Bauwerk

Stift Altenburg
Jabornegg & Pálffy - Altenburg (A) - 2005
Stift Altenburg, Foto: Gabriele Kaiser
Stift Altenburg, Foto: Dietmar Steiner
28. Juni 2010 - Az W
Das Benediktinerstift Altenburg (1144 gegründet) wurde nach zahlreichen Zerstörungen, Instandsetzungen und Erweiterungen im 17. Jahrhundert durchgreifend barockisiert, wobei die Anlage mit fünf asymmetrischen (aber in der neuen Fassung erstaunlich geordnet wirkenden) Höfen und einer rund 210 m langen Ostfront ihr heutiges, den Landschaftsraum weithin prägendes Erscheinungsbild erhielt. Der Umbau der spätgotischen Stiftskirche durch Josef Munggenast und Paul Troger, ihre Verwandlung eines Längsraums in einen kuppelüberwölbten, reich freskierten Zentralraum, zählt zu den großartigen Beispielen einer „an die Substanz“ gehenden Transformation, in der die Spuren des Bestands in einem neuen Bedeutungszusammenhang lesbar werden. Eine derart umfassende Anverwandlung des Vorhandenen kann als Beleg dafür dienen, dass das etwas unglücklich formulierte Thema „Bauen im Bestand“ mehr Möglichkeiten der Umdeutung bereithielte, als das Regelwerk des Denkmalamtes üblicherweise vorsieht. Die Barockisierung des Stift Altenburg beweist, dass in Umbaufragen Sanftheit nicht die einzige Tugend ist.

Die barocke Altane an der Ostseite der Anlage wurde auf einer Beschüttung oberhalb des mittelalterlichen Klosters errichtet. Im Zuge dieser Maßnahmen verschwanden Kreuzgang, Sommerrefeketorium, Abthaus, Mönchszellen etc. für lange Zeit in der Versenkung. Erst als der Erddruck der Stützmauer derart zusetzte, dass statische Entlastungsmaßnahmen (Aushub der Beschüttung) unausweichlich wurden, kamen zur Jahrtausendwende vergangene Zeitschichten des Stiftes wieder ans Licht. Die im Zuge des Aushubs erfolgte Freilegung mittelalterlicher Klosterreste und Substrukturen wurde von den Ordensbrüdern als Chance wahrgenommen, die „Ausgrabungsstätte“ öffentlich zugänglich zu machen und sie mit den bereits vorhandenen Ausstellungsräumen innerhalb des Hauptprospekts zu verbinden. Aus einem 2002 ausgeschriebenen Wettbewerb gingen Jabornegg Pálffy als Sieger hervor. Sie überspannten den Grabungsbereich mit einer beidseitig belichteten Stahl-Beton-Brückenkonstruktion und bildeten den oberen Abschluss wieder als Altane aus, deren Niveau mit den barocken Hofflächen korrespondiert. Die mit Lärchenlatten verschalten Oberlichtfelder ersetzen an der Außenkante der neuen Aussichtsterrasse (bzw. Verkehrsfläche) eine Brüstung. In der wie von einem Baldachin überspannten Ausgrabungshalle selbst werden nicht nur Spuren vergangener Bauphasen wieder sichtbar, sondern über Oberlichter auch Sichtbezüge zur Landschaft und zum Chor der Stiftskirche bzw. zum Ostflügel der Anlage hergestellt. Der unprätentiös in die Substanz gelegte Weg vom Besucherfoyer hinab in die Schauräume gleicht nun einem Gang durch die Zeitschichten eines vielfach überformten Bauwerks, dessen Komplexität sich nach und nach erschließt und das in der Neudeutung des Eingriffs als „Dokument“ anders lesbar wird. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

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