Artikel
Ach ja, der Kunstsinn
In der Begründung zum Welterbestatus der Wachau ist die Wachaubahn achtmal genannt. Ihre Einstellung schädigt urbane und Lebensqualität. Warnung eines Icomos-Mitglieds.
11. Dezember 2010 - Wilfried Posch
Am 30. November 2000 wurde die Kulturlandschaft Wachau in einer Sitzung der „Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen“ (Unesco) in die Liste des Weltkulturerbes eingetragen. Voraussetzung dafür war der Beitritt Österreichs zur „Welterbekonvention 1972“ im Jahre 1992. In diesem Staatsvertrag mit der Unesco erkannte die Republik Österreich an, „dass es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen“. Österreich werde „hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel“. Zur Beobachtung der Welterbestätten und zur Beratung der Unesco sowie zur Förderung der Theorien und Verfahren der Erhaltung wurde 1965 von der Unesco der „Internationale Rat für Denkmal und Landschaft“ (Icomos) in Paris gegründet. Im Lande erfüllt das Österreichische Nationalkomitee Icomos mit Berichtspflicht diese Aufgabe.
Noch nie in der Geschichte ist die Wachau rechtlich so geschützt gewesen wie heute. Sie ist seit 1979 niederösterreichisches Landschaftsschutzgebiet, sie verfügt seit 1994 als erste Kulturlandschaft über das europäische Naturschutzdiplom und ist, wie schon erwähnt, in die Welterbeliste aufgenommen. Dennoch ist sie noch nie so gefährdet gewesen wie heute. Die notwendige Transformation des völkerrechtlichen Vertrages ins nationale Recht Österreichs ist bis heute nicht erfolgt und im Wirrwarr der Kompetenzen auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene sehr schwierig. Hier wäre auch ohne Unesco eine Bereinigung dringend notwendig, gibt es doch allein in Österreich rund 2300 gemeindliche Baubehörden, 13 davon in der Wachau.
Adalbert Stifters Roman „Nachsommer“ wird oft als Stiftungsurkunde der Denkmal- und Landschaftspflege bezeichnet. Stifter träumte schon 1856 von einer rechtlichen Grundlage. Dabei war er sich als Kulturhistoriker über die Grenzen behördlichen Wirkens völlig im Klaren. In einem Dialog wird die Frage gestellt, ob ein Gesetz dem „Verfall oder der Zerstörung“ vorbeugen könne. Die Antwort: „Das glaube ich nicht, denn es können Zeiten so geringen Kunstsinnes kommen, dass sie das Gesetz selber aufheben.“
Während des 20. Jahrhunderts wurden alle großen Baumaßnahmen – der Bahnbau 1909, der Straßenbau 1958, das Abstandnehmen von der Staustufe Rossatz 1983, das LKW-Fahrverbot über sieben Tonnen seit 1985 – so gelenkt, dass die Einzigartigkeit der Wachau gewahrt blieb. Die Bahn, vom Land Niederösterreich gekauft, stellt ihren Regelverkehr am 11. Dezember 2010 für Personen und den Gütertransport ein. Stattdessen kommen Autobusse zum Einsatz. Im Bereich der Mauterner Brücke, entlang der historischen Hauszeile von Stein (Steiner Lände), werden pro Tag 80 bis 90 Autobusse verkehren. Dies bedeutet für die dortige Wohnbevölkerung und die Gastronomie mit ihren Vorgärten eine schwere Schädigung. Damit wird die Altstadt von Stein weiter an Einwohnern verlieren.
Dieser Verlust an Bewohnern führt in allen Altstädten zu einem Absterben der natürlichen Urbanität im Sinne eines gelebten Raumes. Zu fordern wäre eine elektrifizierte, zumindest im Stundentakt betriebene moderne Leichtbahn (wie die Linzer Lokalbahn nach Eferding). Sie ist durch die Trassenführung hochwassersicher. Dies ist jetzt umso wichtiger, zumal durch den fertiggestellten mobilen Hochwasserschutz die Straße in Hinkunft auch bei kleineren Hochwässern aus technischen Gründen gesperrt werden muss. Die Bahn war bei allen Hochwassern, auch bei der Katastrophe 2002, die einzige Versorgungsmöglichkeit für die Wachau.
Dazu kommt, dass die Wachaustraße für einen Regelbusverkehr nicht geeignet ist. Sie ist als zweispurige Ausflugs- und Erholungsstraße durch den bedeutenden Landschaftsarchitekten Alwin Seifert geplant worden. Man hat damals an eine Geschwindigkeit von 50 bis 60 Stundenkilometer und in den Spitzenzeiten an ein zeitlich beschränktes generelles Überholverbot gedacht. Weiters entstand auf der ganzen Länge ein Radweg, teilweise unter Verwendung der alten Straße. Dies war eine europäische Großtat im einfühlsamen Straßenbau, der vom Weiterbestand der Bahn, also von einer Aufgabenteilung ausgegangen ist.
Die Fahrzeit von Krems nach Spitz wird mit dem Bus rund zehn Minuten länger als mit der Bahn betragen, vorausgesetzt, dass keine Verkehrsbehinderung wie Ernteverkehr mit Traktoren, Schneefall, Glatteis oder anderes eintritt. Das Verkehrsaufkommen auf den Straßen in Krems wird durch 34 Shuttlebusfahrten, die vom Bahnhof Krems zur Donauuniversität verkehren, erhöht. Die ist die einzige Universität Österreichs, die direkt vor dem Hauptgebäude über eine Bahnstation verfügt.
Nach Spitz verkehren die Busse im Stundentakt, im Bereich von Unterloiben (Rothenhof) über die alte Straße, die gleichzeitig Radweg ist, und quälen sich dann durch die gewachsenen Ortskerne mit vielen Engstellen. Dies wird sich ähnlich wie in Stein auf die Wohnbevölkerung und den Tourismus schädigend auswirken. Das Konzept ist also in seinen Folgen nicht durchdacht, wobei noch auf vieles hinzuweisen wäre, beispielsweise auf Mütter mit Kinderwagen, Fahrradtransport und den Themenkreis der Behindertengerechtigkeit.
Wenn man den Schutz für die Wachau ernst nehmen will, muss die Bahn „in Bestand und Wertigkeit“ erhalten bleiben. In der Begründung zum Welterbe Wachau ist sie achtmal genannt. Sie ist als Bahn im Regelverkehr für das Alltagsleben der Bewohner und Gäste und nicht als sommerliche, museale „Nostalgiebahn“ zu bewahren und auszubauen.
Noch nie in der Geschichte ist die Wachau rechtlich so geschützt gewesen wie heute. Sie ist seit 1979 niederösterreichisches Landschaftsschutzgebiet, sie verfügt seit 1994 als erste Kulturlandschaft über das europäische Naturschutzdiplom und ist, wie schon erwähnt, in die Welterbeliste aufgenommen. Dennoch ist sie noch nie so gefährdet gewesen wie heute. Die notwendige Transformation des völkerrechtlichen Vertrages ins nationale Recht Österreichs ist bis heute nicht erfolgt und im Wirrwarr der Kompetenzen auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene sehr schwierig. Hier wäre auch ohne Unesco eine Bereinigung dringend notwendig, gibt es doch allein in Österreich rund 2300 gemeindliche Baubehörden, 13 davon in der Wachau.
Adalbert Stifters Roman „Nachsommer“ wird oft als Stiftungsurkunde der Denkmal- und Landschaftspflege bezeichnet. Stifter träumte schon 1856 von einer rechtlichen Grundlage. Dabei war er sich als Kulturhistoriker über die Grenzen behördlichen Wirkens völlig im Klaren. In einem Dialog wird die Frage gestellt, ob ein Gesetz dem „Verfall oder der Zerstörung“ vorbeugen könne. Die Antwort: „Das glaube ich nicht, denn es können Zeiten so geringen Kunstsinnes kommen, dass sie das Gesetz selber aufheben.“
Während des 20. Jahrhunderts wurden alle großen Baumaßnahmen – der Bahnbau 1909, der Straßenbau 1958, das Abstandnehmen von der Staustufe Rossatz 1983, das LKW-Fahrverbot über sieben Tonnen seit 1985 – so gelenkt, dass die Einzigartigkeit der Wachau gewahrt blieb. Die Bahn, vom Land Niederösterreich gekauft, stellt ihren Regelverkehr am 11. Dezember 2010 für Personen und den Gütertransport ein. Stattdessen kommen Autobusse zum Einsatz. Im Bereich der Mauterner Brücke, entlang der historischen Hauszeile von Stein (Steiner Lände), werden pro Tag 80 bis 90 Autobusse verkehren. Dies bedeutet für die dortige Wohnbevölkerung und die Gastronomie mit ihren Vorgärten eine schwere Schädigung. Damit wird die Altstadt von Stein weiter an Einwohnern verlieren.
Dieser Verlust an Bewohnern führt in allen Altstädten zu einem Absterben der natürlichen Urbanität im Sinne eines gelebten Raumes. Zu fordern wäre eine elektrifizierte, zumindest im Stundentakt betriebene moderne Leichtbahn (wie die Linzer Lokalbahn nach Eferding). Sie ist durch die Trassenführung hochwassersicher. Dies ist jetzt umso wichtiger, zumal durch den fertiggestellten mobilen Hochwasserschutz die Straße in Hinkunft auch bei kleineren Hochwässern aus technischen Gründen gesperrt werden muss. Die Bahn war bei allen Hochwassern, auch bei der Katastrophe 2002, die einzige Versorgungsmöglichkeit für die Wachau.
Dazu kommt, dass die Wachaustraße für einen Regelbusverkehr nicht geeignet ist. Sie ist als zweispurige Ausflugs- und Erholungsstraße durch den bedeutenden Landschaftsarchitekten Alwin Seifert geplant worden. Man hat damals an eine Geschwindigkeit von 50 bis 60 Stundenkilometer und in den Spitzenzeiten an ein zeitlich beschränktes generelles Überholverbot gedacht. Weiters entstand auf der ganzen Länge ein Radweg, teilweise unter Verwendung der alten Straße. Dies war eine europäische Großtat im einfühlsamen Straßenbau, der vom Weiterbestand der Bahn, also von einer Aufgabenteilung ausgegangen ist.
Die Fahrzeit von Krems nach Spitz wird mit dem Bus rund zehn Minuten länger als mit der Bahn betragen, vorausgesetzt, dass keine Verkehrsbehinderung wie Ernteverkehr mit Traktoren, Schneefall, Glatteis oder anderes eintritt. Das Verkehrsaufkommen auf den Straßen in Krems wird durch 34 Shuttlebusfahrten, die vom Bahnhof Krems zur Donauuniversität verkehren, erhöht. Die ist die einzige Universität Österreichs, die direkt vor dem Hauptgebäude über eine Bahnstation verfügt.
Nach Spitz verkehren die Busse im Stundentakt, im Bereich von Unterloiben (Rothenhof) über die alte Straße, die gleichzeitig Radweg ist, und quälen sich dann durch die gewachsenen Ortskerne mit vielen Engstellen. Dies wird sich ähnlich wie in Stein auf die Wohnbevölkerung und den Tourismus schädigend auswirken. Das Konzept ist also in seinen Folgen nicht durchdacht, wobei noch auf vieles hinzuweisen wäre, beispielsweise auf Mütter mit Kinderwagen, Fahrradtransport und den Themenkreis der Behindertengerechtigkeit.
Wenn man den Schutz für die Wachau ernst nehmen will, muss die Bahn „in Bestand und Wertigkeit“ erhalten bleiben. In der Begründung zum Welterbe Wachau ist sie achtmal genannt. Sie ist als Bahn im Regelverkehr für das Alltagsleben der Bewohner und Gäste und nicht als sommerliche, museale „Nostalgiebahn“ zu bewahren und auszubauen.
[ Wilfried Posch, geboren 1940, war bis 2008 Leiter der Lehrkanzel für Städtebau an der Universität für Gestaltung Linz. Mitglied des Österreichischen Nationalkomitees Icomos. Bücher: zuletzt „Clemens Holzmeister – Architekt zwischen Kunst und Politik“ (Müry Salzmann, Salzburg). ]
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom