Bauwerk
Kreuz Apotheke - Umbau
ARTEC Architekten - Peuerbach (A) - 1999
14. September 2003 - Az W
Dass Marmor ein vornehmes, eine Spanplatte jedoch ein minderwertiges Material sei, gehört zu den geläufigen Vorurteilen gegenüber Werkstoffen. An der mit MDF Platten kombinierten Marmorauskleidung der Kreuz Apotheke in Peuerbach führen ARTEC Architekten mit den Mitteln eines reflektierten Manierismus vor, dass man jeden, wie auch immer vorbelasteten Werkstoff vorurteilsfrei einsetzen kann, ohne ihn seiner elementaren Eigenschaften oder kulturellen Konnotationen zu entkleiden.
In einem Text zur eigenen Vorgangsweise bringen Bettina Götz und Richard Manahl die beiden wesentlichen Maximen für ihren Umgang mit Materialien zur Sprache: „alles Material wertneutral betrachten“ und „die Natur des Materials freisetzen“. Wertneutralität, die sowohl Unabhängigkeit vom materiellen Wert des Rohstoffes als auch Loslösung von seinen gängigen Bedeutungen verlangt, ist angesichts der semantischen Beladenheit von Marmor, dessen Symbolik vom Inbegriff bürgerlicher Macht bis zum Zeichen erhabener Dauer reicht, eine besondere Anforderung.
Der Natur eines Werkstoffs werden ARTEC in der Verknüpfung von bestimmten Materaleigenschaften mit konkreten Funktionen gerecht, wodurch sich der Subtext der Materialien im Kontext ihrer Verwendung immer wieder unterschiedlich aktualisiert.
Wertneutralität heißt aber zuallererst: den Architekten sind alle Materialien gleich wertvoll. ARTEC haben im Entwurf für die Apotheke Marmor und MDF in ein spannungsvolles morphologisches Gleichgewicht gebracht, ohne die unterschiedlichen Materialbeschaffenheiten (z.B. hinsichtlich ihrer „molekularen Ruhe“) zu nivellieren, oder eine plakative Begegnung des Edlen mit dem Gewöhnlichen herbeizuführen. Während der rötliche Untersberger Marmor, mattglanzpoliert und in „normierte“ Elemente von 120 cm Länge, 30 cm Breite geschnitten, seine Funktion als Bekleidung von Boden, Wänden und Decke erfüllt, entfalten die MDF Platten als teilweise sichtbare Unterkonstruktion den Reiz von kokett unter dem Kleid hervorblitzendem Futter. Dass die Marmortafeln und die an den Oberflächen mit Klarlack beschichteten Spanplatten die gleiche Stärke von 2 cm aufweisen, bringt beide Werkstoffe zusätzlich auf ein einheitliches Maß, das zudem industrielle Normalität suggeriert.
Marmorwände, Marmorregale, Marmorböden, Marmordecken - die Apotheke ist mit einer rötlich geäderten Gesteinsschicht überzogen, deren augenfällige „Marmorierung“ die Eigenschaften des Steins noch deutlicher verkörpert als etwa die reinweiße Sorte, die im Untersberger Steinbruch ebenfalls abgebaut wird.
Auch hinsichtlich der Befestigung der Marmortafeln auf dem Untergund haben sich ARTEC zu materialgerechter Direktheit entschieden. Die einzelnen Elemente sind auf der MDF-Tragkonstruktion an den vier Eckpunkten mit Schrauben befestigt, deren schlichte Köpfe an der Oberfläche sichtbar hervortreten, (natürlich mit Ausnahme des Bodenbelags, der geklebt wurde).
Die Marmorwände des auf 55 m² vergrößerten Verkaufsraums sind plastisch durchformt und (nach einem bestimmten Algorithmus?) mit Nischen versehen, die als Stellflächen dienen und in deren Unterkonstruktion intervallisch Leuchtstoffröhren eingesetzt sind. Zusätzliche Regalfächer aus Glas (Stärke 1 cm) - in die Plattenzwischenräume eingespannt, silikonverfugt und punktuell mit vertikalen Gläsern ausgesteift - haben die Stellflächen für pharmazeutische Nebenprodukte wie Kosmetika, Kräuter und Tees vervielfacht, was sich, so der Bauherr, bereits positiv auf den Umsatz der Apotheke ausgewirkt hat.
Die Marmorwand, die im Rhythmus der quaderförmigen Blöcke und der indirekten Beleuchtung körperlich hervortritt, gibt entlang der Fensterfront mit ihren asymmetrischen „Durchbrüchen“ ihren einfachen und schlanken Aufbau (2 cm MDF + 2 cm Stein) als Bekleidung preis, bar jeglicher Illusion von tektonischer Schwere.
Die Apotheke, unvergleichlich heller und geräumiger als zuvor, verfügt nun auch über eine Umkleide, deren Wandspiegel den Verkaufsraum optisch verlängert und die sich mit einer Schubtür bei Bedarf vom Raum abtrennen lässt. Um den homogenen Raumfluss nicht zu unterbrechen sind auch der Durchgang zur Rezeptur (an dessen Seitenwände die mit MDF bekleideteten Medikamentenschubschränke stehen), die Materialkammer und die Rezeptur mit Marmorböden und -decken ausgestattet. Ursprünglich war geplant, die Marmortäfelung an der Fassade des Hauses fortzusetzen, wogegen sich der Hausbesitzer und die örtliche Baukommission jedoch verwehrt hatten. So blieben die klärenden Maßnahmen der Architekten - von den alugerahmten Vitrinen vor den Fensterbögen abgesehen - auf den Zutrittsbereich der Apotheke beschränkt. Ein roter Schmutzfangbelag signalisiert nun den Eingang, eine automatische Schiebetür aus Glas sowie eine fixverglaste „Hausecke“ sind die Korrekturzeichen für den ursprünglichen Mangel an Transparenz an der Pforte; eine kleine Marmorwand mit Vitrinen, Telefonanlage und Durchreiche regelt den Parteienverkehr bei Bereitschaftsdienst.
Dass Bestand und Einkleidung der Apotheke ihre unterschiedliche Herkunft und Handschrift nicht leugnen können, nimmt man angesichts einer Verbesserung der räumlichen Situation und eines klaren Komfortgewinns wohl gerne in Kauf. Eines Komfortgewinns zumal, der sich der Stringenz des architektonischen Entwurfs und nicht der Vornehmheit des verwendeten Materials verdankt. (Text: Gabriele Kaiser)
In einem Text zur eigenen Vorgangsweise bringen Bettina Götz und Richard Manahl die beiden wesentlichen Maximen für ihren Umgang mit Materialien zur Sprache: „alles Material wertneutral betrachten“ und „die Natur des Materials freisetzen“. Wertneutralität, die sowohl Unabhängigkeit vom materiellen Wert des Rohstoffes als auch Loslösung von seinen gängigen Bedeutungen verlangt, ist angesichts der semantischen Beladenheit von Marmor, dessen Symbolik vom Inbegriff bürgerlicher Macht bis zum Zeichen erhabener Dauer reicht, eine besondere Anforderung.
Der Natur eines Werkstoffs werden ARTEC in der Verknüpfung von bestimmten Materaleigenschaften mit konkreten Funktionen gerecht, wodurch sich der Subtext der Materialien im Kontext ihrer Verwendung immer wieder unterschiedlich aktualisiert.
Wertneutralität heißt aber zuallererst: den Architekten sind alle Materialien gleich wertvoll. ARTEC haben im Entwurf für die Apotheke Marmor und MDF in ein spannungsvolles morphologisches Gleichgewicht gebracht, ohne die unterschiedlichen Materialbeschaffenheiten (z.B. hinsichtlich ihrer „molekularen Ruhe“) zu nivellieren, oder eine plakative Begegnung des Edlen mit dem Gewöhnlichen herbeizuführen. Während der rötliche Untersberger Marmor, mattglanzpoliert und in „normierte“ Elemente von 120 cm Länge, 30 cm Breite geschnitten, seine Funktion als Bekleidung von Boden, Wänden und Decke erfüllt, entfalten die MDF Platten als teilweise sichtbare Unterkonstruktion den Reiz von kokett unter dem Kleid hervorblitzendem Futter. Dass die Marmortafeln und die an den Oberflächen mit Klarlack beschichteten Spanplatten die gleiche Stärke von 2 cm aufweisen, bringt beide Werkstoffe zusätzlich auf ein einheitliches Maß, das zudem industrielle Normalität suggeriert.
Marmorwände, Marmorregale, Marmorböden, Marmordecken - die Apotheke ist mit einer rötlich geäderten Gesteinsschicht überzogen, deren augenfällige „Marmorierung“ die Eigenschaften des Steins noch deutlicher verkörpert als etwa die reinweiße Sorte, die im Untersberger Steinbruch ebenfalls abgebaut wird.
Auch hinsichtlich der Befestigung der Marmortafeln auf dem Untergund haben sich ARTEC zu materialgerechter Direktheit entschieden. Die einzelnen Elemente sind auf der MDF-Tragkonstruktion an den vier Eckpunkten mit Schrauben befestigt, deren schlichte Köpfe an der Oberfläche sichtbar hervortreten, (natürlich mit Ausnahme des Bodenbelags, der geklebt wurde).
Die Marmorwände des auf 55 m² vergrößerten Verkaufsraums sind plastisch durchformt und (nach einem bestimmten Algorithmus?) mit Nischen versehen, die als Stellflächen dienen und in deren Unterkonstruktion intervallisch Leuchtstoffröhren eingesetzt sind. Zusätzliche Regalfächer aus Glas (Stärke 1 cm) - in die Plattenzwischenräume eingespannt, silikonverfugt und punktuell mit vertikalen Gläsern ausgesteift - haben die Stellflächen für pharmazeutische Nebenprodukte wie Kosmetika, Kräuter und Tees vervielfacht, was sich, so der Bauherr, bereits positiv auf den Umsatz der Apotheke ausgewirkt hat.
Die Marmorwand, die im Rhythmus der quaderförmigen Blöcke und der indirekten Beleuchtung körperlich hervortritt, gibt entlang der Fensterfront mit ihren asymmetrischen „Durchbrüchen“ ihren einfachen und schlanken Aufbau (2 cm MDF + 2 cm Stein) als Bekleidung preis, bar jeglicher Illusion von tektonischer Schwere.
Die Apotheke, unvergleichlich heller und geräumiger als zuvor, verfügt nun auch über eine Umkleide, deren Wandspiegel den Verkaufsraum optisch verlängert und die sich mit einer Schubtür bei Bedarf vom Raum abtrennen lässt. Um den homogenen Raumfluss nicht zu unterbrechen sind auch der Durchgang zur Rezeptur (an dessen Seitenwände die mit MDF bekleideteten Medikamentenschubschränke stehen), die Materialkammer und die Rezeptur mit Marmorböden und -decken ausgestattet. Ursprünglich war geplant, die Marmortäfelung an der Fassade des Hauses fortzusetzen, wogegen sich der Hausbesitzer und die örtliche Baukommission jedoch verwehrt hatten. So blieben die klärenden Maßnahmen der Architekten - von den alugerahmten Vitrinen vor den Fensterbögen abgesehen - auf den Zutrittsbereich der Apotheke beschränkt. Ein roter Schmutzfangbelag signalisiert nun den Eingang, eine automatische Schiebetür aus Glas sowie eine fixverglaste „Hausecke“ sind die Korrekturzeichen für den ursprünglichen Mangel an Transparenz an der Pforte; eine kleine Marmorwand mit Vitrinen, Telefonanlage und Durchreiche regelt den Parteienverkehr bei Bereitschaftsdienst.
Dass Bestand und Einkleidung der Apotheke ihre unterschiedliche Herkunft und Handschrift nicht leugnen können, nimmt man angesichts einer Verbesserung der räumlichen Situation und eines klaren Komfortgewinns wohl gerne in Kauf. Eines Komfortgewinns zumal, der sich der Stringenz des architektonischen Entwurfs und nicht der Vornehmheit des verwendeten Materials verdankt. (Text: Gabriele Kaiser)
Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien
Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzig