Artikel

Stahl und Beton effizienter kombiniert
TEC21

Ultrahochleistungs-Faserbeton eröffnet neue Möglichkeiten für Ingenieure und Architekten. Aber was ist UHFB, und wieso ist er als Baustoff geeignet? Ein anschauliches Beispiel anhand der Bemessung einer Bahnbrücke.

21. November 2014 - Eugen Brühwiler
Seit jeher führen neuartige Baustoffe zu Fortschritten im konstruktiven Ingenieurbau. Ihre Anwendung beschränkt sich nicht einfach darauf, die herkömmlichen Baustoffe zu ersetzen. Vielmehr basiert die wirtschaftlich effiziente und qualitativ hochstehende Anwendung neuer Materialien auf einem kreativen Tragwerkskonzept und einem tiefen Verständnis ihrer Eigenschaften. In den letzten 20 Jahren wurden die Eigenschaften faserverstärkter, zementgebundener Verbundbaustoffe deutlich verbessert, woraus die sogenannten Ultrahochleistungs-Faserbetone (UHFB)[1] entstanden sind. Die Grundidee des Bauens mit UHFB besteht darin, das Beste der Betonbauweise, d. h. Zement, Bewehrungsstahl, Vorspannung und vielfältige Formbarkeit, und der Stahlbauweise, d. h. leichte, dünne und vorgefertigte Bauteile und schnelle Baumethoden, möglichst optimal zu kombinieren. Die EPFL erforscht und entwickelt den neuartigen Baustoff UHFB seit 15 Jahren, und seit zehn Jahren wird er vorwiegend für die Verstärkung und Abdichtung von Brücken- und Hochbauplatten eingesetzt.[2]

UHFB ist weder Beton noch Stahl, sondern ein neuer Verbundbaustoff (Abb. S. 20): UHFB enthält eine zementgebundene Matrix aus reaktiven Feinstoffen (Zement) und feinen Quarzsanden mit einer Korngrösse von maximal 1 mm. Diese Matrix wird durch schlanke Kurzfasern in hoher Dosierung verstärkt. Diese Fasern sind in der Regel aus Stahl, höchstens 15 mm lang und 0.2 mm dick und machen mindestens 3 % des Volumens aus. Bauteile aus UHFB werden als «Bleche» und «Rippen» bezeichnet, mit üblichen Stärken von 30 bis 80 mm. Die Abmessungen sind in Millimetern angegeben, da die Zentimeterpräzision des Betonbaus nicht mehr hinreichend ist.

Bei Tragwerken aus UHFB werden wegen ihres hohen Elastizitätsmoduls Stahlfasern eingesetzt. Um die Tragfähigkeit und Robustheit von UHFB zusätzlich zu erhöhen, wird er mit Betonstahl oder Spannstahl bewehrt, der aber nur in der Haupttragrichtung eingelegt wird. In Anlehnung an den Begriff «bewehrter Beton» spricht man in diesem Fall von «bewehrtem UHFB». Flächenelemente wie Bleche enthalten in der Regel keine Bewehrung. Für mechanisch wenig beanspruchte Bauteile wie Fassadenverkleidungen wird UHFB häufig mit synthetischen Fasern hergestellt, und das Einbringen von Bewehrung ist in diesem Fall kaum erforderlich.

Ein grosses Entwicklungspotenzial der UHFB besteht im Verbund mit Stahl, Holz oder Beton. Dieser Bereich bedarf noch weiterer Forschung und Entwicklung, doch in erster Näherung können die bestehenden Regeln für Verbundbauweisen übernommen werden.

UHFB-Bauweise im Brückenbau

Auf Anfrage der SBB wurde eine Überführung aus UHFB mit 15 m Spannweite geplant (Abb. oben), ein häufiger Bauwerkstypus, der hohen Nutzlasten ausgesetzt ist.

Dieser Ersatzneubau einer bestehenden Strassenunterführung im städtischen Raum erfüllte bestens die örtlichen Rahmenbedingungen: Wegen der Lichtraumprofile der Bahn und der Strasse war die Tragwerkshöhe auf 1.35 m begrenzt. Der Standort im städtischen Gebiet liess zudem wenig Platz für eine Baustelle, und der Bahnbetrieb durfte höchstens eine Nacht lang unterbrochen werden. Diese Rahmenbedingungen sprachen gegen eine Betonkonstruktion, die drei- bis viermal schwerer gewesen wäre.

Die UHFB-relevanten Baukosten sind wie folgt geschätzt: Herstellung der neun Fertigteile inklusive Bewehrungsstahl: 45 000 Fr. (9 m³ bewehrter UHFB à 5000 Fr./m3); Amortisation der beiden Schalungen: 50 000 Fr.; Transport und Montage inkl. Vorspanneinheiten: 100 000 Fr. Eine Stahlkonstruktion hätte ein ähnlich grosses Eigengewicht, wäre aber aufgrund der aufwendigen Schweissarbeiten hinsichtlich der Ermüdungsbeanspruchung kostspieliger.

Die Konstruktion besteht aus sieben Normalsegmenten von 2.0 m Länge und zwei Auflagersegmenten von 0.8 m Länge. Planmässig sollten diese vorgefertigten Segmente zur Baustelle transportiert und mittels der Vorspannkabel in Längsrichtung und mit einer Schicht Epoxidharzkleber in den Segmentfugen zusammengespannt werden. Mit einem Kran wird der fertige Brückenträger mit einem Eigengewicht von insgesamt 22.5 t eingebaut. Dieser Arbeitsschritt lässt sich in kurzer Zeit und ohne wesentliche Nutzungseinschränkung von Bahn und Strasse ausführen.

Erkenntnisse aus der Bemessung

Die vorgefertigten Elemente werden mittels Vorspannung durch geradlinig geführten Spannkabel im Ober- und Unterflansch des Trogträgers zusammengefügt. Die Vorspannkraft ist so gewählt, dass im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) der Querschnitt im Bereich der unteren Spannkabel keine Zugspannung bekommt. Im Grenzzustand der Tragsicherheit (GZT) übernimmt einzig der Vorspannstahl die Zugkräfte in Längsrichtung, da keine Längsbewehrung in Form von Betonstahl vorhanden ist und die Tragfähigkeit des UHFB erschöpft ist. Die Querschnitte werden nach den Vorgaben des Merkblatts SIA 20523 bemessen und führten zu folgenden Ergebnissen:

Um die von den Vorspannkabeln verursachte Exzentrizität der Normalkräfte in Feldmitte auszugleichen, erzeugen sechs 8-Litzen-Spannkabel in den Unterflanschen und zwei in den Oberflanschen eine Druckspannung von durchschnittlich 18 MPa im Querschnitt. Im GZG beträgt die maximale Zugspannung im UHFB des Unterflanschs 6.1 MPa und bleibt damit unter der elastischen Grenzzugfestigkeit fUte. Das heisst, der Querschnitt bleibt homogen (ungerissen) und elastisch. Die maximale Durchbiegung im GZG liegt bei 10.5 mm und damit knapp unter der zulässigen Durchbiegung von 1/1400 (11 mm).

Im GZT entfallen 80 % des Bemessungsmoments in Feldmitte auf die Nutzlast (Bahnlasten), 14 % auf die Auflast (Schotterbett und Gleis) und lediglich 6 % auf das Eigengewicht der UHFB-Konstruktion. Dieser hohe Quotient aus Nutzlast und Eigengewicht ist charakteristisch für eine Leichtbauweise.

Im GZT entsteht infolge Biegung ein Kräftepaar in den Flanschen von 9.4 MN, die durch eine Druckspannung von 130 MPa im Oberflansch und eine Zugspannung in den sechs Kabeln des Unterflanschs aufgenommen wird. Der Bemessungswert der Querkraft wird zu 45 % durch den Tragwiderstand des UHFB und zu 55 % durch eine vertikale Querkraftbewehrung in den Stegrippen aufgenommen. Dank der vollen Vorspannung in Brückenlängsrichtung bleiben im Grenzzustand der Ermüdung die maximalen Zugspannungsdifferenzen im Vorspannstahl und im UHFB gering. Der Bemessungswert infolge Ermüdungslasten für die maximale Druckspannung im UHFB der Druckflansche liegt bei 70 MPa und erreicht damit weniger als 50 % des Mittelwerts der Druckfestigkeit von UHFB, womit der UHFB unter der Dauerfestigkeit ermüdungsbeansprucht wird.

Die maximale Ermüdungsspannung des Betonstahls der Rippenplatte bleibt unter dem Bemessungswert von 108 MPa der Dauerfestigkeit.

Neuer Baustoff, neue Perspektiven

Diese UHFB-Konstruktion mit einem aus Blechen und versteifenden Rippen zusammengesetzten Querschnitt ist vom Stahlbau inspiriert, setzt jedoch die Vorspanntechnologie und gegossene Verbindungen ein.

Der Baustoff UHFB eröffnet neue Perspektiven und ressourcenschonende Anwendungen. Wegen seiner hohen Festigkeit ist er insbesondere für hochbeanspruchte Bauten wie Überdachungen mit grossen Spannweiten (vgl. «Schlanker, weiter, stärker» S. 27), für Decken, Stützen und Rahmen im Hochbau sowie für Kunstbauten wie Brücken und Stützmauern geeignet. Mit der UHFB-Technologie lassen sich neue Fassadenformen und -verkleidungen entwickeln. Dank der geringen Dicke der UHFB-Bleche können grössere Elemente vorfabriziert und montiert werden, was der Kreativität von Architekten, Ingenieuren und Designern neue Impulse verleihen kann (Abb. S. 22 unten).

Wegen seiner Leichtigkeit wird er zunehmend auch für die Verbesserung bestehender Bauwerke bevorzugt: Im Verbund mit Stahlbetonbauten können erhöhte Nutzungsanforderungen mit geringem zusätzlichem Gewicht erreicht werden (vgl. unten, «Mit Leichtigkeit verbessern»).

Heute geht es vor allem darum, die Errungenschaften der Baustoff- und Ingenieurwissenschaften zusammen mit Produktions- und Baufachleuten umzusetzen. Es dürfte sich denn auch schon bald eine spezifische Bau- und Baustoffindustrie[4] für UHFB bilden.


[Eugen Brühwiler (Prof. Dr. dipl. Ing. ETH/SIA/IVBH) ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Erhaltung, Konstruktion und Sicherheit von Bauwerken an der ETH Lausanne (EPFL).]

Artikel in originaler Sprache und Länge: vgl. «Construire en BFUP», TRACÉS 13/2014.


Anmerkungen:
[01] Das «B» von UHFB steht für Beton, obwohl UHFB kein Beton gemäss der Definition in der Norm SN EN 206 oder im Wörterbuch («Als Baustoff verwendete Mischung aus Zement, Wasser und Sand, Kies o. Ä. [...]») ist. UHFB sollten als faserverstärkte, zementgebundene Verbundbaustoffe oder kurz als «faserbewehrte Zemente» bezeichnet werden. Es ist augenfällig, dass UHFB und Beton unterschiedliche Baustoffe sind.
[02] E. Brühwiler, E. Denarié: Rehabilitation and strengthening of concrete structures using Ultra-High Performance Fibre Reinforced Concrete. Structural Engineering International, Vol. 23, Nr. 4, 2013, S. 450–457.
[03] Die Arbeitsgruppe UHFB der Kommission SIA 262 erarbeitet momentan das Merkblatt SIA 2052 «Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) – Baustoffe, Bemessung und Ausführung», das voraussichtlich im Frühjahr 2015 veröffentlicht wird.
[04] Zurzeit bieten folgende Zementhersteller UHFB-Produkte in ihrem Sortiment an: Holcim/CH (Holcim 707 bzw. 710), Lafarge/FR (Ductal), Eiffage/FR (BSI) und Vinci/FR (Vifort).

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: