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Gefiederte Mieter in der Stadt: Brutplätze für Mauersegler
Spectrum

Mauersegler finden ihre Nistplätze in nicht ausgebauten Dachböden und ungedämmten Fassaden, doch die werden immer weniger. Architektur, Kunst und Design arbeiten zusammen, um den Lebensraum der Vögel zu sichern.

19. Juli 2023 - Harald Gründl
Von Ende April an sind grelle Vogelrufe in Wien zu hören. Sie stammen von Mauerseglern (Apus apus), die mit bis zu 200 km/h in kleineren Schwärmen Insekten jagen. Ihr Flugstil ist akrobatisch: schnelle Richtungswechsel, Tiefflug über Häuserdächer oder entlang von Fassaden, Gleitflug, kurzes Flügelschlagen – schon schrauben sie sich wieder bis zu 3000 Meter in die Höhe. Ein Tier, das fast immer in der Luft ist, auch im Schlaf. Bis zu 800 Flugkilometer legen die Vögel in der Brutzeit pro Tag zurück.

Birdlife Österreich beziffert die Population auf 25.000 bis 50.000 Brutpaare in Österreich, Wien beherbergt ein Fünftel. Als Naturschutzbehörde des Bundeslandes Wien setzt sich die Umweltschutzabteilung (MA 22) für den Schutz dieser Vogelart ein und hat in einem Citizen-Science-Projekt, d. h., in Zusammenarbeit von Zoologen mit der Bevölkerung, mehr als 2000 Brutplätze der Mauersegler in einer digitalen Karte kartografiert. Neben den Mauerseglern gibt es auch Brutplätze und Nisthilfen von Dohlen, Mehlschwalben, Rauchschwalben, Turmfalken und Fledermäusen zu entdecken.

Mauersegler sind Kulturfolger, die sich von ihrer ursprünglichen Behausungssuche in Felswänden an die Gegebenheiten der Stadt angepasst haben. Dort finden sie in nicht ausgebauten Dachböden und kleinen Maueröffnungen ihre Nistplätze, die sie über viele Jahre immer wieder aufsuchen. Wie in der Luft bevorzugen die Vögel auch beim Nisten die Nähe anderer Brutpaare. Die Brutplätze sind nicht einfach auszumachen, da die Mauersegler sie sehr schnell anfliegen, um in sehr kleinen Öffnungen plötzlich zu verschwinden.

Wer bezahlt den Einbau?

Werden Fassaden gedämmt oder Dachgeschoße ausgebaut, gehen diese informellen „Sommerwohnungen“ der Vögel verloren. In Wien schreitet dann die Umweltbehörde ein und verpflichtet die Hauseigentümer, die Nistplätze wiederherzustellen und den Umbau außerhalb der Brutzeit durchzuführen. Der Mauersegler ist durch das Wiener Naturschutzgesetz geschützt – es dürfen keine Nester zerstört werden. Naturliebende können allerdings jederzeit gern neue Nistmöglichkeiten schaffen.

Für die Neuerrichtung von Mauersegler-Wohnungen gibt es zahlreiche Lösungen; ­­­die meis­ten können nahezu unsichtbar in die Architektur integriert werden. In Zusammenarbeit von Zoologen und der Architekturfachplanung wurden so viele neue Behausungen geschaffen. Die herrschaftlichste nennt sich „Wiener Modell“ und befindet sich gut getarnt in den Zierkonsolen der Altbauten unter dem Gesimse. Das Zierelement hat eine vier mal sechs Zentimeter große Öffnung und ist so die perfekte Altbaustadtwohnung der Mauersegler. Die Wiener Stuckmanufaktur stellt die Öffnung sogar ohne Aufpreis her, der Einbau dauert etwa eine Stunde für fünf solcher Nistplätze. Nicht so kostengünstig wird es, wenn die Mietwohnung der Vögel im Rahmen einer thermischen Sanierung in die Fassade integriert wird. In der Beispielsammlung „Bauen für Wildtiere“ werden mehrere Lösungen vorgestellt, die zeigen, wie komplex die Umsetzung ist. Wer initiiert das Projekt? Werden Umweltsachverständige zugezogen? Sollen die Nistplätze unsichtbar sein oder dekorativ in die Fassade integriert? Wer bezahlt den Einbau? Bei thermischer Sanierung von Fassaden kann der Brutkasten in die Dämmung eingebaut werden, dann bleibt nur das kleine Loch für den Einflug sichtbar.

Ein Wiener Vogelhotel, das den geschützten Tieren maximale Sichtbarkeit verleiht, entstand im Zuge des „Calle Libre“-Festivals in der Burggasse durch den Künstler Crazy Mister Sketch. Das Graffito mit Mauerseglern beherbergt 22 Nistkästen und wurde im Jahr 2020 zum Thema „Die perfekte Zukunft“ geschaffen: „Das Bild zeigt drei Mauersegler bei der Landung. Ein bedeutsamer Moment, denn er findet nur selten außerhalb dieses Ortes statt – Mauersegler verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in der Luft. Die etwas düstere Kulisse der Stadt ist vom Film noir und der industriellen Revolution inspiriert und symbolisiert das menschliche Element. Sie ist abstoßend, gefährlich und wenig einladend für die Tiere. Und doch sind Arten wie der Mauersegler in solchen Umgebungen zu finden. Es findet eine Art Zweckentfremdung statt. Dies führt zu einer unwahrscheinlichen Koexistenz, die für die Zugvögel gut funktioniert, auch wenn sie von den Menschen nicht vorhergesehen wurde. Trotz des erwähnten unfreiwilligen Elements könnte dies als Symbol für zukunftsorientiertes Denken dienen – in einer perfekten, utopischen Zukunft könnten Architektur, Kunst und andere Aspekte bewusst auf eine solche Koexistenz hingearbeitet werden.“

Vögel scheren sich wenig um die Semantik der Arbeit

Architektur und Design könnten sich der Herausforderungen von Artenschutz und der Koexistenz von nicht humanen Bewohnern unserer Städte noch mehr annehmen. Als Friedensreich Hundertwasser vor 50 Jahren während der Triennale in Mailand 15 Bäume in Wohnungen als „Baummieter“ installierte, machte er auf die Rechte der Natur und eine gewinnbringende Koexistenz mit der Natur auf poetische Weise aufmerksam. Dieser Diskurs muss wieder aufgegriffen werden: vom „Human Centred Design“ zu einer Designhaltung, die Natur und nicht menschliche Lebewesen als „Auftraggeber“ und „Mieter“ berücksichtigt. Das Vogelhaus des holländischen Designers Klaas Kuiken zeigt, wie Design diese Koexistenz sichtbar machen kann. Für die Menschen ist das archetypische Vogelhäuschen mit Satteldach, runder Einflugöffnung und einem Sitzstab aus Holz klar dem tierischen Mieter zuordenbar. Die Vögel scheren sich wenig um die Semantik der Arbeit, sondern nehmen eher die Einflugöffnung als Einladung zum Nisten an. An der Stelle, wo wir wissentlich zahlreiche Arten verlieren oder vertreiben, hilft die Sichtbarmachung eines gemeinsamen Lebensraums von Mensch und Tier – hier auf surreale Weise in einen Dachziegel integriert.

Bald werden die Mauersegler zurück nach Afrika ziehen. Wenn sie wiederkommen, erinnern sie uns vielleicht daran, unsere Rolle in der Welt zurechtzurücken und im Sinne von Crazy Mister Sketch die utopische Zukunft von Architektur, Kunst und Design punkto Koexistenz mit der Natur zu träumen und umzusetzen.

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