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MQ - öffentlicher Raum
KOMMENTAR. Das MuseumsQuartier im Widerstreit der Interessen: Ist es öffentliches oder privatisiertes Gelände?
23. Juli 2003 - Dietmar Steiner
Es ist wichtig, dass das MQ in Wien in der urbanen Debatte präsent bleibt. Schließlich wäre das MQ ein einzigartiges neues Modell für einen öffentlichen und kulturellen Gebrauch der Stadt. Und da hat Jan Tabor (Falter 29/03) schon Recht, dass im und um das MQ diesen Sommer einiges mit ephemerer Architektur geschehen ist. Viel mehr an „unsichtbarer Architektur“ geschah allerdings die letzten zehn Jahre zuvor. Es greift auch zu kurz, die dahinter liegenden Konflikte als „ästhetische Kriege“ zu bezeichnen. Der „Krieg“ im MQ, den der Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft Wolfgang Waldner den Mietern und Nutzern erklärt hat, beruht auf fundamentalen gesellschaftspolitischen Gegensätzen und ist ein geradezu idealtypisches Beispiel für die heutige Entwicklung der europäischen Stadt und ihrer öffentlichen Räume. Soeben haben die deutschen Stadtsoziologen Walter Siebel und Jan Wehrheim eine konzentrierte Analyse der ambivalenten Debatte zur heutigen Definition des öffentlichen Raums geliefert (http://disp.ethz.ch). Begründet auf der Tatsache, dass sich der öffentliche Raum zunehmend privatisiert, dass er - auch infolge von 9/11 - vermehrt einer technologisch-medialen Kontrolle unterworfen wird, muss das Private und das Öffentliche kontinuierlich neu politisch verhandelt werden. Monte Carlo hat heute eine flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raums. Und in Deutschland hat inzwischen der Personalstand privater Sicherheitsdienste den der öffentlichen Polizei übertroffen. Siebel und Wehrheim diagnostizieren dagegen, dass trotz Privatisierung und Kontrolle für die konsumorientierten Mittelschichten die Unsicherheitsgefühle im urbanen Raum eher zu- denn abnehmen werden.
Und genau das kann am Modell MuseumsQuartier beobachtet werden. Denn eigentlich stand am Beginn des MuseumsQuartiers die Idee, dieses verwahrloste Filetstück Stadt der Vergessenheit zu entreißen, zu öffnen und als wichtiges urbanes Bindeglied zwischen dem ersten und siebten Bezirk neu zu definieren. Durchwegung und Öffnung - da denkt jeder an einen öffentlichen Raum, mit Plätzen und Verbindungen, durchlässig und frei verfügbar für alle Stadtbenutzer und Stadtbenutzerinnen. Doch dann hat sich das öffentliche Eigentum, Bund und Stadt, in Form der Museumsquartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH selbst privatisiert. Das MuseumsQuartier ist also heute kein öffentlicher Raum mehr, sondern eine private Immobilie, die von einer Gesellschaft bewirtschaftet werden will, mit allen juristischen Konsequenzen. So dürfen Schanigärten auf öffentlichem Grund bis 24 Uhr betrieben werden, auf Privatgrund aber nur bis 22 Uhr. Deshalb haben die Gastronomiebetriebe der Institutionen mit diesen Pachtverträge, aber die Schanigärten werden vom MQ vermietet. Deshalb ist für die Sicherheit nicht die Polizei, sondern ein privater Sicherheitsdienst zuständig, der unpassende Zeitungsverkäufer (Augustin), jugendliche Skater oder spontane Kunstprojekte wie „permanent breakfast“ rigoros vom Gelände vertreibt, aber dafür selbst die Grenzen seiner juristischen Befugnisse sehr eigenwillig interpretiert.
Diese Privatisierung des öffentlichen Raumes des MuseumsQuartiers hat dann auch zur Folge, dass dem Az W (Architekturzentrum Wien) für die kurzfristige Anwesenheit der fantastischen „rolling kitchen“ (eine Küche aus Recycling-Materialien auf Rädern) von Architekturstudenten eine Hofmiete von 218 Euro in Rechnung gestellt wird. Und nachdem dies juristisch nicht durchsetzbar war, weil für ein abgestelltes „Fahrrad“ wohl kaum Miete verlangt werden kann, das Az W vom MQ ganz einfach erpresst wurde, indem die Bewilligung der Vermietung eines Raumes für das 10-Jahres-Fest des Az W um 1560 Euro erst unter der Bedingung genehmigt wurde, dass die offene Rechnung für die „rolling kitchen“ bezahlt wird.
Begründet werden solche Schikanen und Nötigungen der Nutzer damit, dass das MQ aus der Verwertung des Geländes Erträge zu erwirtschaften hat. Warum? Jeder normale Hausbesitzer und Hausverwalter bekommt nach dem Mietrechtsgesetz seine Aufwendungen ersetzt. Das MQ aber will von den angesiedelten Kulturinstitutionen und dem privatisierten öffentlichen Raum zusätzlich abkassieren, um mit diesem Geld seine eigenen Kulturaktivitäten zu finanzieren. Das ist der Kern dieses „territorialen Krieges“, den das MQ allen Institutionen im MuseumsQuartier erklärt hat. Das MQ agiert da wie ein privater Developer, der eine Shopping-Mall für Möbelhäuser entwickelt, Lutz, Leiner und Ikea ansiedelt und aus deren Mieteinnahmen dann ein eigenes Möbelhaus betreibt, bewirbt und damit seine Mieter unterbietet. Ein wohl zum Scheitern verurteiltes Geschäftsmodell.
Zurück zur wissenschaftlichen Ambivalenz des heutigen öffentlichen Raums. Das Wiener MuseumsQuartier könnte ein Modellfall für die öffentliche Nutzung eines juristisch privatisierten städtischen Raumes sein. Die Bewirtschaftung und Kontrolle dieses Stadtteils könnte von den kulturellen Institutionen selbst organisiert werden, denn sie sind ursächlich an der Zufriedenheit der Besucher und Passanten und damit an einem „öffentlichen Raum“ interessiert. Das scheitert aber an einer MQ-GesmbH, die den größten öffentlich - also von uns allen - finanzierten Kulturbezirk dieser Republik wie ein Spekulant vom Seidengrund im 19. Jahrhundert betreibt. Im öffentlichen Interesse ist deshalb die Offenlegung der Geschäfte vom MQ zu fordern - damit das öffentliche Interesse auch politisch argumentiert und verhandelt werden kann.
Und genau das kann am Modell MuseumsQuartier beobachtet werden. Denn eigentlich stand am Beginn des MuseumsQuartiers die Idee, dieses verwahrloste Filetstück Stadt der Vergessenheit zu entreißen, zu öffnen und als wichtiges urbanes Bindeglied zwischen dem ersten und siebten Bezirk neu zu definieren. Durchwegung und Öffnung - da denkt jeder an einen öffentlichen Raum, mit Plätzen und Verbindungen, durchlässig und frei verfügbar für alle Stadtbenutzer und Stadtbenutzerinnen. Doch dann hat sich das öffentliche Eigentum, Bund und Stadt, in Form der Museumsquartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH selbst privatisiert. Das MuseumsQuartier ist also heute kein öffentlicher Raum mehr, sondern eine private Immobilie, die von einer Gesellschaft bewirtschaftet werden will, mit allen juristischen Konsequenzen. So dürfen Schanigärten auf öffentlichem Grund bis 24 Uhr betrieben werden, auf Privatgrund aber nur bis 22 Uhr. Deshalb haben die Gastronomiebetriebe der Institutionen mit diesen Pachtverträge, aber die Schanigärten werden vom MQ vermietet. Deshalb ist für die Sicherheit nicht die Polizei, sondern ein privater Sicherheitsdienst zuständig, der unpassende Zeitungsverkäufer (Augustin), jugendliche Skater oder spontane Kunstprojekte wie „permanent breakfast“ rigoros vom Gelände vertreibt, aber dafür selbst die Grenzen seiner juristischen Befugnisse sehr eigenwillig interpretiert.
Diese Privatisierung des öffentlichen Raumes des MuseumsQuartiers hat dann auch zur Folge, dass dem Az W (Architekturzentrum Wien) für die kurzfristige Anwesenheit der fantastischen „rolling kitchen“ (eine Küche aus Recycling-Materialien auf Rädern) von Architekturstudenten eine Hofmiete von 218 Euro in Rechnung gestellt wird. Und nachdem dies juristisch nicht durchsetzbar war, weil für ein abgestelltes „Fahrrad“ wohl kaum Miete verlangt werden kann, das Az W vom MQ ganz einfach erpresst wurde, indem die Bewilligung der Vermietung eines Raumes für das 10-Jahres-Fest des Az W um 1560 Euro erst unter der Bedingung genehmigt wurde, dass die offene Rechnung für die „rolling kitchen“ bezahlt wird.
Begründet werden solche Schikanen und Nötigungen der Nutzer damit, dass das MQ aus der Verwertung des Geländes Erträge zu erwirtschaften hat. Warum? Jeder normale Hausbesitzer und Hausverwalter bekommt nach dem Mietrechtsgesetz seine Aufwendungen ersetzt. Das MQ aber will von den angesiedelten Kulturinstitutionen und dem privatisierten öffentlichen Raum zusätzlich abkassieren, um mit diesem Geld seine eigenen Kulturaktivitäten zu finanzieren. Das ist der Kern dieses „territorialen Krieges“, den das MQ allen Institutionen im MuseumsQuartier erklärt hat. Das MQ agiert da wie ein privater Developer, der eine Shopping-Mall für Möbelhäuser entwickelt, Lutz, Leiner und Ikea ansiedelt und aus deren Mieteinnahmen dann ein eigenes Möbelhaus betreibt, bewirbt und damit seine Mieter unterbietet. Ein wohl zum Scheitern verurteiltes Geschäftsmodell.
Zurück zur wissenschaftlichen Ambivalenz des heutigen öffentlichen Raums. Das Wiener MuseumsQuartier könnte ein Modellfall für die öffentliche Nutzung eines juristisch privatisierten städtischen Raumes sein. Die Bewirtschaftung und Kontrolle dieses Stadtteils könnte von den kulturellen Institutionen selbst organisiert werden, denn sie sind ursächlich an der Zufriedenheit der Besucher und Passanten und damit an einem „öffentlichen Raum“ interessiert. Das scheitert aber an einer MQ-GesmbH, die den größten öffentlich - also von uns allen - finanzierten Kulturbezirk dieser Republik wie ein Spekulant vom Seidengrund im 19. Jahrhundert betreibt. Im öffentlichen Interesse ist deshalb die Offenlegung der Geschäfte vom MQ zu fordern - damit das öffentliche Interesse auch politisch argumentiert und verhandelt werden kann.
Für den Beitrag verantwortlich: Falter
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