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„Nur im Wort, nicht im Stein“
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Für eine „ummontierbare“ Kirche erhielt er zwar 1993 den Staatspreis für Architektur, er blieb aber ein wenig bekannter Name: Ottokar Uhl. Das dürfte damit zu tun haben, daß sich seine Bauten hartnäckig publicitywirksamen Ästhetizismen entziehen. Eine Würdigung zum 70. Geburtstag.

24. Februar 2001 - Judith Eiblmayr
In Österreichs Architektenschaft gab und gibt es in den Jahren 2000 und 2001 eine ganze Reihe von Siebziger-Jubilaren zu feiern. Neben Ottokar Uhl, der diesen Geburtstag am 2. März begehen wird, sind dies Friedrich Achleitner, Wilhelm Holzbauer, Anton Schweighofer und Friedrich Kurrent, auch Josef Lackner würde heuer siebzig. Es scheint dies das passende Alter zu sein, um das Werk und Wirken von Architekten entsprechend zu würdigen, was in Ausstellungen und Publikationen seinen Niederschlag findet.

Ottokar Uhl ist für Nichtarchitekten vielleicht einer der weniger bekannten Namen, einerseits, da er durch eine langjährige Professur in Karlsruhe nicht ständig in Österreich präsent war, und andrerseits, weil sich seine Bauten hartnäckig und vorsätzlich jenen Ästhetizismen entzogen haben, die üblicherweise der Steigerung des Bekanntheitsgrades von Architektur förderlich sind. Dies ist insofern bemerkenswert, als Uhl vorwiegend auf dem Sektor des Kirchenbaus planerisch tätig war - eine Bauaufgabe, die sich jahrhundertelang als klassischerweise prestigeträchtig erwiesen hat.

Aber Uhls Ansinnen war ein anderes, als der Institution Kirche mit einer repräsentativen Architektur dienlich zu sein. Wenn er meinte: „Der Begriff des ,Sakralen' kann für den Kirchenbau heute kein Ausgangspunkt mehr sein“ und „Das Wissen um Gott kann sich nur im Wort, nicht im Stein realisieren“, so beschreibt dies sein Anliegen, die Gemeinde der Gläubigen in den Mittelpunkt seiner architektonischen Überlegungen zu stellen und ihr in einem neu gestalteten Umfeld eine auf demokratischer Basis funktionierende interne Kommunikation zu ermöglichen.

Geprägt und wahrscheinlich auch angeregt von Monsignore Otto Mauer, dem Gründer der Galerie Nächst St. Stephan, die der künstlerischen Avantgarde im Wien der fünfziger Jahre als wichtige Plattform diente, postulierte Ottokar Uhl architektonische Konzepte für eine aufgeschlossenere Form der Religiosität und neue Modelle der Liturgie.

Seine erste Bauaufgabe bestand 1958 darin, einen an einen Lichthof grenzenden, 120 Quadratmeter großen Lagerraum in einem bestehenden Gebäude in der Wiener Ebendorferstraße zu einer Kapelle der katholi-schen Hochschulgemeinde umzubauen. Ganz im Sinne zweier Grundsätze der fortschrittlichen Katholiken, nämlich der „Entlarvung jeder Lüge“ und dem „Streben nach Wahrhaftigkeit“, beschränkte sich der Architekt auf die unverhüllte Darstellung des konstruktiv Wesentlichen; der dreischiffig angelegte Raum wurde durch Säulen und Deckenbalken aus schalrauhem Sichtbeton gerastert strukturiert, der Boden asphaltiert, der Altar in Lärchenholz gestaltet.

Durch ein Oberlicht und undurchsichtige Verglasungen seitlich des Altars fällt Tageslicht in den Raum, als herkömmliches sakrales Element fungiert eine barocke Christusfigur hinter dem Altar. Dieses auf formale Reduktion bedachte, geradezu puristische Konzept hat einen Raum von stark kontemplativem Charakter erzeugt, der sich offensichtlich bewährt hat und nahezu unverändert bis heute besteht.

Ottokar Uhl wollte seine Gebäude nie als Endprodukte verstanden wissen, wo determinierte Funktionen für die Nutzer manifestiert werden. Aus seiner Architektur sollte das Prozeßhafte ablesbar sein, was für die frühen sechziger Jahre, als eine „mobile Architektur“ international postuliert wurde, nichts Ungewöhnliches war. Ungewöhnlich war jedoch, daß er „Erweiterbarkeit, Veränderbarkeit (Flexibilität), Demontierbarkeit und Mobilität“ auch für Bauten der Kirche forderte, die in ihrer Programmatik als doch eher träge zu bezeichnen ist.

Er ging sogar so weit, 1964 - dem Wunsch seiner Auftraggeber entsprechend - eine „ummontierbare“ Kirche zu entwickeln, für die er den Österreichischen Staatspreis für Architektur erhielt. Da die Widmung des vorgesehenen Grundstücks an der Siemensstraße in Wien-Floridsdorf die Errichtung eines festen Baus nicht zuließ und dieser, in Einzelteile zerlegt, abtransportierbar sein mußte - was übrigens nie geschah -, entwarf er unter Verwendung eines Stabtragwerks (Mero-System) ein Pfarrzentrum in Leichtbauweise.

An diesem Bauwerk wird der Einfluß des deutschen Architekten Konrad Wachsmann besonders deutlich, der von 1956 bis 1960 an der Sommerakademie in Salzburg lehrte. Wachsmann begeisterte die junge Architektengeneration durch sein forscherisches Interesse für präfabrizierte Konstruktionen und eine somit industrialisierte Ästhetik, die seiner Meinung nach eine perfekte Objektivität von Räumen und deren unbegrenzte Vervielfältigung erst möglich macht.

Ottokar Uhl hatte diese rationale Herangehensweise, die sich einem formalistischen Ansatz verweigerte, die Architektur als Wissenschaft verstand und ihre soziale Verantwortung einforderte, verinnerlicht, was auch an seinen Wohnbauten ablesbar ist. Er praktizierte dabei partizipatorische Modelle, das heißt, daß die zukünftigen Bewohner und Bewohnerinnen nicht nur auf
Basis eines fixierten Konstruktionssystems bei den Grundrißlösungen ihrer Wohnungen, sondern bis zur Fassadengestaltung der Gebäude mitbestimmen sollten.

Der österreichische Staat verfolgte in den siebziger Jahren teilweise eine aufgeschlossene Wohnbaupolitik, die unter dem Titel „Wohnen morgen“ in allen Bundesländern Wettbewerbe initiierte und in deren Rahmen ein experimenteller Ansatz ermöglicht wurde. Ottokar Uhl gewann 1973 einen dieser Wettbewerbe und realisierte in Hollabrunn eine Wohnhausanlage, wo erstmals die späteren Nutzer in
den Planungsprozeß eingebunden wurden.

Begleitend dazu wurde ein interdisziplinäres Forschungsprojekt betrieben, das für den nächsten derartigen Wohnbau evaluierende Aufschlüsse liefern sollte. Es folgte ein Gemeindebau in Ottakring, wo allerdings - im Spannungsfeld zwischen Einschränkungen seitens der Gemeinde Wien und mangelnder Bedürfniskenntnis der Wohnungswerber - die Grenzen der Mitbestimmung evident wurden und der Bauprozeß sich von 1973 bis 1981 zog.

Sowohl beim Projekt „Wohnen mit Kindern“ in Floridsdorf (1984) als auch beim christlich geprägten Wohnheim B.R.O.T. (Beten, Reden, Offensein, Teilen) in Hernals (1990) traten aus der Eigeninitiative heraus hochmotivierte Gruppen an Ottokar Uhl heran, um ihre Idee vom gemeinschaftlichen Planen und Wohnen architektonisch strukturieren zu lassen. „Handlungs-ergebnis dieser Lern-, Planungs- und Bauprozesse“ (Uhl) waren zwei Wohnanlagen, wo das Konzept vom „planning with people“ in optimaler Weise umgesetzt zu sein scheint.

Was für ein basisdemokratisches Verständnis wunderbar einfach klingt, ist in Wirklichkeit mühsame Detail- und Beziehungsarbeit, die bei derartigen Planungen von allen Beteiligten geleistet werden muß. Es ist Ottokar Uhls Verdienst, als einer von ganz wenigen in Österreich sich diesem sozialen Aspekt der Architektur ohne vordergründige Selbstdarstellungsambition gestellt und ihn unbeirrt in Werk und Lehre vertreten zu haben.

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