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Die Freude am Golfspielen
BAUKASTEN Anmerkungen zur Architektur
Diesmal: eine schlampige Slowakei-Schau, ein wohlfeiles Firmenlogo und der schnellste Architekturführer der Welt.
18. Februar 2004 - Jan Tabor
Vladimir Dedecek ist ein Genie. Er lebt in Bratislava, wo er nicht gemocht wird - weil er für die Kommunisten baute. Im Westen ist er unbekannt. In Bratislava sind in der kommunistischen Zeit mindestens vier Bauwerke entstanden, denen man internationales Niveau bescheinigen kann. Bei zwei von ihnen konnte ihre erhebliche architektonische Qualität bereits von Österreich aus, also international, erkannt werden, als der Eiserne Vorhang noch zugezogen war: die Brücke über die Donau und der Fernsehturm in den Hügeln der Kleinen Karpaten. So nah liegt Bratislava.
Die Brücke mit ihren zwei schrägen Pfeilern, die in der luftigen Höhe eine große linsenförmige Kapsel mit einem Aussichtsrestaurant tragen, ist ein Wahrzeichen der Stadt. Von Wien über die Hängebrücke kommend sieht man den obeliskartigen TV-Turm und rechts unten gleich am Donaukai einen zwischen den Seitenflügeln eines schlossähnlichen Gebäudes gespannten Baukörper, der wie eine umgekehrte riesige Treppe aussieht und mit rot lackiertem Blech bedeckt ist. Es handelt sich dabei um den Ausstellungstrakt der Nationalgalerie, Dedeceks drittes Spitzenbauwerk europäischer Architektur aus kommunistischer Zeit. Das sieht auch Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au so. Die meisten slowakischen Experten sehen es anders, und das merkt man wiederum der Ausstellung „Architektur Slowakei. Impulse und Reflexionen“ im Ringturm an: Abgesehen von einer miserablen, in einem Eck versteckten Schautafel ohne Text kommt das geniale Bauwerk nicht vor. Manche Experten plädieren für Abriss.
Das vierte sehenswerte Bauwerk ist das Gebäude des slowakischen Rundfunks in der Form einer riesigen, auf die Spitze gestellten Pyramide. Von der Brücke aus sieht man es nicht. Vom Brückencafé aus würde man es erblicken, aber dieses ist wegen seines schlechten baulichen Zustands geschlossen. Das ist leider charakteristisch: So gut die Bauten in der Slowakei auch sein mögen, die Ausführungen und die Gestaltungen im Detail sind meist miserabel.
Um die Rundfunk-Pyramide zu besichtigen, muss man durch die Stadt Richtung Freiheitsplatz gehen. Unterwegs fällt auf, wie oft versucht wurde, aus dieser osteuropäischen Provinzkleinstadt eine moderne europäische Großstadt zu machen. Modern im Sinne der jeweils geltenden Regierungsformen und Architekturauffassungen - von der k.u.k. Gründerzeit über den tschechoslowakischen Funktionalismus bis zur realsozialistischen, an den aktuellen westeuropäischen Vorbildern orientierten Architektur. Es fällt auf, dass in der Zwischenkriegszeit in der noch immer klein gebliebenen Großstadt Bratislava mehr Bauten der klassischen Moderne errichtet wurden als in ganz Österreich. Zum Beispiel wurde die curtain wall, die vorgehängte Fassade, dort bereits 1932 angewandt, kurz nachdem sie in den USA entwickelt worden war und 28 Jahre, bevor sie in Wien verwendet wurde.
Man soll also aufhören, die slowakische Architektur zu unterschätzen. Die Ausstellung macht es einem allerdings schwer. Die ganze Slowakei und die lange Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart sind zu groß für den kleinen Ausstellungsraum. Das slowakische Bildmaterial ist schlecht, die österreichische Gestaltung noch schlechter.
Vor einiger Zeit erschien im profil ein bemerkenswertes Interview mit dem Bauunternehmer Erwin Soravia über Hans Holleins merkwürdiges Ding auf der Albertinabastei, genannt Soravia Wing. Die Frage: „Werden Sie wieder als Architektursponsor in Erscheinung treten?“ bejahte Soravia und begründete seine Drohung wie folgt: „Wir leben in Wien sehr gut, wir verdienen gutes Geld hier. Ich kann es mir aber auch nicht leisten, Förderungen still und leise zu vergeben. Architektur passt zu uns besser als ein Sponsoring der Barmherzigen Brüder. Ende März bringen wir eine neue Firma auf den Markt, eine Immobilien-Beteiligungsgesellschaft. Das Firmenlogo wird der Wing' sein. Andere Unternehmer zahlen ein Vermögen, um derart in der Öffentlichkeit präsent sein zu können.“ Ein gutes Geschäft, das Wing-Ding, keine Frage. Die Frage ist: Ist der Albertina-Direktor Schröder befugt, den Namen Albertina an eine Immobilienfirma derart billig zu verschleudern?
Profil fragt außerdem: „Was wird in fünf Jahren in Wien-Reiseführern über das Flugdach zu lesen sein?“ So lange brauchen wir nicht zu warten. Ein derartiger Führer ist bereits kurz vor dem Jahreswechsel erschienen: „Wien 1975-2005 - Neue Architektur“. Dort heißt es unter dem Stichwort „Albertina, Totalsanierung 1998“: „Für die Ausgestaltung des Eingangsbereiches - eine späte Entscheidung - gewann Hans Hollein einen separaten, geladenen Wettbewerb mit einer stark kontrastierenden Architektur. Denkmalschutzbehörde und neue Architektur vertreten hier zwei verschiedene Meinungen.“
Das Urteil hat August Sarnitz, der Herausgeber des eiligsten Architekturführers der Welt, im September 2003 gefällt, und es muss bis 2005 reichen. Wie schon Sarnitz' alter Guide von 1997 dürfte sich diese Publikation ausschließlich an exzellente Kenner der Wiener Architektur wenden. Denn nur solche sind in der Lage, all die falschen, ungenauen, ungenügenden, schlecht bebilderten und offensichtlich weder fachlich noch sprachlich lektorierten Angaben zu den 300 Bauten von denjenigen zu unterscheiden, die - auch das kommt vor - richtig und brauchbar sind. Dass auf dem Buchrücken von „Architeketur“ die Rede ist, passt nur allzu gut ins Bild.
Der von der Stadt Wien (Stadtplanung) engagierte Architekt August Sarnitz zeichnet für Auswahl, Werktexte, grafische Gestaltung verantwortlich. Verständlich, dass er seine wenigen eigenen Bauten reichlich berücksichtigt hat. Viele wichtige hingegen fehlen. Obwohl der Führer eine Vorausaktualität bis 2005 behauptet, dominieren wohlbekannte Oldtimer. Der Golfclub Ebreichsdorf von Hans Hollein (1987-1989) zum Beispiel. Der entsprechende Eintrag beginnt mit: „Ein Golfclub ist ein Golfclub ist ein Golfclub. Frei nach Gertrude Stein zelebriert Hans Hollein das Clubleben in seiner besten Art und erreicht dabei heitere Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt.“ Und er endet mit: „Der schöne Blick auf die Greens macht Freude auf die nächste Golfrunde.“
August Sarnitz: Wien 1975-2005 - Neue Architektur. Wien 2003 (Springer). 256 S., E 30,60
Architektur Slowakei: Impulse und Reflexion, Ausstellungszentrum im Ringturm (nur noch bis 29.2.).
Die Brücke mit ihren zwei schrägen Pfeilern, die in der luftigen Höhe eine große linsenförmige Kapsel mit einem Aussichtsrestaurant tragen, ist ein Wahrzeichen der Stadt. Von Wien über die Hängebrücke kommend sieht man den obeliskartigen TV-Turm und rechts unten gleich am Donaukai einen zwischen den Seitenflügeln eines schlossähnlichen Gebäudes gespannten Baukörper, der wie eine umgekehrte riesige Treppe aussieht und mit rot lackiertem Blech bedeckt ist. Es handelt sich dabei um den Ausstellungstrakt der Nationalgalerie, Dedeceks drittes Spitzenbauwerk europäischer Architektur aus kommunistischer Zeit. Das sieht auch Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au so. Die meisten slowakischen Experten sehen es anders, und das merkt man wiederum der Ausstellung „Architektur Slowakei. Impulse und Reflexionen“ im Ringturm an: Abgesehen von einer miserablen, in einem Eck versteckten Schautafel ohne Text kommt das geniale Bauwerk nicht vor. Manche Experten plädieren für Abriss.
Das vierte sehenswerte Bauwerk ist das Gebäude des slowakischen Rundfunks in der Form einer riesigen, auf die Spitze gestellten Pyramide. Von der Brücke aus sieht man es nicht. Vom Brückencafé aus würde man es erblicken, aber dieses ist wegen seines schlechten baulichen Zustands geschlossen. Das ist leider charakteristisch: So gut die Bauten in der Slowakei auch sein mögen, die Ausführungen und die Gestaltungen im Detail sind meist miserabel.
Um die Rundfunk-Pyramide zu besichtigen, muss man durch die Stadt Richtung Freiheitsplatz gehen. Unterwegs fällt auf, wie oft versucht wurde, aus dieser osteuropäischen Provinzkleinstadt eine moderne europäische Großstadt zu machen. Modern im Sinne der jeweils geltenden Regierungsformen und Architekturauffassungen - von der k.u.k. Gründerzeit über den tschechoslowakischen Funktionalismus bis zur realsozialistischen, an den aktuellen westeuropäischen Vorbildern orientierten Architektur. Es fällt auf, dass in der Zwischenkriegszeit in der noch immer klein gebliebenen Großstadt Bratislava mehr Bauten der klassischen Moderne errichtet wurden als in ganz Österreich. Zum Beispiel wurde die curtain wall, die vorgehängte Fassade, dort bereits 1932 angewandt, kurz nachdem sie in den USA entwickelt worden war und 28 Jahre, bevor sie in Wien verwendet wurde.
Man soll also aufhören, die slowakische Architektur zu unterschätzen. Die Ausstellung macht es einem allerdings schwer. Die ganze Slowakei und die lange Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart sind zu groß für den kleinen Ausstellungsraum. Das slowakische Bildmaterial ist schlecht, die österreichische Gestaltung noch schlechter.
Vor einiger Zeit erschien im profil ein bemerkenswertes Interview mit dem Bauunternehmer Erwin Soravia über Hans Holleins merkwürdiges Ding auf der Albertinabastei, genannt Soravia Wing. Die Frage: „Werden Sie wieder als Architektursponsor in Erscheinung treten?“ bejahte Soravia und begründete seine Drohung wie folgt: „Wir leben in Wien sehr gut, wir verdienen gutes Geld hier. Ich kann es mir aber auch nicht leisten, Förderungen still und leise zu vergeben. Architektur passt zu uns besser als ein Sponsoring der Barmherzigen Brüder. Ende März bringen wir eine neue Firma auf den Markt, eine Immobilien-Beteiligungsgesellschaft. Das Firmenlogo wird der Wing' sein. Andere Unternehmer zahlen ein Vermögen, um derart in der Öffentlichkeit präsent sein zu können.“ Ein gutes Geschäft, das Wing-Ding, keine Frage. Die Frage ist: Ist der Albertina-Direktor Schröder befugt, den Namen Albertina an eine Immobilienfirma derart billig zu verschleudern?
Profil fragt außerdem: „Was wird in fünf Jahren in Wien-Reiseführern über das Flugdach zu lesen sein?“ So lange brauchen wir nicht zu warten. Ein derartiger Führer ist bereits kurz vor dem Jahreswechsel erschienen: „Wien 1975-2005 - Neue Architektur“. Dort heißt es unter dem Stichwort „Albertina, Totalsanierung 1998“: „Für die Ausgestaltung des Eingangsbereiches - eine späte Entscheidung - gewann Hans Hollein einen separaten, geladenen Wettbewerb mit einer stark kontrastierenden Architektur. Denkmalschutzbehörde und neue Architektur vertreten hier zwei verschiedene Meinungen.“
Das Urteil hat August Sarnitz, der Herausgeber des eiligsten Architekturführers der Welt, im September 2003 gefällt, und es muss bis 2005 reichen. Wie schon Sarnitz' alter Guide von 1997 dürfte sich diese Publikation ausschließlich an exzellente Kenner der Wiener Architektur wenden. Denn nur solche sind in der Lage, all die falschen, ungenauen, ungenügenden, schlecht bebilderten und offensichtlich weder fachlich noch sprachlich lektorierten Angaben zu den 300 Bauten von denjenigen zu unterscheiden, die - auch das kommt vor - richtig und brauchbar sind. Dass auf dem Buchrücken von „Architeketur“ die Rede ist, passt nur allzu gut ins Bild.
Der von der Stadt Wien (Stadtplanung) engagierte Architekt August Sarnitz zeichnet für Auswahl, Werktexte, grafische Gestaltung verantwortlich. Verständlich, dass er seine wenigen eigenen Bauten reichlich berücksichtigt hat. Viele wichtige hingegen fehlen. Obwohl der Führer eine Vorausaktualität bis 2005 behauptet, dominieren wohlbekannte Oldtimer. Der Golfclub Ebreichsdorf von Hans Hollein (1987-1989) zum Beispiel. Der entsprechende Eintrag beginnt mit: „Ein Golfclub ist ein Golfclub ist ein Golfclub. Frei nach Gertrude Stein zelebriert Hans Hollein das Clubleben in seiner besten Art und erreicht dabei heitere Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt.“ Und er endet mit: „Der schöne Blick auf die Greens macht Freude auf die nächste Golfrunde.“
August Sarnitz: Wien 1975-2005 - Neue Architektur. Wien 2003 (Springer). 256 S., E 30,60
Architektur Slowakei: Impulse und Reflexion, Ausstellungszentrum im Ringturm (nur noch bis 29.2.).
Für den Beitrag verantwortlich: Falter
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