Bauwerk

Temporäres Theater für die Stadt Haag
nonconform, Justin & Partner - Haag (A) - 2000
Temporäres Theater für die Stadt Haag, Foto: Dietmar Tollerian
Temporäres Theater für die Stadt Haag, Foto: Dietmar Tollerian
4. Juli 2002 - Az W
Seit dem Theatersommer 2000 trägt der Haager Stadtplatz in den warmen Monaten des Jahres ein tiefrotes Kostüm der besonderen Art. Die engagierte örtliche Theatergemeinde hatte 1999 den Plan gefasst, den Platz im Sommer für Aufführungen unter freiem Himmel zu nutzen: Bühne und Tribüne für ca. 600 Besucher sollten innerhalb kurzer Zeit auf- und abbaubar sein, eine wetterfeste Konstruktion sollte einen regenunabhängigen Spielbetrieb gewähren. Eine komplette Platzüberdachung war kurz angedacht, aus Kostengründen jedoch nicht weiter verfolgt worden.

Stattdessen lud man drei Architekturbüros zu einem kleinen Wettbewerb ein, darunter das junge Team noncon:form, das mit dem Entwurf eines dreigeschossigen Zuschauerregals den Zuschlag erhielt. Mit den sich ändernden Rahmenbedingungen (die Spielrichtung wurde um 90 Grad gedreht, die seit rund 100 Jahren unter dem Platz befindliche Zisterne gestattete keine grossflächige Belastung des Bodens, sondern nur eine punktuelle) wandelten sich auch Gestalt und Konstruktion der Freiluftbühne grundlegend, und das Regal öffnete sich zu ihrer freieren Form. (Architekt Roland Gnaiger verglich das Bauwerk beispielsweise mit einer seltenen Orchidee, auch von einem gutmütigen Rieseninsekt war andernorts die Rede, ich geselle mich mit dem Bild eines überdimensionalen Schnellhefters hinzu.)

Die Zuseher sitzen in zwei hohen Ebenen übereinander, die obere, dramatisch ansteigende Tribüne wird von zwei rückwärtigen Leimholzbindern hochgestemmt, die Überdachung beschirmt grossteils auch das flachere Parkett, die gesamte Konstruktion lagert auf zwei im Boden eingelassenen Fundamentblöcken, die ausserhalb der Spielsaison abgedeckt werden. Die gesamten Bauteile der Tribüne überwintern in einem eigens dafür errichteten Unterstand. Die Zuschaueraufgänge in Form simpler Baugerüste stehen im Rücken der „kopflastigen“ Tribüne, von den hohen Rängen bieten sich völlig neue Blickperspektiven auf das Barockensemble des Hauptplatzes, das somit ins sommerliche Bühnenbild integriert wird.

Das temporäre Wahrzeichen Haags ist mit erstaunlicher Geschwindigkeit ins kulturelle „Repertoire“ der Stadt aufgenommen worden. Alle Beteiligten - Bürger, Behörden, Initiatoren, Planer und Handwerker - haben sich in diesem raren Beispiel kulturellen Engagements als Gesinnungsgenossen erwiesen, die ihre temporäre Platz-Besetzung als kulturellen Gewinn erachten. Ehrungen wie etwa der Bauherrenpreis 2001 ließen in der Folge daher auch nicht lange auf sich warten. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at