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Gemischte Platte mit Torte
Gemischte Platte mit Torte, Foto: Andre Kiskan © Atelier Piva
Gemischte Platte mit Torte, Foto: Andre Kiskan © Atelier Piva
Spectrum

Von den Dimensionen her nimmt sich Paolo Pivas dreigeschoßiger Kreissegmentbau im Vergleich zu den umgebenden Kubaturen geradezu bescheiden aus. Von der städtebaulichen Funktion her ist er umso wichtiger: Er ist das Kopfbauwerk der Wiener Donau-City.

29. Januar 2000 - Judith Eiblmayr
Wiens neuer Stadtteil an der Neuen Donau beginnt sich, ganz im Sinne der Betreiber, zusehends zu entwickeln. Die erste Bauphase des Langzeitprojekts Donau-City ist mit der Fertigstellung des Mischek Towers an der Grenze zum Donaupark vorerst abgeschlossen. Der streng orthogonal strukturierte, nordwestliche Bereich des Geländes war einer hochverdichteten Wohnbebauung der Architekturbüros Cufer, Delugan Meissl, Loudon und Neumann & Steiner vorbehalten. Den westlichen Eckpunkt an der „Uferpromenade“ der Donau-City bildet die Volksschule mit integriertem Kindertagesheim von Hans Hollein.

In der diagonal anderen Ecke des Baugebiets vor dem Hintergrund der UNO-City steht inmitten der ihrer Verbauung harrenden Brache Wilhelm Holzbauers Bürohaus Andromeda Tower bislang als Solitär. Ihm wird nun allerdings sukzessive baulich näher gerückt. Vorerst kann Holzbauer selbst diese Annäherung vollziehen, ist es doch wiederum sein Büro, das mit der Planung des in unmittelbarer Nachbarschaft in Bau befindlichen Technologiezentrums Tech Gate Vienna beauftragt wurde. Das städtebauliche Umfeld des oval geformten Andromeda Tower wird nun durch einen querliegenden Riegel und ein dreieckiges Hochhaus begrenzt.

Wenn es nach dem Plan des Projektträgers, der WED – Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum geht, soll diesen Gebäuden jedoch langfristig die Sicht auf die Stadt durch ein Hochhauspaar verstellt werden, welches laut Werbeprospekt der WED nicht nur „die Corporate Identity für die Donau-City bildet, sondern darüber hinaus auch ein neues Wahrzeichen Wiens werden soll“. Die DC-Twin Towers von Arata Isozaki und Gustav Peichl sollen, alle anderen Bauten an Höhe überragend, den Blickfang von der Reichsbrücke aus abgeben und gleichzeitig den unverstellbaren Ausblick auf Wien bieten — woraus sich sicherlich ein akkurater Mehrwert bei den Büromieten lukrieren läßt.

Bis dahin präsentiert sich die sogenannte Platte als „gemischte Platte“ mit attraktivem Nutzungsmix (vorerst ein weiteres Bürohochhaus, eventuell die Maschinenbaufakultät der TU-Wien, ein „Experimentarium“, die europäische Flugsicherung CEATS), um potentielle Investoren auf den Geschmack zu bringen. Schließlich wird es alleinig an deren Engagement liegen, ob die geplanten Projekte realisiert bzw. nach Wunsch des jeweiligen Geldgebers verändert umgesetzt werden. Dementsprechend wird das zukünftige Stadtbild primär von den Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes und weniger von hehren städtebaulichen Überlegungen geprägt sein. Der Masterplan, von Adolf Krischanitz und Heinz Neumann & Partner 1993 erstellt, wurde zwar in der Wegeführung und in der Entflechtung des Verkehrs — Fußgänger und Radfahrer auf -, Autos unter der Platte — übernommen, in der Anordnung der Kubaturen jedoch sehr frei interpretiert. Man darf gespannt sein, wie mit den öffentlichen Räumen, die zwischen den groß dimensionierten Bauten mit ihren verheißungsvollen brandmarks entstehen, umgegangen wird: Werden sie von der WED gestalterisch mitentwickelt oder sollen sich die Dinge hinterher selbst entwickeln? Wird es so etwas wie ein City-Center geben und könnte sich ein solches neben der herrschenden Zentrumsagglomeration — Vienna International Center, Austria Center, Technologiezentrum, Entertainment Center — überhaupt eigenständig behaupten?

Ob die Platzierung eines Kirchenbaus bereits als Versuch einer klassischen Ortszentrumsdefinition zu werten ist, sei dahingestellt, zur Zeit scheint sich aus der Situierung von Heinz Tesars Kirche (in Bau) jedoch ein logisches soziales Zentrum zu bilden. Dieses liegt am Rande der Donau-City, dort, wo deren Anbindung an die wichtigste innenstadtorientierte Infrastrukturachse (U1, Wagramerstraße, Reichsbrücke) und ein Bezug zum gewachsenen Bezirk, nämlich Kaisermühlen, gegeben ist. Von hier aus wird der neue Stadtteil erschlossen, was durch ein gerade fertiggestelltes, in der beschriebenen Umgebung verhältnismäßig kleines, aber umso wichtigeres Element thematisiert wird.

Paolo Piva hat zwischen der verlängerten Schüttaustraße und der diagonalen Haupterschließungsachse der Donau-City einen kreissegmentförmigen, dreigeschoßigen Bau gesetzt, der weniger wegen seiner Nutzung als Filiale der Bank Austria und für weitere kleine Geschäftslokale, sondern vielmehr wegen seiner Gelenksfunktion aufwändig gestaltet ist. Die zur Reichsbrücke gewandte Südseite wird über einem metallverkleideten Sockelgeschoß von einer vorgehängten, doppelt gekrümmten Glasfassade gebildet, die einen äußerst repräsentativen Eindruck vermittelt. An den geraden Seiten wird das „Tortenstück“ von zwei Betonscheiben gefasst, die den Knick der Fußgängerverbindung zwischen U-Bahn- und Busstation und Donau-City nachbilden und richtungsweisend fungieren. Durch die Überbauung der bereits vorhandenen Fußgängerrampe gegenüber der U-Bahnstation, schafft Piva jene Torsituation, die dieses Gebäude zum Kopfbauwerk für die Donau-City macht.

Hat man das „Tor“ durchschritten, wird klar, dass genau hier, an der vermeintlichen Rückseite des Gebäudes, ein kleines Zentrum entstehen könnte: An diesem stark frequentierten Platz zwischen Pivas Bau und Tesars Kirche liegen der Eingang in die Bank und eine Bäckerei, im Zwickel der aufeinandertreffenden Wandscheiben, die durch große Öffnungen aufgelöst sind, ist eine amphitheaterartige Freitreppe angelegt, die einerseits ins Obergeschoß führt und andrerseits zum Verweilen mit Blick auf die Kirche einlädt. Schade ist, daß die Idee des Architekten, im oberen Geschoß ein Restaurant zu etablieren, nicht aufgegriffen wurde und der langgestreckte, geschwungene Raum mit seiner durchlaufenden, südseitigen Glasfront nun wahrscheinlich in kleinere Einheiten unterteilt wird. Abgesehen von der Segmentierung des großzügigen Raumes: Ein Kirchenwirt wäre der Zentrumsbildung zweifellos dienlich gewesen...

Das Interessante an einem Großprojekt, wie es die Errichtung der Donau-City darstellt, bleibt letztendlich die Ungewissheit, die dem Städtebau sytemimmanent ist. Das Entstehen von urbanem Flair ist vielleicht indirekt steuerbar, Urbanität selbst jedoch niemals konkret planbar und so bleibt das spätere Funktionieren einer künstlich hochgezogenen City im Planungsstadium die große Unbekannte. Die Entwicklung des Wiener Donauraumes, sei sie passiv oder autoaktiv, und vor allem seine Belebung werden eine spannende Geschichte bleiben.

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