Artikel
Stadtentwicklung und Prestigebauten
Bern auf der Suche nach qualitätvoller Baukunst
Ähnlich wie in Zürich, das sich ausserhalb des Zentrums auf stillgelegten Industriearealen zurzeit mit Kultur-, Wohn- und Dienstleistungsbauten rasant erneuert, herrscht auch in Bern seit kurzem architektonische Aufbruchsstimmung. Neben den baureifen «Grands Projets» am östlichen und westlichen Stadtrand sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren auch rund 4000 Wohnungen in verschiedenen Quartieren geplant.
Mit dem Abbruch des traditionsreichen Wankdorfstadions in diesem Sommer wird der Weg frei zum Bau des neuen Nationalstadions. Anders als der abstrakte Leuchtkörper des St.-Jakob-Parks in Basel von Herzog & de Meuron wird der von der Architektengemeinschaft Rodolphe Luscher, Lausanne, sowie Schwaar& Partner, Bern, geplante Berner Neubau von aussen deutlich als Stadion erkennbar sein. Das Dach des neuen «Wankdorf» wird gegen das Stadtzentrum weisen und eine klare Beziehung zum Stadtraum schaffen (NZZ 6. 8. 99). Gleichsam als Gegenstück dazu entsteht an der Autobahnausfahrt Bern Ostring bis spätestens 2006 Renzo Pianos Forschungs- und Ausstellungszentrum für den grossen Berner Maler Paul Klee. Mit einer grosszügigen Schenkung von sechzig Millionen Franken löste der Berner Chirurg Maurice E. Müller die Standort- und Architekturfrage für das neue Haus: Das Zentrum wird auf seinem eigenen Land im Schöngrün-Quartier erstellt (NZZ 10. 12. 99). Als besonders wagemutig gilt der aus einem Wettbewerb hervorgegangene Bauauftrag an den Berliner Architekten Daniel Libeskind für ein Freizeit- und Einkaufszentrum (FEZ) der Migros Aare im westlichen Aussenquartier Brünnen. Auf dem Areal sind ausserdem für insgesamt 2500 Menschen Wohnbauten vorgesehen, für die bereits 1992 ein Architekturwettbewerb lanciert wurde.
Stadtentwicklung
Die geplanten Grossbauten scheinen zunächst einmal mit dem Makel des Standortes im Niemandsland der Agglomeration behaftet zu sein. Doch sind sie eingebettet in die Gesamtplanung der Stadt, die ihre Entwicklungsstrategie in sogenannten Schwerpunktstandorten seit einiger Zeit festgelegt hat. Berns Stadtplaner, Jürg Sulzer, reagiert denn auch etwas ungehalten auf den Begriff Peripherie: «Immer wenn in Bern etwas nicht in der Altstadt entsteht, heisst es, der Bau liegt am Stadtrand. Der Ostring ist indes noch ein Teil der Stadt und gehört nicht zur Agglomeration.» 1995 legte die Stadt Bern ein erstes Stadtentwicklungskonzept vor, darin wurden einzelne Standorte ausgewiesen, etwa in Brünnen, wo ein Teil des städtischen Landes für Dienstleistungsnutzung vorgesehen war. Die Stadtentwicklung richtete sich dabei nicht auf einzelne Investoren aus; das städtebauliche Konzept stand stets im Vordergrund. Anders als in Zürich findet in Bern die Erneuerung der Stadt nicht auf brachliegenden Industriearealen statt, da Bern nie wirklichein Industriestandort, sondern immer eine Beamtenstadt war.
Zur Stadtentwicklung gehört auch das Verkehrskonzept, das auf dem vorhandenen Netz aufbaut und neue Linien mit den bestehenden verknüpft; dies gilt ebenso für die S-Bahn-Anschlüsse im Gebiet Brünnen wie für die Verbindungen zum Klee-Zentrum und zum Wankdorfstadion. «Mit dem Bestehenden etwas Neuesmachen», lautet die Devise. Rechtzeitig zur Eröffnung des FEZ Brünnen im Jahr 2005 soll für denöffentlichen Verkehr ein Viertelstundentakt eingerichtet werden. Zum Klee-Zentrum wird eine Trolleybuslinie führen, die auf dem Weg dorthin die ganze Altstadt durchfährt. «Der beste Sightseeing-Bus Berns», meint Sulzer. Die Zusammenarbeit bei der Konzeption dieses Grossprojektes spielt auf allen Ebenen: Der Kanton baut das S-Bahn-Netz aus, die Stadt stellt die Baufelder und die Erschliessung bereit und sorgt zusammen mit dem privaten Bauherrn für eine städtebaulich- architektonisch möglichst attraktive Lösung.
Keines der ehrgeizigen jüngeren Berner Architekturbüros erhielt den Auftrag für eines der prestigeträchtigen Bauvorhaben. Die Kritik aus ihren Reihen lautet denn auch, die Wettbewerbe seien zu wenig genau formuliert gewesen, ausserdem fehle die Verbindlichkeit, dass ein siegreiches Wettbewerbsprojekt auch gebaut werden könne. Die Architekturkultur müsse unbedingt gestärkt werden, da die traditionsreichen Büros überaltert seien und die jungen Teams zu wenig Chancen erhielten, ihre Fähigkeiten zu beweisen. In den vergangenen Jahren wurde in der Bundesstadt wenigExemplarisches gebaut; gut möglich, dass der Bezug zu einer örtlichen Architekturschule, dass ein lebendiges Diskussionsmilieu fehlt. Als positives Beispiel wird aber immerhin der Wettbewerb für den Anbau an das Historische Museum erwähnt.
Stararchitektur
Zwar fordert die Stadt für die zu überbauenden Areale Architekturwettbewerbe. Im Fall des FEZ Brünnen schlug sie dem Bauherrn fünfzehn renommierte, mehrheitlich ausländische Büros vor, aus denen die Migros dann fünf bekannte auslas, darunter auch das Berner Büro ARB. Dass Stararchitekt Daniel Libeskind mit seinen «Nexus» genannten, sich wie Finger aus einer geöffneten Hand ausstreckenden Baukörpern obenaus schwang, wird von Behörden und Bauherrschaft als Glücksfall empfunden. Der Stadtplaner spricht denn auch von einer «baukünstlerisch unverwechselbaren Identität am Stadtrand». DerKontrast zur orthogonalen Struktur des daran anschliessenden Wohnquartiers, das - einmal gebaut - von einem überdachten und begrüntenAutobahnteilstück durchschnitten wird, ist augenfällig. Die Voraussetzungen sind also gegeben,dass hier - bei städtebaulich sorgfältig durchdachter Planung - im Zusammenspiel von FEZ und Siedlung ein zukunftsweisender Stadtteil und nicht nur ein peripheres Wohnquartier entsteht.
Liegen den Bauten in Brünnen demokratische Entscheidungsprozesse zugrunde, so ist Renzo Pianos Klee-Zentrum mit der von einem elegant geschwungenen Dach gefassten Glasfassade entlang der Autobahn das Resultat eines einsamenEntscheids des auch als Investor tätigen Mediziners Maurice E. Müller. Nach dem Bau einer Siedlung auf seinem Land im Schöngrün-Quartier blieb eine Restfläche übrig, auf der nun das neue Forschungs- und Ausstellungszentrum verwirklicht wird. Die Stadt nimmt den Faden auf, indemsie hinausgeschobene Aufgaben - etwa die Realisierung von Wohnungsbauten auf den an das geplante Klee-Zentrum anschliessenden Grünflächen - mit dem Bau desselben verknüpft. DurchAbtausch mit dem Landeigentümer, der Burgergemeinde, sollen auf dem «Florama» genannten Gebiet auf Grund eines Architekturwettbewerbs zwei- bis dreihundert Wohnungen entstehen.
Wohnungsbau und Platzgestaltungen
Erlebte Bern in den sechziger Jahren mit Bümpliz Nord und Bethlehem einen Entwicklungsschub im verdichteten Wohnungsbau auf der grünen Wiese, so steht heute die Überbauung noch vorhandener Freiflächen innerhalb des bebauten Stadtgebiets im Vordergrund. Gegenwärtig wird etwa die Umnutzung eines ehemaligen Tramdepots diskutiert. Als grösstes freies Areal auf Stadtgebiet bietet sich das «Viererfeld» im Norden an, wo in den nächsten Jahren 800 Wohnungen entstehen sollen. Ursprünglich für eine campusartige Erweiterung der Universität vorgesehen, kann das Gebiet jetzt für urbane, drei- bis viergeschossige, würfelartige Bauten genutzt werden. Diese «Stadtvillen» erlauben ein verdichtetes Bauen mit hoher Lebensqualität. In Brünnen werden Wettbewerbe für die einzelnen Baufelder lanciert, wobei noch nicht klar ist, was mit den Plänen von Michael Alder geschehen soll, der 1992 einen Wettbewerb für Wohnbauten auf dem Areal gewann. Für Stadtplaner Jürg Sulzer wirken die geplanten Grossbauten als «Katalysatoren für die Stadtentwicklung, die jetztSchritt für Schritt realisiert werden kann. Es genügt nicht, Baulinien und Bauflächen zur Verfügung zu stellen, die Stadtbaukunst muss wieder ein zentrales Thema werden.»
Anders als Zürich leidet Bern nicht direkt unter Wohnungsnot, sondern unter der Abwanderung gut verdienender Bürger. Deshalb sollen etwa an der Manuelstrasse im vornehmen Kirchenfeld- Quartier 80 Wohnungen mit gehobenem Ausbaustandard entstehen, für die bereits viel Interesse besteht. Falls die Steuerzahler den Planern keinen Strich durch die Rechnung machen, sollen in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwa 4000 Neuwohnungen gebaut werden.
Da es im denkmalgeschützten, von der Unesco schon vor Jahren zum Weltkulturerbe ernannten Altstadtgebiet, also in der eigentlichen Berner Innenstadt, keinen freien Platz für Wohnüberbauungen gibt, konzentriert sich hier die Stadtentwicklung auf die öffentlichen Räume: Schritt fürSchritt sollen die historischen Plätze erneuert werden. Nachdem das geplante Glasdach für denBahnhofsplatz soeben am Widerstand der Burgergemeinde gescheitert ist, formieren sich die fortschrittlichen Kräfte, um das Konzept für einen leer geräumten Bundesplatz durchzusetzen. Ein feiner gestalterischer Raster mit einem Wasserspiel und einem Leuchtband, das zum Bärenplatzüberleitet, soll Möglichkeiten für eine Aussenempfangsfläche, eine Bühne und Ähnliches bieten. Die unendliche Geschichte um den Waisenhausplatz ist den Bernern längst vertraut: Dochnun steht fest, dass das vom Zürcher Büro Kienast Vogt Partner bereits 1990 mit dem erstenPreis ausgezeichnete Wettbewerbsprojekt zur Erneuerung von Bären- und Waisenhausplatz realisiert werden soll, vorerst jedoch zugunsten desBundesplatzes um drei bis vier Jahre zurückgestellt wird. Für den Casinoplatz sind Erweiterungen geplant; hier soll eine Lösung für diegegenwärtig noch auf dem Bundesplatz abgestellten Autos gefunden werden.
Der Garten als Bühne
Die Zürcher Landschaftsarchitekten Rotzler und Krebs
In elfjähriger Zusammenarbeit entwarfen die Zürcher Landschaftsarchitekten Stefan Rotzler und Matthias Krebs verspielt-humorvolle Gärten für Ausstellungen und Bildungszentren, aber auch sparsam-strenge Hof- und Umgebungsgestaltungen für Geschäftshäuser und hainartige Aussenräume für Wohnanlagen und Privathäuser.
Seine Diplomarbeit hatte Stefan Rotzler über das Zürcher Kasernenareal geschrieben, eine attraktive, gegenwärtig durch provisorische Gefängnisbauten beeinträchtigte Grünfläche inmitten der Stadt. Danach erhielt er einen Auftrag, der sein weiteres Werk nachhaltig beeinflussen sollte: Ernst Cramer, ein grosser Erneuerer der Schweizer Landschaftsarchitektur der Nachkriegszeit, gab 1980 dem jungen Gestalter Gelegenheit, sein letztes Werk zu vollenden. Nach Cramers Tod begann Rotzler dessen Nachlass aufzuarbeiten und betätigte sich gleichzeitig beim Zürcher Gartenbauamt als Freiraumplaner. Seit 1982 führt er ein eigenes Büro und arbeitet seit 1990 mit Matthias Krebs zusammen. Einer breiteren Öffentlichkeit machte sich Rotzler 1986 mit dem Irrgarten auf der Zuschauerterrasse des Flughafens Zürich Kloten bekannt. An einem Drahtgeflecht aus rechtwinklig aneinander stossenden Labyrinthgängen rankten sich Efeu und verschiedene Clematisarten empor. Wie in der Barockzeit dient der Irrgarten der Zerstreuung und dem Amusement der Besucher und lässt etwas von den «schildkrötenartigen Topiaries» erahnen, die Rotzler und Krebs 1992 in drei Innenhöfen eines Bürohauses in Winterthur verwirklichten. Ein Skelett aus Metallrippen überwölbt die ellipsenförmigen mit Buchs und Eibe gestalteten Pflanzenkörper und lässt sie ebenso futuristisch wie verspielt erscheinen.
Pflanzenbänder und offene Flächen
Nicht zuletzt im vergleichsweise kleinen Raum des Einfamilienhausgartens lassen sich die Gestaltungsgrundzüge von Landschaftsarchitektur ablesen. Das Privathaus Hunziker in Dietikon liegt auf einem flachen, gegen den nahen Wald steil abfallenden Grundstück. Der von Rotzler und Krebs kürzlich fertiggestellte Garten breitet sich als offene Fläche wie eine Bühne vor dem Wohnzimmer aus, lediglich unterbrochen von wenigen Pflanzbeeten, einem Schwimmbad und zwei Skulpturen. Ein dichter Grüngürtel aus laubabwerfenden und immergrünen Sträuchern, davor ein elegant geschwungener Saum aus Gräsern und Farnen fassen die Rasenfläche ein. Wie Requisiten liegen die Pflanzbeete im Gras beziehungsweise im Kies, gerahmt von breiten Sandsteinbändern und parallelen Reihen aus geschnittenem Buchs als Dekorationselement. Die sparsame Inszenierung schafft Blickachsen und leitet das Auge zu den eingestreuten Pflanzenthemen. Auf einer tiefer liegenden Ebene nehmen Rhododendronsträucher in einer Kiesfläche das Thema der Pflanzbeete wieder auf. Solche Tröge und Beete spielen im Werk der Landschaftsarchitekten eine nicht unwesentliche Rolle, sie lassen sich mosaikartig zusammenfügen oder strukturieren als farbige Punkte eine monochrome Fläche.
Die im vergangenen Jahr fertiggestellte Umgebungsgestaltung des Bildungszentrums eines Versicherungskonzerns am Zürichberg stellte Rotzler und Krebs vor eine weit komplexere Aufgabe, bestehen die verschiedenen Gebäudeteile doch aus den denkmalgeschützten Bauten der ehemaligen Bircher-Benner-Klinik und einem geschwungenen modernen Betonbau, der sich gegen eine Terrasse mit Wasserbecken und einen neu zu gestaltenden Garten öffnet. Der trichterförmig abfallende Hang, der entlang des Wolfbaches mit dem dazugehörenden Waldgürtel verläuft, inspirierte sie zu hangparallelen Gestaltungselementen (Baumreihen mit Birken und kastenförmig geschnittenen Linden), aber auch zu konkav und konvex geschwungenen Hainbuchenhecken. Farbig gerahmte Öffnungen zwischen den Hecken, die wie «knallige Bonbons» im strengen Grün wirken, weisen auf die Vorliebe für skulpturale Gestaltungselemente und auf den spielerischen Umgang mit Assoziationen und Versatzstücken. Hecken und Tore schaffen Enge und Weite, Spazier- und Meditationsräume. Im Naturraum Garten thematisieren sie die absolute Künstlichkeit und schaffen Übergänge und Spannungen, verbinden Horizontalen und Vertikalen.
Im oberen Teil der Anlage, zwischen dem ehemaligen Klinikbau und der Arztvilla, integrieren die Landschaftsarchitekten sorgfältig die Spuren der Vergangenheit in ihre Gestaltung, so bleiben ein hölzerner Pavillon und ein Gedenkstein ebenso an ihrem Platz wie majestätische alte Nadelbäume. Dazwischen schwingen sich aus der Rasenfläche imposante, in Metall gefasst Tröge empor, die mit ihrer Bepflanzung farbige Flecken bilden und eine strukturierende Wirkung haben. Ihre mehr oder weniger stark geneigte Oberfläche parodiert gleichsam die Hanglage des Grundstücks und nimmt das Bühnenthema wieder auf.
Räumliche Verschachtelungen
Bei der Neugestaltung von Plätzen und Gärten um die Suva-Rehabilitationsklinik im aargauischen Bellikon versuchten die Landschaftsarchitekten mit subtilen, ineinander verzahnten Pflanzenteilen, mit spiegelnder Wasserfläche, Baumreihen, verschiedenen Kiesflächen, Hecken- und Grasbändern die massige Architektur aufzubrechen. Die 1998 fertiggestellte Anlage wird vor ihrer Eingangsfront von einem «Platz im Platz», einer von einem Wasserband gefassten Insel, geprägt. Ein Lichtband entlang des Beckens sorgt für nächtliche Effekte. Der mit schattenspendenden Schnurbäumen bepflanzte innere Hof dient gleichzeitig als sommerliche Cafeteria. Die Terrassen vor den einzelnen Klinikteilen prägen verschiedene, teils teppichartig verwobene, teils in rhythmischen Streifenmustern angelegte Gärten, während auf der Gebäuderückseite die offene Spielwiese den Blick in die Landschaft lenkt. Entlang des Gebäudes verläuft ein Band aus Pampasgras und Chinaschilf, den beiden «Ikonen des Einfamilienhausgartens aus den fünfziger Jahren», die in Massen angepflanzt sehr wirkungsvoll sind. «Verrückte, unmögliche Pflanzenthemen fordern uns heraus», meint Matthias Krebs und verweist auf die mit Erdbeerstauden unterpflanzten Eschen oder den von kriechendem Wacholder überwachsenen Treppenlauf.
Einen andern Umgang mit dem Freiraum zwischen Gebäudeteilen zeigen die hainartigen Baumpflanzungen beim Wohnpark Melchrüti in Wallisellen. Die verschiedenen Baumarten stehen zum Teil sehr nahe an den Häusern und ergeben ein verschlungenes, zufällig und natürlich wirkendes Muster. Steinerne Terrassenmäuerchen und Schlängelwege erschliessen diesen «heiligen Hain», dem etwas archaisch Wildes und südländisch Heiteres anhaftet.
Rotzler und Krebs lieben es, mit Versatzstücken zu spielen, gängige Sehgewohnheiten in Frage zu stellen - etwa mit ihrem «Schweizer Garten» auf der Internationalen Gartenausstellung von 1999 in Zürichs chinesischer Partnerstadt Kunming oder mit dem Projekt «Augenweide» für die Bundesgartenschau in Potsdam 2001. Potsdam als vom grossen Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert geprägtes Gartenreich forderte zu einem humorvollen Umgang mit dem historischen Erbe heraus, inspirierte Rotzler und Krebs zu einer künstlerischen Verfremdung traditioneller Weidewirtschaft. Die Bornstedter Feldflur, auf der die «Augenweide» inszeniert wird, wird durch farbige Weidezäune und grasende Tiere wie Schafe, Pferde und Kühe zu einer unspektakulären Kulturlandschaft gestaltet. «Denn erst die Tiere machen die Feldflur zu einer belebten Landschaft», glaubt Rotzler und verweist auf die englischen Landschaftsgärten, in denen weidende Tiere zur Inszenierung der Landschaft gehören.
Stefan Rotzler und Matthias Krebs schöpfen bei ihren Landschaftsgestaltungen aus dem Fundus der Traditionen, gehen indes mit dem Überlieferten frei um und übertragen es in eine zeitgemässe Bildsprache, die sie spielerisch und variantenreich zu präsentieren verstehen. Ihre Gärten und Interventionen in der Landschaft bleiben deshalb stets lebendig, erstarren nicht in einem einmal gefundenen Formenschatz.
Häuser wie Skulpturen
Peter Märkli im Architekturmuseum Basel
Abgesehen von einer kleineren Schau im Zürcher Architekturforum vor rund zehn Jahren fand das Werk des eigenwilligen, in Zürich arbeitenden Architekten Peter Märkli bis anhin kaum eine breitere Öffentlichkeit. Das Architekturmuseum Basel versucht jetzt mit einer grosszügig angelegten Präsentation von Märklis Schaffen diese Lücke zu schliessen. Noch fehlt allerdings ein Katalog, der das Gezeigte festhält - zu hoffen bleibt, dass dieser nachgeliefert wird.
Drei unterschiedliche Elemente bilden das Gerüst der Ausstellung. Zum einen sind dies grossformatige Abbildungen von gebauten Häusern mit dazugehörenden Skizzen und Plänen, zum andern ein Konvolut von einzigartigen, freien Zeichnungen. Diese beschäftigen sich mit den Grundfragen der Proportionen in der Architektur, mit Schattenwurf und Lichteinfall im Raum, mit Details zu Wand- und Fensteröffnungen, zu Dachabschlüssen und Fassaden sowie mit dem Verhältnis vom Gebäude zu seiner Umgebung, zur freien Landschaft. Märkli entwirft in diesen faszinierenden Zeichnungen jedoch auch farbige Häuser, die wie auf Wolken zu schweben scheinen und in ihrer Verspieltheit mitunter fast schon an Kinderzeichnungen erinnern. Oder er gestaltet strenge Würfel mit gestreiften Fassaden, aber auch orientalisch anmutende Türmchen und Bogenabschlüsse. Diese auf jeder der vier Etagen des Museums in Bilderrahmen seriell präsentierten Studienblätter sind kleinmassstäblich wie die Kartonmodelle im Eingangsgeschoss und geben das Suchen, das Nach-Formen-Ringen in der Arbeit des Architekten wieder.
Den dritten Pfeiler der Ausstellung in Basel bilden in Tischvitrinen präsentierte, grossformatige, meist in Kohle ausgeführte Entwürfe von Wettbewerbsprojekten oder Einfamilienhäusern, wie etwa dem zurzeit im Bau befindlichen Einfamilienhaus in Azmoos, Kanton St. Gallen, mit seiner auffallenden, in schwarz-weissen Quadraten gestalteten Fassade. Interessant sind die städtebaulichen Studien im dritten Ausstellungsgeschoss, zum Beispiel für Reihenhaussiedlungen in den Zürcher Gemeinden Uitikon Waldegg und Fehraltorf. Wie bei einem verästelten Baum reihen sich dort die Baukörper in Zeilenbauweise aneinander, während der Entwurf für das Zürcher Röntgenareal von 1990 einen Riegel mit Hochhäusern und dahinter liegenden Wohnbauten vorsah.
Das Eingangsgeschoss der Ausstellung ist Peter Märklis wohl berühmtestem Werk, «La Congiunta», am Dorfrand von Giornico in der Leventina von 1992 gewidmet. 1995 wurde dieser archaisch anmutende Kunsttempel mit einem Preis im Wettbewerb «Neues Bauen in den Alpen» ausgezeichnet. Der Bau gehört zu den wichtigsten Werken der jüngeren Schweizer Architektur und sicher zu den unabdingbaren Stationen einer Architekturreise durch unser Land. Der fast klösterlich anmutende Innenraum dient als Hülle für die Halbfiguren und Reliefs des Bildhauers Hans Josephson, einer wichtigen Bezugsperson des Architekten. Dem Besucher dient der elementare Raum mit den rohen Betonwänden indes auch als Ort der Ruhe und Besinnung, als Ort der Zwiesprache mit den Kunstwerken, die ihrerseits in den Dialog mit der Architektur eingebunden sind. In seiner radikalen, an die Romanik erinnernden Formensprache wird der hermetisch wirkende Betonbau zur Skulptur in der Tessiner Landschaft und gibt das Grundsätzliche von Märklis Architektursprache wieder.
Der 1953 geborene und an der ETH in Zürich ausgebildete Baukünstler nimmt innerhalb der etablierten Architekturszene seit je einen besonderen Platz ein. Sein frühes Einfamilienhaus in Trübbach-Azmoos von 1981/82 fällt durch einen Säulenportikus, den Dachfries und vor allem durch die in pompejanischem Rot eingefärbte Betonfassade auf. Der durch eine Doppeltreppe erschlossene Aufgang nimmt das antikisierende Thema erneut auf und verweist auf Märklis Auseinandersetzung mit der Architektur der Antike und der Renaissance. Das Thema der Säule zieht sich wie die rote Farbe durch das Werk des Architekten. Im neuen Einfamilienhaus in Erlenbach von 1997 etwa werden die Säulen in rote Wandschieben umgedeutet, die ebenfalls eine Stützfunktion einnehmen.
Zahlreiche Zeichnungen in der Basler Ausstellung dokumentieren Märklis Versuche mit Stützelementen; im Mehrfamilienhaus in Sargans von 1986 tauchen sie als unregelmässig über die ganze Fassade verteilte Halbpfeiler wieder auf. In Walenstadtberg baute der Architekt 1991/92 und 1999 eine ehemalige Hoteldépendance um und setzte sich dabei mit dem Baustoff Holz auseinander. Seine Ergänzungen der gedrechselten Verandaelemente biedern sich nicht an die alte Bausubstanz an, sondern thematisieren die zeitgenössisch gradlinige Formensprache. Beispiele für die kistenartigen Betonwohnbauten des Architekten sind das kompromisslose Einfamilienhaus in Grabs von 1995 und das frühe Einfamilienhaus in Winterthur Seen von 1987. Bei diesem fallen halbrunde, palladianische Fensteröffnungen auf, die etwa in der zum Haus gehörenden, hohen Schwimmhalle für einen besonderen Lichteinfall und eine asketisch klösterliche Stimmung sorgen. Hier wie anderswo placierte der Architekt ein Wandrelief von Hans Josephson und deutete damit auf die enge Verbundenheit von Baukunst und bildender Kunst hin: Märklis architektonische Abstraktionen visualisieren einen strengen Schönheitsbegriff und fordern Architekt und Bauherrschaft gleichermassen heraus.
Jenseits des «White Cube»
Kreative Räume für die Kunst in Vaduz
Der kürzlich eröffnete, aufsehenerregende Neubau des Kunstmuseums Liechtenstein, ein edler monolithischer Baukörper, der im Innern mit zurückhaltenden, sich ganz den Kunstwerken unterordnenden Sälen aufwartet, war für die Kuratoren Anlass, über mögliche architektonische Hüllen für die Kunst nachzudenken, über ungewohnte Orte und Zusammenhänge jenseits des klassischen Museumsbaus. In der Ausstellung «Zwischenräume - Architekturen für die Kunst» im Engländerbau in Vaduz werden fünf Projekte von vier internationalen Architekturbüros und Architektengemeinschaften vorgestellt, die in den vergangenen zehn Jahren realisiert wurden. Das Spektrum der mit Fotos, Plänen und Modellen visualisierten Räume reicht dabei von kaum sichtbaren architektonischen Eingriffen in ein Industrie- oder Dienstleistungsgebäude bis zum Neubau für einen privaten Sammler oder zur temporären Ausstellungsarchitektur für eine Film- und Videoausstellung in einer Kulturmehrzweckhalle. Eine Text- und Bilddokumentation am Schluss der sorgfältig erarbeiteten Schau zeigt auf, dass ungewohnte Orte der Kunstpräsentation, wie etwa eine Tiefgarage oder ein Lagerschuppen, keine Erfindung unserer Zeit sind, sondern schon seit den fünfziger Jahren von der Künstler-Avantgarde, von Fluxus und Arte povera gepflegt wurden.
Das deutsche Büro Internat (Frank Boehm/ Wilfried Kühn) setzte für den Berliner Init-Kunstverein 1998 einen ehemaligen Supermarkt als temporären Ausstellungsort mit einfachen Mitteln in Szene. Ein Pultkörper für den Empfang und eine aus gemasertem Holzimitat gestaltete, geschlossene Klubbar unterteilen den Raum, der ansonsten mit seinen Neonröhren, den stützenden Pfeilern und Industriebodenplatten kaum verändert wurde. Ein anderes Verfahren wendete das Büro bei der Verwandlung eines ehemaligen Autosalons in Frankfurt in eine Galerie an: Der Raum wurde unterteilt und ausgekleidet, gleichsam als autonomer Einbau in die gegebene Raumstruktur entwickelt. Besonders schön präsentiert wird in der Ausstellung der für 2001 geplante, fast klösterlich hermetische Neubau des Wiener Architekten Gerold Wiederin für ein Privathaus mit Ausstellungstrakt in Budapest. Die Anordnung der langgezogenen Baukörper um einen Hof mit Obstgarten nimmt die traditionelle Zeilenbebauung auf. Der äusseren Reduktion der Gebäude antworten im Innern bis zum Giebel offene Volumen. Vor zehn Jahren wurde in Genf der Umbau eines ehemaligen mehrgeschossigen Industriegebäudes in ein Museum für Gegenwartskunst in Angriff genommen. Erwin Oberwiler, Michel Buri und Serge Candolfi, die Architekten des Mamco, unterteilten die offenen Räume in Zellen aus demontierbaren Holzwänden, die von einem langen Gang erschlossen werden. Neben Konstruktionsdetails der Holzmodulelemente zeigt die Dokumentation den eindrücklichen Weg einer Industriehülle zu einem Museum.
Blumenwiesen und Gärten auf Rädern
Das zweite internationale Gartenfestival in Lausanne
Vor drei Jahren hatte in der Waadtländer Metropole zum ersten Mal ein Gartensommer stattgefunden. Einheimische und Touristen konnten von den Altstadtplätzen mit ihren engen Gassen bis hinunter nach Ouchy Gärten auf Zeit, Eingriffe in bestehende Grünräume oder auch bleibende grüne Rückeroberungen wie das Blumenband entlang der Metrolinie hinunter zum See erforschen. Ermutigt vom damaligen Erfolg, beschloss die veranstaltende Association Jardin urbain zusammen mit der Stadt Lausanne, das Experiment zu wiederholen und unter dem Titel «Lausanne Jardins 2000» im vergangenen Jahr einen Ideenwettbewerb für Landschaftsarchitekten, Künstler und interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaften zu lancieren. Diesmal sollte sich die Veranstaltung auf vier Gebiete konzentrieren, die sich sowohl im Zentrum wie auch an der Peripherie der Stadt befinden. Die gewählten Orte - die parkartige Esplanade de Montbenon, das historische Flon-Quartier mit seiner kleinteiligen Gewerbestruktur, der Hügel von Montriond mit dem Botanischen Garten und der alte Friedhof der Domäne Bois-de-Vaux - sind Zeugen verschiedener Epochen der Stadtentwicklung und gleichzeitig zentrale Orte der heutigen Stadt.
Vier Orte - vier Themen
Wie das Festival du jardin urbain von 1997 zeigt auch Lausanne Jardins 2000, wie sich die traditionelle, vielfältig genutzte Grünzone, der unspektakuläre, bisweilen gar vernachlässigte städtische Lebensraum, die verkehrsumtosten Bebauungen oder heuer erstmals der sensible Ort des Gräberfeldes mit den Mitteln zeitgenössischer Gartenkunst verändern lassen. Zwar sind manche der gestalterischen Eingriffe weniger spektakulär, eher stiller, nachdenklicher als vor drei Jahren. Dennoch vermitteln viele der 29 von Gestaltern aus Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und der Schweiz entworfenen Gärten einen spielerischen, lustvoll üppigen, kargen, besinnlichen oder verschlüsselt hintergründigen Eindruck. Man wandelt gerne durch die vier mit städtischen Autobussen untereinander verbundenen Orte, lässt sich von den jeweils einem Thema zugeordneten Zentren inspirieren, etwa den städtischen Perspektiven auf der Plate-forme du Flon, dem Garten und dem Tod im Friedhof von Bois-de-Vaux oder dem mit Blick auf See und Berge ausgerichteten Reisethema auf der Esplanade de Montbenon. Am wenigsten vermögen einige der «jardins hors du monde» auf dem Hügel von Montriond zu überzeugen, die mit comicartigen, schwer verständlichen oder kaum sichtbaren Eingriffen aufwarten. Eine Ausnahme bildet am Fuss des Hügels «La chenille» ein hundert Meter langer Tunnel, der mit stark wachsenden afrikanischen Kürbissen bepflanzt ist und am Ende des Sommers die Form einer grüngelben Raupe annehmen wird.
Um den Einsatz für die «Förderung der städtischen Gartenkultur» zu würdigen und andere Städte zu ermuntern, «über ihre grünen Inseln nachzudenken», wird Lausanne Jardins 2000 vom Schweizer Heimatschutz im September den diesjährigen, mit 50 000 Franken dotieren Schulthess-Gartenpreis erhalten.
Einen eigenwilligen Auftakt zur Gartenschau bildet der Beitrag des Künstlers Jean Scheurer, der dreizehn SBB-Güterwagen in rollende Gärten verwandelt hat. Neben Wildgras und Ackerbegleitpflanzen gedeihen auf den Wagen Tabak und Bananenstauden. Während einige der Wagen zwischen verschiedenen Schweizer Städten hin und her rollen, bietet der Bananenwagen auf einem Abstellgleis inmitten des geschäftigen Lausanner Bahnhofs einen erheiternden, leicht versponnenen Anblick. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung rollte der ganze Gartenzug in den Lausanner Bahnhof ein - man glaubte sich in frühere Zeiten versetzt, als noch unbekannte Pflanzen unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung ihren Einzug in die Botanischen Gärten hielten. - Eine der schönsten Installationen in Lausanne erarbeitete das einheimische Büro Paysagestion zusammen mit dem Plastiker Jean-Claude Deschamps. Auf der Esplanade de Montbenon errichteten sie einen auf die Weite des Genfersees ausgerichteten Steg, von dem aus man auf ein wogendes Meer aus Gerstengräsern, Mohn- und anderen Blumen blickt. Der Steg imitiert eine Mole, an deren Ende sich ein Tor öffnet und leises Plätschern ab Tonband zu vernehmen ist. Dieser Gräsergarten nimmt die Weite der umgebenden Landschaft mit See und Bergen auf, verleitet zum Träumen und zeigt die Möglichkeit, inmitten der Stadt ein Stück «ungezähmter» Natur zu haben.
Die Gärten und der Tod
«Le jardin de Deukalion» nennt der Künstler Daniel Schlaepfer seinen japanisch inspirierten Stein- und Kiesgarten in einer engen Seitengasse des Flon-Quartiers, das nach langem Dornröschenschlaf seit den achtziger Jahren zu neuem Leben erwacht. In den Schattenkonturen von drei grossen Steinen, wie sie sich um die Mittagszeit einstellen, pflanzte der Künstler Sternmoospolster. Dieses spärliche Grün wird nachts von einem virtuellen Garten abgelöst, wenn mittels Filmprojektionen wogende Bäume und Blätter auf den Steinen erscheinen. Die dazugehörenden Töne verwandeln sich nach und nach in Stimmen und Gesang. Auch die auf einer Linie von abfallenden Dächern alter Garagen angelegten Gärten aus Kapuzinerkresse und dunkelroten Duftwicken der Tessiner Landschaftsarchitektin Francesca Kamber Maggiani gehen in besonderer Weise auf den Ort ein, sind sie doch von oben von der parallel dazu laufenden Strasse aus gut einsehbar. Die Idee der barocken Parterregärten, die nicht zum Flanieren, sondern vorab zum Betrachten angelegt wurden, wird hier in origineller Weise für einen etwas heruntergekommenen Ort nutzbar gemacht. - Der vom Architekten Alphonse Laverrière zwischen 1922 und 1954 in strenger Symmetrie realisierte Friedhof von Bois-de-Vaux ist eine der schönsten Gartenanlagen der Stadt. Die hier für das Festival auf Parzellen mit aufgehobenen Gräbern verwirklichten Gärten, die bestehende Bäume, Hecken und kreuzweise angelegte Wege mit einbeziehen, gehören zu den überzeugendsten von Lausanne Jardins 2000. In «La blanche envolée» arbeitet das Pariser Atelier Tangentes mit weissen, im Wind flatternden Tüchern, die über Rasenfeldern und Bahnen aus grünem Tabak, Euphorbien, Fenchel und Salat aufgehängt sind. Die luftige Inszenierung mit Licht- und-Schatten-Spielen auf den transparenten Tüchern und Pflanzen machen diesen Garten der Erinnerung zu einem fröhlichen Ort.
Einen anderen Weg in der Auseinandersetzung mit dem Tod geht der Winterthurer Landschaftsarchitekt Werner Rüeger, der zusammen mit Theo Spinnler und Julie Dové mit den steinernen Einfassungen leerer, grasbewachsener Gräber arbeitet und diese jeweils mit einem innen schwarz lackierten Regenwasserbecken ergänzt. Auf dem grossen Gräberfeld wurden nur einzelne Gräber zur Formung dieses Gartens stehen gelassen, dazwischen wächst wieder Gras. Die zu den Gräbern gehörenden Grabplatten liegen aufgeschichtet in der Mitte des Feldes, von wo Tiergeräusche des Lausanner Duos «Les Nouveau Monstres» nach draussen dringen. Den Schöpfern von «La présence de l'absence» gelingt es, mit wenigen Eingriffen einen Ort zu verfremden und gleichzeitig an seine ursprüngliche Funktion als Friedhof zu erinnern.
[Die Ausstellung Lausanne Jardins 2000 dauert bis zum 17. Oktober. Gleichzeitig finden zahlreiche Begleitveranstaltungen statt: unter anderem eine Ausstellung über die Geschichte der Schweizer Gartenschauen (vom 6. September bis zum 15. Oktober) sowie ein internationales Symposium über Gartenkunst vom 15. bis zum 17. September. Auskünfte über Tel.: (021) 323 07 57 oder Fax.: (021) 323 07 21.]
Durch Wegschneiden zum Wesentlichen
Die Badener Landschaftsarchitekten Zulauf und Partner
Einfamilienhausgärten, öffentliche Anlagen und die Umgebungsgestaltung von Industrie- und Bürobauten bilden das breite Betätigungsfeld des Badener Landschaftsarchitekturbüros Zulauf und Partner, das in jüngster Zeit vor allem durch ungewöhnliche, zeichenartige Parkanlagen von sich reden machte.
Als Grundlage seiner Arbeit bezeichnet Rainer Zulauf im Gespräch die Kultur oder Kunst des «Kire». Das japanische Wort Kire bedeutet Wegnehmen, Wegschälen. Erst durch den Schnitt, der das Wesentliche vom Unwesentlichen trennt, wird etwas schön. Der Landschaftsarchitekt meint damit, dass mit dem Eingriff in eine Landschaft gleichsam ihre Natürlichkeit abgeschnitten wird, das heisst: durch die Abstraktion wird das Wesentliche der Landschaft oder des Gartens erst lesbar. Von der Architektur - handle es sich dabei um ein Museum, ein Bürogebäude oder ein Wohnhaus - und ihrem Umfeld versucht er, das Wesentliche zu erfassen und so die Grundlage für die dazugehörende Landschafts- oder Gartengestaltung zu formulieren. Besonders wichtig ist ihm die Frage nach dem Räumlichen: Wie kann ein Raum spannungsvoll gestaltet werden? Gartenarchitektur ist für Zulauf die Umsetzung eines Aussenraumes in Farbe und Form.
Wasser und Gartenhöfe
In Arbeiten des privaten und öffentlichen Raumes geht es den Badener Landschaftsarchitekten nicht darum, spektakuläre Eingriffe oder Bauten zu schaffen und damit Kontrapunkte zur Architektur zu setzen. Die Interventionen sollen im Gegenteil wie selbstverständlich wirken, eine Vorgabe, welche zum Beispiel die einfachen Bodenzeichnungen in Form von Wegen aus Betonplatten, Asphaltstreifen und Kies im historischen Park des Stadtkasinos Baden anschaulich einlösen. Für die in verschiedenen Etappen bis 1997 fertiggestellte Anlage erarbeiteten Zulauf und Partner als erstes ein langfristiges Leitbild, vergleichbar einem «Parkpflegewerk», das den mit zahlreichen Rabatten und Einbauten «möblierten» Park «entrümpeln» sollte. Ziel war es, durch sparsam eingefügte neue Elemente die alten Parkbäume wieder in ihrer raumbildenden Wirkung zur Geltung zu bringen. Die horizontalen Wegbilder und Platzgestaltungen wurden an ausgewählten Orten gleichsam in den Park gelegt. Neue Pflanzungen von Reihen seltener Bäume ergänzen den dendrologisch wertvollen Baumbestand. Mit den Jahren werden die Eingriffe kaum mehr als solche wahrnehmbar sein, der Park wird als gewachsenes Ganzes wirken.
Einen aus unterschiedlichen Höfen bestehenden Garten zu einem ungewöhnlich transparenten Betonhaus der Architekten Peter und Christian Frei im aargauischen Buchs realisierten Zulauf und Partner 1998. Die enge Zusammenarbeit mit den Architekten lässt die Farben und Materialien von Haus und Garten wie aus einem Guss erscheinen. Bei der Anlage von Einfamilienhausgärten versuchen die Landschaftsarchitekten aus den Vorstellungen der Bauherrschaft ein Grundmotiv, eine Grundfarbe herauszulesen, um ihre Gestaltung darauf aufbauen zu können. Grundfarben von Belägen und Bepflanzung sind in diesem Fall verschiedene Abstufungen von Grün, die von einem bläulichen Grün der Platten- und Kiesflächen aus Walliser Quarzit über das gelbliche Grün des Laubs der Gleditschienbäume bis zum satten Grün der Irisblätter und Grashalme reichen. Zusammen mit den Wasserflächen, die das Haus umgeben, sind alle horizontalen Teile wie Rasen und Beläge grün und bilden eine fein abgestimmte Ergänzung zum hellen Grau des Betons, der sich durch eine gleichsam seidige Oberfläche auszeichnet. Aus dem schwebenden grünen Teppich von Wasser und Rasen wachsen blaue und weisse Iris sibirica, Beetrosen und im Sommer farbenfrohe Stauden. Aus harten und weichen Belägen, ja sogar aus einem Behälter im Wasser ragen mehrere hohe, elegante Gleditschienbäume empor, deren Blätter als Besonderheit im Austrieb gelb gefärbt sind.
Dominiert auf der Eingangsseite des Hauses das Wasser, öffnet sich der Bau auf der Südseite zu einem mediterranen Garten, den eine geschichtete Trockenmauer abschliesst. Als Vorbild nennt Rainer Zulauf den Ryoan-ji-Tempelgarten in Kyoto, dessen geharkte Sandfläche mit den berühmten Steinsetzungen ebenfalls von einer Mauer begrenzt wird. Verschiedene Kübelpflanzen, Yuccas, Königskerzen, Thymian und duftende Polster beherrschen diesen Gartenhof. Ein Betonbrunnen im Osthof und ein Schwimmbecken auf der Westseite lassen das Thema Wasser dominant erscheinen; auf zwei Seiten markiert es gleichsam den höchsten Punkt des Gartens. Die Flächen von Schwimmbecken und Teich wurden bewusst nach vorne an die Kante gesetzt, von wo sich der Blick in die Landschaft öffnet. Das Haus selbst, dessen Zugang durch eine Betonbrücke erschlossen wird, schwebt über dem Wasser, das nicht zuletzt als Spiegelfäche dient.
Schon vier Jahre zuvor, 1994, hatten sich die Landschaftsarchitekten bei der Gestaltung eines Einfamilienhausgartens in Solothurn von der japanischen Kultur des Reduzierens und Abstrahierens leiten lassen. Eine Wasserrinne, die sich in ein Becken ergiesst, Föhrengruppen mit charakteristisch knorrigen Stämmen, ein Bambushof, Betonplatten- und Rasenflächen sowie ein Kiesbeet mit Sumpfpflanzen bilden das Gerüst des Gartens, der sich in einen offenen, überschaubaren und einen verborgenen Bereich gliedert.
Stadt- und Museumsparks
Zusammen mit der Architektin Sabine Hubacher und dem Bildhauer und Architekten Christoph Haerle gewannen Zulauf und Partner 1997 den Wettbewerb für den Oerliker Park, einen von vier geplanten Freiräumen für das neue Stadtzentrum Zürich Nord. Das Projekt, das sich in der Realisierungsphase befindet, sieht einen zweigeteilten Baumkörper mit eingeschriebener Lichtung vor, die als Klammer zwischen den beiden Parkteilen dient. Eine Brunnenanlage und ein Pavillon laden zum Verweilen auf der Lichtung ein. Ein Aussichtsturm wird die nach und nach ein geschlossenes Dach bildenden Baumkronen durchbrechen und die Vertikale markieren. Die vorgesehenen fünfhundert Eschen und gleich vielen anderen Bäume sollen sehr eng gepflanzt und später ausgedünnt werden, damit ein lichter Wald entsteht, durch den die Parkbesucher lustwandeln können. Die Idee eines Wäldchens als Parklandschaft ist ungewöhnlich, entspricht sie doch kaum den gängigen Vorstellungen eines Stadtparks. Ein - wenn auch künstlich angelegter - naturnaher Freiraum soll etwas von der einstigen Wildnis in das Wohn- und Arbeitsquartier hereinholen.
Mit dem nördlich von Osnabrück gelegenen archäologischen Museumspark Kalkriese realisieren Zulauf und Partner in Zusammenarbeit mit den Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer ein Projekt, das Teil der Weltausstellung Hannover 2000 sein wird. Archäologen fanden in diesem Gebiet das historische Schlachtfeld der Varusschlacht, in der drei römische Legionen vom Germanenfürsten Arminius (Hermann) vernichtend geschlagen wurden. Das L-förmige, mit rostigen Stahlplatten verkleidete Museum mit seinem hohen Turm und der Park werden in einem 20 Hektaren grossen Teilbereich des 17 Kilometer breiten Schlachtfelds gebaut. Ein zurückhaltendes Denkmal, gleichsam eine «Zeichnung in der Landschaft mit Waldinseln», wollen Zulauf und Partner gestalten. Die römischen Legionäre gerieten zwischen einer Wallanlage am Kalkrieser Berg und einer Moorfläche in einen natürlichen Engpass. «Der Weg des Römers» wird von den Landschaftsarchitekten mit rostigen Stahlplatten nachgezeichnet, der germanische Wall mit unterschiedlich dicht gesetzten eisernen Stelen. Um die Landschaft so zu zeigen, wie sie hätte sein können, werden grosse Waldpartien gerodet und an anderer Stelle, etwa entlang des Walls, wieder aufgeforstet. Als weiteres Element bauen die Landschaftsarchitekten eine von Eisenplatten gerahmte, wie ein Fenster wirkende, abgesenkte Landschaft, welche die Spuren der Schlacht mit Sumpf, Rasenmauer und Eichenwald zeigt.
Der Garten als Gefäss
Der Oerliker Park liegt über einem durch Altlasten verseuchten Gebiet und markiert so gleichsam eine Grenze, einen Raum gegen unten, wodurch er dem Ursprung des Gartens als «hortus conclusus» nahekommt. Das Thema des abgeschlossenen, umgrenzten Gartens variiert das Büro Zulauf und Partner in verschiedenen Arbeiten, etwa auf dem Areal der ABB-Immobilien in Baden, wo verschiebbare, mächtige Stahlbehälter mit einheimischen Sträuchern und Kleinbäumen bepflanzt werden. Diese erhalten genügend Platz, um sich üppig zu entwickeln, und sollen einen etwas wilden, ungezügelten Anblick bieten. Die Pflanzengefässe sind eine ehrliche Alternative auf einem Platz, der später möglicherweise überbaut oder umgestaltet wird.
Für die neuen Verwaltungsgebäude des Kantons Zug, die auf einer Art Campus angeordnet sind, entwickelten die Landschaftsarchitekten zusammen mit Christoph Haerle blaue, sackartige «Gewebecontainer», die, mit Erdsubstrat gefüllt, wie eine pralle Mischung aus plasticummantelten Heuballen und Energiekugeln wirken. Die Säcke werden nicht mit exotisch schönen, sondern mit gewöhnlichen, besonders vitalen Gewächsen bepflanzt. Diese sollen die Container mit der Zeit überwuchern, am Boden Ausläufer treiben und durch ihr Blühen und Verwelken den Charakter des Areals prägen. Schotterrasen und Asphalt bilden den Untergrund für den witzig spielerischen «Containerpflanzengarten».
Gartenkunst zwischen Bewahren und Neuerfinden
Der Schweizer Landschaftsarchitekt Guido Hager
Mit neuen Interventionen in historischen Parkanlagen und zeitgenössischen Weiterentwicklungen von vorhandenen, aber auch mit modernen Gartengestaltungen hat sich der Zürcher Landschaftsarchitekt in den letzten fünfzehn Jahren einen Namen gemacht.
Ausgang für die Neugestaltung eines historischen Gartens oder Parks ist stets die Frage nach dem Vorhandenen, nach dem Schützenswerten der Anlage. Für den Landschaftsarchitekten steht der «Ort» im Mittelpunkt seiner Überlegungen, wobei die Entstehungszeit von Haus und Garten nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. «Ein Palais aus dem 18. Jahrhundert kann ebenso stimmungsvoll in einen Landschaftsgarten aus dem 19. Jahrhundert eingebettet sein wie in eine spätbarocke Parterreanlage», meint der Zürcher Landschaftsarchitekt Guido Hager. Er wehrt sich gegen das blosse Konservieren historischer Substanz, das einem Gartendenkmal oft seine Glaubwürdigkeit, seine Lebendigkeit nimmt.
Kloster- und Schlossgärten
Bei der Denkmalpflege hat er sich mit dieser Meinung nicht unbedingt beliebt gemacht, kritisiert er doch deren Bemühen, historische Gärten nicht nur instand zu halten, sondern in einen bestimmten - einmal angelegten - früheren Zustand zurückzuversetzen. Das Gartendenkmal verliert so das mit der Zeit Gewachsene, zum Beispiel alte Bäume, was seinen eigentlichen Reiz ausmacht. Gärten sind - wie die Pflanzen, mit denen sie gestaltet werden - immer lebendig und daher einem steten Wandel unterworfen. Die praktizierte Rekonstruktion historischer Gärten verwischt die Spuren von Alt und Neu, der Garten verliert an Echtheit, denn «das scheinbar Alte ist nicht alt, sondern rekonstruiert». Hager plädiert also für eine zeitgenössische Weiterentwicklung, ein Weiterdenken und Weitergestalten, gleichsam einen neuen schöpferischen Akt an einem Gartendenkmal, wie er es in den letzten Jahren in verschiedenen Beispielen verwirklicht hat.
Beim Garten des Herrenhauses in Grafenort wie beim Kleinen «Türligarten» in Chur schuf Hager aus der ehemals barocken, allerdings nicht mehr sichtbaren Substanz etwas Neues, das indes Themen aus dem 18. Jahrhundert wie Axialität, Perspektive und in Form geschnittene Hecken aufnimmt. Beim Herrenhaus Grafenort, dem Sommersitz der Benediktinermönche des Klosters Engelberg, entstand aus der von der historischen Gartenanlage übriggebliebenen, verwilderten Wiese eine Art modernes Parterre mit schachbrettartigen Blumengevierten auf einer gepflegten Rasenfläche. Ein Feld mit geschnittenen Eibenkegeln setzt dazu einen asymmetrischen Kontrast, während die beiden Terrassen von geometrisch geformten Buchshecken abgeschlossen werden. Beim Kleinen Türligarten in Chur war der Ziergarten ebenfalls lediglich als Fläche erhalten geblieben. Mit den Gestaltungsmitteln des Barocks, mit Bäumen zur Betonung der Blickachse, mit Blumenquadraten und einem Wasserspiel legte der Gartenarchitekt seinen asymmetrischen Entwurf in eine nüchtern moderne Kiesfläche. Der neue Garten spielt mit der ursprünglichen Typologie, er will ein «Ort der Ruhe und Kontemplation» sein.
Grosse und kleine Anlagen
Gegenwärtig ausgeführt wird die Neugestaltung des Blumen- und Feigengartens im Grossen Garten von Hannover-Herrenhausen, ein Projekt für die «Expo 2000». Der im Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Schloss verwüstete Blumengarten wird seine ursprüngliche Dreiteilung aus gebauter Zone, Parterre- und Boskettzone mit Linden wieder erhalten. Im Zentrum stehen die in den Kiesbelag eingefügten, in einem emailleartigen Muster bepflanzten Blumenbeete. Auf die Eiben, die früher das vertikale Element im Parterregarten darstellten, verzichtet Hager bei seiner Neuinterpretation. Die Vertikalen verkörpern für ihn heute «die Menschen, die im Garten herumspazieren». Beim ehemaligen Küchengarten werden Feigenbäume in grossen Kübeln stehen. Im Winter soll um die Töpfe herum jeweils ein Glashaus gebaut werden, ganz so wie dies vor dreihundert Jahren gepflegt wurde. Der Landschaftsarchitekt bedient sich also hier einer alten Tradition und lässt zu diesem Zweck das «Abschlagbare Feigenhaus» rekonstruieren.
Bei der geplanten Erneuerung des Restaurantgartens beim Château d'Ouchy in Lausanne sind zellenartige, in Rundform angeordnete, geschnittene Buchshecken vorgesehen, die frei auf Kies- und Rasenflächen stehen sollen. Beim Betrachten der Entwürfe fühlt man sich an die Gartenbilder des naiven Thurgauer Malers Adolf Dietrich erinnert. Als weiteres Element im Grossen Garten schwebt dem Gestalter eine zweistöckige Grotte vor, durch die das Wasser in ein Nymphäum fliessen wird. Zur rot gefärbten Grotte soll sich ein blauer Pavillon gesellen. Hecken, Brunnen, Grotte, Pavillon: Hager fügt die Gestaltungsideen vergangener Jahrhunderte in ungewohnten Formen und Farben in die Gärten ein.
Im privaten Garten des Landschaftsarchitekten, um ein Haus aus der Jahrhundertwende angelegt, spielt das Regenwasser eine zentrale Rolle: Von der Gartenhalle fliesst es in einer eleganten Rinne durch den leicht terrassierten Garten. Ein mit Seerosen bepflanztes Becken rahmt die zentrale Rasenfläche und funktioniert wie diese als grüner Spiegel. Pflanzen mit vielfältigen Blattstrukturen kontrastieren mit den horizontalen Flächen. Wasserbecken und -rinne werden von einfachen Beton- und Metallbändern gefasst, was ihre Gradlinigkeit betont. - Mit Wasser hat der Landschaftsarchitekt auch beim 1994 entworfenen Privatgarten Trösch in Feldmeilen gearbeitet, wo er ein mit Mosaiken ausgelegtes Badebecken entwarf, oder bei der Umgebungsgestaltung des Postneubaus in der Zürcher Binz (1988-94), wo er ellipsenförmige Wasserrückhalte- und Verdunstungsbecken anlegte. - Ist im Hausgarten die Anlage von einem zentralen Punkt, etwa dem Wohnzimmer oder einem Gartensitzplatz aus überschaubar, verwendet Guido Hager bei grossen Projekten eher Gestaltungstypen. Bei der Aussenanlage der Siedlung «Limmat West» in Zürich (1996-2000) arbeitet er mit den Eingangs- und Wohnhöfen. Den äusseren Streifen zur Limmat prägen eingestreute Pappeln und Weidenmulden, die einerseits als Spielorte in der Grünfläche dienen, anderseits Plätze sind, wo sich Spontanvegetation ausbreiten kann. Die Wohnhöfe sind mit Platten und Rasenstreifen ausgelegt. Grosse Wasserbecken schirmen die Privatbereiche voneinander ab. Private und öffentliche Sphären liegen in den Siedlungsgärten nahe beieinander und müssen deshalb gestalterisch voneinander getrennt werden.
In Berlin-Steglitz entsteht bis ins Jahr 2002 die Aussenraumgestaltung der Wohnanlage McNair, einer Siedlung mit insgesamt sechshundert Wohnungen. Zwei Meter hohe Buchenhecken schliessen die Reihenhäuser gegen aussen ab. Hager erzählt, dass diese Hecken in Berlin nach dem Fall der Mauer als Provokation empfunden würden und ausserhalb jeder lokalen Tradition stünden. Im Unterschied zu «Limmat West», wo die Wasserbecken als Leitmotive funktionieren, setzen hier verschiedene Baumarten Zeichen: Alle Strassen, alle Parkplätze, alle Sitz- und Spielplätze werden mit der jeweils gleichen Baumart, vom Ahorn bis zur Zierkirsche, bepflanzt. In den privaten Gartenhöfen sollen langsam wachsende Obstbäume einen Kontrapunkt dazu bilden.
Fliessende Übergänge
Beginnt die Beschäftigung mit einem historischen Garten stets mit Studien im Archiv und Bestandesaufnahmen vor Ort, nach denen dann ein «Parkpflegewerk» erarbeitet wird, so stehen bei der Gestaltung des modernen Privatgartens die Bedürfnisse der Benutzer im Vordergrund. Bei frei zugänglichen Anlagen in den Städten oder um Firmengebäude ist der Anspruch des Publikums diffuser, nicht genau bestimmbar, die Gestaltung muss vielerlei Anforderungen erfüllen. Guido Hager erkennt denn auch einen fliessenden Übergang zwischen historisch gewachsenen Anlagen, die durch kleinere oder grössere Eingriffe, wie etwa das Freischneiden von Blickachsen, saniert werden, und modernen Gärten, die mehr mit Zeichen und Typen arbeiten. Beide Arten der Gestaltung erfordern das kreative Potential des Landschaftsarchitekten, weswegen Hager «nie auf die Beschäftigung mit historischen Gärten verzichten» möchte.
Moderner Garten mit traditionellen Materialien
Arbeiten von Renato Lampugnani in der Innerschweiz
In Malters bei Luzern hat der Gartengestalter Renato Lampugnani das Geviert zwischen einem Haus aus der Jahrhundertwende und einer schlichten Remise in einen Garten verwandelt, der sowohl mit formalen Elementen - gradlinigen Kiesflächen, Plattenwegen, Mauern, Spalierwänden, Wasserbecken - wie mit der englischen Cottage-Garten-Tradition (einer Wildhecke und einem Wäldchen) arbeitet. Den Ausgangspunkt auf dem 1200 m² grossen Gelände bildete eine ehemalige Baumschule, deren Reste in unmittelbarer Nachbarschaft entlang der Bahnlinie erhalten geblieben sind. Das Haus gehörte ursprünglich zum Ensemble eines Müllereibetriebs und wurde von Arbeiterfamilien bewohnt. Das architektonische Gerüst des Gartens geht denn auch von der Lage der beiden Bauten, dem langen, schmalen Wohnhaus und der kompakteren Remise aus, die mit den beiden Spalierwänden auf der Süd- und Westseite gleichsam einen Hof formen.
Eine Grünfläche - teils Rasen, teils als Blumenwiese - bildet zusammen mit dem angrenzenden Gemüse- und Blumengarten das Mittelquadrat der Anlage. Dieses wird durch einen Kiesweg gefasst, von dem aus die an der Peripherie gelegenen Gartenteile wie das Wasserbecken, die hölzerne Spalierwand und der dekorative Holzstapel mit dem davorgelegenen Sitzplatz erschlossen werden. Die sanfte Terrassierung in drei Ebenen erhöht das Spannungsmoment das Gartens. Neben einer langgestreckten, weiss verputzten Gartenmauer mit Sandsteinabschluss und einer zum Wasserbecken abfallenden Natursteinmauer sind es die überzeugend eingefügten Bodenbeläge aus traditionellen Materialien des Luzerner Umlandes, die den Reiz der Anlage ausmachen: Die elegante Chaussierung mit einem grünlich schimmernden Kiesbelag, wie sie für den Rundweg verwendet wird, ergänzt die ebenfalls leicht grünlichen Rotenberger Sandsteinplatten und die sorgfältig verlegten Randabschlüsse aus Guber Pflasterstein. Lampugnani konnte so sein Anliegen verwirklichen, einen Garten in zeitgemässer Formensprache, aber mit den seit alters verwendeten Belagsmaterialien der Region zu gestalten.
Im Westen wird der Garten von einer langgezogenen, hölzernen Spalierwand abgeschlossen, an der Aprikosenbäume gezogen werden. Diese dient einerseits als ruhiger Hintergrund für die Blumenwiese und das Wasserbecken, anderseits bildet sie ein Gegengewicht zur Holzkonstruktion der Remise und nimmt die Idee der Spalierwände in alten Schlossgärten auf. Einen besonderen Akzent bei der Bepflanzung setzen neben den niedrigen Buchshecken und den würfelförmig geschnittenen Eiben zwischen den Spalierfenstern die zahlreichen als Hochstämme gezogenen Kübelpflanzen, wie Flieder-, Lorbeer- und Feigenbäume.
Spaliere, Taxuswürfel, Kies- und Wiesenflächen sowie Natursteinpflästerungen charakterisieren auch die in diesem Frühjahr fertiggestellte Gartenanlage beim Dorfhaus Horw, einem stattlichen Luzerner Wohnbau aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts mit geschindelter Fassade und steilem Giebeldach. Das schmale, in einem spitzwinkligen Dreieck verlaufende Grundstück gestaltete Lampugnani durch ein über die ganze Länge der Hausfassade verlaufendes, im Kies eingelassenes Rosenbeet, an das eine lange, mit Obstbäumen bepflanzte Spalierwand anschliesst. Die Rabatte und das Spaliergitter betonen gleichsam die Horizontale und Vertikale des Gartens, der in seiner Stilisierung einen Kontrapunkt zum historischen Haus setzt und gleichzeitig mit den traditionellen Gartenelementen der Landhäuser spielt.
In einem Studienauftrag für den am See gelegenen Luzerner Rössliplatz schlägt der Gartengestalter eine Dreiteilung in einen parkartig bepflanzten Grünstreifen, einen chaussierten Platz mit den vorhandenen Alleefragmenten aus Linden und Kastanien und einen Uferstreifen mit einer Rampe aus Bruchstein vor. Im Unterschied zur bestehenden Mauer ermöglicht die Rampe mit ihrem kleinen Neigungswinkel den Parkbesuchern den direkten Kontakt zum See. Im Park soll ein einfacher Pavillon das Chalet des Verkehrsvereins ersetzen und Platz für einen Ausschank und kulturelle Aktivitäten bieten.
Gartenkunst im Dialog mit der Architektur
Landschaftsarchitekt Dieter Kienast gestorben
S. K. Seit den späten siebziger Jahren entwickelte der Zürcher Landschaftsgestalter Dieter Kienast in seinen Gärten eine eigene, streng formale, aber auch verspielt artifizielle Formensprache. Der Garten als Thema war ihm im kleinsten Innenhof ebenso wichtig wie im grossen Park; der Massstabwechsel setzte lediglich ein Umgewöhnen voraus, nicht ein Umdenken. Die «Unverwechselbarkeit des Ortes», ein Schlüsselbegriff für Kienasts Gestaltungsansätze, liess ihn für jeden Garten eine Geschichte erfinden, einen Ablauf darstellen. Neben zahlreichen, wegweisenden Privatgärten hat er in den vergangenen zwanzig Jahren in der Schweiz und in Deutschland auch einige aufsehenerregende öffentliche Parkanlagen geschaffen – wie etwa den Garten der psychiatrischen Klinik in Chur (1993) – und wurde so zum Vorbild für eine ganze Generation junger Gartengestalter in der Schweiz. Nun ist Dieter Kienast, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, in der Nacht auf den 24. Dezember im Alter von 53 Jahren einer schweren Krebskrankheit erlegen.
Als Gärtnersohn absolvierte er eine Gärtnerlehre, bevor er sich an der Gesamthochschule Kassel dem Studium der Landschaftsplanung zuwandte und 1978 mit einer Arbeit über Pflanzensoziologie doktorierte. Als Partner im Büro Stöckli, Kienast und Koeppel gestaltete er ab 1979 Privatgärten und erneuerte bestehende Parkanlagen wie den Wettinger Brühlpark oder den Garten des Berner Lory-Spitals. In seinem eigenen Garten an der Zürcher Thujastrasse experimentierte Dieter Kienast seit 1978 zusammen mit seiner Frau Erika und machte ihn bis heute zu einer Art Gesamtkunstwerk aus geschnittenen Buchshecken, grotesken, aus meterhohen Hainbuchen geformten Tierfiguren, Mosaikeinlagen, einem formalen, als Spiegel dienenden Wasserbecken und einer anarchischen Pflanzenwildnis. Die geschnittenen Baumtiere, die alle anderen Elemente des Gartens überragen, erinnern an Traumgebilde aus der Kindheit, formen diese gleichsam plastisch um.
Neben seiner Arbeit als Gartenarchitekt war Dieter Kienast seit 1980 auch mit grossem Engagement in der Lehre tätig, zuerst am Interkantonalen Technikum Rapperswil, dann als Leiter des Instituts für Landschaft und Garten an der Universität Karlsruhe und seit 1997 am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur an der ETH Zürich, wo ihm aber seine Krankheit die Ausübung des Mandats erschwerte.
1995 löste sich der Landschaftsarchitekt aus seiner ursprünglichen Bürogemeinschaft und arbeitete mit Günther Vogt und weiteren Partnern zusammen. In seinen Gärten und Parks findet man sowohl Wildnis als auch streng geformte Partien. Die Spannung entsteht aus der Vielfalt. Wichtig war ihm, eine innere Ordnung zwischen den einzelnen Elementen und Gartenräumen herzustellen. Die Natur wollte er nicht sklavisch nachahmen, sondern setzte ihr eigene Linien entgegen.
Neben den Schriftzügen aus Beton, welche die Gartenkunst von Dieter Kienast in einen Dialog mit anderen Künsten stellte, griff er in jüngster Zeit wieder auf ganz ursprüngliche Gestaltungsmittel wie Mauern aus gestampftem Lehm, grossformatige Platten und Stelen zurück. Das Archaische wird darin erlebbar und öffnet den Weg zu Gärten mit sehr sparsam eingesetztem Grün, wie sie Dieter Kienast in Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Architektur gestaltete. In Zürich kann man solche Gärten etwa im Hof des Bürohauses der Schweizer Rück an der Genferstrasse oder auf dem Vorplatz und im Innenhof des Gebäudes von Basler & Hofmann an der Mühlebachstrasse erleben, in Basel beim Suva-Gebäude von Herzog & de Meron.