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Gegen die Kälte der Moderne
Neue Zürcher Zeitung

Jože Plecniks Baukunst in einer Grazer Ausstellung

8. März 2003 - Paul Jandl
Der Architekt Jože Plecnik war ein strenger Ideologe. Als Schüler Otto Wagners zählte der Slowene zur Avantgarde - dennoch wehrte er sich gegen die «eisige Kälte» der Moderne. «Es ist auch eine Idee, aber keine von Gott kommende», sagte Jože Plecnik über die Arbeit des Zeitgenossen Le Corbusier. Plenik war ein Priester des Bauens, der das Ethos des Architekten weit über den Rahmen seiner Aufgaben ausdehnte. Dem eigenen (slowenischen) Volk zu dienen, hielt er für wesentlich. Und so entwarf und baute er in seiner Heimat Ljubljana säkulare Monumente, die die Nation verherrlichen sollten, und er gestaltete mehrere sakrale Bauten. Als eine Art früher Vertreter der Postmoderne berief sich Plenik auf traditionelle Formen, deren Sprache er neu ordnete, ohne ganz von ihr lassen zu wollen. Er war, wie zurzeit eine Ausstellung im Grazer Stadtmuseum nicht ohne Grund verkündet, ein «moderner Klassizist».

Ljubljana als Gesamtkunstwerk

In Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum Ljubljana hat Boris Podrecca die Ausstellung «Jože Plecnik und Ljubljana» mit einigem Eigenwillen gestaltet. Eine Luftaufnahme Ljubljanas bedeckt den Boden der sieben Räume, Monitore ragen aus dieser objektivierenden Perspektive und zeigen kurze Filme zu 25 Stationen im Werk des Architekten. Die slowenische Hauptstadt ist ein Musterbuch von Pleniks stadtplanerischen Ideen und architektonischen Formen. Der Weg der Ausstellung führt vom nachgestellten Arbeitszimmer Pleniks bis zum Familiengrab. Dem Eingeweihten werden auf diesem virtuellen Stadtrundgang die urbanen Visionen und das philosophische Fundament des wichtigsten slowenischen Architekten deutlicher. Wer sich allerdings erst über Plenik informieren möchte, der ist in diesem Ausstellungskonzept verloren. Ausser den in pädagogischem Pathos gehaltenen Zitaten des Architekten gibt es zu den gezeigten Objekten keinen Text. Informationen müssen erst über PC abgerufen werden. Zu wissen ist in der Ausstellung nur, was zu sehen ist: die Wandlungsfähigkeit eines experimentierenden Eklektikers, der Stilmerkmale in seine Architektur übernahm, die weit an die Wurzeln seiner Heimat zurückreichen. Dem Humanismus, den er in der Tradition der Säulen verkörpert sah, hat Plenik in seinem Werk ebenso gerne gehuldigt wie den südlichen Ursprüngen der Kunst. Venedig war seine Sehnsucht und sein Ziel.

In Wien und in Prag hatte Pleniks Arbeit an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert begonnen. Ab Mitte der zwanziger Jahre und bis in die vierziger Jahre erhielt er in Ljubljana fast uneingeschränkte Möglichkeiten, seine stadtplanerischen Visionen zu verwirklichen. Er hat viele seiner monumentalen Ideen umgesetzt, die Plätze der Stadt neu gestaltet und die Ufer des Flusses Ljubljanica nach seinen Vorstellungen verändert. Die unmittelbar nebeneinander liegenden drei Brücken zählen zu den bekanntesten Werken des Architekten, der sich mit Grossbauten wie der slowenischen National- und Universitätsbibliothek oder dem backsteinroten Verwaltungsgebäude der Versicherungsgesellschaft Vzajemna ebenso unverkennbar ins Stadtbild eingeschrieben hat wie mit zahllosen kleinen Retuschen im urbanen Raum. Ungebaut blieben Pleniks Ideen zu einem masslos-triumphalen Parlamentskomplex, dessen Skizzen in der Ausstellung zu sehen sind, und seine visionäre Umgestaltung der Burg von Ljubljana, aus der eine slowenische Akropolis werden sollte. Verwirklicht wurde hingegen sein Monument für die Toten.

Ideal mit Widersprüchen

Ende der dreissiger Jahre machte Plenik beim Friedhof ale die skulpturale Sprache seiner Architektur in all ihrer kleinteiligen Grammatik deutlich. Das Tor ist ein historisierender Portikus, der die Toten und die Trauernden durch einen ebenso schmalen Eingang in Empfang nimmt wie die ungleich wuchtigere und modernere National- und Universitätsbibliothek die Studenten. Zwischen beiden Entwürfen liegt Pleniks idealisierende Welt mit allen ihren Widersprüchen und Spannungen. Säulchen zieren Ljubljanas Altstadt seit Pleniks Wirken beinahe im Übermass. Sein mit der Strenge eines Palladio gebautes «Bügeleisenhaus» zählt ebenso zum Vermächtnis des Architekten wie die aus archaischem Naturstein gebauten volkstümlichen Kirchen an der Peripherie Ljubljanas.

In einer grossen Ausstellung im Centre Pompidou war Plenik in den achtziger Jahren wieder entdeckt worden. Seither wird dem einst beinahe vergessenen Manieristen der Moderne mehr und mehr Beachtung zuteil. Die europäische Kulturhauptstadt Graz zeigt den Architekten jedenfalls in adäquater, weil unpathetischer Form: Pleniks Visionen auf Monitoren.

[ Bis 30. März. Katalog: Jože Plecnik und Ljubljana. Der Architekt und seine Stadt. Hrsg. Architekturmuseum Ljubljana, Ljubljana 2003. 148 S., Euro 16.- (ISBN 961-90417-5-5). ]

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