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»Haus Unimog«, Ammerbuch
Wohn- und Werkstatt
Um für eine kleine Bauaufgabe ein städtebaulich angemessenes Volumen zu schaffen, stapelten die Planer Fabian Evers und Christoph Wezel die Nutzungen: Werkstatt und Wohnhaus fanden in einem Hybrid übereinander zusammen. Es entstand ein Haus, das trotz geringer Abmessungen und geringen Budgets souverän seinen Platz besetzt und außerdem noch Großzügigkeit vermittelt.
30. November 2014 - Martin Höchst
Entringen ist mit seinen knapp 4 000 Einwohnern der größte von fünf Teilorten der Gemeinde Ammerbuch. 10 km westlich von Tübingen gelegen, ist es umgeben von den Feldern des Ammertals und dem erhöhten Südwestrand eines ausgedehnten Mischwaldgebiets namens Schönbuch. Land- und Forstwirtschaft – zunehmend auch wieder etwas Weinbau – haben Landschaft und Dorf über Jahrhunderte geprägt. In den letzten Dekaden hat jedoch auch hier der Straßenverkehr dem gewachsenen Ortsbild seinen Stempel aufgedrückt. Die Nähe zur Universitätsstadt Tübingen ließ nicht nur die Mieten, sondern auch die Pendlerströme ansteigen. Banale Wohn- und Gewerbesiedlungen entstanden rings um das alte Dorf.
Mitten durch den Ort führt eine vielbefahrene Bundesstraße, an der stolze und gut erhaltene alte Bauernhäuser stehen. Dazwischen findet sich so mancher austauschbare Neubau und der ein oder andere Bestandsbau, der seiner dringend nötigen Sanierung harrt. Zum ländlichen Erscheinungsbild gehören auch die weitgehend geschlossenen Fassaden von Wirtschaftsgebäuden, bekleidet mit Holz, Putz oder Trapezblech.
Ländliche Neuinterpretation
An einer Bushaltestelle weitet sich die vorwiegend recht dicht gegenüberstehende Bebauung der Durchgangsstraße ein wenig auf. Hier steht seit Februar 2012 ein zweigeschossiges Gebäude, dessen Volumen mit Satteldach eher zu den kleinen in der Umgebung zählt. Es rückt mit seiner schlanken Giebelseite, wie viele der historischen Nachbarhäuser, bis an den Gehweg der Hauptstraße vor. Vollflächig, ohne jede Öffnung zeigen sich seine beiden eingesetzten Fassadenmaterialien: Während das EG mit transluzenten gewellten Kunststoffplatten beplankt ist, findet an den Außenwänden sowie den geneigte Dachflächen des OG anthrazitfarbenes Wellblech aus Aluminium Verwendung. Dem ersten Anschein nach meint man, ein reines Wirtschaftsgebäude vor sich zu haben. Bei näherer Betrachtung jedoch machen die Fensteröffnungen in unterschiedlichen Formaten an den Längsseiten deutlich, dass die vermeintliche Tenne auch Wohnräume birgt.
Die in der Gegend übliche historische Typologie für Bauernhäuser, bei der meist über dem Stall des EG die Wohnräume der Bauernfamilie lagen, findet hier eine neuzeitliche und eher ungewöhnliche Interpretation: als Zweizimmerwohnung über einer Werkstatt. Der einzige Bewohner und Bauherr des hybriden Gebäudes arbeitet nebenbei leidenschaftlich gerne im Wald mit seinem nicht mehr ganz neuen Unimog. Der ist dabei selbstverständlich als Zugmaschine einsetzbar, aber auch als Antrieb für die Holzbearbeitung.
Anfänglich dachte der Bauherr nicht daran, neu zu bauen, vielmehr suchte er nach einem Bestandsgebäude mit Räumlichkeiten für sich und sein Waldfahrzeug, die möglichst dicht beieinanderliegen sollten. Außerdem musste der Raum für den Unimog eine beträchtliche Höhe aufweisen, um so eine Hebebühne für notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten nutzen zu können. Die Suche danach scheiterte letztlich jedoch an der doch recht ungewöhnlichen Raumkombination.
Das verfügbare Budget schien für einen Neubau und ein Grundstück sehr knapp bemessen zu sein. So kam der recht günstige Bauplatz an der Durchgangsstraße in Entringen, auf dem zuvor bereits ein baufälliges Bauernhaus abgerissen worden war und das aufgrund des Straßenlärms schwer vermarktbar war, sehr gelegen. Als langjähriger Freund des Bauherrn wurde Architekt Fabian Evers zu Rate gezogen.
Weglassen, wenn möglich
Zusammen mit dem Architekturbüro Wezel investierte Fabian Evers viel Planungsarbeit in die kostengünstige Umsetzung des kleinen Projekts. Und dies obwohl die HOAI bekanntermaßen dem Planer keinerlei Anreiz für kostengünstiges Bauen bietet. Das entstandene kleine Projekt zeigt an jeder Ecke, dass sich kluges Weglassen von potenziell Unnötigem nicht nur für den Bauherrn kostensparend auswirkt, sondern sich auch in ästhetischer Hinsicht »rechnet«.
Lediglich sechs schlanke Holzstützen halten die Holzkonstruktion des OG auf knapp 4 m Abstand zur betonierten Bodenplatte und definieren so bereits die Ausdehnung der Werkstatt im EG. Auskreuzungen mit Stahlseilen sorgen für Steifigkeit. Horizontale Kanthölzer dienen als Unterkonstruktion für die Kunststoffwelle der Fassaden sowie der beiden Schiebetore der Südseite. Da der kleine Hausanschlussraum, der ein WC und einen Waschtisch birgt, von der Fassade und der Decke abgelöst ist, entsteht ein heller geradezu ätherischer Raum, der eher wie eine Skulpturengalerie als eine Werkstatt wirkt. Hebebühne, Werkstattutensilien sowie der Straßenlärm und die Kälte, die durch die leichten Wände dringen, verweisen jedoch sehr nachdrücklich auf seinen dienenden Zweck.
Hinauf zum Wohngeschoss geht es über eine einläufige, stählerne Außentreppe an der westlichen Stirnseite, die im 1. OG an der hausbreiten Loggia mündet. Diese dient als geschützter Freisitz und abgehobener Vorplatz zugleich. Der Blick von hier oben reicht über Hühnergärten, Wirtschafts- und Wohngebäude hinweg bis in die leicht bewegte, freundliche Landschaft des Ammertals. Wer eintreten möchte, der muss anklopfen, denn eine Hausklingel wurde als verzichtbar eingestuft. Außerdem bietet die großzügig verglaste Öffnung zum Wohnraum ungehinderten Sichtkontakt zwischen drinnen und draußen. Die eingebaute Balkontür als einzige Außentür des Gebäudes dient also gleichzeitig als Haustür. An die zimmergroße Loggia schließt der Wohnraum, der auch Küchenzeile und Essplatz aufnimmt, ebenfalls in Hausbreite, an. Die Wirkung dieses 30 m² großen Raums mit einer lichten Höhe von bis teilweise über 4 m sowie dem von drei Seiten einfallenden Licht hat nichts von den vermuteten bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen. Selbst die eher simplen Oberflächen aus konstruktiv wirksamen Holzwerkstoffen können den großzügigen Charakter des Raums nicht mindern – ganz gleich ob als dunkle Siebdruckplatten am Boden oder weiß lasierte Grobspanplatten an den Wänden und Decken. Schlafzimmer und Bad werden durch konventionelle, weiß beschichtete Innenraumtüren vom Wohnzimmer aus betreten und weisen die gleichen Oberflächenqualitäten an Boden und Wänden auf.
Während das 12 m² kleine und sehr hohe Schlafzimmer über ein Fenster in der Wand erhellt wird, geschieht dies im Badezimmer, die Intimsphäre wahrend, über ein Dachfenster. Hier ist der Spritzwasserbereich oberhalb der Wanne mit weißen Fliesen belegt, was wiederum davon zeugt, dass nicht alles eingespart wurde, was man theoretisch hätte weglassen können, praktisch jedoch zwangsläufig zu Schäden geführt hätte. Der Verzicht auf die sonst üblichen Regenrinnen an den Traufen des Satteldachs hatte bisher noch keine Beeinträchtigungen zur Folge, steht jedoch unter aufmerksamer Beobachtung.
Beheizt wird die kleine Wohnung über einen Kaminofen im Wohnraum, sinnigerweise mit Holz »aus eigener Ernte«. Zusätzlich tragen die großen Fensterflächen nach Süden und Westen zur Erwärmung bei. Die mit Mineralwolle gedämmte Außenhülle wurde exakt so bemessen, dass sie den Anforderungen der geltenden EnEV entsprach, »... und keinen cm mehr«, so Architekt Evers.
Dieses kleine Haus hat nun wirklich nichts mit standardisierten Eigenheimen gemein. Die Nachbarschaft sprach anfänglich sogar mit freundlichem Spott von Hochwasserschutzmaßnahmen in Anbetracht der kleinen Wohnung, die mehr als 4 m über dem Terrain schwebt. Letztlich hat sich jedoch genau diese Anordnung als Kunstgriff beim Umgang mit einer nicht alltäglichen Bauaufgabe an einer ganz alltäglichen lauten ländlichen Straße erwiesen.
Mitten durch den Ort führt eine vielbefahrene Bundesstraße, an der stolze und gut erhaltene alte Bauernhäuser stehen. Dazwischen findet sich so mancher austauschbare Neubau und der ein oder andere Bestandsbau, der seiner dringend nötigen Sanierung harrt. Zum ländlichen Erscheinungsbild gehören auch die weitgehend geschlossenen Fassaden von Wirtschaftsgebäuden, bekleidet mit Holz, Putz oder Trapezblech.
Ländliche Neuinterpretation
An einer Bushaltestelle weitet sich die vorwiegend recht dicht gegenüberstehende Bebauung der Durchgangsstraße ein wenig auf. Hier steht seit Februar 2012 ein zweigeschossiges Gebäude, dessen Volumen mit Satteldach eher zu den kleinen in der Umgebung zählt. Es rückt mit seiner schlanken Giebelseite, wie viele der historischen Nachbarhäuser, bis an den Gehweg der Hauptstraße vor. Vollflächig, ohne jede Öffnung zeigen sich seine beiden eingesetzten Fassadenmaterialien: Während das EG mit transluzenten gewellten Kunststoffplatten beplankt ist, findet an den Außenwänden sowie den geneigte Dachflächen des OG anthrazitfarbenes Wellblech aus Aluminium Verwendung. Dem ersten Anschein nach meint man, ein reines Wirtschaftsgebäude vor sich zu haben. Bei näherer Betrachtung jedoch machen die Fensteröffnungen in unterschiedlichen Formaten an den Längsseiten deutlich, dass die vermeintliche Tenne auch Wohnräume birgt.
Die in der Gegend übliche historische Typologie für Bauernhäuser, bei der meist über dem Stall des EG die Wohnräume der Bauernfamilie lagen, findet hier eine neuzeitliche und eher ungewöhnliche Interpretation: als Zweizimmerwohnung über einer Werkstatt. Der einzige Bewohner und Bauherr des hybriden Gebäudes arbeitet nebenbei leidenschaftlich gerne im Wald mit seinem nicht mehr ganz neuen Unimog. Der ist dabei selbstverständlich als Zugmaschine einsetzbar, aber auch als Antrieb für die Holzbearbeitung.
Anfänglich dachte der Bauherr nicht daran, neu zu bauen, vielmehr suchte er nach einem Bestandsgebäude mit Räumlichkeiten für sich und sein Waldfahrzeug, die möglichst dicht beieinanderliegen sollten. Außerdem musste der Raum für den Unimog eine beträchtliche Höhe aufweisen, um so eine Hebebühne für notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten nutzen zu können. Die Suche danach scheiterte letztlich jedoch an der doch recht ungewöhnlichen Raumkombination.
Das verfügbare Budget schien für einen Neubau und ein Grundstück sehr knapp bemessen zu sein. So kam der recht günstige Bauplatz an der Durchgangsstraße in Entringen, auf dem zuvor bereits ein baufälliges Bauernhaus abgerissen worden war und das aufgrund des Straßenlärms schwer vermarktbar war, sehr gelegen. Als langjähriger Freund des Bauherrn wurde Architekt Fabian Evers zu Rate gezogen.
Weglassen, wenn möglich
Zusammen mit dem Architekturbüro Wezel investierte Fabian Evers viel Planungsarbeit in die kostengünstige Umsetzung des kleinen Projekts. Und dies obwohl die HOAI bekanntermaßen dem Planer keinerlei Anreiz für kostengünstiges Bauen bietet. Das entstandene kleine Projekt zeigt an jeder Ecke, dass sich kluges Weglassen von potenziell Unnötigem nicht nur für den Bauherrn kostensparend auswirkt, sondern sich auch in ästhetischer Hinsicht »rechnet«.
Lediglich sechs schlanke Holzstützen halten die Holzkonstruktion des OG auf knapp 4 m Abstand zur betonierten Bodenplatte und definieren so bereits die Ausdehnung der Werkstatt im EG. Auskreuzungen mit Stahlseilen sorgen für Steifigkeit. Horizontale Kanthölzer dienen als Unterkonstruktion für die Kunststoffwelle der Fassaden sowie der beiden Schiebetore der Südseite. Da der kleine Hausanschlussraum, der ein WC und einen Waschtisch birgt, von der Fassade und der Decke abgelöst ist, entsteht ein heller geradezu ätherischer Raum, der eher wie eine Skulpturengalerie als eine Werkstatt wirkt. Hebebühne, Werkstattutensilien sowie der Straßenlärm und die Kälte, die durch die leichten Wände dringen, verweisen jedoch sehr nachdrücklich auf seinen dienenden Zweck.
Hinauf zum Wohngeschoss geht es über eine einläufige, stählerne Außentreppe an der westlichen Stirnseite, die im 1. OG an der hausbreiten Loggia mündet. Diese dient als geschützter Freisitz und abgehobener Vorplatz zugleich. Der Blick von hier oben reicht über Hühnergärten, Wirtschafts- und Wohngebäude hinweg bis in die leicht bewegte, freundliche Landschaft des Ammertals. Wer eintreten möchte, der muss anklopfen, denn eine Hausklingel wurde als verzichtbar eingestuft. Außerdem bietet die großzügig verglaste Öffnung zum Wohnraum ungehinderten Sichtkontakt zwischen drinnen und draußen. Die eingebaute Balkontür als einzige Außentür des Gebäudes dient also gleichzeitig als Haustür. An die zimmergroße Loggia schließt der Wohnraum, der auch Küchenzeile und Essplatz aufnimmt, ebenfalls in Hausbreite, an. Die Wirkung dieses 30 m² großen Raums mit einer lichten Höhe von bis teilweise über 4 m sowie dem von drei Seiten einfallenden Licht hat nichts von den vermuteten bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen. Selbst die eher simplen Oberflächen aus konstruktiv wirksamen Holzwerkstoffen können den großzügigen Charakter des Raums nicht mindern – ganz gleich ob als dunkle Siebdruckplatten am Boden oder weiß lasierte Grobspanplatten an den Wänden und Decken. Schlafzimmer und Bad werden durch konventionelle, weiß beschichtete Innenraumtüren vom Wohnzimmer aus betreten und weisen die gleichen Oberflächenqualitäten an Boden und Wänden auf.
Während das 12 m² kleine und sehr hohe Schlafzimmer über ein Fenster in der Wand erhellt wird, geschieht dies im Badezimmer, die Intimsphäre wahrend, über ein Dachfenster. Hier ist der Spritzwasserbereich oberhalb der Wanne mit weißen Fliesen belegt, was wiederum davon zeugt, dass nicht alles eingespart wurde, was man theoretisch hätte weglassen können, praktisch jedoch zwangsläufig zu Schäden geführt hätte. Der Verzicht auf die sonst üblichen Regenrinnen an den Traufen des Satteldachs hatte bisher noch keine Beeinträchtigungen zur Folge, steht jedoch unter aufmerksamer Beobachtung.
Beheizt wird die kleine Wohnung über einen Kaminofen im Wohnraum, sinnigerweise mit Holz »aus eigener Ernte«. Zusätzlich tragen die großen Fensterflächen nach Süden und Westen zur Erwärmung bei. Die mit Mineralwolle gedämmte Außenhülle wurde exakt so bemessen, dass sie den Anforderungen der geltenden EnEV entsprach, »... und keinen cm mehr«, so Architekt Evers.
Dieses kleine Haus hat nun wirklich nichts mit standardisierten Eigenheimen gemein. Die Nachbarschaft sprach anfänglich sogar mit freundlichem Spott von Hochwasserschutzmaßnahmen in Anbetracht der kleinen Wohnung, die mehr als 4 m über dem Terrain schwebt. Letztlich hat sich jedoch genau diese Anordnung als Kunstgriff beim Umgang mit einer nicht alltäglichen Bauaufgabe an einer ganz alltäglichen lauten ländlichen Straße erwiesen.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel