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Gestern noch Siegerpodest, heute schon Lagune
Beim Solar Decathlon 2013 in Los Angeles wurde das österreichische Ökohaus Lisi, ein Forschungsprojekt unter Federführung der TU Wien, mit Gold prämiert. Nun geht der grüne Bungalow im Fertighauspark Blaue Lagune vor Anker - und kann auch gekauft werden.
4. Oktober 2014 - Wojciech Czaja
Es passiert nicht alle Tage, dass ein preisgekröntes Projekt aus den euphorischen Wogen der Wissenschaft und akademischen Forschungselite in den seichten Hafen des Publikumsmarktes überführt wird. Schon gar nicht ohne größere Qualitätseinbußen. Meist nämlich gehen die wertvollsten und innovativsten Aspekte einer solchen technischen Errungenschaft im bisweilen stürmischen Gewässer der Marktfitmachung verlustig. Sie werden einfach über Bord geworfen.
Nicht so bei Lisi, jenem hübsch benamsten Ökohaus-Bungalow, der beim Solar Decathlon, dem größten Green-Building-Wettbewerb der Welt, letztes Jahr in Los Angeles den ersten Preis einheimsen konnte. Projektleiterin Karin Stieldorf von der TU Wien kümmerte sich schon früh um eine sinnvolle Weiternutzung des nur 60 m² kleinen, aber feinen Nullenergiehauses und wurde in den Gefilden des Fertighausmarktes fündig. Am Mittwoch wurde Lisi im Beisein von Innovations- und Technologieminister Alois Stöger schwimmenderweise wiedereröffnet - und zwar als Leuchtturmprojekt in der Blauen Lagune in der Shopping City Süd.
„Es ist das erste Projekt in der Geschichte der Blauen Lagune, das nicht auf festem Boden steht, sondern in unserer kleinen, künstlich angelegten Lagune auf einem Ponton platziert wurde“, sagt Erich Benischek, Geschäftsführer des Fertighauszentrums. „Ich sehe das durchaus als symbolische Geste, denn damit wollen wir die Besonderheit dieses Projekts hervorheben. Fertighäuser gibt es viele. Lisi gibt es nur eine.“
In Containern nach L.A.
Tatsächlich handelt es sich bei Lisi, an deren Geburt die TU Wien, die FH St. Pölten, die FH Salzburg und das Austrian Institute of Technology (AIT) beteiligt waren, um ein Fertighaus. Denn das in Österreich gefertigte Haus wurde seinerzeit in handelsüblichen Hochseecontainern - sechs Stück an der Zahl - nach Los Angeles geschippert, wo es auf dem Areal eines ehemaligen Flugplatzes sodann entfaltet, sprich aufgestellt und zusammengeschraubt wurde.
Lisi - das Akronym steht für Living Inspired by Sustainable Innovation - ist ein nachhaltiges Haus, das diesen Anspruch nicht nur marketingtechnisch ausschlachtet, sondern auch wirklich hieb- und stichfeste Beweise liefert, wie energie- und ressourcenschonendes Wohnen in Zukunft aussehen kann. Die Konstruktion besteht zu 96 Prozent aus Holz, vor allem aus Fichte, Weißtanne, Eiche, Thermoesche und überaus schicken Rindenplatten, einem gepressten Abfallprodukt aus der Holzindustrie, die im Bad und Schlafkammerl zum Einsatz kommen.
Auf dem Dach gibt es eine 100 m² große Fotovoltaikanlage, die 8,9 kWPeak erreicht. Geheizt und gekühlt wird mittels Wärmepumpen, die je nach Bedarf kaltes oder warmes Wasser durch den speziell entwickelten Klimalevel-Boden leiten. Die darin verlegten Betonplatten dienen zugleich als speicherfähige Masse. Und sogar in der Küche hat man sich etwas Spezielles einfallen lassen. Der Kühlschrank kommt ohne Elektrizität aus und wird nur über Verdunstungskälte temperiert.
„Marktkonforme“ Variante
„Möchte man das Haus so kaufen, wie es hier steht, muss man an die 400.000 Euro berappen“, sagt Christof Müller, Geschäftsführer der Weissenseer Holz-System-Bau GmbH, die das Lisi-Haus unter Lizenz der TU Wien als Generalunternehmer produzieren wird. „Ich bin mir dessen bewusst, dass das für den österreichischen Fertighausmarkt noch zu teuer ist. Daher haben wir einige Optionen entwickelt, wie man das Haus auch ohne Einbußen in Qualität und Technik marktkonform etwas reduzieren kann.“
Es wird dann wohl ein normaler Kühlschrank mit Kabel und Stecker werden. Auch auf den Teflon-Vorhang, der vor der Terrasse in der herbstlichen Lagunengischt flattert, und auf die von den Studenten der FH Salzburg entwickelten Küchenstühle aus Naturharz und zusammengepressten Pellets-Hackschnitzeln wird man dann wohl verzichten müssen.
„Das macht nichts, es geht ja schließlich um die Idee“, sagt Benedikt Welz. Der 32-jährige Architekturstudent der TU Wien ist gerade vor Ort, um die letzten Handgriffe zu machen. Hier ein bissl schrauben, dort ein bissl schleifen, Türen einjustieren. „Ich würde das Haus ja auch nicht im klassischen Fertighauskundenkreis angesiedelt sehen. Ich denke, das ist ein Gustostückerl für ein Publikum mit besonderen Interessen“, so Welz.
„Wir verkaufen das Haus gerne auch genauso, wie es jetzt hier auf dem Ponton steht“, meint Lagunenkapitän Benischek. „Aber das wird nicht realistisch sein. Wir müssen uns dem Markt etwas anpassen. Als Richtwert kann ich sagen, dass das Produkt je nach Ausstattung und Materialausführung wohl zwischen 250.000 und 350.000 Euro brutto kosten wird. Nur so zur Orientierung.“ Bis Jahresende wird in Zusammenarbeit zwischen TU Wien und Weissenseer ein Online-Konfigurator entwickelt, der Lisi in vier Größen, in einer zweigeschoßigen Variante sowie mit unterschiedlichen Ausstattungspaketen anbietet. Der Kaufpreis wird in Echtzeit berechnet. Sämtliche Adaptierungen in Hinsicht auf eine optimierte Industrialisierung kommen von den Studenten, denn das Haus - aber auch das Copyright daran - ist nach wie vor Eigentum der akademischen Forschungsgruppe.
„Ich rechne damit, dass wir im ersten Jahr zwischen acht und zehn Häusern absetzen werden“, meint Müller. In den Folgejahren, fügt Benischek hinzu, rechne man mit 20 bis 25 Stück pro Jahr. „Das ist realistisch, denn das Produkt ist innovativ und ansprechend und trifft genau den Puls der Zeit.“
Karin Stieldorf ist mit der Entwicklung mehr als zufrieden. „In der Regel landen solche innovativen Prototypen auf irgendeinem Uni-Campus oder werden an einen Liebhaber verkauft, und damit verschwindet das Projekt von der Bildfläche. In diesem Fall ist es uns gelungen, einen Schritt zu setzen, damit das Haus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.“
Die Blaue Lagune zählt rund 150.000 Besucher pro Jahr und wickelt nach eigenen Angaben rund 50 Prozent des österreichischen Fertighausmarktes ab. Die Lisi wird noch berühmt.
Nicht so bei Lisi, jenem hübsch benamsten Ökohaus-Bungalow, der beim Solar Decathlon, dem größten Green-Building-Wettbewerb der Welt, letztes Jahr in Los Angeles den ersten Preis einheimsen konnte. Projektleiterin Karin Stieldorf von der TU Wien kümmerte sich schon früh um eine sinnvolle Weiternutzung des nur 60 m² kleinen, aber feinen Nullenergiehauses und wurde in den Gefilden des Fertighausmarktes fündig. Am Mittwoch wurde Lisi im Beisein von Innovations- und Technologieminister Alois Stöger schwimmenderweise wiedereröffnet - und zwar als Leuchtturmprojekt in der Blauen Lagune in der Shopping City Süd.
„Es ist das erste Projekt in der Geschichte der Blauen Lagune, das nicht auf festem Boden steht, sondern in unserer kleinen, künstlich angelegten Lagune auf einem Ponton platziert wurde“, sagt Erich Benischek, Geschäftsführer des Fertighauszentrums. „Ich sehe das durchaus als symbolische Geste, denn damit wollen wir die Besonderheit dieses Projekts hervorheben. Fertighäuser gibt es viele. Lisi gibt es nur eine.“
In Containern nach L.A.
Tatsächlich handelt es sich bei Lisi, an deren Geburt die TU Wien, die FH St. Pölten, die FH Salzburg und das Austrian Institute of Technology (AIT) beteiligt waren, um ein Fertighaus. Denn das in Österreich gefertigte Haus wurde seinerzeit in handelsüblichen Hochseecontainern - sechs Stück an der Zahl - nach Los Angeles geschippert, wo es auf dem Areal eines ehemaligen Flugplatzes sodann entfaltet, sprich aufgestellt und zusammengeschraubt wurde.
Lisi - das Akronym steht für Living Inspired by Sustainable Innovation - ist ein nachhaltiges Haus, das diesen Anspruch nicht nur marketingtechnisch ausschlachtet, sondern auch wirklich hieb- und stichfeste Beweise liefert, wie energie- und ressourcenschonendes Wohnen in Zukunft aussehen kann. Die Konstruktion besteht zu 96 Prozent aus Holz, vor allem aus Fichte, Weißtanne, Eiche, Thermoesche und überaus schicken Rindenplatten, einem gepressten Abfallprodukt aus der Holzindustrie, die im Bad und Schlafkammerl zum Einsatz kommen.
Auf dem Dach gibt es eine 100 m² große Fotovoltaikanlage, die 8,9 kWPeak erreicht. Geheizt und gekühlt wird mittels Wärmepumpen, die je nach Bedarf kaltes oder warmes Wasser durch den speziell entwickelten Klimalevel-Boden leiten. Die darin verlegten Betonplatten dienen zugleich als speicherfähige Masse. Und sogar in der Küche hat man sich etwas Spezielles einfallen lassen. Der Kühlschrank kommt ohne Elektrizität aus und wird nur über Verdunstungskälte temperiert.
„Marktkonforme“ Variante
„Möchte man das Haus so kaufen, wie es hier steht, muss man an die 400.000 Euro berappen“, sagt Christof Müller, Geschäftsführer der Weissenseer Holz-System-Bau GmbH, die das Lisi-Haus unter Lizenz der TU Wien als Generalunternehmer produzieren wird. „Ich bin mir dessen bewusst, dass das für den österreichischen Fertighausmarkt noch zu teuer ist. Daher haben wir einige Optionen entwickelt, wie man das Haus auch ohne Einbußen in Qualität und Technik marktkonform etwas reduzieren kann.“
Es wird dann wohl ein normaler Kühlschrank mit Kabel und Stecker werden. Auch auf den Teflon-Vorhang, der vor der Terrasse in der herbstlichen Lagunengischt flattert, und auf die von den Studenten der FH Salzburg entwickelten Küchenstühle aus Naturharz und zusammengepressten Pellets-Hackschnitzeln wird man dann wohl verzichten müssen.
„Das macht nichts, es geht ja schließlich um die Idee“, sagt Benedikt Welz. Der 32-jährige Architekturstudent der TU Wien ist gerade vor Ort, um die letzten Handgriffe zu machen. Hier ein bissl schrauben, dort ein bissl schleifen, Türen einjustieren. „Ich würde das Haus ja auch nicht im klassischen Fertighauskundenkreis angesiedelt sehen. Ich denke, das ist ein Gustostückerl für ein Publikum mit besonderen Interessen“, so Welz.
„Wir verkaufen das Haus gerne auch genauso, wie es jetzt hier auf dem Ponton steht“, meint Lagunenkapitän Benischek. „Aber das wird nicht realistisch sein. Wir müssen uns dem Markt etwas anpassen. Als Richtwert kann ich sagen, dass das Produkt je nach Ausstattung und Materialausführung wohl zwischen 250.000 und 350.000 Euro brutto kosten wird. Nur so zur Orientierung.“ Bis Jahresende wird in Zusammenarbeit zwischen TU Wien und Weissenseer ein Online-Konfigurator entwickelt, der Lisi in vier Größen, in einer zweigeschoßigen Variante sowie mit unterschiedlichen Ausstattungspaketen anbietet. Der Kaufpreis wird in Echtzeit berechnet. Sämtliche Adaptierungen in Hinsicht auf eine optimierte Industrialisierung kommen von den Studenten, denn das Haus - aber auch das Copyright daran - ist nach wie vor Eigentum der akademischen Forschungsgruppe.
„Ich rechne damit, dass wir im ersten Jahr zwischen acht und zehn Häusern absetzen werden“, meint Müller. In den Folgejahren, fügt Benischek hinzu, rechne man mit 20 bis 25 Stück pro Jahr. „Das ist realistisch, denn das Produkt ist innovativ und ansprechend und trifft genau den Puls der Zeit.“
Karin Stieldorf ist mit der Entwicklung mehr als zufrieden. „In der Regel landen solche innovativen Prototypen auf irgendeinem Uni-Campus oder werden an einen Liebhaber verkauft, und damit verschwindet das Projekt von der Bildfläche. In diesem Fall ist es uns gelungen, einen Schritt zu setzen, damit das Haus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.“
Die Blaue Lagune zählt rund 150.000 Besucher pro Jahr und wickelt nach eigenen Angaben rund 50 Prozent des österreichischen Fertighausmarktes ab. Die Lisi wird noch berühmt.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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