Artikel
Präzise Interventionen
Zum Schaffen von Astrid Staufer und Thomas Hasler
7. Mai 1999 - J. Christoph Bürkle
Seit einiger Zeit gibt es im Kreis 5 in Zürich ein Kino, das sich zu einem Quartiertreff entwickelt hat: das «Riff-Raff». Es wurde von Astrid Staufer und Thomas Hasler in Arbeitsgemeinschaft mit Marcel Meili und Markus Peter realisiert. Das Bauprogramm lautete lakonisch «Kino mit zwei Sälen und Bar». Die Architekten haben Filmvorführung und Kommunikation - beides im Kino zentrale Begriffe - zum Thema ihres Entwurfes gemacht. Zwischen den beiden Vorführräumen befindet sich ein dunkel gehaltener Raum, der zugleich Bar, Foyer und Kassenraum ist. Clou des Kinos sind aber die sichtbaren Projektionsstrahlen über den Köpfen der Barbesucher. Damit wird das Vorführen des Filmes selbst zum Ereignis, die Besucher sind bereits mitten im Geschehen, bevor für sie das Kinoerlebnis beginnt.
Das Neuüberdenken von bekannten Theorien und Phänomenen ist für Astrid Staufer und Thomas Hasler Herausforderung und Verpflichtung zugleich, die nicht nur ihre Mitarbeit beim «Riff- Raff» bestimmte. Nach dem Studium an der ETH Zürich eröffneten sie 1993 ein Büro in Frauenfeld. Das Herausarbeiten geschichtlicher Zusammenhänge war Teil ihrer umfangreichen Forschungsarbeiten: Astrid Staufer beschäftigte sich mit dem Werk des Mailänder Architekten Luigi Caccia Dominioni, während Hasler eine Dissertation über Rudolf Schwarz verfasste, die demnächst veröffentlicht wird. Eine eher praktische Auseinandersetzung mit den Geschichten des Bauens bedeuteten ihre ersten Projekte, die fast ausnahmslos Um- und Anbauten von Wohnhäusern waren. Und vielleicht gerade weil sie sich intensiv mit der historischen Struktur des Vorhandenen beschäftigten, gab es immer wieder Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen mit den Beschützern des architektonischen Erbes. «Die Denkmalpflege denkt einfach zu sehr in Bildern», meint Hasler: «Viel wichtiger ist es aber, die Hierarchie der Wertigkeiten erst einmal festzulegen.» Gemeint ist damit die Struktur eines historischen Gebäudes, der konstruktive oder räumliche Aufbau, der oftmals die geschichtlichen Bezüge treffender widerspiegelt als das Äussere.
Eine Standpunktklärung versuchten Staufer und Hasler mit ihrem Wettbewerbsbeitrag für den Umbau der römisch-katholischen Pfarrkirche von Jona, die mit ihrem spätgotischen Chor, einem Langhaus aus dem 19. Jahrhundert und einem Anbau von 1936 als schützenswert eingestuft ist. Sicherlich nicht unbeeinflusst durch die Beschäftigung mit dem Kirchenbaumeister Rudolf Schwarz versuchte Hasler, den historischen Schichten eine präzise Interpretation von heutigem Kirchenbau dialoghaft gegenüberzustellen. Er entwarf einen beinahe eigenständigen Zentralraum mit dem Altar in der Mitte und einer narthexartigen räumlichen Anbindung an das Langhaus. Mittels einer gestaffelten Oberlichtzone sollte dieser Raum eine sakrale Lichtstimmung erhalten. Mit dem Eingriff bezog er klar Position, indem er wertete und die schützenswerten Schichten hervorhob. Der Entwurf hätte von den Kirchgängern eine Befragung ihrer Gewohnheiten verlangt, zugleich hätte er aber auch einen beachtenswerten Beitrag zum heutigen Kirchenbau geliefert. Doch die Denkmalpflege lehnte den Vorschlag entschieden ab. - Mit der Schule in Illighausen (bei Kreuzlingen) ist nun ein erster grösserer Neubau von Staufer und Hasler fertiggestellt. Es handelt sich dabei um ein zweigeschossiges Primarschulhaus mit Mehrzwecksaal.
Die Architekten ordneten die Räume in einer gestreckten L-Form, die einen Schulhof eingrenzt. Über diesen wird der Bezug zur angrenzenden Kirche mit Friedhof hergestellt, so dass beide Bauten ein Ensemble bilden. In bewusstem Gegensatz zur steinernen Kirche wurde das Landschulhaus mit einer vorfabrizierten Tragkonstruktion aus Holz errichtet. Auch die Aussenverkleidung aus kleinteiligen, graugrünen Titanzinkschindeln stellt eher einen Bezug zu den benachbarten Wohnhäusern als zur Kirche her. So entsteht ein Dialog zwischen dem harten, tektonischen Material der Kirche und der weichen und kleinteiligen Bekleidung der Schule. Während die äussere Schicht als Verkleidung der Tragstruktur fungiert, wird diese im Inneren bei den aussenliegenden Wänden sichtbar. Ist hier das Holz naturbelassen, so sind die innen liegenden Wände stark farbig gestaltet. Sowohl in den Schulräumen als auch in den Erschliessungszonen ist die Struktur des Gebäudes sichtbar, und von aussen wird durch das Setzen der Fenster das Verhältnis von Tragstruktur und Füllungen thematisiert.
Diese konsequente innere Logik zieht sich durch die Arbeiten von Staufer und Hasler. Zurzeit überarbeiten sie die Pläne für den Neubau der Kantonsschule Wil, für die sie den ersten Preis gewonnen haben. Auch hier schlagen sie einen Holzbau vor, der die Bindung des Tragwerkes an das Material sinnvoll thematisiert. Mit einem geschlossenen, aus einfachen Geometrien zusammengesetzten Körper, der rechtwinklig einen Innenhof umgibt, wird dem disparaten Umfeld durch eine präzise Intervention eine starke Prägung verliehen. Bleibt zu hoffen, dass Staufer und Hasler trotz langwierigem Planungsprozess auch mit diesem Gebäude ihre Entwurfsidee sinnfällig umsetzen können.
J. Christoph Bürkle
Astrid Staufer und Thomas Hasler stellen im Rahmen eines Vortrags ihre Arbeiten am 19. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor.
Das Neuüberdenken von bekannten Theorien und Phänomenen ist für Astrid Staufer und Thomas Hasler Herausforderung und Verpflichtung zugleich, die nicht nur ihre Mitarbeit beim «Riff- Raff» bestimmte. Nach dem Studium an der ETH Zürich eröffneten sie 1993 ein Büro in Frauenfeld. Das Herausarbeiten geschichtlicher Zusammenhänge war Teil ihrer umfangreichen Forschungsarbeiten: Astrid Staufer beschäftigte sich mit dem Werk des Mailänder Architekten Luigi Caccia Dominioni, während Hasler eine Dissertation über Rudolf Schwarz verfasste, die demnächst veröffentlicht wird. Eine eher praktische Auseinandersetzung mit den Geschichten des Bauens bedeuteten ihre ersten Projekte, die fast ausnahmslos Um- und Anbauten von Wohnhäusern waren. Und vielleicht gerade weil sie sich intensiv mit der historischen Struktur des Vorhandenen beschäftigten, gab es immer wieder Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen mit den Beschützern des architektonischen Erbes. «Die Denkmalpflege denkt einfach zu sehr in Bildern», meint Hasler: «Viel wichtiger ist es aber, die Hierarchie der Wertigkeiten erst einmal festzulegen.» Gemeint ist damit die Struktur eines historischen Gebäudes, der konstruktive oder räumliche Aufbau, der oftmals die geschichtlichen Bezüge treffender widerspiegelt als das Äussere.
Eine Standpunktklärung versuchten Staufer und Hasler mit ihrem Wettbewerbsbeitrag für den Umbau der römisch-katholischen Pfarrkirche von Jona, die mit ihrem spätgotischen Chor, einem Langhaus aus dem 19. Jahrhundert und einem Anbau von 1936 als schützenswert eingestuft ist. Sicherlich nicht unbeeinflusst durch die Beschäftigung mit dem Kirchenbaumeister Rudolf Schwarz versuchte Hasler, den historischen Schichten eine präzise Interpretation von heutigem Kirchenbau dialoghaft gegenüberzustellen. Er entwarf einen beinahe eigenständigen Zentralraum mit dem Altar in der Mitte und einer narthexartigen räumlichen Anbindung an das Langhaus. Mittels einer gestaffelten Oberlichtzone sollte dieser Raum eine sakrale Lichtstimmung erhalten. Mit dem Eingriff bezog er klar Position, indem er wertete und die schützenswerten Schichten hervorhob. Der Entwurf hätte von den Kirchgängern eine Befragung ihrer Gewohnheiten verlangt, zugleich hätte er aber auch einen beachtenswerten Beitrag zum heutigen Kirchenbau geliefert. Doch die Denkmalpflege lehnte den Vorschlag entschieden ab. - Mit der Schule in Illighausen (bei Kreuzlingen) ist nun ein erster grösserer Neubau von Staufer und Hasler fertiggestellt. Es handelt sich dabei um ein zweigeschossiges Primarschulhaus mit Mehrzwecksaal.
Die Architekten ordneten die Räume in einer gestreckten L-Form, die einen Schulhof eingrenzt. Über diesen wird der Bezug zur angrenzenden Kirche mit Friedhof hergestellt, so dass beide Bauten ein Ensemble bilden. In bewusstem Gegensatz zur steinernen Kirche wurde das Landschulhaus mit einer vorfabrizierten Tragkonstruktion aus Holz errichtet. Auch die Aussenverkleidung aus kleinteiligen, graugrünen Titanzinkschindeln stellt eher einen Bezug zu den benachbarten Wohnhäusern als zur Kirche her. So entsteht ein Dialog zwischen dem harten, tektonischen Material der Kirche und der weichen und kleinteiligen Bekleidung der Schule. Während die äussere Schicht als Verkleidung der Tragstruktur fungiert, wird diese im Inneren bei den aussenliegenden Wänden sichtbar. Ist hier das Holz naturbelassen, so sind die innen liegenden Wände stark farbig gestaltet. Sowohl in den Schulräumen als auch in den Erschliessungszonen ist die Struktur des Gebäudes sichtbar, und von aussen wird durch das Setzen der Fenster das Verhältnis von Tragstruktur und Füllungen thematisiert.
Diese konsequente innere Logik zieht sich durch die Arbeiten von Staufer und Hasler. Zurzeit überarbeiten sie die Pläne für den Neubau der Kantonsschule Wil, für die sie den ersten Preis gewonnen haben. Auch hier schlagen sie einen Holzbau vor, der die Bindung des Tragwerkes an das Material sinnvoll thematisiert. Mit einem geschlossenen, aus einfachen Geometrien zusammengesetzten Körper, der rechtwinklig einen Innenhof umgibt, wird dem disparaten Umfeld durch eine präzise Intervention eine starke Prägung verliehen. Bleibt zu hoffen, dass Staufer und Hasler trotz langwierigem Planungsprozess auch mit diesem Gebäude ihre Entwurfsidee sinnfällig umsetzen können.
J. Christoph Bürkle
Astrid Staufer und Thomas Hasler stellen im Rahmen eines Vortrags ihre Arbeiten am 19. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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