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Garten in abstrakter Faltung
1. September 2000 - Udo Weilacher
Die Szenerie ist surrealistisch: fast traumwandlerisch bewegt sich das Publikum durch ein landschaftsarchitektonisch konzipiertes, fast fünf Hektaren grosses Bühnenbild aus langgestreckten, bis zu acht Meter Rasenpyramiden. Aus Zuschauern werden Protagonisten, die in geometrisch geformten Erdfaltungen verschwinden, Stufenpyramiden erkunden oder den Schatten kleiner Baumgruppen geniessen, um in Ruhe die bewegte Verdoppelung der abstrakten Szene auf dem Wasserspiegel des Waldweihers zu beobachten. Über allem liegt der Klangteppich des 21. Jahrhunderts: sphärische Musik, das Geplauder der Besucher und zuweilen die heulenden Turbinen eines startenden Flugzeugs.
«Sie bringen eine vollkommen neue Landschaft, Sie erzeugen ein Raumgefühl, das ich bisher unter freiem Himmel noch nie empfunden habe. Sie beweisen, dass mit klugem Geist und genauer Handhabe des Handwerkes mit dem kostbaren Material Erde nicht unbedingt so geschaffen werden muss, wie dies die Kräfte der Naturelemente tun. Sie schaffen nicht die Imitation einer natürlichen Gegebenheit, sondern Sie erzeugen ein Werk, wie wir abstrakten Maler und Bildhauer dies mit konkreten Mitteln seit Jahren versuchen.» Dieser begeisterte Brief von Hans Fischli hätte dem «Berggarten» an der Internationalen Gartenschau 2000 in Graz gelten können. Doch der damalige Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich würdigte 1959 ein kongeniales Werk des Zürcher Gartenarchitekten Ernst Cramer an der Ersten Schweizerischen Gartenbau-Ausstellung im Zürichhorn.
Der temporäre «Garten des Poeten» an der G/59, eine abstrakte Komposition aus vier Rasenpyramiden, einem gestuften Erdkegel und einem flachen, rechteckigen Wasserspiegel mit einer Eisenplastik von Bernhard Luginbühl, gilt als Vorläufer des «Berggartens» von Kienast Vogt und Partner. Ernst Cramer war mit den kultur- und gartenhistorischen Vorbildern seiner Erdbauwerke, den altägyptischen Pyramiden und den Tumili des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau vertraut. Während sich die Pückler-Pyramiden in Form und Funktion noch eng an die altägyptischen Grabbauten anlehnten, bestand sein Garten aus pyramidalen Formen mit drei ungleichen Seitenflächen, die als zweckfreie Kunstbauwerke verstanden werden sollten. Cramers primäres Interesse galt der Entwicklung einer modernen gestalterischen Sprache im Garten, und dieses radikale Werk wurde 1964 vom Museum of Modern Art in New York als Pionierleistung moderner Gartenarchitektur gewürdigt.
Kienast schätzte Cramers moderne, visionäre Landschaften und entwickelte dessen radikale Gestaltungsansätze konsequent weiter. 40 Jahre nach der G/59 konnte Kienast zusätzlich von der Kenntnis der Land Art profitieren, die Ende der sechziger Jahre mit spektakulären «Earthworks» in den amerikanischen Wüstengebieten Furore gemacht hatte. Waren Cramers Erdkörper noch freistehende Einzelbauwerke, wurde in Graz aus 29 000 Kubikmetern Erdmasse eine artifizielle, begehbare Bodenskulptur geschaffen. Ein etwa fünf Meter hoher, steiler Rasenwall umgrenzt den «Hortus conclusus» wie eine Klostermauer, in die mit Sichtbetonscheiben zwei markante Öffnungen geschnitten wurden. Zwischen den 26 grossen Erdformationen, die von geometrisch geschnittenen Wegen durchquert werden, finden sich Reste einer monotonen Fichtenkultur, die bereits existierte. Anstatt den ökologisch minderwertigen Bewuchs einfach zu roden, wurden Lichtungen geschaffen und die Bäume aufgeastet. Durch den schattigen Filter der schlanken Fichtenstämme betrachtet, kommen die sonnigen Hänge der Pyramiden besonders zur Geltung. Grosse Einzelbäume, teilweise neu gepflanzt, viele bereits vorhanden, bilden die natürliche Staffage des nördlichen Gartenbereiches und akzentuieren die verschiedenen Raumsequenzen. Der Dialog zwischen architektonischer Grundkonzeption und Natürlichkeit, der schon fast zum Stilmerkmal der Projekte von Kienast Vogt und Partner geworden ist, kommt auch am Waldweiher zustande. Er wurde in eine geometrische Grundform gefügt, ist zugleich Reflexionsbecken und Lebensraum und ergänzt das Vexierbild aus Kunst und Natur. Zwei Pyramiden, deren abgetreppte Seitenflächen als Sitztribüne für Besucher ausgebildet wurden, bieten einen Ausblick über die futuristische Landschaft.
Um die Lust der Gartenschaubesucher auf Duft und Farbe zu stillen und um eine Monotonie der Rasenlandschaft zu vermeiden, bepflanzten die Landschaftsarchitekten einzelne Pyramidenflächen einheitlich mit jeweils unterschiedlichen Sträuchern, Blüten- und Blattschmuckstauden. Blausterne, Lavendel, Frauenmantel, Efeu und Zwergbambus, teilweise in Mustern gesetzt, sollen das Jahr über für unterschiedlichste Blühereignisse sorgen. An anderer Stelle entstand aus grossen bruchrauhen Kalkblöcken eine fast 1000 Quadratmeter grosse, leicht geneigte Fläche, auf der viele trockenheitsresistente und wärmeliebende Pflanzen ihren bevorzugten Standort gefunden haben. Die traditionelle Form des Alpinums fand so zu einer zeitgemässen Interpretation.
Anders als der «Garten des Poeten» wird der «Berggarten» nach dem Ende der Ausstellung als öffentliche Parkanlage erhalten bleiben. In einer Streitschrift gegen die weit verbreitete gestalterische Geschwätzigkeit der Gartenschauen wünschte sich Dieter Kienast «alltägliche, sinnliche, stimmungsvolle, grüne und farbige, grosse und kleine, helle und dunkle, offene und geschlossene, geordnete und wilde Gärten voller Poesie». In Graz hat er sich diesen Wunsch erfüllt.
«Sie bringen eine vollkommen neue Landschaft, Sie erzeugen ein Raumgefühl, das ich bisher unter freiem Himmel noch nie empfunden habe. Sie beweisen, dass mit klugem Geist und genauer Handhabe des Handwerkes mit dem kostbaren Material Erde nicht unbedingt so geschaffen werden muss, wie dies die Kräfte der Naturelemente tun. Sie schaffen nicht die Imitation einer natürlichen Gegebenheit, sondern Sie erzeugen ein Werk, wie wir abstrakten Maler und Bildhauer dies mit konkreten Mitteln seit Jahren versuchen.» Dieser begeisterte Brief von Hans Fischli hätte dem «Berggarten» an der Internationalen Gartenschau 2000 in Graz gelten können. Doch der damalige Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich würdigte 1959 ein kongeniales Werk des Zürcher Gartenarchitekten Ernst Cramer an der Ersten Schweizerischen Gartenbau-Ausstellung im Zürichhorn.
Der temporäre «Garten des Poeten» an der G/59, eine abstrakte Komposition aus vier Rasenpyramiden, einem gestuften Erdkegel und einem flachen, rechteckigen Wasserspiegel mit einer Eisenplastik von Bernhard Luginbühl, gilt als Vorläufer des «Berggartens» von Kienast Vogt und Partner. Ernst Cramer war mit den kultur- und gartenhistorischen Vorbildern seiner Erdbauwerke, den altägyptischen Pyramiden und den Tumili des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau vertraut. Während sich die Pückler-Pyramiden in Form und Funktion noch eng an die altägyptischen Grabbauten anlehnten, bestand sein Garten aus pyramidalen Formen mit drei ungleichen Seitenflächen, die als zweckfreie Kunstbauwerke verstanden werden sollten. Cramers primäres Interesse galt der Entwicklung einer modernen gestalterischen Sprache im Garten, und dieses radikale Werk wurde 1964 vom Museum of Modern Art in New York als Pionierleistung moderner Gartenarchitektur gewürdigt.
Kienast schätzte Cramers moderne, visionäre Landschaften und entwickelte dessen radikale Gestaltungsansätze konsequent weiter. 40 Jahre nach der G/59 konnte Kienast zusätzlich von der Kenntnis der Land Art profitieren, die Ende der sechziger Jahre mit spektakulären «Earthworks» in den amerikanischen Wüstengebieten Furore gemacht hatte. Waren Cramers Erdkörper noch freistehende Einzelbauwerke, wurde in Graz aus 29 000 Kubikmetern Erdmasse eine artifizielle, begehbare Bodenskulptur geschaffen. Ein etwa fünf Meter hoher, steiler Rasenwall umgrenzt den «Hortus conclusus» wie eine Klostermauer, in die mit Sichtbetonscheiben zwei markante Öffnungen geschnitten wurden. Zwischen den 26 grossen Erdformationen, die von geometrisch geschnittenen Wegen durchquert werden, finden sich Reste einer monotonen Fichtenkultur, die bereits existierte. Anstatt den ökologisch minderwertigen Bewuchs einfach zu roden, wurden Lichtungen geschaffen und die Bäume aufgeastet. Durch den schattigen Filter der schlanken Fichtenstämme betrachtet, kommen die sonnigen Hänge der Pyramiden besonders zur Geltung. Grosse Einzelbäume, teilweise neu gepflanzt, viele bereits vorhanden, bilden die natürliche Staffage des nördlichen Gartenbereiches und akzentuieren die verschiedenen Raumsequenzen. Der Dialog zwischen architektonischer Grundkonzeption und Natürlichkeit, der schon fast zum Stilmerkmal der Projekte von Kienast Vogt und Partner geworden ist, kommt auch am Waldweiher zustande. Er wurde in eine geometrische Grundform gefügt, ist zugleich Reflexionsbecken und Lebensraum und ergänzt das Vexierbild aus Kunst und Natur. Zwei Pyramiden, deren abgetreppte Seitenflächen als Sitztribüne für Besucher ausgebildet wurden, bieten einen Ausblick über die futuristische Landschaft.
Um die Lust der Gartenschaubesucher auf Duft und Farbe zu stillen und um eine Monotonie der Rasenlandschaft zu vermeiden, bepflanzten die Landschaftsarchitekten einzelne Pyramidenflächen einheitlich mit jeweils unterschiedlichen Sträuchern, Blüten- und Blattschmuckstauden. Blausterne, Lavendel, Frauenmantel, Efeu und Zwergbambus, teilweise in Mustern gesetzt, sollen das Jahr über für unterschiedlichste Blühereignisse sorgen. An anderer Stelle entstand aus grossen bruchrauhen Kalkblöcken eine fast 1000 Quadratmeter grosse, leicht geneigte Fläche, auf der viele trockenheitsresistente und wärmeliebende Pflanzen ihren bevorzugten Standort gefunden haben. Die traditionelle Form des Alpinums fand so zu einer zeitgemässen Interpretation.
Anders als der «Garten des Poeten» wird der «Berggarten» nach dem Ende der Ausstellung als öffentliche Parkanlage erhalten bleiben. In einer Streitschrift gegen die weit verbreitete gestalterische Geschwätzigkeit der Gartenschauen wünschte sich Dieter Kienast «alltägliche, sinnliche, stimmungsvolle, grüne und farbige, grosse und kleine, helle und dunkle, offene und geschlossene, geordnete und wilde Gärten voller Poesie». In Graz hat er sich diesen Wunsch erfüllt.
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