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Modernismus mit romantischem Touch
Die renovierte Royal Festival Hall in London
Die Royal Festival Hall in London hat Architektur- und Musikgeschichte geschrieben. Nun wurde das von Leslie Martin entworfene Gebäude nach aufwendiger Restaurierung wiedereröffnet.
15. Juni 2007 - Georges Waser
Eigentlich hätte Richard Rogers das Londoner South Bank Centre umgestalten sollen, gewann er doch 1994 einen dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb. Gemäss Rogers' Plänen sollten die zum Centre gehörenden Bauten - Royal Festival Hall, Queen Elizabeth Hall, Purcell Room und Hayward Gallery - verbessert und der ganze Komplex mit einer kuppelähnlichen Glasstruktur umhüllt werden. Was immer man von diesem Projekt hielt: Ein Facelifting hatte das nach dem südlichen Themseufer benannte Zentrum bitter nötig. Dort, in einer Betonwüste mit versperrten Zugängen, fand sich kaum mehr jemand zurecht. Und dabei war gerade die Royal Festival Hall ein Symbol: der erste wirklich bedeutende öffentliche Bau seit dem Krieg. Weil schliesslich vom Arts Council kein Geld kam, scheiterte 1998 Rogers' Projekt. Danach wurde lange mehr geredet als getan - bis vor zwei Jahren das Architekturbüro Allies and Morrison mit der Renovierung der längst unter Denkmalschutz gestellten Royal Festival Hall beginnen konnte.
Das Ei in der Schachtel
Zwar hatte Grossbritannien nach dem Krieg weder einen Le Corbusier noch einen Frank Lloyd Wright - und Edwin Lutyens, der immerhin als «eminent» gegolten hatte, war bereits gestorben. Doch junge Talente waren da: Leslie Martin, dem Alvar Aalto und Gunnar Asplund als Ansporn dienten, und Peter Moro, der in Bexhill unter Mendelsohn und Chermayeff sowie später mit Lubetkin gearbeitet hatte. Die von Martin und Moro gestaltete Royal Festival Hall enthüllte sich folglich auch als eine wahre Sinfonie von Ideen. Unverkennbar eine Hommage auf eine Seefahrernation waren nautische Elemente; und genial im Kern der Struktur war die wie ein riesiges, in der Gebäudeschachtel schwebendes Ei anmutende Konzerthalle. Die von einer Eisenbahnbrücke sowie von der unter dem Bau durchführenden U-Bahn verursachten akustischen Probleme hatten den Architekten einen besonderen Einfall abverlangt. Was aber ist von diesem ursprünglichen Bau jetzt, nach der 111 Millionen Pfund teuren Renovierung, geblieben - und wie gut funktioniert die renovierte Royal Festival Hall?
Zunächst einmal wurde von Allies and Morrison im Inneren der Konzerthalle die Akustik verbessert, hatten die dort Auftretenden doch oft geklagt, sie könnten ihre eigenen Instrumente nicht hören. Nun wird, wie in einem Gespräch der Dirigent Vladimir Jurowski bestätigte, der Ton weniger absorbiert. Und weiter wurden rings um das «Ei in der Schachtel» nahezu 35 Prozent mehr Raum gewonnen: dies, indem Läden und Administration in einem neuen, der benachbarten Eisenbahnbrücke einverleibten Bau untergebracht sind. Damit steht die Royal Festival Hall wieder als die transparente, von Licht durchflutete Struktur da, die sie einst hatte sein sollen. Wie früher denkt man heute wieder an die grossen Ozeandampfer - zumal auf der wieder zugänglichen Dachterrasse, wo sich der Blick über die Themse hinweg weitet. Nicht radikal, sondern vielmehr diskret, sind diese und andere von Allies and Morrison vorgenommenen Korrekturen ein wohltuendes Understatement. Allerdings sahen sich die Architekten «mehr als Kustoden denn als Neuerer». Zweifelsohne fiel dabei ins Gewicht, dass Graham Morrison in Cambridge beim 1999 gestorbenen Leslie Martin studiert hatte.
Haus mit Geschichte
Allein die Namen der Künstler, die in den ersten zwei Jahren in der Royal Festival Hall auftraten, lesen sich wie eine Ehrentafel: Elisabeth Schwarzkopf, Wilhelm Furtwängler, Karajan, Klemperer, Menuhin, Fischer-Dieskau sowie, nebst vielen anderen, Rudolf Serkin und Claudio Arrau. Später dann kamen Maria Callas und Jacqueline du Pré, aber auch Grössen des Jazz und des Rock wie Count Basie, Frank Sinatra, Errol Garner, Bob Dylan sowie Jimi Hendrix. Und im Juni 2005, unmittelbar vor der Renovierung, sorgte Alfred Brendel für einen stilvollen Ausklang. Jetzt, zur Wiedereröffnung der Royal Festival Hall, spielten am 11. Juni erstmals alle vier im South Bank Centre residierenden Orchester gemeinsam auf: das London Philharmonic Orchestra, das Philharmonia Orchestra, das Orchestra of the Age of Enlightenment sowie die London Sinfonietta. Demnächst soll auch die 1954 von Harrison & Harrison gebaute Orgel wieder in die Hall zurückkehren - allerdings um gut einen Meter nach hinten versetzt. Auch mit wenig lässt sich akustisch viel gewinnen.
Interessant ist, dass zwar in Grossbritannien die Architektur der fünfziger Jahre vielenorts geschmäht wird, dass aber das Volk der Royal Festival Hall stets besonders zugeneigt war. Vom Architekturkritiker des «Observer» wurde sie neulich sogar als «der romantischste vom Modernismus hervorgebrachte Bau im Lande» gelobt. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Royal Festival Hall an eine Zeit des unschuldigen Optimismus erinnert. Was Disraeli schon 1851 von der damaligen Great Exhibition gesagt hatte, galt ein Jahrhundert später auch für das Festival of Britain: dass dieses - und mit ihm die Royal Festival Hall - das Volk die Sünden der Regierung vergessen machte. Wer aber hätte so etwas in jüngster Zeit zu der törichten Millennium Experience und zu deren Denkmal, dem Dome von Greenwich, sagen können?
Das Ei in der Schachtel
Zwar hatte Grossbritannien nach dem Krieg weder einen Le Corbusier noch einen Frank Lloyd Wright - und Edwin Lutyens, der immerhin als «eminent» gegolten hatte, war bereits gestorben. Doch junge Talente waren da: Leslie Martin, dem Alvar Aalto und Gunnar Asplund als Ansporn dienten, und Peter Moro, der in Bexhill unter Mendelsohn und Chermayeff sowie später mit Lubetkin gearbeitet hatte. Die von Martin und Moro gestaltete Royal Festival Hall enthüllte sich folglich auch als eine wahre Sinfonie von Ideen. Unverkennbar eine Hommage auf eine Seefahrernation waren nautische Elemente; und genial im Kern der Struktur war die wie ein riesiges, in der Gebäudeschachtel schwebendes Ei anmutende Konzerthalle. Die von einer Eisenbahnbrücke sowie von der unter dem Bau durchführenden U-Bahn verursachten akustischen Probleme hatten den Architekten einen besonderen Einfall abverlangt. Was aber ist von diesem ursprünglichen Bau jetzt, nach der 111 Millionen Pfund teuren Renovierung, geblieben - und wie gut funktioniert die renovierte Royal Festival Hall?
Zunächst einmal wurde von Allies and Morrison im Inneren der Konzerthalle die Akustik verbessert, hatten die dort Auftretenden doch oft geklagt, sie könnten ihre eigenen Instrumente nicht hören. Nun wird, wie in einem Gespräch der Dirigent Vladimir Jurowski bestätigte, der Ton weniger absorbiert. Und weiter wurden rings um das «Ei in der Schachtel» nahezu 35 Prozent mehr Raum gewonnen: dies, indem Läden und Administration in einem neuen, der benachbarten Eisenbahnbrücke einverleibten Bau untergebracht sind. Damit steht die Royal Festival Hall wieder als die transparente, von Licht durchflutete Struktur da, die sie einst hatte sein sollen. Wie früher denkt man heute wieder an die grossen Ozeandampfer - zumal auf der wieder zugänglichen Dachterrasse, wo sich der Blick über die Themse hinweg weitet. Nicht radikal, sondern vielmehr diskret, sind diese und andere von Allies and Morrison vorgenommenen Korrekturen ein wohltuendes Understatement. Allerdings sahen sich die Architekten «mehr als Kustoden denn als Neuerer». Zweifelsohne fiel dabei ins Gewicht, dass Graham Morrison in Cambridge beim 1999 gestorbenen Leslie Martin studiert hatte.
Haus mit Geschichte
Allein die Namen der Künstler, die in den ersten zwei Jahren in der Royal Festival Hall auftraten, lesen sich wie eine Ehrentafel: Elisabeth Schwarzkopf, Wilhelm Furtwängler, Karajan, Klemperer, Menuhin, Fischer-Dieskau sowie, nebst vielen anderen, Rudolf Serkin und Claudio Arrau. Später dann kamen Maria Callas und Jacqueline du Pré, aber auch Grössen des Jazz und des Rock wie Count Basie, Frank Sinatra, Errol Garner, Bob Dylan sowie Jimi Hendrix. Und im Juni 2005, unmittelbar vor der Renovierung, sorgte Alfred Brendel für einen stilvollen Ausklang. Jetzt, zur Wiedereröffnung der Royal Festival Hall, spielten am 11. Juni erstmals alle vier im South Bank Centre residierenden Orchester gemeinsam auf: das London Philharmonic Orchestra, das Philharmonia Orchestra, das Orchestra of the Age of Enlightenment sowie die London Sinfonietta. Demnächst soll auch die 1954 von Harrison & Harrison gebaute Orgel wieder in die Hall zurückkehren - allerdings um gut einen Meter nach hinten versetzt. Auch mit wenig lässt sich akustisch viel gewinnen.
Interessant ist, dass zwar in Grossbritannien die Architektur der fünfziger Jahre vielenorts geschmäht wird, dass aber das Volk der Royal Festival Hall stets besonders zugeneigt war. Vom Architekturkritiker des «Observer» wurde sie neulich sogar als «der romantischste vom Modernismus hervorgebrachte Bau im Lande» gelobt. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Royal Festival Hall an eine Zeit des unschuldigen Optimismus erinnert. Was Disraeli schon 1851 von der damaligen Great Exhibition gesagt hatte, galt ein Jahrhundert später auch für das Festival of Britain: dass dieses - und mit ihm die Royal Festival Hall - das Volk die Sünden der Regierung vergessen machte. Wer aber hätte so etwas in jüngster Zeit zu der törichten Millennium Experience und zu deren Denkmal, dem Dome von Greenwich, sagen können?
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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