Bauwerk
Wohnüberbauung Achslengut
Baumschlager Eberle Architekten, Senn Architektur - St. Gallen (CH) - 2002
Eine zweite Haut aus Glas
Am östlichen Stadtrand von St. Gallen franst die Siedlungsstruktur langsam aus.
1. April 2002 - Roderick Hönig
Eine heruntergekommen wirkende Sichtbeton-Hochhaussiedlung aus den siebziger Jahren, ansatzweise begonnene Reihenhausstrukturen aus den fünfziger Jahren und eine Handvoll lieblos placierter Einfamilienhäuser neueren Datums verzahnen hier Stadt und Land. Um dem scheinbaren Wildwuchs an Bauten Einhalt zu gebieten, hat die Stadt 1987 einen Gestaltungswettbewerb für ein dazwischen gelegenes, rund 36 000 Quadratmeter grosses Hanggrundstück ausgeschrieben. Das rigide Gewinnerprojekt aber blieb in der Schublade liegen. Sieben Jahre später wurde die Baubewilligung einem anderen Büro erteilt. Die Architektengemeinschaft Baumschlager-Eberle aus dem Vorarlberg und Senn Architektur aus St. Gallen sollte die erste Etappe des vor Jahren prämierten Vorschlags umsetzen.
Der Plan sah eine monumentale, senkrecht zum Hang verlaufende Kammstruktur für das gesamte Grundstück vor. Nur drei von dreizehn Baukörpern wurden in einer ersten Etappe 1996/97 realisiert. Insgesamt 55 Wohnungen in über 60 m langen, mehrgeschossigen Riegeln. Trotz der Fertigstellung erst gegen Ende der neunziger Jahre ist dieser erste Teil der Überbauung mit seiner aus heutiger Sicht verspielten Architektur, mit den gemeinsam genutzten Laubengängen und dem aufwendigen Erschliessungssystem exemplarisch für die Architektur der achtziger Jahre.
Ganz anders präsentiert sich die dieses Jahr fertiggestellte zweite Bauetappe. Die Architekten konnten die Behörden von einem planerischen Neuanfang überzeugen: Anstatt die Riegelstruktur weiterzuziehen, verteilen sie nun acht kompakte Baukörper, schachbrettartig versetzt, über die gesamte Grundstücksfläche. Die Überbauung reagiert subtil auf die Topographie: Der Hang fliesst sozusagen frei durch die Siedlung hindurch, und die Häuser verzahnen sich mit dem Grundstück. Trotz der hohen Zahl von Wohnungen (120) schaffen sie es mit einer geschickten Disposition in der Ebene und durch die Staffelung der Häuser in der Höhe, den notwendigen Abstand zwischen den Häusern, die Durchsichten, die Besonnung und die Aussicht auf den Bodensee zu gewährleisten.
Die acht Baukörper sind jeweils um ein gemeinsames Treppenhaus herum organisiert. Es ist nicht grosszügig, hat aber dennoch Grandezza: Weisser Marmor am Boden und die eleganten skulptural gestalteten Treppengeländer aus schwarzem Stahl machen diesen halböffentlichen Ort zu einem veritablen Entrée. Um diesen Kern herum sind jeweils die Nebenräume und Nasszellen der Wohnungen gelagert. Alle Zimmer liegen entlang der Fassade und haben französische Fenster auf die umlaufenden Balkone.
Der Ausbau ist einfach und funktional. Ein schönes Detail: In die Schicht mit den Nasszellen sind begehbare Schränke eingepasst. Die tragenden Böden und Decken liegen auf den Aussenwänden und auf dem Erschliessungskern auf, was erlaubt, die Wohnfläche ohne Probleme in ein Loft oder in eine Fünf-Zimmer-Wohnung einzuteilen. Man kann Zimmerwände einziehen oder weglassen, je nach Bedarf. Matte, geschosshohe Glasscheiben hüllen den Kubus wie eine zweite Haut ein. Sie schützen die grosszügige Balkonzone vor Wind, Wetter und Blicken. Durch die leichte Verschiebbarkeit der Gläser verändern die Bewohner das Bild der Gebäude ständig.
An den beiden Bebauungsstrategien - Zeilenbau und Punkthaus - ist eine generelle Entwicklung im Wohnungsbau abzulesen. Nicht ästhetische, sondern wirtschaftliche, energetische und soziale Gründe sprachen gegen die Vollendung der Ende der achtziger Jahre geplanten Kammstruktur. Heute sind möglichst kompakte und einfach strukturierte Bauten gefragt. Das wirkt sich in St. Gallen auch auf die Miete aus: Eine Viereinhalb-Zimmer-Wohnung mit 104 Quadratmetern beispielsweise kostet 1685 Franken pro Monat. Auch die Nebenkosten sind geringer, denn eine kompakte Gebäudehülle spart Energie: je weniger Aussenfläche, desto weniger Wärme verliert ein Haus. Punkthäuser sind zudem flexibler in der Grundrisseinteilung; Wohnbauten müssen heute bis zum letzten Augenblick auf Schwankungen des Marktes reagieren können. Gesellschaftliche Veränderungen sind am Achslengut insofern abzulesen, als gemeinsam genutzte Zonen minimiert werden: Auf öffentliche Laubengänge oder Gemeinschaftsräume wird zugunsten eines privaten Aussenraums verzichtet.
Denn es sind derzeit vor allem Wohnungen gefragt, die den Mieter den Traum des Eigenheims träumen lassen: Am besten, man merkt gar nicht, dass man das Haus mit anderen Menschen teilt.
Der Plan sah eine monumentale, senkrecht zum Hang verlaufende Kammstruktur für das gesamte Grundstück vor. Nur drei von dreizehn Baukörpern wurden in einer ersten Etappe 1996/97 realisiert. Insgesamt 55 Wohnungen in über 60 m langen, mehrgeschossigen Riegeln. Trotz der Fertigstellung erst gegen Ende der neunziger Jahre ist dieser erste Teil der Überbauung mit seiner aus heutiger Sicht verspielten Architektur, mit den gemeinsam genutzten Laubengängen und dem aufwendigen Erschliessungssystem exemplarisch für die Architektur der achtziger Jahre.
Ganz anders präsentiert sich die dieses Jahr fertiggestellte zweite Bauetappe. Die Architekten konnten die Behörden von einem planerischen Neuanfang überzeugen: Anstatt die Riegelstruktur weiterzuziehen, verteilen sie nun acht kompakte Baukörper, schachbrettartig versetzt, über die gesamte Grundstücksfläche. Die Überbauung reagiert subtil auf die Topographie: Der Hang fliesst sozusagen frei durch die Siedlung hindurch, und die Häuser verzahnen sich mit dem Grundstück. Trotz der hohen Zahl von Wohnungen (120) schaffen sie es mit einer geschickten Disposition in der Ebene und durch die Staffelung der Häuser in der Höhe, den notwendigen Abstand zwischen den Häusern, die Durchsichten, die Besonnung und die Aussicht auf den Bodensee zu gewährleisten.
Die acht Baukörper sind jeweils um ein gemeinsames Treppenhaus herum organisiert. Es ist nicht grosszügig, hat aber dennoch Grandezza: Weisser Marmor am Boden und die eleganten skulptural gestalteten Treppengeländer aus schwarzem Stahl machen diesen halböffentlichen Ort zu einem veritablen Entrée. Um diesen Kern herum sind jeweils die Nebenräume und Nasszellen der Wohnungen gelagert. Alle Zimmer liegen entlang der Fassade und haben französische Fenster auf die umlaufenden Balkone.
Der Ausbau ist einfach und funktional. Ein schönes Detail: In die Schicht mit den Nasszellen sind begehbare Schränke eingepasst. Die tragenden Böden und Decken liegen auf den Aussenwänden und auf dem Erschliessungskern auf, was erlaubt, die Wohnfläche ohne Probleme in ein Loft oder in eine Fünf-Zimmer-Wohnung einzuteilen. Man kann Zimmerwände einziehen oder weglassen, je nach Bedarf. Matte, geschosshohe Glasscheiben hüllen den Kubus wie eine zweite Haut ein. Sie schützen die grosszügige Balkonzone vor Wind, Wetter und Blicken. Durch die leichte Verschiebbarkeit der Gläser verändern die Bewohner das Bild der Gebäude ständig.
An den beiden Bebauungsstrategien - Zeilenbau und Punkthaus - ist eine generelle Entwicklung im Wohnungsbau abzulesen. Nicht ästhetische, sondern wirtschaftliche, energetische und soziale Gründe sprachen gegen die Vollendung der Ende der achtziger Jahre geplanten Kammstruktur. Heute sind möglichst kompakte und einfach strukturierte Bauten gefragt. Das wirkt sich in St. Gallen auch auf die Miete aus: Eine Viereinhalb-Zimmer-Wohnung mit 104 Quadratmetern beispielsweise kostet 1685 Franken pro Monat. Auch die Nebenkosten sind geringer, denn eine kompakte Gebäudehülle spart Energie: je weniger Aussenfläche, desto weniger Wärme verliert ein Haus. Punkthäuser sind zudem flexibler in der Grundrisseinteilung; Wohnbauten müssen heute bis zum letzten Augenblick auf Schwankungen des Marktes reagieren können. Gesellschaftliche Veränderungen sind am Achslengut insofern abzulesen, als gemeinsam genutzte Zonen minimiert werden: Auf öffentliche Laubengänge oder Gemeinschaftsräume wird zugunsten eines privaten Aussenraums verzichtet.
Denn es sind derzeit vor allem Wohnungen gefragt, die den Mieter den Traum des Eigenheims träumen lassen: Am besten, man merkt gar nicht, dass man das Haus mit anderen Menschen teilt.
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