Bauwerk

Wohnhaus Porzellangasse – Sanierung & Dachausbau
P.GOOD - Wien (A) - 2018
Wohnhaus Porzellangasse – Sanierung & Dachausbau, Foto: Bruno Klomfar
Wohnhaus Porzellangasse – Sanierung & Dachausbau, Foto: Bruno Klomfar
Wohnhaus Porzellangasse – Sanierung & Dachausbau, Foto: Bruno Klomfar
10. Dezember 2021 - Az W
Die Wiener Architektur-Moderne von 1900 bis zum abrupten Ende 1914 verbindet man mit den Namen Wagner, Hoffmann, Loos, vielleicht noch Plečnik oder Fabiani.
Alexander Neumann, Leopold Fuchs, Arthur Baron, Ernst Epstein, Ignaz Reiser, Oskar Marmorek, Emil Reitmann und andere sind dagegen heute so gut wie unbekannt.
Dabei prägten sie den Typus einer neuen Großstadtarchitektur für Wien. In ihrer Blüte ist diese Phase auf wenige Jahre – im Wesentlichen 1908 bis 1914 – beschränkt. Eine Hoch-Zeit der Architektur, in der Bauunternehmen, Architekten und Auftraggeber aufs Engste zusammenarbeiteten und neue Wege der Urbanität eröffneten. Die Architekten traten dabei oft selbst als Bauherren auf.
Ein frühes Beispiel aus jener kurzen Zeitspanne, als Wien Weltstadt war, ist das Wohn- und Geschäftshaus Porzellangasse 36. Alexander Neumann war Architekt und Bauherr in einer Person.
Der Typus wies eine forcierte Mischung von Nutzungen auf: Geschäfte in einer eigens gestalteten Geschäftszone, Werkstätten, Büros, in den oberen Geschoßen Wohnungen, im Dachgeschoß Ateliers mit großen Verglasungen.
Maßgeblich für diesen metropolitanen Typus ist die Verwendung der neuartigen Eisenbetonkonstruktion, die gänzlich offene Raumsituationen und neue Belichtungsmöglichkeiten eröffnete. Ein Typus, der zeigt, dass man den Baugrund maximal effizient ausnutzen kann, gleichzeitig aber auf Basis innovativer Konstruktionsweisen und neuer Materialien außergewöhnliche Raum- und Gestaltungsqualitäten erreichen kann.
G. A. Wayss, eines jener innovativen Bauunternehmen, war im Haus Porzellangasse 36 für die Eisenbetondecken verantwortlich. Es handelt sich dabei um die „Rohrzellendecke System Wayss“, die das Unternehmen erst 1907 entwickelt hatte. Im Wohnhaus Porzellangasse 36 kam also allerneueste Konstruktions-Technologie zum Einsatz.

Der heutige Umgang mit gründerzeitlichem Bestand ist eines der großen Zukunftsthemen der Wiener Stadtentwicklung. Dabei geht es um Energiekonzepte, um Begrünung, um Außenräume für die Bewohner, um Ausbauten ebenso wie um Entkernungen. Die PUBA, Privatstiftung zur Unterstützung und Bildung von Arbeitnehmer:innen, Eigentümerin des Hauses Porzellangasse 36, hat dafür in den vergangenen Jahren beispielgebende Herangehensweisen aufgezeigt.
Bauaufgabe in der Porzellangasse 36 waren die Sanierung des gesamten denkmalgeschützten Hauses, das aus einem Straßen- und einem Hoftrakt besteht, der Einbau von zwei zusätzlichen Wohnungen im Dachstuhl des Hoftraktes, die Sanierung von vier Wohnungen, die von den Fliesen- und Parkettböden über die Fenster und Türen, die modernen Einbaukästen, Milchgläser in Zwischenwänden zur Optimierung der Belichtung bis hin zu Wandmalereien in der originalen Substanz erhalten waren.
Die für die Planung verantwortlichen P.Good Architekten (Azita Godarzi und Martin Praschl) haben Erfahrung mit der Instandsetzung denkmalgeschützter Wohnbauten der Moderne bei „laufendem Betrieb“: Die vorbildliche Renovierung der Wiener Werkbundsiedlung ist ihr Planungsverdienst.
Ein solches Sanierungsprojekt erfordert die Zusammenarbeit eines ganzen Teams von Spezialisten und Restauratorinnen: für (Putz)Oberflächen, für Metall, für Holz, für handwerkliche Techniken, die heute vielfach verloren sind. Zur Aufgabe der Architekten zählt auch der ständige Austausch mit dem Denkmalamt.

Den Aufzug und die Brückenkonstruktion im Stiegenhausbau zwischen Straßen- und Hoftrakt in der Porzellangasse 36 gestalteten P.Good Architekten als dezidiert neue Elemente. Als Stahl-Glaskonstruktion entsprechen sie der Formschönheit des historischen Baus. Gleichzeitig setzen sie sich mit ihrem dunklen Anstrich von der hellen Farbigkeit des historischen Stiegenhauses ab. Der neue Aufzug erschließt nun gleichrangig die Wohnungen der beiden halbgeschossig zueinander versetzten Trakte.
Die hofseitigen Klopfbalkone im Straßentrakt wurden im Zuge der Sanierung zu Außenwohnräumen vergrößert. Im Hoftrakt verfügte bereits 1908 jede Wohnung über einen gut zugeschnittenen Balkon zum Garten hin – was durchaus ungewöhnlich war zu jener Zeit.
Die zwei von P.Good Architekten geplanten neuen (Miet-)Wohnungen samt Terrassen mit Wien-Blick im ausgebauten Dachstuhl lassen keine Wohnwünsche offen.
Damit zur Straße hin kein formaler Wildwuchs entsteht, gaben P.Good Architekten eine einheitliche elegante Gestaltung der Geschäftszone vor, in die sich die unterschiedlichen Lokale formal einfügen.
Die gemischte Nutzung hat sich im Haus Porzellangasse 36 bis heute erhalten. Ursprüngliche hatte hier eine Buchdruckerei ihren Sitz; bis heute nutzt eine Buchhandlung eines der Geschäftslokale.

Das Haus Porzellangasse 36 ist von der Planung bis zur Nutzung ein Zeugnis der jüdischen Wiener Kultur. Hier wohnte unter anderem Friedrich Torberg als Kind. 1939 fand ein gewaltsamer Bewohnerinnen-Austausch statt. Alexander Neumann, der die Stadt mit seinen Bauten geprägt hatte, war im Alter von 70 Jahren zur Emigration gezwungen.
Diese immateriellen Aspekte sind Teil einer Architektur. Sie wieder ins Bewusstsein zu bringen, gehört zu einem adäquaten Umgang mit einem Bau. Die PUBA als Bauherrin hat diese Verantwortung wahrgenommen und die Instandsetzung des Hauses mit einer umfassend recherchierten, gehaltvollen Publikation begleitet. (Text: Maria Welzig)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

Akteure

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Bauherrschaft
PUBA - Privatstiftung zur Unterstützung und Bildung von ArbeitnehmerInnen

Tragwerksplanung
Franz Handlos

Fotografie