Bauwerk

Büro- und Geschäftshaus
BEHF Architects - Klagenfurt (A) - 1998
Büro- und Geschäftshaus, Foto: Rupert Steiner
Büro- und Geschäftshaus, Foto: Rupert Steiner
14. September 2003 - Az W
Position und Fassung des Gebäudes (die Beton-Bodenplatten des fussläufigen Vorbereichs nimmt man unwillkürlich als Bestandteil und „Rahmen“ des Hauses wahr) sind städtebaulich und funktional begründet. Durch die Ausrichtung des Hauses mit einer BILLA-Filiale im Erdgeschoss und den beiden autonomen Büros im kleineren Obergeschoss und die diagonale Positionierung der beiden Eingänge teilt der Baukörper das grossteils von Einfamilienhäusern gesäumte Grundstück klar in zwei autonome Zonen: während die westliche Längsseite mit dem grossen und abends beleuchteten Parkplatz funktional eindeutig der Marktnutzung zugeordnet wurde, ist das Gebäude auf dem intimer gestalteten Vorbereich an der östlichen Seite atmosphärisch ebenso eindeutig als Bürohaus ausgewiesen.
Die fixverglaste, um beide Gebäudeecken geklappte Nordfassade - von den üblichen Strategien „merkantiler“ Aneignung seiner Transparenz nicht beraubt - lässt vom Gehsteig aus direkt in den Lebensmittelmarkt blicken, während der intimere Zutritt zu den Büroräumen ins hintere Drittel der Ostfassade geschnitten ist und durch die geschützte Treppe sogar Qualitäten einer unpretenziösen Privatheit bietet.
Die jeweils „andere“ Nutzung wird vom homogenen Baukörper unmerklich absorbiert und neutralisiert, und dennoch erhielten beide Seiten - sosehr sie sich zu gleichen scheinen - ein eindeutiges, nutzungsgerechtes Image. Wie ist das möglich? Und vor allem, wie ist das möglich mit derart bescheidenen, fast minimalistischen Massnahmen?
Im Hinblick auf die gewünschte Homogenität des Gebäudes beschränkten sich BEHF Architekten auf drei Materialien: Ortbeton (in hervorragender Ausführungsqualität), grüne wärmeabsorbierende Gläser und Zinkblech. Konsequent flächenbündig eingesetzt tragen diese drei Materialien zur reduzierten Einheit des Baukörpers bei. Nicht zu Unrecht erweckt der Bau daher den Eindruck der Verhältnismässigkeit der Mittel und der konstruktiven Ehrlichkeit, wo nur die notwendigen Elemente (von der Erschließung über die Fensterlösung bis zu den Fluchtwegen und den Schlitzen für die Querdurchlüftung) das Erscheinungsbild der Fassade prägen. Darüber hinaus trägt das Gebäude jedoch Spuren einer dezenten, „geometrisch formulierten Beredsamkeit“(1), die ausschließlich dazu dienen, die konzeptuelle Schlüssigkeit des Projekts zu unterstützen. Die erwähnte Geschoßzäsur, die neben ihrer rhetorischen Aufgabe auch zur massstäblichen Integration in die Umgebung beiträgt, ist dafür ein Beispiel. Ein anderes ist die bündig gesetzte Zinkverkleidung an der Westfassade, die im Ergeschoß die funktionale Trennung von Einkaufsmarkt und Lagerbereich markiert. Das außenbündige, geradezu klassische Fensterband im Obergeschoss, wo Fixverglasung und Schiebeelemente alternieren und für kleine Vor- und Rücksprünge („Störungen“) der Außenbündigkeit sorgen, deuten ohne besondere Spezifizierung auf Büronutzung hin. Jede Funktion im Inneren des Gebäudes korrespondiert auf diese Weise mit deren Abbild (Image, Klischee) an der äusseren Haut.
Selbst die Scheinfugen im Sichtbeton übernehmen eine semantische Aufgabe, da sie im Unterschied zu den Trennfugen fertigungstechnisch nicht begründet sind und allein der Gliederung der Oberfläche und der Zerlegung der Masse in scheinbare Teilkörper dienen.
Was die innenräumlichen Qualitäten betrifft, ist vor allem ein Blick ins Obergeschoss lohnend, wo sich neben den an eine Computerfirma vermieteten Räumen der Firmensitz des Bauherrn, eines engagierten Immobilieninvestors, befindet. Im vollkommen stützenfreien Raum - die tragenden Pfeiler sind direkt hinter die Fensterbänder gesetzt - sind Zwischenwände durch nichttragende, verschiebbare Tafeln ersetzt, die eine Mischform von Grossraumbüro und individuellen Zonen ermöglichen. Regale und Archivschränke, homogen weiß beschichtet, sind in das Wandsystem integriert, die Versorgungsbox mit Küche und Toiletten steht in der Mitte des Raums. In die abgehängte Decke sind intervallisch Downlights eingelassen, die den Raum keiner eindeutigen Lichtregie unterwerfen. Hätte man sich zum Bedauern der Architekten bei der Ausführung des Bodens nicht im Pigment (beige statt grau) vergriffen, nichts würde die Neutralität dieses Raums trüben. Gegen den weißen funktionsgesättigten Hintergrund, der keiner „wesensfremden“ Zusatzmöblierung bedurfte, setzen sich nur die einzelnen Arbeitsplätze und eine multifunktionale Betonstufe ab: Die Architekten haben die Parapette der Fenster einerseits so niedrig, anderseits so tief ausgeführt, dass sie als Ablage und Sitzbank gleichermassen dienen.
Minimierung der Mittel und Konzentration des Ausdrucks sind in diesem Büro- und Geschäftshaus in ein stimmiges Gefüge gebracht, wo sich die einzelnen Beschlüsse - die funktionalen und die formalen - wechselseitig stützen bzw. auseinander hervorgehen. Diese Stimmigkeit ist aber nicht allein auf die konsequente Haltung der Architekten zurückzuführen, sondern auch dem Engagement des Bauherren sowie der Lebensmittelkette zu verdanken, die das Projekt ebenfalls mitgetragen hat. Das Ergebnis ist ein Bau, der keine Rätsel aufgibt, sondern einfach „begründet“ und souverän dasteht, in dem die Dialektik der Nutzung formal interpretiert ist, ohne als Botschaft übermässig strapaziert zu sein. BEHF Architekten haben für dieses Gebäude mit Mischnutzung ein schlüssiges Konzept entwickelt und ein Projekt realisiert, bei dem eine formale Massnahme immer ein Massnehmen an der Funktion bedingt und umgekehrt. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

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