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Streit über den Michaelerplatz
Der Standard

Der Denkmalbeirat des Bundesdenkmalamtes fordert einen Stopp der Wiener Pläne, die Bäume und Beete auf dem zentralen Platz vorsehen. Die Behörde selbst bewilligte die Pflanzung.

15. Mai 2024 - David Krutzler
Der Baustart für die Umgestaltung des zentralen Michaelerplatzes in der Wiener Altstadt ist bereits vor drei Wochen erfolgt. Der historische Platz soll angesichts des Klimawandels „zukunftsfit“ gemacht werden, wie es in der offiziellen Presseaussendung der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) heißt. Das bedeutet vereinfacht: weniger Versiegelung, mehr Grün. Um den Hitze-Hotspot etwas zu entschärfen, sind die Pflanzung von neun Bäumen und zusätzlich Gräserbeeten in Pflanztrögen, ein Wasserspiel mit 52 Bodendüsen sowie fünf Trinkhydranten vorgesehen. Zudem ist eine Verkehrsberuhigung durch eine Erweiterung der Fußgängerzone geplant, auch neue Sitzbänke sind Teil des Vorhabens. Die Fiakerstandplätze werden von bisher 13 auf vier reduziert, in der Schauflergasse werden zehn Nachrückplätze eingerichtet. Die Arbeiten sollen bis Jahresende abgeschlossen werden.

Die öffentlich geäußerte Kritik an der Neugestaltung nahm zuletzt aber deutlich zu. So sprechen sich in einem offenen Brief der Initiative „SOS Michaelerplatz“ Unterstützerinnen und Unterstützer für den Erhalt des Michaelerplatzes aus. „Die geplante Neugestaltung des Platzes bedroht seine städtebauliche Wirkung und fügt dem historischen Ensemble gravierenden Schaden zu“, heißt es in dem Schreiben, das an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gerichtet wird und von mittlerweile mehr als 300 Personen und Institutionen unterschrieben wurde. Veröffentlicht wurde der offene Brief auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA).

Labiles Gleichgewicht

Auch der Denkmalbeirat beim Bundesdenkmalamt fordert einen Stopp für die Pläne von Stadträtin Sima. Die Mitglieder würden sich „mit aller gebotenen Deutlichkeit gegen die bevorstehende Umgestaltung des Wiener Michaelerplatzes“ aussprechen, steht in einem Wahrnehmungsbericht des Gremiums. Dieser wurde just am 22. April, also am Tag des Spatenstichs für den Umbau, finalisiert. Der Beirat war nach Eigenangaben offiziell nicht mit dem Projekt befasst, allerdings seien informelle Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt geführt worden. Kritisiert wird, dass durch die Umgestaltung mit Bäumen und Beeten das „subtile und zugleich labile Gleichgewicht“ des Platzes „schwerwiegend gestört“ werde. Die architektonische und städtebauliche Wirkung werde „regelrecht zerstört“. Geäußert wird zudem die Befürchtung, „ob die geplanten Maßnahmen auch eine Gefahr für das Welterbe Innere Stadt darstellen“ und Sichtachsen durch die Bäume beeinträchtigt würden.

Der Denkmalbeirat spricht in der Causa aber nicht für die gesamte Institution Bundesdenkmalamt, wie DER STANDARD in Erfahrung bringen konnte. Denn in der Bundesbehörde, die dem Bundesministerium für Kunst und Kultur unterstellt ist, tobt rund um das Thema Michaelerplatz ein heftiger Expertenstreit. Auf der Homepage des Denkmalamtes findet sich nämlich auch eine „Presseinformation“ zur Neugestaltung des zentralen Platzes, die am 29. April veröffentlicht worden ist – also eine Woche nach der massiven Kritik des Denkmalbeirats. Darin wird erwähnt, dass der historisch gewachsene Platz in der Vergangenheit mehrfach umgestaltet worden ist.

Bäume im Zentrum

Drei Bäume sollen nach den Plänen der Stadt aber im denkmalgeschützten Bereich des Platzes gepflanzt werden. Das geschehe in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt, wie die Bundesbehörde klar festhält: Der erforderliche Eingriff wurde gemäß dem Denkmalschutzgesetz „bewilligt“. Außerdem würden alle Eingriffe in den Boden auch im nichtgeschützten Bereich, „soweit erforderlich, archäologisch begleitet“. Fachliche Bedenken der Bundesbehörde gegen eine Beeinträchtigung der Sichtachsen seien „hinsichtlich der Zahl und der Platzierung der von der Stadt Wien geplanten Bäume berücksichtigt“ worden. Verwiesen wird aber auch darauf, dass der Schutz der Sichtachsen rechtlich gesehen eine Angelegenheit des Stadtbildes sei und „nicht in die behördliche Verantwortung des Bundesdenkmalamts“ falle.

Die Unesco mischt sich in die Debatte rund um die Umgestaltung des Platzes mitten in der Welterbezone vorerst nicht ein. Vonseiten der Österreichischen Unesco-Kommission heißt es auf STANDARD -Anfrage nur: „Wir werden keine Stellungnahme abgeben.“ Wien steht aktuell wegen des geplanten Heumarkt-Projekts seit Jahren auf der Roten Liste des Gremiums. Das bedeutet: Bei einem Baustart würde Wien den Welterbe-Status verlieren. Ob die Stadt Wien nach mehrfachen Adaptierungen des umstrittenen Projekts von Investor Michael Tojner von der Liste gestrichen wird oder nicht, entscheidet sich bei der nächsten Sitzung des Welterbe-Komitees im Juli in Uttar Pradesh in Indien.

Im März fand eine sogenannte Advisory-Mission in Wien statt, die die neuen Heumarkt-Pläne unter die Lupe nahm. Der diesbezügliche Mission-Report soll noch im Mai vorliegen. Nach Informationen des STANDARD haben die Prüferinnen und Prüfer neben dem Heumarkt aber auch ein kritisches Auge auf die Neugestaltung des Michaelerplatzes geworfen. Auch dieses Projekt dürfte in dem Report beurteilt werden. Wie kritisch das Unesco-Urteil ausfällt, ist noch nicht öffentlich.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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