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Ein zeitgemäßes Seh-Erlebnis
Ein zeitgemäßes Seh-Erlebnis, Foto: Zeininger © Wiener Staatsoper
Ein zeitgemäßes Seh-Erlebnis, Plan: donmartin supersets
Spectrum

Inflationär gebraucht, oft mißbraucht, in der Folge verbraucht: der Begriff „Design“.Das Wiener Duo Renate Martin und Andreas Donhauser verleiht ihm indessen Körper und Glanz: mit seinen fulminanten Ausstattungen von Filmen, Theater- und Operninszenierungen.

2. Oktober 1999 - Judith Eiblmayr
Der Begriff „Design “ist in den letzten Jahren in Inflationärer Weise gebraucht, oft genug mißbraucht und in der Folge ein bißchen verbraucht worden. Umso erfreulicher ist es, daß es Kultursparten gibt, die – bislang von der Modebegrifflichkeit „verschont “– unter dem Designaspekt sehr wohl neue Qualitäten entwickeln können, wie zum Beispiel Bühnenereignisse, sei es in Theater oder Oper.

Während die Ausgestaltung bei Filmen und Fernsehstücken längst als„Set-Design“ bezeichnet wird,ist dem Theater das „Bühnenbild “erhalten geblieben, eine Differenzierung, die grundsätzlich richtig ist: Bei der Filmausstattung müssen Räume oder Rauminhalte so dargestellt werden, daß sie, auf Kinoleinwand oder Bildschirm flächig projiziert, für das menschliche Auge, der jeweiligen Intention der Filmemacher entsprechend, entschlüsselbar bleiben. Zu diesem Zweck ist alles technisch Machbare erlaubt, das Auge kann mit Hilfe des Medium Film ziemlich leicht ausgetrickst werden und unterliegt (gerne!) dem illusionären „Abbild des Geschehens“.

Der Begriff „Set-Design“ umschreibt die Vielschichtigkeit bei der Gestaltung der Szenen als einen dynamischen Prozeß, er impliziert die Künstlichkeit bei der Verquickung von Filmarchitektur, Licht, Zeit und technischen Trick mit den entsprechend gestylten Akteuren. Im Theater hingegen wird die Bühne als „Bild im Geschehen“ wahrgenommen. Das, was „geschieht“, ist die Schauspielerei, das Bühnenbild bleibt gegenüber der „Aura, die um den Darstellenden ist “(Walter Benjamin), trotz perspektivischer Bemalung und immer ausgereifterer Bühnenmaschinerie in einem semantischen Anspruch schön brav zweidimensional im Hintergrund.

Was passiert, wenn jemand, der um die „Designbarkeit“ des Sets aus der filmischen Praxi weiß, sich einer Bühne annimmt, kann am Beispiel der Arbeiten des Wiener Ausstatterduos Renate Martin und Andrea Donhauser abgelesen werden. Unter der Bezeichnung „donmartin superset“ bewerkstelligen sie die Ausgestaltung sowohl von Spielfilmen, Videoclips und Werbespots als auch von Theater- und Operninszenierungen im In- und Ausland, wie zuletzt „Le Grand Macabre“ von György Ligeti am Tiroler Landestheater (1998) oder „Gormenghast “von Irmin Schmidt am Opernhaus Wuppertal (1998).

Ihre letzte hochgelobte Produktion ist eine für die Wiener Staatsoper: Wilfried Hillers Kinderoper „Da Traumfresserchen “(Buch:Michael Ende) in der Inszenierung von Michael Sturminger. Obwohl von kleinerem Umfang, wird hier die Qualität der Arbeit von Martin und Donhauer in vollem Ausmaß deutlich, was von der Pressesprecherin der Wiener Staatsoper bei der Auswahl der Photos folgendermaßen treffend beschrieben wurde:„Na ja, Bühnenbild in dem Sinn gibt es eigentlich keines.“

Die kleine Bühne im Kinderzelt auf dem Dach der Staatsoper ist eben mehr als ein „Bild “,sie wird gestalterisch so besetzt, daß sie mit den handelnden Personen zu einem in einer Gesamtheit wahrnehmbaren Erlebnis gerät, Bühnenbild und Kostüme bedingen einander und lassen die Sänger und Sängerinnen zu integralen Bestandteilen der Bühneninstallation werden. Diese Herangehensweise, die „die Bühne selbst zum Objekt machen will“ (Martin/Donhau er) und dem in diesem Falle jungen Publikum eine kindgerecht dynamische, jedoch in keiner Phase des Stücks infantilisierte Bildabfolge bietet, ist natürlich ungleich spannender als „auf die Bretter“ oder „vor die Kulissen gestellte“und dort agierende Schauspieler.

Die computergenerierten Hintergrundmuster beim „Traumfresserchen“ sind von einer gekonnten, eindrucksvollen Zeichenhaftigkeit, die das jeweilige Bild untermalt und dadurch zuammenhält. Die Kostüme hingegen sind in Farben und Materialien im besten Sinne opulent: Hier wird verziert, humorvoll aus der Modewelt zitiert, aber auch experimentiert. Wenn das knallrote Ganzkörperkostüm des Traumfresserchens sich nach dem Verzehr aller schlechten Träume zu einer Kugel aufbläht, dann ist dies der Innovationsfreudigkeit der zwei Ausstatter auf dem Filmset zu danken. Technische Entwicklungen aus einer Werbespotproduktion fließen synergiennutzend in die Bühnenarbeit ein: Das Experimentieren mit Polyesterharz, das, über raumgroße Ballons gegossen, in Kugelform gebracht wurde, ließ praktisch als Nebenprodukt das aufblasbare Ballonkostüm für die Bühnenfigur entstehen. – Das Überzeugende am „Stage-Design “von Martin und Donhauser ist, daß es nie outriert wirkt oder zum Selbstzweck gerät und damit Bühnenstück und Darsteller nie bedrängt.

Die Vielseitigkeit, die die zwei Absolventen der Hochschule für Angewandte Kunst mit ihren Set-Designs beweisen, ist nicht nur Talent, sondern auch Ergebnis einer vielschichtigen Ausbildung. Martin besuchte die Meisterklasse für Bühnenbild von Axel Manthey, Donhauser jene für Produktgestaltung von Carl Auböck. Beide können jedoch auch auf ein Architekturstudium an der TU Wien verweisen; dem dürften sie ganz wesentlich die hohe Qualität der Auseinandersetzung mit dem Raum und das Wissen um die Wichtigkeit strukturierter Funktionsabläufe gerade bei der Bühnengestaltung verdanken. Mit dergleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie ganz praxisorientiert Prototypen für ein Set entwickeln und selber bauen, bedienen sie sich des Computers für die Planung einer abstrahierten, kühlen Architektur wie für den Spielfilm „Anatomie“ von S.Ruzowitzky im Auftrag der Columbia TriStar.

So abgeschmackt das Thema Design in vielen kulturrelevanten Bereichen auch sein mag, auf der Bühne sollte ihm notwendigerweise etwas mehr Verbreitung zuteil werden. Gemeint ist hierbei eben nicht eine billige Effekthascherei, die dem Theaterpublikum ein „Wow!“ entlocken soll, sondern vielmehr jener klassische Designbegriff, dem ein innovatives Moment immanent ist, das so manche herkömmliche Opern- oder Theateraufführung zu einem etwa dynamischeren und damit zeitgemäßen Seh-Erlebnis geraten lassen könnte.

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