Bauwerk

„Haus der Kinder“ und „Jugendtreff“ am Tivoli
reitter_architekten - Innsbruck (A) - 2008
„Haus der Kinder“ und „Jugendtreff“ am Tivoli, Foto: Günter Richard Wett
„Haus der Kinder“ und „Jugendtreff“ am Tivoli, Foto: Günter Richard Wett

Von wegen passiv!

16. März 2010 - Anne Isopp
Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen. Dafür dürfen sie den breiten Mittelgang mit ihren Dreirädern rauf und runter fahren. Der neue Kindergarten am Tivoli hat auffallend viel Platz und auffallend viele Fensterflächen. Sind die Kinder gerade nicht ins Spiel vertieft, stehen sie sehr gerne an den raumhohen Fensterscheiben und beobachten, was auf der Straße passiert. Doch wo man rausschauen kann, kann man auch reinschauen. Für die Kindergartenpädagoginnen war diese Transparenz zu Beginn ungewohnt – ebenso wie die Tatsache, von nun an in einem reinen Holzbau zu arbeiten. Gerne erzählt die Kindergartenleiterin Judith Singer-Bassetti von dem Aha-Erlebnis der Eltern: „Alle, die zum ersten Mal hier hereinkommen, sind begeistert von dem Geruch.“

Tivoli ist ein neuer Stadtteil in Innsbruck auf dem Areal des gleichnamigen alten Stadions. Architekt Helmut Reitter hat hier, gleich neben dem Freibad, einen Kindergarten mit Hort und ein Jugendzentrum errichtet. Der Kindergarten, ein lang gestreckter Pavillon, der sich im Bereich des Hortes zu einem zweigeschossigen Baukörper faltet, ist ein reiner Holzbau. Das Jugendzentrum, ein kubischer zweigeschossiger Bau, ist hingegen in Massivbauweise errichtet. „Schon beim Wettbewerb ist uns die Materialwahl schlüssig vorgekommen“, sagt Reitter. Dafür habe es keine funktionale, sondern eher eine emotionale, atmosphärische Begründung gegeben. Der Kindergarten ist ein Holzriegelbau mit tragenden Innenwänden und Decken aus Brettsperrholz sowie Innensäulen und Unterzügen aus Brettschichtholz. Außen ist der Baukörper mit einer verdeckt befestigten Eichenfassade und im Bereich der Attika mit dunkelbraunen Hochdruck Schichtstoffplatten (hpl-Platten) verkleidet.

Passivhausstandard Ursprünglich als Niedrigenergiehaus entworfen, wurde es schließlich doch in Passivhausstandard ausgeführt. Dies bedeutete dickere Dämmstärken, passivhaustaugliche Fenster, eine kleinere Wärmepumpe sowie höhere Ansprüche an die Anschlussdetails. Beim Sockelpunkt zum Beispiel, so erzählt die hinzugezogene Passivhausspezialistin Christina Krimbacher, musste nun die Dämmung unter die Bodenplatte gezogen werden, um eine lückenlos geschlossene Hülle zu garantieren. Weiters kam es auf eine winddichte und luftdichte Hülle an. Die Wände bestehen aus einer Holzriegelkonstruktion, die mit Zellulose ausgeblasen ist. Nach innen hin sind auf diese eine osb-Platte mit Dampfbremse, eine Installationsebene mit Hanfdämmung und eine Dreischichtplatte aufgebracht, nach außen hin folgen der tragenden Konstruktion eine Holzweichfaserplatte, ein Windpapier und die Eichenbretter der Fassade, die auf eine horizontale Lattung von hinten aufgeschraubt sind.

Alle vier Gruppenräume sind nach Westen orientiert, hin zu einem überdachten Außenspielbereich. Zwischen den Gruppenräumen liegen kleinere Einheiten, die in den Mittelgang hineinverschoben sind, sodass dieser zusätzlich belichtet wird und terrassenseitig kleine geschützte Atrien entstehen. Bewegungsraum, Ruheräume, Essbereich und Nebenräume liegen im Osten. Ein breiter, über Lichtkuppeln mit Tageslicht belichteter Mittelgang verbindet die beiden Bereiche. Der Boden ist aus Eiche, die Wände sind aus Lärche und die Decken mit Weißtannen-Akustikpaneelen verkleidet. Um die unterschiedlichen Holzarten aufeinander abzustimmen, wurden die Wände weiß lasiert und der Boden weiß geölt.

Die Bauzeit betrug genau ein Jahr, von September 2007 bis September 2008. Seit anderthalb Jahren ist der Kindergarten nun in Betrieb. „Hier werden alle Sinne gestreichelt“, sagt die Kindergartenleiterin und meint damit nicht nur die natürliche Atmosphäre, sondern auch die angenehme Raumluft. Denn Kinder und Holz haben mehr als nur eine emotional begründete Gemeinsamkeit. Beide mögen trockene Luft nicht besonders. Ein CO2-Fühler regelt den Frischluftzustrom und sorgt für ein optimales Raumklima.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at