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Pack die Badehose ein
Naturbad in Riehen (CH)
Am Rande der Baseler Vorortgemeinde Riehen, unmittelbar an der deutschen Grenze, wurde mit der Badesaison 2014 eine neue Schwimmanlage eröffnet: das Naturbad Riehen. Rutschentürme in Pink oder Sprungturmstaffeln sucht man hier vergebens: Moderat und bescheiden fügt sich die Anlage in die Umgebung ein, die von der Schwemmlandaue des Flüsschens Wiese und dem Abhang des Tüllinger Hügels, der südlichsten Spitze des Schwarzwalds, geprägt wird.
30. November 2014 - Ulrike Kunkel
Das charmante Projekt ist vom Baseler Büro Herzog & de Meuron, das andernorts derzeit vornehmlich durch Großprojekte von sich reden macht: durch die Hochhausprojekte für Roche, die Elbphilharmonie in Hamburg, durch Museen in Kalkutta und Hongkong. Das zurückhaltende, alles andere als spektakuläre Holzgebäude des Naturbads spricht eine andere Sprache. Es knüpft an historische Badearchitekturen an und erinnert so an das Frühwerk der Architekten, das um die Auseinandersetzung mit dem Ort und der alltäglichen Architektur kreist.
Die Schweiz ist nicht nur ein Land der Berge, sondern auch eines der Quellen, Flüsse und Seen. Das Wasser war nicht nur der Motor der frühen Industrialisierung; auch seine heilende Wirkung wurde frühzeitig erkannt. Einer der ersten Kurorte war Pfäfers bei Bad Ragaz, wo Kranke schon seit dem 13. Jahrhundert – an Seilen herabgelassen – im warmen Wasser der Taminaschlucht badeten. Ihre Blüte erlebten Kurorte allerdings im 19. Jahrhundert; der Tourismus blieb nicht mehr auf die überschaubaren Kreise der Machteliten beschränkt, sondern erreichte breitere Kreise der sich ausbildenden bürgerlichen Gesellschaft. Von der medizinischen Anwendung zum Sport- und Freizeitnutzen bedurfte es noch eines längeren Wegs. Der Hygienediskurs der Lebensreformer um 1900 legte Grundlagen, auf welche auch die Protagonisten des Neuen Bauens zurückgreifen konnten. Zum Pionier der Freibadarchitektur in der Schweiz wurde der Bauingenieur Beda Hefti, der stilistisch im Neoklassizismus begann und in den 30er Jahren auf die Moderne einschwenkte. Doch auch für andere Architekten war das Thema des Schwimmbads attraktiv: Marc Piccard realisierte 1934-37 das Bad Bellerive-Plage in Lausanne-Ouchy, Max Ernst Haefeli, Werner Moser und der Landschaftsarchitekt Gustav Ammann realisierten 1938/39 das Freibad Allenmoos in Zürich, und Max Frisch konnte in seiner Zeit als Architekt 1947-49 das Bad Letzigraben in Zürich bauen. Handelt es sich bei diesen Bauten zumeist um Ikonen des Neuen Bauens, so entstanden daneben seit dem späten 19. Jahrhundert einfache hölzerne Badeanlagen an Seen und Flüssen. Sie zeigen sich aus Gründen des Sichtschutzes nach außen geschlossen, während die an die Umfriedung angebauten Garderoben- und Funktionsbereiche mit vorgelagerten Stegen und Liegeterrassen sich zum Wasser hin öffnen. Diese Typologie bildete die Referenz für das neue Naturbad in Riehen.
Ganz am Anfang verfolgten die Architekten jedoch eine andere Strategie. Denn mit einem Bad in Riehen setzten sich Herzog & de Meuron schon zum Beginn ihrer Karriere auseinander. 1979 gewannen sie einen Wettbewerb für ein Frei- und Hallenbad am Mühlenteich in Riehen, das ungefähr dort entstanden wäre, wo heute die Fondation Beyeler steht. Auch wenn eine Veranda mit Holzlamellen gestisch bewusst einfach gehalten war, entsprach die Kombination aus Frei- und Hallenbad noch ganz dem Denken und den scheinbar grenzenlosen Budgets der 70er Jahre. Das Projekt wurde bis 1982 verfolgt, dann jedoch verworfen. Vier Jahre später legten die Architekten ein neues Projekt vor, nunmehr deutlich redimensioniert und auf ein reines Freibad beschränkt. Wie große Wannen aus Beton hätten die Schwimmbecken in der Landschaft gestanden, doch aus Gründen des Grundwasserschutzes nahm man auch von diesem Konzept Abstand. Obwohl über ein Bad in Riehen weiterhin diskutiert wurde, startete man einen neuen und schließlich erfolgreichen Anlauf erst 20 Jahre später, im Jahr 2007. Der neue Standort liegt etwa 500 m nordwestlich des ursprünglich avisierten und wird auf zwei Seiten von der hier im Knick geführten Weilstraße, die Riehen und Weil am Rhein verbindet, sowie auf der südöstlichen Langseite vom Flusslauf der Wiese begrenzt. Eine hölzerne Umfassungswand in der Tradition der historischen Schweizer »Badis« umschließt das trapezoide Grundstück mit seinen rund 6 000 m² auf drei Seiten. Zur Wiese und ihrer Auenlandschaft hin bildet eine Hecke die Begrenzung, ohne für die Besucher des Bads den Blick in die Weite zu behindern.
Konzeptionell stellt das neue Bad das Gegenmodell zum Projekt aus den Jahren 1986/87 dar: Inszenierten Herzog & de Meuron seinerzeit mit ihren Betonskulpturen den Gegensatz von Architektur und Natur, forcierten also den künstlichen Charakter der Intervention, so ist das Ziel jetzt gewissermaßen minimalinvasiv: Das Bad fügt sich ganz bewusst in die landschaftliche Umgebung ein. Dies lässt sich nicht nur an der hölzernen Architektur festmachen; auch der Gedanke eines »Naturbads« folgt einem gewandelten Verständnis von einer Badeanstalt. Das Wasser wird nicht gechlort und chemisch aufbereitet, sondern biologisch regeneriert. Hierzu dienen nicht nur die mit Pflanzen bewachsenen Uferzonen, sondern mit Pflanzen bewachsene Filterkörper auf der anderen Seite der Straße. In diese Anlage, die an gestaffelte Reisterrassen erinnert, wird das gebrauchte Wasser gepumpt, bevor es im Sinne eines kontinuierlichen Kreislaufs wieder in die Becken gelangt. Ein großer, von flachen, mit Wasserpflanzen bewachsenen Kiesufern eingefasster Badesee, durch hölzerne Plattformen und Stege erschlossen und gegliedert, bildet das Zentrum des Naturbads. Der Badesee teilt sich in unterschiedliche Zonen: ein Nichtschwimmerbecken, ein 25-Meter-Becken mit vier Bahnen sowie ein Sprungbecken mit 1-Meter-Brett und 3-Meter-Plattform. Lediglich das flache Planschbecken für Kleinkinder ist separat angelegt.
Die das gesamte Areal dreiseitig umgebende Bretterwand aus Lärchenholz übernimmt sämtliche anderen Funktionen. Auf der nördlichen Schmalseite ist sie raumhaltig ausgebildet: Garderobenräume, Toiletten und ein kleines Café flankieren den Eingang, eine Treppe führt hinauf auf das als Terrasse ausgebildete Oberdeck. An den übrigen beiden Seiten wird die Wand durch eine pultartige Dachkonstruktion überfangen. Die schrägen Dachsparren, welche weit über die die Wand begleitenden Liegepodien auskragen, werden auf der Außenseite durch eine Holzzangenkonstruktion gehalten. Drei Ausbuchtungen gewähren Platz für die als Massivkonstruktionen erstellten Duschbereiche.
In Zeiten, da Ökologie als ein Megatrend verstanden werden kann, repräsentiert das Naturbad Riehen ein neues Verständnis eines Schwimmbads. Diesem Konzept entsprechen Herzog & de Meuron mit einer architektonischen Lösung, die angesichts der sonstigen Projekte des Büros durch eine angemessene Bescheidenheit und Selbstverständlichkeit überzeugt.
Die Schweiz ist nicht nur ein Land der Berge, sondern auch eines der Quellen, Flüsse und Seen. Das Wasser war nicht nur der Motor der frühen Industrialisierung; auch seine heilende Wirkung wurde frühzeitig erkannt. Einer der ersten Kurorte war Pfäfers bei Bad Ragaz, wo Kranke schon seit dem 13. Jahrhundert – an Seilen herabgelassen – im warmen Wasser der Taminaschlucht badeten. Ihre Blüte erlebten Kurorte allerdings im 19. Jahrhundert; der Tourismus blieb nicht mehr auf die überschaubaren Kreise der Machteliten beschränkt, sondern erreichte breitere Kreise der sich ausbildenden bürgerlichen Gesellschaft. Von der medizinischen Anwendung zum Sport- und Freizeitnutzen bedurfte es noch eines längeren Wegs. Der Hygienediskurs der Lebensreformer um 1900 legte Grundlagen, auf welche auch die Protagonisten des Neuen Bauens zurückgreifen konnten. Zum Pionier der Freibadarchitektur in der Schweiz wurde der Bauingenieur Beda Hefti, der stilistisch im Neoklassizismus begann und in den 30er Jahren auf die Moderne einschwenkte. Doch auch für andere Architekten war das Thema des Schwimmbads attraktiv: Marc Piccard realisierte 1934-37 das Bad Bellerive-Plage in Lausanne-Ouchy, Max Ernst Haefeli, Werner Moser und der Landschaftsarchitekt Gustav Ammann realisierten 1938/39 das Freibad Allenmoos in Zürich, und Max Frisch konnte in seiner Zeit als Architekt 1947-49 das Bad Letzigraben in Zürich bauen. Handelt es sich bei diesen Bauten zumeist um Ikonen des Neuen Bauens, so entstanden daneben seit dem späten 19. Jahrhundert einfache hölzerne Badeanlagen an Seen und Flüssen. Sie zeigen sich aus Gründen des Sichtschutzes nach außen geschlossen, während die an die Umfriedung angebauten Garderoben- und Funktionsbereiche mit vorgelagerten Stegen und Liegeterrassen sich zum Wasser hin öffnen. Diese Typologie bildete die Referenz für das neue Naturbad in Riehen.
Ganz am Anfang verfolgten die Architekten jedoch eine andere Strategie. Denn mit einem Bad in Riehen setzten sich Herzog & de Meuron schon zum Beginn ihrer Karriere auseinander. 1979 gewannen sie einen Wettbewerb für ein Frei- und Hallenbad am Mühlenteich in Riehen, das ungefähr dort entstanden wäre, wo heute die Fondation Beyeler steht. Auch wenn eine Veranda mit Holzlamellen gestisch bewusst einfach gehalten war, entsprach die Kombination aus Frei- und Hallenbad noch ganz dem Denken und den scheinbar grenzenlosen Budgets der 70er Jahre. Das Projekt wurde bis 1982 verfolgt, dann jedoch verworfen. Vier Jahre später legten die Architekten ein neues Projekt vor, nunmehr deutlich redimensioniert und auf ein reines Freibad beschränkt. Wie große Wannen aus Beton hätten die Schwimmbecken in der Landschaft gestanden, doch aus Gründen des Grundwasserschutzes nahm man auch von diesem Konzept Abstand. Obwohl über ein Bad in Riehen weiterhin diskutiert wurde, startete man einen neuen und schließlich erfolgreichen Anlauf erst 20 Jahre später, im Jahr 2007. Der neue Standort liegt etwa 500 m nordwestlich des ursprünglich avisierten und wird auf zwei Seiten von der hier im Knick geführten Weilstraße, die Riehen und Weil am Rhein verbindet, sowie auf der südöstlichen Langseite vom Flusslauf der Wiese begrenzt. Eine hölzerne Umfassungswand in der Tradition der historischen Schweizer »Badis« umschließt das trapezoide Grundstück mit seinen rund 6 000 m² auf drei Seiten. Zur Wiese und ihrer Auenlandschaft hin bildet eine Hecke die Begrenzung, ohne für die Besucher des Bads den Blick in die Weite zu behindern.
Konzeptionell stellt das neue Bad das Gegenmodell zum Projekt aus den Jahren 1986/87 dar: Inszenierten Herzog & de Meuron seinerzeit mit ihren Betonskulpturen den Gegensatz von Architektur und Natur, forcierten also den künstlichen Charakter der Intervention, so ist das Ziel jetzt gewissermaßen minimalinvasiv: Das Bad fügt sich ganz bewusst in die landschaftliche Umgebung ein. Dies lässt sich nicht nur an der hölzernen Architektur festmachen; auch der Gedanke eines »Naturbads« folgt einem gewandelten Verständnis von einer Badeanstalt. Das Wasser wird nicht gechlort und chemisch aufbereitet, sondern biologisch regeneriert. Hierzu dienen nicht nur die mit Pflanzen bewachsenen Uferzonen, sondern mit Pflanzen bewachsene Filterkörper auf der anderen Seite der Straße. In diese Anlage, die an gestaffelte Reisterrassen erinnert, wird das gebrauchte Wasser gepumpt, bevor es im Sinne eines kontinuierlichen Kreislaufs wieder in die Becken gelangt. Ein großer, von flachen, mit Wasserpflanzen bewachsenen Kiesufern eingefasster Badesee, durch hölzerne Plattformen und Stege erschlossen und gegliedert, bildet das Zentrum des Naturbads. Der Badesee teilt sich in unterschiedliche Zonen: ein Nichtschwimmerbecken, ein 25-Meter-Becken mit vier Bahnen sowie ein Sprungbecken mit 1-Meter-Brett und 3-Meter-Plattform. Lediglich das flache Planschbecken für Kleinkinder ist separat angelegt.
Die das gesamte Areal dreiseitig umgebende Bretterwand aus Lärchenholz übernimmt sämtliche anderen Funktionen. Auf der nördlichen Schmalseite ist sie raumhaltig ausgebildet: Garderobenräume, Toiletten und ein kleines Café flankieren den Eingang, eine Treppe führt hinauf auf das als Terrasse ausgebildete Oberdeck. An den übrigen beiden Seiten wird die Wand durch eine pultartige Dachkonstruktion überfangen. Die schrägen Dachsparren, welche weit über die die Wand begleitenden Liegepodien auskragen, werden auf der Außenseite durch eine Holzzangenkonstruktion gehalten. Drei Ausbuchtungen gewähren Platz für die als Massivkonstruktionen erstellten Duschbereiche.
In Zeiten, da Ökologie als ein Megatrend verstanden werden kann, repräsentiert das Naturbad Riehen ein neues Verständnis eines Schwimmbads. Diesem Konzept entsprechen Herzog & de Meuron mit einer architektonischen Lösung, die angesichts der sonstigen Projekte des Büros durch eine angemessene Bescheidenheit und Selbstverständlichkeit überzeugt.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel