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Aushängeschild der Entwicklung
Seit dem Neubau des Bahnhofs nach dem Vollknotenentscheid der SBB
hat sich Visp zu einem neuen Zentrum entwickelt.
9. November 2014 - Michaela Schmidt
Bis zur Eröffnung des neuen Bahnhofs im Mai 2008 war Visp zumindest von der Grösse her nicht mehr als ein Dorf, obwohl sich die Bevölkerung mit dem sogenannten «Visper Geist» als städtisch beschrieb. Regionale Bedeutung erlangte die Gemeinde durch den ansässigen Chemiekonzern Lonza als grössten Arbeitgeber im Oberwallis. Die Züge der Matterhorn-Gotthard-Bahn hielten nur sporadisch, umgestiegen wurde im benachbarten Brig. Ein einziger Perron für die Fahrgäste und ein altes steinernes Empfangsgebäude der SBB machten deutlich: Hier lohnt es sich nicht auszusteigen.
Tat man es trotzdem, präsentierte sich Visp so: Nördlich der Gleise erstreckt sich (noch heute) das Industrieareal der Lonza und nimmt grosse Teile der Siedlungsfläche zwischen Gleisen und Rhone ein.
Südlich der Gleise befindet sich der alte Siedlungskern der Gemeinde, der durch die Bahnhofstrasse mit dem Bahnhof verbunden ist. Dazwischen befanden sich alte Stellwerksgebäude der SBB, Gleise, Brachflächen und die Kantonsstrasse, die die Altstadt und das Bahnhofareal wie eh und je messerscharf voneinander abtrennt.
Der Entscheid der SBB, den Bahnhof Visp zum Vollknoten und damit zum zentralen Umsteigepunkt nach dem neuen Lötschbergtunnel zu machen, stiess eine massive städtebauliche Entwicklung in Visp an. Das Bahnhofsgebiet avancierte innerhalb weniger Jahre zu einer Keimzelle der Urbanität. Unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien Dichte, Nutzungsdurchmischung und öffentlicher Raum wurde es von einem Areal mit Hinterhofcharakter zu einem städtisch geprägten Gebilde umstrukturiert.
Den Reisenden präsentiert sich heute ein neues Visp: ein moderner vierstöckiger Bahnhofsbau, in dessen gläserner Fassade sich die Berge spiegeln (vgl. TEC21 15/2008). Die ehemaligen Brachflächen sind einem weiträumigen, verkehrsfreien Platz, dem Busbahnhof und der Überbauung des Brückenweg-Areals gewichen. Allein dort sind 79 Wohneinheiten und ein Shoppingcenter entstanden. Die von den SBB verordnete Aufwertung des Bahnhofgebiets nutzte die politische Gemeinde in Visp geschickt. Sie förderte das bereits vorhandene städtisch geprägte Verständnis der Bevölkerung gezielt und trieb die städtebauliche Entwicklung voran.
Wer entscheidet, und wie?
Der urbane Bruch – hier ebenso wie in Wetzikon (vgl. S. 30) in Form einer grösseren Verkehrsinfrastruktur – stiess den Prozess an, führte aber nicht wie in Wetzikon zu Konflikten, sondern mündete im Konsens. Günstig wirkte sich das vorhandene Entwicklungspotenzial in Visp aus. Dies wurde durch den Impuls von aussen und den Neubau des Bahnhofs stimuliert.
Wie kommt es zu diesem Konsens? Grundsätzlich wurden die Entwicklungen entgegen aller Vermutung nicht über Masterpläne gesteuert. Sie basieren massgeblich auf drei Komponenten: erstens einem aktiven Rollenverständnis der Gemeinde (Lobbying, Investition ins Bahnhofsgebäude). Zweitens einer effiziente Kompetenzverteilung in Fragen des Städtebaus (Absenz städtebaulichen Wissens innerhalb der Verwaltung, jedoch Vertrauen zu externem Architekten). Und drittens einer Umsetzung des «Visper Geistes» (urbanes Selbstverständnis der Visper Bevölkerung).
Doch das aktive Verständnis der Gemeinde erstreckt sich lediglich auf das Bahnhofsareal. In der weiteren Entwicklung verfolgt sie eine passiv-liberale Haltung und überlässt privaten Investoren das Feld. So wurden die Gebiete westlich und nördlich des Bahnhofs ebenso wie die Altstadt vernachlässigt. Deshalb sind auch hier – wie in St. Margrethen (vgl. S. 28) und Wetzikon (vgl. S. 30) – schollenartige Gebilde zu beobachten. Diese fragmentieren den weiteren Raum, indem sie die internen Strukturen verfestigen.
Lernen von Visp
Konsensbildung findet nicht nur in Visp statt, in anderen Gemeinden haben wir Ähnliches gefunden: Urbane Qualitätsvorstellungen können sich dort durchsetzen und materialisieren, wo ein Konsens und ein Bewusstsein auf politischer und gesellschaftlicher Ebene vorhanden ist. In Visp diente das Bahnhofsgebiet als idealer Nährboden für die Entwicklung städtebaulicher Formen. Es zeigt sich, dass eine gemeinsame Vorstellung von Identität – in Visp eine städtische – für die Umsetzung von Qualitätszielen zentral ist.
Auch in Visp lässt sich das Phänomen der Schollenbildung beobachten. Dies ist auch auf das Fehlen eines Masterplans zurückzuführen, der erst im Nachgang der Realisierung des Bahnhofsareals von der Gemeinde entwickelt und von der Bevölkerung bestätigt wurde. Es bleibt abzuwarten, inwiefern dieser Masterplan die Fragmentierung aufweicht und städtische Siedlungsformen fördert. Es zeigt sich, dass wie auch in St. Margrethen und Wetzikon Fragmentierung kein Unfall ist, sondern systematisch produziert wird, wenn auch auf verschiedene Weisen.
Tat man es trotzdem, präsentierte sich Visp so: Nördlich der Gleise erstreckt sich (noch heute) das Industrieareal der Lonza und nimmt grosse Teile der Siedlungsfläche zwischen Gleisen und Rhone ein.
Südlich der Gleise befindet sich der alte Siedlungskern der Gemeinde, der durch die Bahnhofstrasse mit dem Bahnhof verbunden ist. Dazwischen befanden sich alte Stellwerksgebäude der SBB, Gleise, Brachflächen und die Kantonsstrasse, die die Altstadt und das Bahnhofareal wie eh und je messerscharf voneinander abtrennt.
Der Entscheid der SBB, den Bahnhof Visp zum Vollknoten und damit zum zentralen Umsteigepunkt nach dem neuen Lötschbergtunnel zu machen, stiess eine massive städtebauliche Entwicklung in Visp an. Das Bahnhofsgebiet avancierte innerhalb weniger Jahre zu einer Keimzelle der Urbanität. Unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien Dichte, Nutzungsdurchmischung und öffentlicher Raum wurde es von einem Areal mit Hinterhofcharakter zu einem städtisch geprägten Gebilde umstrukturiert.
Den Reisenden präsentiert sich heute ein neues Visp: ein moderner vierstöckiger Bahnhofsbau, in dessen gläserner Fassade sich die Berge spiegeln (vgl. TEC21 15/2008). Die ehemaligen Brachflächen sind einem weiträumigen, verkehrsfreien Platz, dem Busbahnhof und der Überbauung des Brückenweg-Areals gewichen. Allein dort sind 79 Wohneinheiten und ein Shoppingcenter entstanden. Die von den SBB verordnete Aufwertung des Bahnhofgebiets nutzte die politische Gemeinde in Visp geschickt. Sie förderte das bereits vorhandene städtisch geprägte Verständnis der Bevölkerung gezielt und trieb die städtebauliche Entwicklung voran.
Wer entscheidet, und wie?
Der urbane Bruch – hier ebenso wie in Wetzikon (vgl. S. 30) in Form einer grösseren Verkehrsinfrastruktur – stiess den Prozess an, führte aber nicht wie in Wetzikon zu Konflikten, sondern mündete im Konsens. Günstig wirkte sich das vorhandene Entwicklungspotenzial in Visp aus. Dies wurde durch den Impuls von aussen und den Neubau des Bahnhofs stimuliert.
Wie kommt es zu diesem Konsens? Grundsätzlich wurden die Entwicklungen entgegen aller Vermutung nicht über Masterpläne gesteuert. Sie basieren massgeblich auf drei Komponenten: erstens einem aktiven Rollenverständnis der Gemeinde (Lobbying, Investition ins Bahnhofsgebäude). Zweitens einer effiziente Kompetenzverteilung in Fragen des Städtebaus (Absenz städtebaulichen Wissens innerhalb der Verwaltung, jedoch Vertrauen zu externem Architekten). Und drittens einer Umsetzung des «Visper Geistes» (urbanes Selbstverständnis der Visper Bevölkerung).
Doch das aktive Verständnis der Gemeinde erstreckt sich lediglich auf das Bahnhofsareal. In der weiteren Entwicklung verfolgt sie eine passiv-liberale Haltung und überlässt privaten Investoren das Feld. So wurden die Gebiete westlich und nördlich des Bahnhofs ebenso wie die Altstadt vernachlässigt. Deshalb sind auch hier – wie in St. Margrethen (vgl. S. 28) und Wetzikon (vgl. S. 30) – schollenartige Gebilde zu beobachten. Diese fragmentieren den weiteren Raum, indem sie die internen Strukturen verfestigen.
Lernen von Visp
Konsensbildung findet nicht nur in Visp statt, in anderen Gemeinden haben wir Ähnliches gefunden: Urbane Qualitätsvorstellungen können sich dort durchsetzen und materialisieren, wo ein Konsens und ein Bewusstsein auf politischer und gesellschaftlicher Ebene vorhanden ist. In Visp diente das Bahnhofsgebiet als idealer Nährboden für die Entwicklung städtebaulicher Formen. Es zeigt sich, dass eine gemeinsame Vorstellung von Identität – in Visp eine städtische – für die Umsetzung von Qualitätszielen zentral ist.
Auch in Visp lässt sich das Phänomen der Schollenbildung beobachten. Dies ist auch auf das Fehlen eines Masterplans zurückzuführen, der erst im Nachgang der Realisierung des Bahnhofsareals von der Gemeinde entwickelt und von der Bevölkerung bestätigt wurde. Es bleibt abzuwarten, inwiefern dieser Masterplan die Fragmentierung aufweicht und städtische Siedlungsformen fördert. Es zeigt sich, dass wie auch in St. Margrethen und Wetzikon Fragmentierung kein Unfall ist, sondern systematisch produziert wird, wenn auch auf verschiedene Weisen.
Für den Beitrag verantwortlich: TEC21
Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Solt