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Schönheit der Moderne
Eine Berliner Schau zur Architektur von Eritreas Hauptstadt Asmara
11. Oktober 2006 - Claudia Schwartz
Im Cinema Impero des Architekten Mario Messina aus dem Jahr 1938 bewachen noch heute Löwenköpfe auf Säulen die grosse Leinwand. Der erste Rang schwebt in sanfter Bewegung über dem Saal, und Stuck mit afrikanischen Motiven - Tänzern, Palmen und Antilopen - verbreitet einen Hauch von Art déco. Die Aussenfassade indes nimmt das Ornamentale in funktionalistischer Gliederung und technisch anmutender Materialisierung sogleich wieder zurück. Diese Kinoarchitektur aus den dreissiger Jahren ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie die italienischen Baukünstler im Zuge des faschistischen Kolonialismus den Geist der klassischen Moderne nach Asmara brachten und wie sie dabei lokale Tradition und europäische Avantgarde eigenwillig, aber immer klar definiert verbanden.
Der Architekt Giuseppe Pettazzi entwarf im gleichen Jahr eine futuristisch angehauchte Tankstelle in Asmara, deren 30 Meter lange, frei schwebende Betondächer an Flugzeugflügel erinnern. Und nicht zu vergessen der Palazzo Mutton (1944) von Antonio Vitaliti mit seiner modernistisch skurrilen Verschränkung von Zylinder und Kubus im Stil des Razionalismo. Die Liste liesse sich beliebig fortführen, da Asmara, die Hauptstadt Eritreas, die ganze Schönheit der italienischen Moderne des 20. Jahrhunderts wie im Bilderbuch vereint: neben Rationalismus, Art déco und Futurismus auch die Bewegungen von Novecento, Neoklassizismus und Neobarock.
Unter Denkmalschutz
Das Deutsche Architekturzentrum (DAZ) in Berlin beleuchtet mit «Asmara - Afrikas heimliche Hauptstadt der Moderne» nun den einzigartigen, 2001 unter Denkmalschutz gestellten Stadtkern erstmals in einer Ausstellung. Die Schau geht zurück auf eine deutsch-eritreische kulturpolitische Initiative: Nicht zuletzt wirbt man dafür, dass dieser in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wird. Denn neben Asmara weisen nur noch Tel Aviv, Miami South Beach oder das neuseeländische Napier ähnlich bedeutende bauliche Ensembles der klassischen Moderne auf.
Die Wiederentdeckung der städtebaulichen und architektonischen Qualitäten von Asmara hat vor nicht allzu langer Zeit eingesetzt, nachdem Eritrea zu Beginn der neunziger Jahre seine Unabhängigkeit erlangt hatte. Am Zentrum von Asmara, das grösstenteils im Rahmen der Stadterweiterung in den dreissiger Jahren entstanden ist, lässt sich nachvollziehen, wie die italienischen Architekten unter teilweisem Rückgriff auf klassisches Formenvokabular ihren Beitrag zum International Style leisteten. Anfänglich fand der Ausbau der Hauptstadt zum Verwaltungs- und Repräsentationszentrum noch im Zeichen des Historismus statt, wie das im Stil der Neugotik gehaltene Gebäude der Bank von Eritrea belegt. Dazu gesellte sich vor allem in den sakralen Bauten eine seit 1900 die Architektur beeinflussende synkretistische Vermischung unterschiedlicher Formensprachen und Stile. Ein spätes Beispiel dafür ist die Moschee Al Khulafa Al Rashiudin (1943) von Giuseppe Arata, die maurische und romanische Formelemente vereinigt.
Städteplanung als Herrschaftsmittel
Zwischen 1935 und 1941 erfuhr Asmara eine explosionsartige Entwicklung und verwandelte sich von der kleinen Provinzstadt zu jener Metropole europäischer Prägung, die Kriegswirren, vier Jahrzehnte äthiopischer Herrschaft und Befreiungskrieg überstand. Der damalige Bauboom war motiviert durch das imperialistische Engagement Mussolinis, der Asmara nach dem Vorbild Roms zu einem «Africa Orientale Italiana» ausbauen wollte. Dabei wies aber nicht der Monumentalismus den planerischen Weg. Massgeblich waren vielmehr die internationalen Ansprüche der 1933 verfassten Charta von Athen, die eine zweckmässige Architektur im Sinne einer funktionellen Stadt und des Neuen Bauens propagierte.
Die Ausstellung blickt nicht nur auf die Baugeschichte der eritreischen Hauptstadt, sondern reflektiert die Ambivalenz der Moderne auf dem afrikanischen Kontinent. Denn Asmaras urbane Blüte steht in engem Zusammenhang mit Italiens kolonialistischer Herrschaftspolitik. Städteplanung diente auch als ein Mittel zur Durchsetzung von Rassegesetzen und sozialer Segregation. In Eritrea wurde deshalb in den letzten Jahren darüber debattiert, ob man Gebäude wie Bruno Sclafanis Casa del Fascio (1940), einst Hauptquartier der faschistischen Partei und Symbol des italienischen Regimes, überhaupt unter Denkmalschutz stellen soll. Mittlerweile hat sich aber das Bewusstsein durchgesetzt, dass diese Architektur einen Teil der Geschichte Eritreas darstellt. So ist heute die Identität des Landes tief verbunden mit dem Erscheinungsbild der Hauptstadt im ostafrikanischen Hochland, in der sich afrikanische und europäische Einflüsse im sogenannten Asmara Style verbinden.
[ Bis 3. Dezember im DAZ, danach im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (6. Februar bis 15. April 2007), in Stuttgart und auf dem Weltkongress der Union Internationale des Architectes in Turin im Juli 2007. - Begleitpublikation: Asmara. The Frozen City (dt., engl., ital.). Hrsg. Jochen Visscher. Jovis-Verlag, Berlin 2006. 96 S., Fr. 28.- (Euro 16.- in der Ausstellung). - Ausserdem: Asmara. Africa's Secret Modernist City. Merrell Publishers, London, 2003. 240 S., £ 24.95 (Euro 37.- in der Ausstellung). ]
Der Architekt Giuseppe Pettazzi entwarf im gleichen Jahr eine futuristisch angehauchte Tankstelle in Asmara, deren 30 Meter lange, frei schwebende Betondächer an Flugzeugflügel erinnern. Und nicht zu vergessen der Palazzo Mutton (1944) von Antonio Vitaliti mit seiner modernistisch skurrilen Verschränkung von Zylinder und Kubus im Stil des Razionalismo. Die Liste liesse sich beliebig fortführen, da Asmara, die Hauptstadt Eritreas, die ganze Schönheit der italienischen Moderne des 20. Jahrhunderts wie im Bilderbuch vereint: neben Rationalismus, Art déco und Futurismus auch die Bewegungen von Novecento, Neoklassizismus und Neobarock.
Unter Denkmalschutz
Das Deutsche Architekturzentrum (DAZ) in Berlin beleuchtet mit «Asmara - Afrikas heimliche Hauptstadt der Moderne» nun den einzigartigen, 2001 unter Denkmalschutz gestellten Stadtkern erstmals in einer Ausstellung. Die Schau geht zurück auf eine deutsch-eritreische kulturpolitische Initiative: Nicht zuletzt wirbt man dafür, dass dieser in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wird. Denn neben Asmara weisen nur noch Tel Aviv, Miami South Beach oder das neuseeländische Napier ähnlich bedeutende bauliche Ensembles der klassischen Moderne auf.
Die Wiederentdeckung der städtebaulichen und architektonischen Qualitäten von Asmara hat vor nicht allzu langer Zeit eingesetzt, nachdem Eritrea zu Beginn der neunziger Jahre seine Unabhängigkeit erlangt hatte. Am Zentrum von Asmara, das grösstenteils im Rahmen der Stadterweiterung in den dreissiger Jahren entstanden ist, lässt sich nachvollziehen, wie die italienischen Architekten unter teilweisem Rückgriff auf klassisches Formenvokabular ihren Beitrag zum International Style leisteten. Anfänglich fand der Ausbau der Hauptstadt zum Verwaltungs- und Repräsentationszentrum noch im Zeichen des Historismus statt, wie das im Stil der Neugotik gehaltene Gebäude der Bank von Eritrea belegt. Dazu gesellte sich vor allem in den sakralen Bauten eine seit 1900 die Architektur beeinflussende synkretistische Vermischung unterschiedlicher Formensprachen und Stile. Ein spätes Beispiel dafür ist die Moschee Al Khulafa Al Rashiudin (1943) von Giuseppe Arata, die maurische und romanische Formelemente vereinigt.
Städteplanung als Herrschaftsmittel
Zwischen 1935 und 1941 erfuhr Asmara eine explosionsartige Entwicklung und verwandelte sich von der kleinen Provinzstadt zu jener Metropole europäischer Prägung, die Kriegswirren, vier Jahrzehnte äthiopischer Herrschaft und Befreiungskrieg überstand. Der damalige Bauboom war motiviert durch das imperialistische Engagement Mussolinis, der Asmara nach dem Vorbild Roms zu einem «Africa Orientale Italiana» ausbauen wollte. Dabei wies aber nicht der Monumentalismus den planerischen Weg. Massgeblich waren vielmehr die internationalen Ansprüche der 1933 verfassten Charta von Athen, die eine zweckmässige Architektur im Sinne einer funktionellen Stadt und des Neuen Bauens propagierte.
Die Ausstellung blickt nicht nur auf die Baugeschichte der eritreischen Hauptstadt, sondern reflektiert die Ambivalenz der Moderne auf dem afrikanischen Kontinent. Denn Asmaras urbane Blüte steht in engem Zusammenhang mit Italiens kolonialistischer Herrschaftspolitik. Städteplanung diente auch als ein Mittel zur Durchsetzung von Rassegesetzen und sozialer Segregation. In Eritrea wurde deshalb in den letzten Jahren darüber debattiert, ob man Gebäude wie Bruno Sclafanis Casa del Fascio (1940), einst Hauptquartier der faschistischen Partei und Symbol des italienischen Regimes, überhaupt unter Denkmalschutz stellen soll. Mittlerweile hat sich aber das Bewusstsein durchgesetzt, dass diese Architektur einen Teil der Geschichte Eritreas darstellt. So ist heute die Identität des Landes tief verbunden mit dem Erscheinungsbild der Hauptstadt im ostafrikanischen Hochland, in der sich afrikanische und europäische Einflüsse im sogenannten Asmara Style verbinden.
[ Bis 3. Dezember im DAZ, danach im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (6. Februar bis 15. April 2007), in Stuttgart und auf dem Weltkongress der Union Internationale des Architectes in Turin im Juli 2007. - Begleitpublikation: Asmara. The Frozen City (dt., engl., ital.). Hrsg. Jochen Visscher. Jovis-Verlag, Berlin 2006. 96 S., Fr. 28.- (Euro 16.- in der Ausstellung). - Ausserdem: Asmara. Africa's Secret Modernist City. Merrell Publishers, London, 2003. 240 S., £ 24.95 (Euro 37.- in der Ausstellung). ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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