Artikel
Stadt und Wohnung als «Maschine»
Rationalisierung des Bauens erneut als Zauberformel?
5. Februar 1999 - Robert Kaltenbrunner
Nachfragegerechte Wohnungen und Häuser zu erschwinglichen Preisen sind offenbar Mangelware. Um so grösser allenorts die Anstrengungen, die Baukosten zu senken. Weniger gern veröffentlicht wird das Mittel zum Zweck: Rationalisierung. Und doch ist diese Grundtendenz - zumal in Deutschland - unverkennbar, auch wenn hier nicht die Grosstafelbauweise, sondern scheinindividualisierte Hauseinheiten zur Debatte stehen. Die Industrialisierung des Bauens, lange Zeit - und mit dem Fingerzeig auf realsozialistische Metastasen - als Krebsgeschwür der modernen Architektur verteufelt, beflügelt erneut die Geister.
Fordismus und Avantgarde
So drängend mancherorts die derzeitigen Probleme auch sein mögen, neu und einzigartig sind sie nicht. Der Druck der jeweiligen Verhältnisse zwang bereits mehrfach zu forcierten Schritten. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg artikulierte sich die Wohnungsfrage mit Vehemenz. Angesichts der Notlage wurden nun die Kommunen in grossem Masse Träger des Wohnungsbaus. Zugleich machte sich die Einsicht breit, dass mit handwerkbetonten Standards und Methoden keinesfalls die anstehenden quantitativen Probleme zu lösen sein würden. Rationalisierung tat not. Walter Gropius offenbarte sich als programmatischer Vorreiter, indem er in Dessau-Törten mit dem Thema Vorfertigung laborierte: «Die menschliche Behausung ist eine Angelegenheit des Massenbedarfs. Genauso wie es heute 90 Prozent der Bevölkerung nicht mehr einfällt, sich ihre Beschuhung nach Mass fertigen zu lassen, sondern Vorratsprodukte bezieht, die infolge verfeinerter Fabrikationsmethoden die meisten individuellen Bedürfnisse befriedigen, so wird sich in Zukunft der Einzelne auch die ihm gemässe Behausung vom Lager bestellen können.»
Und die Avantgarde zettelte, nicht ohne Grund, schon zu Beginn dieses Jahrhunderts jene Rebellion gegen das Althergebrachte an, die noch heute so nachhaltig weiterwirkt. Gerade für die fortschrittlichen Architekten war Rationalisierung das Mittel zum Zweck. Sie haben das Aufziehen einer industriellen Massenkultur begrüsst - und deren Signaturen munter verarbeitet. Namentlich das Auto wurde zum Inbegriff und Katalysator eines übergreifenden Zukunftsmodells. Zu jener Zeit hatte Henry Ford mit seiner Unternehmensphilosophie einen weltweiten Prozess angeschoben, der auch und gerade auf der Ebene des (Städte-)Bauens seinen Niederschlag fand. Der Fordismus wurde, zumindest in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, enthusiastisch aufgenommen. Als Fords Buch «Mein Leben und Werk» 1923 auf deutsch erschien, galt es vielen als eine Heilslehre. Das ging so weit, dass in der Weimarer Zeit fast prinzipiell sozialer und technischer Fortschritt, wie Kurt Tucholsky es formulierte, mit weichem «d» geschrieben wurde.
Die unterschiedlichsten Bezugsfelder des Fordismus entfalteten in vielen gesellschaftlichen Bereichen enorme Wirkung. Die Analogie der Stadt oder der Wohnung «als Maschine» ging dabei auf den Ford-Verehrer Le Corbusier zurück. Wobei in diesem Assoziationsbereich insbesondere zwei Aspekte eine ganz wesentliche Rolle spielten: die schleichende Randwanderung der Stadt, die sich auch in den Stichworten Funktionstrennung und Siedlungsbau ausdrückt, und das Durchsetzen der sozialen Massenwohnung. Die Vorstellung, Häuser wie Autos zu produzieren - der übrigens viele führende Köpfe anhingen -, war ebenso ein fordistischer Analogismus wie die Idee eines «fordistischen Sozialstaates». Eine ihrer Manifestationen - die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe, die 1929 als Ausstellungs- und Mustersiedlung in rigider Zeilenbauweise angelegt wurde - hat Adolf Behne schon damals sarkastisch aufs Korn genommen: «Die ganze Siedlung scheint auf Schienen zu stehen. Sie kann auf ihrem Meridian rund um die ganze Erde fahren, und immer gehen die Bewohner gegen Osten zu Bett und wohnen gegen Westen. (. . .) Hier in Dammerstock wird der Mensch zum abstrakten Wohnwesen.» Trotz mannigfaltiger Kritik war die Avantgarde strikt darauf bedacht, dass ihre Häuser und Siedlungen so aussahen, als seien sie rationell erstellt. Sie sollten Emblem sein für den Fortschritt. Die symbolträchtige Sprache der «Sachlichkeit» vermittelte den Glauben an die Zukunft, den Sieg der Rationalität, Mindestwohlstand für alle und kulturelle Emanzipation durch die Technik. Zugleich aber suggerierte sie die Mach- und Beherrschbarkeit gesellschaftlicher Entwicklung.
Ideal unterschiedlichster Regime
Ganz davon gelöst hat sich auch der nationalsozialistische Wohnungsbau nicht, obgleich man sich einen anderen Anschein zu geben trachtete. Schleichend zwar, aber stringent vollzog sich der Wandel vom Siedlungsideal zu den Konzepten eines normierten Wohnungsbaus für die grosse Serie. So formulierte beispielsweise der Finanzexperte Mössner 1943 in einer Denkschrift: «Eine Rekordproduktion zu sinkenden Kosten bei niedrigen Reinerträgen ist praktisch nur auf dem Wege rücksichtsloser Rationalisierung und Einspannung aller Eigenenergien der in der Wohnungswirtschaft lebendigen Kräfte erreichbar.» Und im gleichen Masse, wie Modernisierungsbestrebungen die Oberhand bekamen, erfolgte eine Demontage der Kleinsiedlung und der völkischen Angeridylle. Nach und nach setzten sich Positionen durch, die auf die Förderung des Massenwohnungsbaus und rationalisierter Formen der Bauproduktion drängten.
Deren Apotheose auf deutschem Boden aber blieb der DDR vorbehalten. Die «Platte» ist gleichsam zum Inbegriff für eine Rationalisierungsmanie geworden. Obgleich auch in der jungen BRD und den anderen mitteleuropäischen Ländern ein enormes Wohnungsbauprogramm nur auf der Basis von Zentralisierung und einer gewissen Rationalisierung erfolgreich war, so ist die «Platte» doch weit mehr, nämlich gleichermassen materielles wie ideelles Symptom. Und sie steht für die Erhebung des industriellen Bauens zur Staatsdoktrin. Dabei ist eine inhaltliche - oder gar kontroverse - Debatte um eine sozialistische Wohnform (wie sie beispielsweise in den «Kollektivhäusern» der jungen Sowjetunion einen paradigmatischen, wenngleich kaum verwirklichten Niederschlag fand) in der DDR nicht nachweisbar. Im Gegenteil fussten die verwendeten Grundrisstypen quasi ausschliesslich auf dem Konzept der Kleinfamilie in der Kleinstwohnung. Und das hiess in der Konsequenz: Hierarchisierung und funktionale Einengung von Räumen, Festschreibung von «betriebstechnischen Abläufen» (Gropius) usw. Sozialwissenschaftlich verbrämt im Gedanken vom «sozialistischen Wohngebiet», wurde eine rein wirtschaftlich (oder wie häufig postuliert wurde: von der Auslagerlänge eines Krans) bestimmte Bauweise legitimiert. Die Stadtentwicklung vollzog sich weitgehend ausserhalb der Innenstädte: es boomten die Plattensiedlungen, und die Grosstafelbauweise feierte, was das Bauvolumen anbelangt, wahre Triumphe. So planbar wie das Bauen sollte auch das Leben selbst sein.
Letztlich aber scherte das weder Bewohner noch politisch Verantwortliche. Jener hatte - WBS 70 hin, Wohnkomplex her - endlich eine adäquate «Vollversorgung» (inkl. Heizung und Bad) und ohnehin keine Alternative. Und für diese war die «Platte» entweder die Inkarnation der wissenschaftlich-technischen Revolution (in der Ära Ulbricht) oder das ideale Transportmittel für die Verwirklichung der «Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik» (zu Zeiten Honeckers). Obgleich man im Ergebnis konstatieren muss, dass das Wohnungsproblem (als rein quantitatives) in der DDR dank der Platte weitgehend entschärft werden konnte, trug die Rigidität dieser Bauform und «Städteproduktion» anderseits das Seine bei zum Scheitern des Systems. Dass durch die (scheinbar endlose) Addition gleicher Bauelemente - egal ob «Platte» oder Haus - der Schwellenwert einer überschaubaren und begreifbaren Ordnung häufig überschritten wurde, ist hierbei nur ein Aspekt. Die Unbedingtheit und einseitige Überbetonung des industriellen Bauens hatte seine «Rationalität» letztlich selbst dreidimensional in Frage gestellt.
Was bleibt?
Um nicht missverstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer gegen Rationalisierung. Mit diesem Rekurs sollte lediglich der Grenzbereich bewusst gemacht werden, welchen zu überschreiten einer Preisgabe von Gestaltungsansprüchen gleichkommt. Obschon Rationalisierung heute eine unabdingbare Voraussetzung für künftiges Bauen darstellt, kann es kein Ziel an sich sein, sondern nur Mittel zum Zweck. Dass «das Haus für alle» wie kaum ein anderes Planungsthema das Bewusstsein der Öffentlichkeit bestimmt, ist hierfür ein Indikator. Da mit handwerksbetonten Produktionsformen weder die quantitativen noch die preislichen Ziele zu erreichen sind, wird es darauf ankommen, einen vorurteilslosen Zugang zu den Kategorien von Effizienz zu finden und sie als Grundlage (städte)baulicher Entwicklungen anzunehmen - und zwar ohne dass tayloristische Methoden und Reduzierung von Vielfalt auf wenige standardisierte Typen dem Wohnungsbau den Stempel des Banalen und Monotonen aufdrücken. Und darauf zu achten, dass dessen Potentiale auf kreative Weise genutzt werden, geht uns alle an. Insofern sollte man sich von diesen Herausforderungen und den zum Teil ernüchternden historischen Erfahrungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wie heisst es doch so schön? «Not macht erfinderisch.»
Fordismus und Avantgarde
So drängend mancherorts die derzeitigen Probleme auch sein mögen, neu und einzigartig sind sie nicht. Der Druck der jeweiligen Verhältnisse zwang bereits mehrfach zu forcierten Schritten. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg artikulierte sich die Wohnungsfrage mit Vehemenz. Angesichts der Notlage wurden nun die Kommunen in grossem Masse Träger des Wohnungsbaus. Zugleich machte sich die Einsicht breit, dass mit handwerkbetonten Standards und Methoden keinesfalls die anstehenden quantitativen Probleme zu lösen sein würden. Rationalisierung tat not. Walter Gropius offenbarte sich als programmatischer Vorreiter, indem er in Dessau-Törten mit dem Thema Vorfertigung laborierte: «Die menschliche Behausung ist eine Angelegenheit des Massenbedarfs. Genauso wie es heute 90 Prozent der Bevölkerung nicht mehr einfällt, sich ihre Beschuhung nach Mass fertigen zu lassen, sondern Vorratsprodukte bezieht, die infolge verfeinerter Fabrikationsmethoden die meisten individuellen Bedürfnisse befriedigen, so wird sich in Zukunft der Einzelne auch die ihm gemässe Behausung vom Lager bestellen können.»
Und die Avantgarde zettelte, nicht ohne Grund, schon zu Beginn dieses Jahrhunderts jene Rebellion gegen das Althergebrachte an, die noch heute so nachhaltig weiterwirkt. Gerade für die fortschrittlichen Architekten war Rationalisierung das Mittel zum Zweck. Sie haben das Aufziehen einer industriellen Massenkultur begrüsst - und deren Signaturen munter verarbeitet. Namentlich das Auto wurde zum Inbegriff und Katalysator eines übergreifenden Zukunftsmodells. Zu jener Zeit hatte Henry Ford mit seiner Unternehmensphilosophie einen weltweiten Prozess angeschoben, der auch und gerade auf der Ebene des (Städte-)Bauens seinen Niederschlag fand. Der Fordismus wurde, zumindest in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, enthusiastisch aufgenommen. Als Fords Buch «Mein Leben und Werk» 1923 auf deutsch erschien, galt es vielen als eine Heilslehre. Das ging so weit, dass in der Weimarer Zeit fast prinzipiell sozialer und technischer Fortschritt, wie Kurt Tucholsky es formulierte, mit weichem «d» geschrieben wurde.
Die unterschiedlichsten Bezugsfelder des Fordismus entfalteten in vielen gesellschaftlichen Bereichen enorme Wirkung. Die Analogie der Stadt oder der Wohnung «als Maschine» ging dabei auf den Ford-Verehrer Le Corbusier zurück. Wobei in diesem Assoziationsbereich insbesondere zwei Aspekte eine ganz wesentliche Rolle spielten: die schleichende Randwanderung der Stadt, die sich auch in den Stichworten Funktionstrennung und Siedlungsbau ausdrückt, und das Durchsetzen der sozialen Massenwohnung. Die Vorstellung, Häuser wie Autos zu produzieren - der übrigens viele führende Köpfe anhingen -, war ebenso ein fordistischer Analogismus wie die Idee eines «fordistischen Sozialstaates». Eine ihrer Manifestationen - die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe, die 1929 als Ausstellungs- und Mustersiedlung in rigider Zeilenbauweise angelegt wurde - hat Adolf Behne schon damals sarkastisch aufs Korn genommen: «Die ganze Siedlung scheint auf Schienen zu stehen. Sie kann auf ihrem Meridian rund um die ganze Erde fahren, und immer gehen die Bewohner gegen Osten zu Bett und wohnen gegen Westen. (. . .) Hier in Dammerstock wird der Mensch zum abstrakten Wohnwesen.» Trotz mannigfaltiger Kritik war die Avantgarde strikt darauf bedacht, dass ihre Häuser und Siedlungen so aussahen, als seien sie rationell erstellt. Sie sollten Emblem sein für den Fortschritt. Die symbolträchtige Sprache der «Sachlichkeit» vermittelte den Glauben an die Zukunft, den Sieg der Rationalität, Mindestwohlstand für alle und kulturelle Emanzipation durch die Technik. Zugleich aber suggerierte sie die Mach- und Beherrschbarkeit gesellschaftlicher Entwicklung.
Ideal unterschiedlichster Regime
Ganz davon gelöst hat sich auch der nationalsozialistische Wohnungsbau nicht, obgleich man sich einen anderen Anschein zu geben trachtete. Schleichend zwar, aber stringent vollzog sich der Wandel vom Siedlungsideal zu den Konzepten eines normierten Wohnungsbaus für die grosse Serie. So formulierte beispielsweise der Finanzexperte Mössner 1943 in einer Denkschrift: «Eine Rekordproduktion zu sinkenden Kosten bei niedrigen Reinerträgen ist praktisch nur auf dem Wege rücksichtsloser Rationalisierung und Einspannung aller Eigenenergien der in der Wohnungswirtschaft lebendigen Kräfte erreichbar.» Und im gleichen Masse, wie Modernisierungsbestrebungen die Oberhand bekamen, erfolgte eine Demontage der Kleinsiedlung und der völkischen Angeridylle. Nach und nach setzten sich Positionen durch, die auf die Förderung des Massenwohnungsbaus und rationalisierter Formen der Bauproduktion drängten.
Deren Apotheose auf deutschem Boden aber blieb der DDR vorbehalten. Die «Platte» ist gleichsam zum Inbegriff für eine Rationalisierungsmanie geworden. Obgleich auch in der jungen BRD und den anderen mitteleuropäischen Ländern ein enormes Wohnungsbauprogramm nur auf der Basis von Zentralisierung und einer gewissen Rationalisierung erfolgreich war, so ist die «Platte» doch weit mehr, nämlich gleichermassen materielles wie ideelles Symptom. Und sie steht für die Erhebung des industriellen Bauens zur Staatsdoktrin. Dabei ist eine inhaltliche - oder gar kontroverse - Debatte um eine sozialistische Wohnform (wie sie beispielsweise in den «Kollektivhäusern» der jungen Sowjetunion einen paradigmatischen, wenngleich kaum verwirklichten Niederschlag fand) in der DDR nicht nachweisbar. Im Gegenteil fussten die verwendeten Grundrisstypen quasi ausschliesslich auf dem Konzept der Kleinfamilie in der Kleinstwohnung. Und das hiess in der Konsequenz: Hierarchisierung und funktionale Einengung von Räumen, Festschreibung von «betriebstechnischen Abläufen» (Gropius) usw. Sozialwissenschaftlich verbrämt im Gedanken vom «sozialistischen Wohngebiet», wurde eine rein wirtschaftlich (oder wie häufig postuliert wurde: von der Auslagerlänge eines Krans) bestimmte Bauweise legitimiert. Die Stadtentwicklung vollzog sich weitgehend ausserhalb der Innenstädte: es boomten die Plattensiedlungen, und die Grosstafelbauweise feierte, was das Bauvolumen anbelangt, wahre Triumphe. So planbar wie das Bauen sollte auch das Leben selbst sein.
Letztlich aber scherte das weder Bewohner noch politisch Verantwortliche. Jener hatte - WBS 70 hin, Wohnkomplex her - endlich eine adäquate «Vollversorgung» (inkl. Heizung und Bad) und ohnehin keine Alternative. Und für diese war die «Platte» entweder die Inkarnation der wissenschaftlich-technischen Revolution (in der Ära Ulbricht) oder das ideale Transportmittel für die Verwirklichung der «Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik» (zu Zeiten Honeckers). Obgleich man im Ergebnis konstatieren muss, dass das Wohnungsproblem (als rein quantitatives) in der DDR dank der Platte weitgehend entschärft werden konnte, trug die Rigidität dieser Bauform und «Städteproduktion» anderseits das Seine bei zum Scheitern des Systems. Dass durch die (scheinbar endlose) Addition gleicher Bauelemente - egal ob «Platte» oder Haus - der Schwellenwert einer überschaubaren und begreifbaren Ordnung häufig überschritten wurde, ist hierbei nur ein Aspekt. Die Unbedingtheit und einseitige Überbetonung des industriellen Bauens hatte seine «Rationalität» letztlich selbst dreidimensional in Frage gestellt.
Was bleibt?
Um nicht missverstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer gegen Rationalisierung. Mit diesem Rekurs sollte lediglich der Grenzbereich bewusst gemacht werden, welchen zu überschreiten einer Preisgabe von Gestaltungsansprüchen gleichkommt. Obschon Rationalisierung heute eine unabdingbare Voraussetzung für künftiges Bauen darstellt, kann es kein Ziel an sich sein, sondern nur Mittel zum Zweck. Dass «das Haus für alle» wie kaum ein anderes Planungsthema das Bewusstsein der Öffentlichkeit bestimmt, ist hierfür ein Indikator. Da mit handwerksbetonten Produktionsformen weder die quantitativen noch die preislichen Ziele zu erreichen sind, wird es darauf ankommen, einen vorurteilslosen Zugang zu den Kategorien von Effizienz zu finden und sie als Grundlage (städte)baulicher Entwicklungen anzunehmen - und zwar ohne dass tayloristische Methoden und Reduzierung von Vielfalt auf wenige standardisierte Typen dem Wohnungsbau den Stempel des Banalen und Monotonen aufdrücken. Und darauf zu achten, dass dessen Potentiale auf kreative Weise genutzt werden, geht uns alle an. Insofern sollte man sich von diesen Herausforderungen und den zum Teil ernüchternden historischen Erfahrungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wie heisst es doch so schön? «Not macht erfinderisch.»
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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