Tools» klingt nach einem IT-Produkt unserer digital beschleunigten Gegenwart, war aber ein im vordigitalen Zeitalter formuliertes Netzwerk kreativer Gestalter, die in Opposition zur funktionalen Formgebung standen. Im Sommer 1974 zirkulierte das Programm der Gruppe erstmals in gedruckter Form. Im Zentrum von «Global Tools No 1» standen alternatives Lebensgefühl, Utopien und Kapitalismuskritik. Die sechs Schlüsselkategorien der «Constituzione» (Verfassung) von Global Tools lauteten: Aktivität, Körperlichkeit, Konstruktion, Kommunikation, Überleben, Theorie. Auf sie verpflichteten sich die Protagonisten der Architettura radicale, die in den 1960er Jahren in Florenz ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Auf dem Cover der ersten Ausgabe (Juni 1974) wurde die Schlagkraft durch einen Hammer symbolisiert, mit dem die konventionelle Entwurfspraxis in Architektur und Design zertrümmert werden sollte. Gegründet worden war die Gruppe Global Tools bereits ein Jahr zuvor, am 12. Januar 1973, in den Redaktionsräumen der von Alessandro Mendini geleiteten Architekturzeitschrift «Casabella». Es muss damals laut zugegangen sein, denn zu den 31 Gründungsmitgliedern zählten hinsichtlich ihres Raumdenkens und ihres Ausdrucks unterschiedlich ausgerichtete Architekten und Designer: Einzelkämpfer wie Lapo Binazzi, Remo Buti, Riccardo Dalisi, Ugo La Pietra, Gaetano Pesce, Gianni Pettena und Ettore Sottsass, aber auch Gruppen wie Archizoom, 9999, Superstudio, UFO und Zziggurat.

Nachhaltiges Design

Blendet man in die 1960er Jahre und in die Blütezeit der Architettura radicale zurück, so sieht man, dass die Dialektik zwischen Destruktion und Transformation von Bauten in Nonstop-Bewegung (Superstudio, Il monumento continuo, 1969) Dreh- und Angelpunkt einer visionären Formensprache bildete. Die Gruppe Zziggurat entwarf 1970 total vernetzte urbane Strukturen, Archizoom forderte, «das Haus zu leeren», um die behauste Welt von Grund auf zu verändern, und die Collagen der Gruppe 9999, deren Bildmotive ins All vorstiessen, entzogen sich der Bodenhaftung.

Mit Global Tools vollzog sich ein Übergang der von utopischen Impulsen geprägten Architettura radicale zum Versuch, hochfliegende Visionen zu institutionalisieren und zu verschulen. Geplant waren Seminare und Labors die u. a. die Wirkung von Materialien und Formgebung auf das menschliche Verhalten untersuchen und die Kreativität auf dem Gebiet des nachhaltigen Designs anregen sollten. Auch die Wiederentdeckung von Fertigkeiten, die sich der industriellen Produktion und der damit einhergehenden Verkümmerung handwerklicher Fähigkeiten entgegenstellten, stand auf dem Programm: Stricken, Weben, Knüpfen, Nähen, wobei das Modedesign von Global Tools verblüffend einfache Schnitte vorsah, so wie es Archizoom im Film «Vestirsi è facile» (1972) propagiert hatte.

Survival ist einer der Schlüsselbegriffe der Verfassung von Global Tools. Die Aufnahme der Überlebensfrage in den Lehrstoff reflektierte ein jähes Erwachen aus ideologisch verankerten, die gesellschaftliche Veränderung betreffenden Dogmen wie auch ein Ende der sinnenfreudigen Unbekümmertheit der Swinging Sixties. Schockartig hatten 1973 die vom Club of Rome aufgezeigten «Grenzen des Wachstums» weltweit ein Bewusstsein für die Verknappung der Rohstoffe geweckt. Die Folgen der Industrialisierung für Natur und Umwelt wurden deutlich. Der vom kapitalistischen Gewinnstreben forcierten Ausbeutung des Planeten setzten die Global-Tools-Netzwerker eine umweltbewusste, zwischen der Nutzung des technischen Fortschritts (in Form neuer Medien) und dem Rückgriff auf Handwerkskunst changierende Haltung entgegen. Widersprüche belebten und bremsten zugleich den Elan von Global Tools. Kurz nur entfaltete sich der Tatendrang des Kollektivs. Ein weit gestecktes, aufwendig zu organisierendes pädagogisches Programm hatte zur Folge, dass lediglich ein Seminar (zum Thema «Körper») zustande kam. 1975 trennten sich die Wege der Global-Tools-Kombattanten.

Win-win-Strategie

Nachdem bereits einige der Global-Tools-Netzwerker als Erfinder von Design-Klassikern wie dem Sofa «Super-Onda» (Archizoom, 1967), der «Dollar-Lampe» (UFO, 1969) oder den «Istogrammi»-Möbeln in neutralem Quadratmuster (Superstudio, 1969/70) Weltruhm erlangt hatten, starteten die Global-Tools-Mitbegründer Ettore Sottsass, Alessandro Mendini und Andrea Branzi (Archizoom) 1976 mit dem Studio Alchimia ein Labor für experimentelles Design, das das industriell-rationale Streben nach «Nützlichkeit» überwand. Dem Studio Alchimia gelang es nach dem Scheitern von Global Tools mit einer Win-win-Strategie, dem alternativen, handwerklich beseelten Design Raum zu verschaffen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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