Bauwerk

Unter-den-Linden
SUPERBLOCK - Wien (A) - 2018
Unter-den-Linden, Foto: Michael Nagl
Unter-den-Linden, Foto: Michael Nagl
4. Januar 2022 - Az W
„Wohnen am Marchfeldkanal“ lautete 2014 ein Bauträgerwettbewerb für ein neues Siedlungsgebiet nahe der Brünnerstraße am nördlichen Stadtrand von Wien. Als Wettbewerbssieger für den südlichen der sechs Bauplätze, angrenzend an das Heeresspital, ging das Team von Superblock (Architektur), Land in Sicht (Freiraumplanung) und Familienwohnbau (Bauträger) mit dem Projekt „Unter den Linden“ hervor, das 2018 fertiggestellt wurde.

Der banalen Flächenwidmungs-Vorgabe einer geschlossenen Blockrandbebauung angrenzend an die freie Landschaft folgten die Architekten nicht. Sie verzichteten auf die gänzliche Ausnutzung der bebaubaren Fläche, um einen identitätsstiftenden Platz als Eingang in das neue Siedlungsquartier zu schaffen. Auch wollten sie vermeiden, den bestehenden Wohnbauten zu nahe zu rücken. Anstelle einer Schließung entstand ein Freiraum mit Aufenthalts- und Zentrumsqualität.
Der eigentliche Bauplatz wurde dafür maximal ausgenutzt. Der annähernd dreieckige, sechsgeschossige Baukörper mit Atrium in der Mitte kommt mit einer Vertikalerschließung aus. Aber auch der Baukörper selbst bietet Öffnung und öffentlichen Raum: Ein zweigeschosshoher Durchgang schneidet durch den Sockel und verbindet den Platz mit der fußläufigen Wegfolge im Quartier bis hin zum Erholungsgebiet Marchfeldkanal.

Im Atrium, das glasüberdacht, aber offen ist, erschließen umlaufende Laubengänge 79 Wohneinheiten. Es sind überwiegend Klein(st)wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 63 m² Wohnnutzfläche. Die Wohnungen sind durchgesteckt, mit Küchenfenstern zum Laubengang, die sich, so schreibt es der Brandschutz vor, nicht öffnen lassen. Dafür verfügen die Wohnungen über großzügige Balkone und Öffnungen zur Außenseite hin.
Brandschutzvorgaben standen auch einer Gestaltung des Atriums als kommunikative Zone entgegen. Die geplante Begrünung und eine Ausgestaltung der Erschließung als Aufenthaltszone waren durch die strengen Vorschriften nicht möglich. Die vorgeschriebene Rollstuhl-Tauglichkeit von 100% aller Wohnungen ist angesichts der sehr beschränkten Wohnungsgrößen diskussionswürdig.
Das Erdgeschoss bietet anmietbare Homeoffice-Flächen und eine Waschküche, zum Platz hin situiert einen Gemeinschaftsraum und einen Fahrradraum sowie eine Gewerbefläche, derzeit ein Fitnesscenter.

Neben dem Platz „Unter den drei Linden“ ist auch der signalgelbe Wohnbau mit seinen kühn auskragenden Balkonen, den dynamischen Ecklösungen, dem schräg eingeschnittenen Durchgang und der weiten Auskragung der Obergeschosse an der südlichen Schmalseite ein selbstbewusstes architektonisches Zeichen für das neue Quartier.

Der (mit Donauwasser versorgte) Marchfeldkanal war Ende des 20. Jahrhunderts angelegt worden, um das größte österreichische Gemüse- und Getreideanbaugebiet, das Marchfeld, vor dem Austrocknen zu bewahren. Das Wasser und seine Ufer bilden nun auch die naturräumliche Attraktion in dieser gleichförmigen, flachen Landschaft. Naturschutz- und Artenschutz-Problematiken (Ziesel, Vögel, Frösche) im neuen Siedlungsgebiet am Marchfeldkanal sollten Anregung sein, über neue ökologische Herangehensweisen des (Wohn)Bauens und der Freiflächengestaltung gerade am Stadtrand nachzudenken. (Text: Maria Welzig)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Familienwohnbau

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie