Artikel
Permanenz im Provisorischen
Unkonventionelle Wohnhäuser von Beat Rothen
5. März 1999 - J. Christoph Bürkle
Aufgefallen ist Beat Rothen mit jenem Haus, das wie ein Keil in der Landschaft sitzt. An einem Hang in Uhwiesen ragt es, umgeben von Einfamilienhäusern, wie ein Widerhaken aus der Landschaft. Der Ort hatte nichts Spezifisches, kein für den Entwurf ausschlaggebendes Moment. Aber Rothen reizen gerade solche Aufgaben, die zu einfachen Lösungen führen. Das Haus in Uhwiesen sollte zunächst einmal sich selbst thematisieren und zugleich seine Angemessenheit am Ort widerspiegeln. So wurde es zum scharfgeschnittenen, monolithischen Block, der wie selbstverständlich in den Hang gesetzt scheint. Die Langseite verläuft parallel zum Hang und die Dachneigung entspricht jener des Hangs. Drei Seiten des Hauses sind fast ganz geschlossen, bilden eine massive Klammer, während sich die vierte Seite zur Landschaft öffnet. Hier liegt der Wohnraum, der über eine Empore mit den Schlafräumen im oberen Geschoss verbunden ist. Das grosse Dach verleiht dem eher kleinen Haus Grosszügigkeit und verbindet die verschiedenen Raumvolumen. Die Verkleidung aus Zementsteinen bildet eine durchgehende Schale, gibt dem Haus ein spezifisches Äusseres und verweist auf die Tradition einfacher Materialien im ländlichen Bauen.
Das Besondere aus dem Einfachen herauszuarbeiten ist für Rothen Herausforderung und Anliegen zugleich. Der aus Winterthur stammende Architekt hat nach einer Lehre als Hochbauzeichner eine Ausbildung am Technikum Winterthur und ein Architekturstudium an der ETH absolviert. Anschliessend war er Assistent von Mario Campi. Damit ist er gleichermassen für die Praxis wie für den theoretischen Entwurfsdiskurs gewappnet. Beides scheint ihm gleich wichtig, um seine Vorstellung von Architektur erfolgversprechend umzusetzen. Eine erste grössere Aufgabe war die Wohnüberbauung an der Weinbergstrasse, deren markantes Erscheinungsbild er mit «Homogenität aussen und kontrollierter Heterogenität im Inneren» beschreibt. Die ruhigen, fast klassisch gerasterten Bauten nehmen die Proportionen der umliegenden Häuser auf und formulieren zugleich städtisches, zeitgemässes Wohnen. Die Grundrisse sind variabel angelegt und können sich veränderten Nutzungsbedürfnissen anpassen. Einzelne Räume sind verschiedenen Wohnungen zuteilbar. Zugleich haben die Eigentümer die Möglichkeit, den Wohnungsgrundriss selbst zu bestimmen - für Rothen ein Versuch, auf die sich schnell verändernden Nutzungen von Bauten architektonisch zu reagieren.
Über die Definition des Dauerhaften und des Provisorischen nachzudenken und in einer schnell sich verändernden Zeit zu adäquaten Lösungen zu kommen, ist für Rothen ein wichtiges Thema. Heute gilt es auch für Provisorien (von der Notunterkunft über die Schule bis zum Verwaltungsbau) einen angemessenen architektonischen Ausdruck zu finden, der auf längerfristige Bedürfnisse antworten kann wie beispielsweise der Anbau des Winterthurer Museums von Gigon & Guyer.
Rothen wehrt sich gegen Globalisierungstendenzen in der Architektur ebenso wie gegen rezeptives Entwerfen oder das allzu direkte Umsetzen von Analogien. Bei seinen Projekten werden die Themen konsequent aus der jeweiligen Aufgabe entwickelt und auf die Bedeutung für den Ort fokussiert. So sucht er sich mit Vorliebe spezielle - um nicht zu sagen schwierige - Aufgaben und baut gerne Einfamilienhäuser. Eine solche Aufgabe war die Siedlung Zelgli in Winterthur, deren Sanierung und Erweiterung auf Grund der Klarheit und Eindeutigkeit viel Anerkennung erfuhr. Die Siedlung besteht aus parallelen Zeilen - sechs mit je acht und zwei mit je sechs Reiheneinfamilienhäusern. Die Anlage zeigt mit ihren Satteldächern und Einrichtungsdetails im Heimatstil sowohl formal als auch bezüglich der klar strukturierten Aussenräume einen sehr geschlossenen, eigenständigen Charakter. Gefordert war eine räumliche Erweiterung der Wohneinheiten: Rothen entschloss sich, das historisch geprägte Erscheinungsbild nicht nur zu bewahren, sondern es sogar zu steigern.
An die Eingangsseite fügte er eine drei Meter tiefe Raumschicht, welche das Bestehende sinnfällig ergänzt und dessen Gliederung aufnimmt. Mit Flachdach und vorfabrizierten Bauelementen ist dieser Anbau völlig eigenständig und bildet mit dem Alten doch eine Einheit. Historische und neue Schichten überlagern sich und treten in einen eigenwilligen Dialog. Die Fensterrahmen im Altbau blieben erhalten, die ehemaligen Aussenfenster im Obergeschoss sind weiterhin Lichtöffnungen und erklären ebenso wie die ehemalige Haustür den ursprünglichen Zustand. Rothens Siedlungserweiterung basiert auf einem einfachen und konsequenten Verfahren, das zudem sehr kostenrelevant ist. Bemerkenswert ist, dass Rothen seine eigene Entwurfstätigkeit ganz in den Dienst der Siedlung stellte und nicht formal zusätzlich hervorhob. Die entwerferische Auseinandersetzung mit alter Substanz - ob es sich nun um ein Baudenkmal oder um ein eher alltägliches Gebäude handelt - ist ein Anliegen von Rothen. Diese Bauaufgabe wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, zumal in Winterthur, wo die Umnutzung obsolet gewordener Industrieareale neue städtebauliche Funktionszusammenhänge und Typologien erzeugen wird.
Zurzeit realisiert Rothen fünf Reihenhäuser an der Rütihofstrasse in Winterthur. Sie bilden einen kubisch gestaffelten Baukörper, der sich durch eine einfache Grundform mit variablen Grundrisseinteilungen der Schlafzimmer im ersten Stock auszeichnet. Clou der Häuser sind die eingezogen Terrassen auf der Wohnebene, die alle ganz verschiedene Grössen und Formen aufweisen. So konnten von den Käufern ganz unterschiedliche Wohnraumtypen gewählt werden, die letztlich durch die Terrasse und den Aussenraum definiert werden. Andererseits werden die Terrassen zu integralen Wohnräumen, die vollständig abgeschirmt sind und präzise auf ein gleichsam städtisches, gemeinschaftliches und individuelles Wohnen reagieren. Die Häuser wurden bereits während der Projektierung verkauft; zumindest in Winterthur ist bereits bekannt, dass von Beat Rothen zwar ungewöhnliche, aber besondere Lösungen zu erwarten sind.
[Beat Rothen stellt im Rahmen eines Vortrags seine Arbeiten am 10. März um 18 Uhr im Architekturforum Zürich vor.]
Das Besondere aus dem Einfachen herauszuarbeiten ist für Rothen Herausforderung und Anliegen zugleich. Der aus Winterthur stammende Architekt hat nach einer Lehre als Hochbauzeichner eine Ausbildung am Technikum Winterthur und ein Architekturstudium an der ETH absolviert. Anschliessend war er Assistent von Mario Campi. Damit ist er gleichermassen für die Praxis wie für den theoretischen Entwurfsdiskurs gewappnet. Beides scheint ihm gleich wichtig, um seine Vorstellung von Architektur erfolgversprechend umzusetzen. Eine erste grössere Aufgabe war die Wohnüberbauung an der Weinbergstrasse, deren markantes Erscheinungsbild er mit «Homogenität aussen und kontrollierter Heterogenität im Inneren» beschreibt. Die ruhigen, fast klassisch gerasterten Bauten nehmen die Proportionen der umliegenden Häuser auf und formulieren zugleich städtisches, zeitgemässes Wohnen. Die Grundrisse sind variabel angelegt und können sich veränderten Nutzungsbedürfnissen anpassen. Einzelne Räume sind verschiedenen Wohnungen zuteilbar. Zugleich haben die Eigentümer die Möglichkeit, den Wohnungsgrundriss selbst zu bestimmen - für Rothen ein Versuch, auf die sich schnell verändernden Nutzungen von Bauten architektonisch zu reagieren.
Über die Definition des Dauerhaften und des Provisorischen nachzudenken und in einer schnell sich verändernden Zeit zu adäquaten Lösungen zu kommen, ist für Rothen ein wichtiges Thema. Heute gilt es auch für Provisorien (von der Notunterkunft über die Schule bis zum Verwaltungsbau) einen angemessenen architektonischen Ausdruck zu finden, der auf längerfristige Bedürfnisse antworten kann wie beispielsweise der Anbau des Winterthurer Museums von Gigon & Guyer.
Rothen wehrt sich gegen Globalisierungstendenzen in der Architektur ebenso wie gegen rezeptives Entwerfen oder das allzu direkte Umsetzen von Analogien. Bei seinen Projekten werden die Themen konsequent aus der jeweiligen Aufgabe entwickelt und auf die Bedeutung für den Ort fokussiert. So sucht er sich mit Vorliebe spezielle - um nicht zu sagen schwierige - Aufgaben und baut gerne Einfamilienhäuser. Eine solche Aufgabe war die Siedlung Zelgli in Winterthur, deren Sanierung und Erweiterung auf Grund der Klarheit und Eindeutigkeit viel Anerkennung erfuhr. Die Siedlung besteht aus parallelen Zeilen - sechs mit je acht und zwei mit je sechs Reiheneinfamilienhäusern. Die Anlage zeigt mit ihren Satteldächern und Einrichtungsdetails im Heimatstil sowohl formal als auch bezüglich der klar strukturierten Aussenräume einen sehr geschlossenen, eigenständigen Charakter. Gefordert war eine räumliche Erweiterung der Wohneinheiten: Rothen entschloss sich, das historisch geprägte Erscheinungsbild nicht nur zu bewahren, sondern es sogar zu steigern.
An die Eingangsseite fügte er eine drei Meter tiefe Raumschicht, welche das Bestehende sinnfällig ergänzt und dessen Gliederung aufnimmt. Mit Flachdach und vorfabrizierten Bauelementen ist dieser Anbau völlig eigenständig und bildet mit dem Alten doch eine Einheit. Historische und neue Schichten überlagern sich und treten in einen eigenwilligen Dialog. Die Fensterrahmen im Altbau blieben erhalten, die ehemaligen Aussenfenster im Obergeschoss sind weiterhin Lichtöffnungen und erklären ebenso wie die ehemalige Haustür den ursprünglichen Zustand. Rothens Siedlungserweiterung basiert auf einem einfachen und konsequenten Verfahren, das zudem sehr kostenrelevant ist. Bemerkenswert ist, dass Rothen seine eigene Entwurfstätigkeit ganz in den Dienst der Siedlung stellte und nicht formal zusätzlich hervorhob. Die entwerferische Auseinandersetzung mit alter Substanz - ob es sich nun um ein Baudenkmal oder um ein eher alltägliches Gebäude handelt - ist ein Anliegen von Rothen. Diese Bauaufgabe wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, zumal in Winterthur, wo die Umnutzung obsolet gewordener Industrieareale neue städtebauliche Funktionszusammenhänge und Typologien erzeugen wird.
Zurzeit realisiert Rothen fünf Reihenhäuser an der Rütihofstrasse in Winterthur. Sie bilden einen kubisch gestaffelten Baukörper, der sich durch eine einfache Grundform mit variablen Grundrisseinteilungen der Schlafzimmer im ersten Stock auszeichnet. Clou der Häuser sind die eingezogen Terrassen auf der Wohnebene, die alle ganz verschiedene Grössen und Formen aufweisen. So konnten von den Käufern ganz unterschiedliche Wohnraumtypen gewählt werden, die letztlich durch die Terrasse und den Aussenraum definiert werden. Andererseits werden die Terrassen zu integralen Wohnräumen, die vollständig abgeschirmt sind und präzise auf ein gleichsam städtisches, gemeinschaftliches und individuelles Wohnen reagieren. Die Häuser wurden bereits während der Projektierung verkauft; zumindest in Winterthur ist bereits bekannt, dass von Beat Rothen zwar ungewöhnliche, aber besondere Lösungen zu erwarten sind.
[Beat Rothen stellt im Rahmen eines Vortrags seine Arbeiten am 10. März um 18 Uhr im Architekturforum Zürich vor.]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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