Bauwerk
Hauptverwaltung Energie Steiermark
Ernst Giselbrecht + Partner - Graz (A) - 2010
9. September 2014 - HDA
„Noch ist die Wahrnehmung der Architektur der Fünfziger- [und Sechzigerjahre] ambivalent und der zeitliche Abstand für eine sachliche Bewertung zu gering. Der Umgang mit den Bauten dieser Jahre reicht vom gedankenlosen Abriss bis zum Denkmalschutz“, so beschreibt Helmut Lackner die Architektur der Nachkriegsmoderne und die Problematik zwischen dringendem Modernisierungsbedarf und möglichem Denkmalschutz für hervorragende Bauten dieser Ära.(1)
Vor genau diese Entscheidung - Sanierung oder Abriss - wurde auch das Unternehmen Energie Steiermark gestellt, dessen Konzernzentrale (erbaut 1961) in bester Grazer Stadtlage dringend zu modernisieren war, da insbesondere der Energieverbrauch des langgestreckten Scheibenbaus mit neun Geschossen keineswegs den zeitgenössischen Anforderungen eines energieeffizienten Gebäudes entsprach. Der Optimismus der Architektur der Nachkriegsmoderne kannte die Problematik des Energieschocks und der enden wollenden Energieressourcen noch nicht. Die leichten Konstruktionen dieser Zeit stellten innovative technische Lösungen für vorgefertigtes Bauen sowie Nutzungs- und Gestaltfragen in den Vordergrund. Wärmedämmung und moderne Gebäudetechnik wie z.B. Brandschutz waren im Gebäude nicht vorhanden, da zum Zeitpunkt der Erbauung noch keine Brandabschnitte vorgeschrieben waren. Die vorhandene Haustechnik war veraltet oder defekt, das Raumklima entsprechend unfreundlich.
Energetische Modernisierung der Architektur der 1950er und 60er Jahre
Eine wissenschaftliche Untersuchung von Andreas Ampenberger am Institut für Gebäude und Energie der Technischen Universität Graz widmete sich schon im Vorfeld der Zentrale der Energie Steiermark, um optimale energetische Modernisierungsvorschläge mit BEEP (Building Energy and Environmental Performance Tool) zu erarbeiten. Die Ausgangssituation ließ alle Möglichkeiten - von Modernisierung und Zubau bis Abriss und Neubau offen. Eine im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführte Mitarbeiterumfrage beim Energiekonzern ergab dabei den Wunsch nach einer „moderaten Sanierung“, wo zwar Missstände beseitigt werden sollten, jedoch energieintensive Eingriffe - wie z.B. bei einem Neubau - abgelehnt wurden.
Schließlich erstellte auch die Konzernführung Vorgaben, die von einer 50%igen räumlichen Erweiterung, dem Bau einer Tiefgarage und dem schlussendlichen Energieverbrauch auf dem Niveau eines Niedrigenergie-Hauses ausgingen. Ampenberger konnte dabei die Vorteile einer Verlängerung des bestehenden Baus gegenüber einem Zubau klar herausarbeiten.(2)
Aufgrund der Grundstücksabstände hätte ein einseitiger Zubau lediglich fünf Geschosse hoch errichtet werden können, hätte die Nutzung der Sonnenenergie teilweise sogar eingeschränkt und zudem wäre die vorhandene Gartenfläche beträchtlich reduziert worden. Der Wunsch des Unternehmens bestand jedoch in der Vergrößerung der Parkfläche und einer Begrünungsmöglichkeit der Tiefgarage.
Architekturwettbewerb und Projektumsetzung
Der ausgeschriebene Architekturwettbewerb verlangte zu den schon genannten Bedingungen die Errichtung eines 10.Obergeschosses für Konferenz- und Seminarräume und einer E-Wunderwelt im Erdgeschoss. Ziel dieser räumlichen Erweiterung war die Einsparung von insgesamt vier über die Stadt verstreuten Standorten des Unternehmens, die in die Konzernzentrale integriert und damit eine wesentliche Infrastrukturersparnis bringen sollten. Alle 620 Mitarbeiter:innen des Konzerns sollten in einem Haus tätig sein.
Nicht zuletzt bestand die Forderung, mit dem architektonischen Entwurf ein Corporate Identity für das Unternehmen zu schaffen, damit eine selbstbewusste Positionierung im Stadtraum möglich ist. Schon der Altbau, der Anfang der 1960er Jahre eine neue Monumentalität am Beginn einer „Hochhausmode“ (Roland Rainer) symbolisierte, stellte ein Zeichen des wirtschaftlichen Aufbruchs dar, das architektonisch den Stadtteil überragte.
Der ausgewählte Entwurf folgt den Ausschreibungsvorgaben nicht nur in technischer Hinsicht mit einem ausgefeilten Energiesystem, insbesondere die Innen- und Fassadengestaltung tragen dazu bei, die Konzernzentrale als stadtbildprägend wahrzunehmen.
Durch die Erweiterung des bestehenden, bis auf das Stahlbetonskelett entkernten Baus auf beiden Schmalseiten ergaben sich viele sicherheitstechnische Synergien, wie beispielsweise eine deutliche Verbesserung der Fluchtwege. Die Verlängerung des Altbaus bot darüber hinaus die Möglichkeit einer neuen Gesamtgestaltung der Fassade, die über ein ausgeklügeltes LED-System auch in der Nacht hohen Wiedererkennungswert hat. Dabei bot die klare Rhythmisierung der 60er-Jahre-Architektur der Fassadenmodernisierung in technischer wie ästhetischer Hinsicht viele Vorteile.
Energietechnische Besonderheiten
Ziel bei der Wahl der energietechnischen Maßnahmen des auf 15.500 qm Nutzfläche erweiterten Bürohauses war neben der generellen Minimierung des Energiebedarfs auch die Nutzung erneuerbarer Energie. Dabei war davon auszugehen, dass der Energieverbrauch für die Kühlung der 1500 Arbeitsplätze und zahlreicher technischer Geräte wesentlich höher liegt als der für Heizung.
Insgesamt konnten auf Dach, Fassade und Vordach 556 qm Photovoltaikflächen untergebracht werden, die jährlich ca. 70.000kWh Energie erzeugen. Zusätzlich wird Erdwärme für Heizung und Kühlung verwendet. Alle WC-Anlagen werden über eine Regenwassernutzung betrieben und bringen eine Trinkwassereinsparung von 1.800.000 Liter pro Jahr. Die Warmwassererzeugung des Brauchwassers erfolgt über eine Solaranlage und zusammen mit der gut gedämmten neuen Fassade (18cm Mineralwolle) erreicht das Gebäude die Energieeffizienzklasse A (22,8KWh/m2a).
Für die Fassadengestaltung wurde eine Zonierung der Geschossfassade vorgenommen: Verglasungsbereiche mit Faltläden als Sonnenschutz wechseln mit in der Oberlichtzone speziell ausgeformten Elementen zur Tageslichtnutzung. Darüber erfolgt eine Lichtumlenkung durch Reflexion, die das Tageslicht tief in die Räume leitet. Die elektrische Arbeitsplatzbeleuchtung erfolgt über Stehlampen, die automatisch tageslichtabhängig geregelt werden. Allein dadurch ergibt sich eine Energieeinsparung von ca. 45%. Eine weitere Energieeffizienzsteigerung ergibt sich durch die Wärmerückgewinnung, so dass die erforderliche Zusatzenergie auf ein Minimum reduziert wird.
Die freundliche Atmosphäre in den Büroräumen, die von Einzelbüros bis zu Gruppenlösungen variieren, kann durch die Mitarbeiter:innen im Bereich von +/- 2°C mitbestimmt werden. Auch das Öffnen der Fenster ist möglich, jedoch setzt sich bei geöffnetem Fenster die gesamte Heiz- und Kühltechnik automatisch außer Betrieb.
Die ansprechende Atmosphäre wird im Inneren durch ein ausgeklügeltes Farbkonzept in den Geschossen sowie durch eine nun ausgedehnte Parkanlage mit mehr als 100 Bäumen noch hervorgehoben.
Der umgesetzte Entwurf verwandelte ein dringend sanierungsbedürftiges Hochhaus der Nachkriegsmoderne in ein E-Office mit Vorzeigecharakter in Sachen Energieeffizienz.
Dass dabei Gestaltungsfragen als immanenter Bestandteil der energietechnischen Lösungen behandelt werden, wurde 2011 durch den Anerkennungspreis des Solarenergiefördervereins Bayern e.V. (SeV) bestätigt, der das eingereichte „„Energie Steiermark“-Projekt auszeichnete.
(Text: Gertraud Strempfl-Ledl / ISG)
Vor genau diese Entscheidung - Sanierung oder Abriss - wurde auch das Unternehmen Energie Steiermark gestellt, dessen Konzernzentrale (erbaut 1961) in bester Grazer Stadtlage dringend zu modernisieren war, da insbesondere der Energieverbrauch des langgestreckten Scheibenbaus mit neun Geschossen keineswegs den zeitgenössischen Anforderungen eines energieeffizienten Gebäudes entsprach. Der Optimismus der Architektur der Nachkriegsmoderne kannte die Problematik des Energieschocks und der enden wollenden Energieressourcen noch nicht. Die leichten Konstruktionen dieser Zeit stellten innovative technische Lösungen für vorgefertigtes Bauen sowie Nutzungs- und Gestaltfragen in den Vordergrund. Wärmedämmung und moderne Gebäudetechnik wie z.B. Brandschutz waren im Gebäude nicht vorhanden, da zum Zeitpunkt der Erbauung noch keine Brandabschnitte vorgeschrieben waren. Die vorhandene Haustechnik war veraltet oder defekt, das Raumklima entsprechend unfreundlich.
Energetische Modernisierung der Architektur der 1950er und 60er Jahre
Eine wissenschaftliche Untersuchung von Andreas Ampenberger am Institut für Gebäude und Energie der Technischen Universität Graz widmete sich schon im Vorfeld der Zentrale der Energie Steiermark, um optimale energetische Modernisierungsvorschläge mit BEEP (Building Energy and Environmental Performance Tool) zu erarbeiten. Die Ausgangssituation ließ alle Möglichkeiten - von Modernisierung und Zubau bis Abriss und Neubau offen. Eine im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführte Mitarbeiterumfrage beim Energiekonzern ergab dabei den Wunsch nach einer „moderaten Sanierung“, wo zwar Missstände beseitigt werden sollten, jedoch energieintensive Eingriffe - wie z.B. bei einem Neubau - abgelehnt wurden.
Schließlich erstellte auch die Konzernführung Vorgaben, die von einer 50%igen räumlichen Erweiterung, dem Bau einer Tiefgarage und dem schlussendlichen Energieverbrauch auf dem Niveau eines Niedrigenergie-Hauses ausgingen. Ampenberger konnte dabei die Vorteile einer Verlängerung des bestehenden Baus gegenüber einem Zubau klar herausarbeiten.(2)
Aufgrund der Grundstücksabstände hätte ein einseitiger Zubau lediglich fünf Geschosse hoch errichtet werden können, hätte die Nutzung der Sonnenenergie teilweise sogar eingeschränkt und zudem wäre die vorhandene Gartenfläche beträchtlich reduziert worden. Der Wunsch des Unternehmens bestand jedoch in der Vergrößerung der Parkfläche und einer Begrünungsmöglichkeit der Tiefgarage.
Architekturwettbewerb und Projektumsetzung
Der ausgeschriebene Architekturwettbewerb verlangte zu den schon genannten Bedingungen die Errichtung eines 10.Obergeschosses für Konferenz- und Seminarräume und einer E-Wunderwelt im Erdgeschoss. Ziel dieser räumlichen Erweiterung war die Einsparung von insgesamt vier über die Stadt verstreuten Standorten des Unternehmens, die in die Konzernzentrale integriert und damit eine wesentliche Infrastrukturersparnis bringen sollten. Alle 620 Mitarbeiter:innen des Konzerns sollten in einem Haus tätig sein.
Nicht zuletzt bestand die Forderung, mit dem architektonischen Entwurf ein Corporate Identity für das Unternehmen zu schaffen, damit eine selbstbewusste Positionierung im Stadtraum möglich ist. Schon der Altbau, der Anfang der 1960er Jahre eine neue Monumentalität am Beginn einer „Hochhausmode“ (Roland Rainer) symbolisierte, stellte ein Zeichen des wirtschaftlichen Aufbruchs dar, das architektonisch den Stadtteil überragte.
Der ausgewählte Entwurf folgt den Ausschreibungsvorgaben nicht nur in technischer Hinsicht mit einem ausgefeilten Energiesystem, insbesondere die Innen- und Fassadengestaltung tragen dazu bei, die Konzernzentrale als stadtbildprägend wahrzunehmen.
Durch die Erweiterung des bestehenden, bis auf das Stahlbetonskelett entkernten Baus auf beiden Schmalseiten ergaben sich viele sicherheitstechnische Synergien, wie beispielsweise eine deutliche Verbesserung der Fluchtwege. Die Verlängerung des Altbaus bot darüber hinaus die Möglichkeit einer neuen Gesamtgestaltung der Fassade, die über ein ausgeklügeltes LED-System auch in der Nacht hohen Wiedererkennungswert hat. Dabei bot die klare Rhythmisierung der 60er-Jahre-Architektur der Fassadenmodernisierung in technischer wie ästhetischer Hinsicht viele Vorteile.
Energietechnische Besonderheiten
Ziel bei der Wahl der energietechnischen Maßnahmen des auf 15.500 qm Nutzfläche erweiterten Bürohauses war neben der generellen Minimierung des Energiebedarfs auch die Nutzung erneuerbarer Energie. Dabei war davon auszugehen, dass der Energieverbrauch für die Kühlung der 1500 Arbeitsplätze und zahlreicher technischer Geräte wesentlich höher liegt als der für Heizung.
Insgesamt konnten auf Dach, Fassade und Vordach 556 qm Photovoltaikflächen untergebracht werden, die jährlich ca. 70.000kWh Energie erzeugen. Zusätzlich wird Erdwärme für Heizung und Kühlung verwendet. Alle WC-Anlagen werden über eine Regenwassernutzung betrieben und bringen eine Trinkwassereinsparung von 1.800.000 Liter pro Jahr. Die Warmwassererzeugung des Brauchwassers erfolgt über eine Solaranlage und zusammen mit der gut gedämmten neuen Fassade (18cm Mineralwolle) erreicht das Gebäude die Energieeffizienzklasse A (22,8KWh/m2a).
Für die Fassadengestaltung wurde eine Zonierung der Geschossfassade vorgenommen: Verglasungsbereiche mit Faltläden als Sonnenschutz wechseln mit in der Oberlichtzone speziell ausgeformten Elementen zur Tageslichtnutzung. Darüber erfolgt eine Lichtumlenkung durch Reflexion, die das Tageslicht tief in die Räume leitet. Die elektrische Arbeitsplatzbeleuchtung erfolgt über Stehlampen, die automatisch tageslichtabhängig geregelt werden. Allein dadurch ergibt sich eine Energieeinsparung von ca. 45%. Eine weitere Energieeffizienzsteigerung ergibt sich durch die Wärmerückgewinnung, so dass die erforderliche Zusatzenergie auf ein Minimum reduziert wird.
Die freundliche Atmosphäre in den Büroräumen, die von Einzelbüros bis zu Gruppenlösungen variieren, kann durch die Mitarbeiter:innen im Bereich von +/- 2°C mitbestimmt werden. Auch das Öffnen der Fenster ist möglich, jedoch setzt sich bei geöffnetem Fenster die gesamte Heiz- und Kühltechnik automatisch außer Betrieb.
Die ansprechende Atmosphäre wird im Inneren durch ein ausgeklügeltes Farbkonzept in den Geschossen sowie durch eine nun ausgedehnte Parkanlage mit mehr als 100 Bäumen noch hervorgehoben.
Der umgesetzte Entwurf verwandelte ein dringend sanierungsbedürftiges Hochhaus der Nachkriegsmoderne in ein E-Office mit Vorzeigecharakter in Sachen Energieeffizienz.
Dass dabei Gestaltungsfragen als immanenter Bestandteil der energietechnischen Lösungen behandelt werden, wurde 2011 durch den Anerkennungspreis des Solarenergiefördervereins Bayern e.V. (SeV) bestätigt, der das eingereichte „„Energie Steiermark“-Projekt auszeichnete.
(Text: Gertraud Strempfl-Ledl / ISG)
(1) Lackner, Helmut; Sauber und kultiviert. Architektur in den „langen Fünfzigerjahren“. Vom Wiederaufbau zum Wirtschaftswunder, in: Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre fotografiert von Stefan Oláh, Salzburg: Pustet, 2011, S. 145.
(2) Ampenberger, Andreas: Mündlicher Vortrag beim ISG Symposium 2010 „Denkmalpflege - Architektur - Energieoptimierung“ mit dem Titel: Modernisierung von Bürogebäuden. Bewertung der tatsächlichen Energieeffizienz mit BEEP (Building Energy and Environmental Performance Tool), veranstaltet vom Internationalen Städteforum in Graz an der Technischen Universität Graz im Juni 2010.
(2) Ampenberger, Andreas: Mündlicher Vortrag beim ISG Symposium 2010 „Denkmalpflege - Architektur - Energieoptimierung“ mit dem Titel: Modernisierung von Bürogebäuden. Bewertung der tatsächlichen Energieeffizienz mit BEEP (Building Energy and Environmental Performance Tool), veranstaltet vom Internationalen Städteforum in Graz an der Technischen Universität Graz im Juni 2010.
Für den Beitrag verantwortlich: HDA
Ansprechpartner:in für diese Seite: Karin Wallmüller
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