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Orte zum Mitnehmen: Swissness verkauft sich gut
TEC21

Souvenirs transportieren als Teil einer globalen Massenkultur Vorstellungen eines Ortes. Gerade in Landschaftsdarstellungen verdichten sich solche Vorstellungen zu romantischen Komposita. Die Schweiz wird so idyllischer, als sie es je war.

30. November 2014 - Cyril Kennel
Das Forschungsprojekt «Bildsymbole der Schweiz» der Hochschule Luzern, Departement Design & Kunst, hat während zweier Jahre rund 1000 Schweizer Souvenirs auf ihre Bildinhalte hin untersucht. Die Abbildungen von Landschaften fielen speziell auf. Sie erzählen vor allem etwas: romantische Geschichten. Denn die Schweizer Landschaft ist gezähmt.

Mythos Mobilität

Der Berg als eigenes starkes Schweiz-Symbol rückt dabei in den Hintergrund. Seine Wildheit ist nur noch Kulisse für eine andere Szenerie, die sich im Vordergrund abspielt. Dort geben sich Kühe, Alphörner und traditionelle Bauten ein beinahe pastorales Stelldichein. Auffallend ist auch die hohe Präsenz von Verkehrsmitteln: Zahnradbahnen, Seilbahnen und Eisenbahnen kämpfen sich Hänge hoch oder durchqueren grandiose Szenerien; Schiffe bringen ihre Gäste an das andere Ufer. Die grossen ingenieurstechnischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts, namentlich Tunnel- und Brückenbau, schlagen sich auch heute noch in der populärkulturellen, visuellen Rhetorik nieder. Sie ermöglichen eine einverleibte Landschaft, die bequem «erfahrbar» und konsumierbar ist und keine Strapazen mehr verursacht wie zu Zeiten der ersten englischen Bergbesteigungen.

Natur und Bebauung

Auch wenn praktisch nie unbebaute Landschaft dargestellt wird – der Weiler oder die einsame Berghütte als Siedlungs- oder Wohnform scheinen hier das Idealbild zu verkörpern, und der Historiker Georg Kreis ernannte das Chalet zu einem Schweizer «lieu de mémoire»[1] –, erscheint diese Bebauung immer in Einklang mit der vermeintlich unberührten Natur im Hintergrund.

Verweise auf aktuelle Themen wie Landverbrauch und Zersiedelung haben in diesen Bildern nichts verloren. Städte werden zwar abgebildet, aber auch dann oft vor einer Bergkulisse, künstlich dramatisiert, als ob das eigentliche Stadtbild eine zu schwache ikonografische Wirkung hätte.
Interessant ist auch der Umgang mit Ansichten aus dem Süden des Landes. Diese Landschaften benötigen offenbar die Palme als Symbol, damit sie geografisch südlich des Gotthards verortet werden können. Damit sie aber nicht mit italienischen Rivieren verwechselt werden, löst auch hier der schneebedeckte Berg im Hintergrund die «Behauptung Schweiz» wieder ein. Die Tessiner Landschaft ist hier doppelt codiert, nach Süden und nach Norden.

Reproduktion von Erwartungen

Durch ihre Bildkompositionen lassen sich diese Ansichten als Nachfahren der Vedute aus dem 18. Jahrhundert lesen; eine Feststellung, die auch dadurch gestärkt wird, dass die meisten dieser Darstellungen nicht auf Kleidung, sondern auf flächigen Objekten wie Bilderrahmen, Magneten, Stickern zu finden sind.

Die Tourismusindustrie ist eine Geschichtenerzählerin und Bildermaschine. Machen wir uns nichts vor: Ihr geht es nicht um das Abbilden des Authentischen. Diese Frage hat sie auch nicht zu interessieren.

Ihr Sinn und Zweck ist die Reproduktion bestehender, mentaler Bilder und die Befriedigung des Reisenden, der sein Kopfbild vor Ort bestätigt haben will – und den Beweis davon in Form des Souvenirs mit nach Hause trägt.

Trotzdem wünscht man sich ob dieses Befundes den erfrischenden Bildbruch, den Stolperstein in diesen romantischen Geschichten. Und es gibt ihn, wenn auch selten: Bauern und Kühe auf der asphaltierten Hauptstrasse. Oder die Zürcher Stadtansicht, auf welcher der Touristenbus gleich mit abgebildet ist. Im zweiten Fall wird das Souvenir sogar zum Meta-Souvenir, in einem überraschenden Moment der Ehrlichkeit.


Anmerkung:
[01] Kreis, Georg: Schweizer Erinnerungsorte: Aus dem Speicher der Swissness. Zürich, 2010.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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