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Neue Medien machen Landschaft
Künstliche Landschaften und der Einfluss des Computers auf die Kreativität
30. September 2000 - Martin Kohler
Wo Marketing Architektur getroffen hat, geradezu erschaffen hat, am Potsdamer Platz in Berlin, trifft auch die neue Welt der Computerartistik auf eben diese Architektur. Das Dach des Sony-Centers türmt, windet sich in die Lüfte Berlins. Nur ein völlig exzentrischer, genialer Geist konnte in seinen Gedanken ein solches sich der räumlichen Vorstellungskraft entziehendes Gebilde aus einer Idee wachsen und auf ein Gebäude gießen lassen. Wo liegt der noch viel kompliziertere Sinn, wo liegt das, was mehr als eine „Geste“ der Architektur ist, jenes Geheimnisvolle, was Inhalt und Zweck dieser Form ist.
Sein muss, da eine solche Form aus einem tiefen, komplizierten Gedanken entstanden, entwickelt worden sein muss. Vielleicht aber liegt der Gedanke auch gar nicht so weit weg, entbehrt vielleicht gerade der vermuteten Genialität einer „Extremidee“, welche wir in einem solch außergewöhnlichen Dach suchen. Einem Dach, das scheinbar keine Vorgänger hat, völlig aus dem Nichts nirgendwelcher Vorläufer oder wenigstens Vorgedanken entstanden ist.
Ein Blick von einer anderen Seite ergibt eine mögliche Deutung. Es ist der Blick in den Computermonitor. Mit einem einfachen, gleichwohl effektstarken 3-D-Modellierungsprogramm einen virtuellen Quader zu modulieren, ist nichts Besonderes. Bearbeitet man den Quader mit einem bestimmten, nicht völlig ungewöhnlichen Werkzeug des Programms, entwickelt sich eine Form, die Ansätze des Sony-Centerdaches zeigt! Wiederholt man diesen Schritt, evolviert immer mehr eine Form, die – nun ja – einem Dach am Potsdamer Platz recht ähnelt! Die Form eines Daches also nicht nur einfach entstanden im Computer, mehr noch entstanden durch eine simple Operation, mehrfach wiederholt. Und nicht nur die Form irgendeines Daches, sondern eines Daches, in welchem vorhin noch die geniale „Extremidee“ gesucht wurde, die allein für fähig gehalten wurde, solch eine Form zu erschaffen, besser zu erdenken!
Wie also steht es mit dem Einfluss des Computers?
Alles wird anders, der Einfluss des Computers und all seiner Möglichkeiten durchzieht alle Bereiche des Lebens. Nichts wird mehr so sein, wie es vorhin jemals war. Das Leben beschleunigt sich, Entfernungen verschwinden, die Welt wächst zusammen – so das Credo einer Mehrzahl von Stimmen, die sich momentan zu Wort melden. Wenn sich alles verändert, so kann auch der Bereich der Landschaftsarchitektur nicht außen vor sein. Was aber verändern die neuen Möglichkeiten (die so neu gar nicht mehr sind)? Oder begleiten sie nur Strömungen, die andernfalls mit dem Bleistift ausgetragen worden wären? Für den Bereich des Lebens, des „Alles“ lässt sich wohl nie eine Antwort geben, viel zu allgemein ist das Thema. Für die Landschaftsarchitektur kann man es aber versuchen.
Anders als der Einfluss der Landschaftsmalerei im 17./18. Jh. auf die Landschaftsgestaltung, scheint der Einfluss des Computermöglichen auf die Landschaftsarchitektur subtiler zu sein. Was zu Hochzeiten der Landschaftsmalerei im Ausspruch von Sir Uvedale Price gipfelte „... der beste Landschaftsmaler ist auch der beste Landschaftsarchitekt“, war die Auffassung der Landschaftsgestaltung als Teilmenge der Landschaftsmalerei, die sich selbstverständlich nach denselben Prinzipien und Kriterien richtete wie die Landschaftsmalerei. Solch eine kategorische Einbindung der Landschaftsgestaltung ist heute nirgendwo zu sehen. Gleichwohl hinterlassen die Möglichkeiten und Arten der Darstellung auch heute sehr wohl ihre Spuren. Nur subtiler, umfassender, schwerer fassbarer eben.
Insgesamt könnte man den Einfluss des Computers und vor allem des Internets in vier Bereichen sehen.
Simulation, Aufheben von Ortsbezügen, Ideenfindung, Verändern der Wahrnehmung
Der augenfälligste ist sicher die Simulation von zukünftigen oder vergangenen Zuständen. Zustände, die sich unserem gegenwärtigen Erfahren also verschließen und nur virtuell im Computer oder in den eigenen Gedanken erlebbar sind. Die Simulation im Computer jedoch ist meist präziser und vor allem objektiver, d. h. unterscheidet sich nicht von Person zu Person. Simulation sowohl als 1-zu-1-Simulation verstanden (die Simulation eines Parks etwa in Originalgröße um dem/der späteren BesucherIn eine Vorschau des späteren Parks zu geben) als auch zur Optimierung und Vorhersage eines zukünftigen Zustandes. Ein faszinierendes Beispiel diesbezüglich ist eine Abschlussarbeit an der School of Technology and Architecture in New Jersey, die versucht einen Freiraum über Labanotation zu formulieren. Labanotation ist zum Notieren von Choreografien gedacht und beschreibt Bewegungen. In dieser Abschlussarbeit wurde nicht der Zustand, sondern nur die Bewegung des Freiraums geplant. Dies war nur möglich, weil mit dem Computer ein Hilfsmittel bereitstand, um die hochkomplexen Bewegungsmuster zu simulieren und die Dimension der Zeit zu berücksichtigen.
Bei einem anderen Projekt, dem eGarden in Chicago, werden Raum- und Ortsbezüge aufgehoben. Nicht jedoch über die üblichen Mittel des Entwurfs, sondern viel deutlicher durch die Einbindung des Internets in die Parkgestaltung. Anlehnend an die berühmte Speaker’s Corner im Londoner Hyde Park entstand ein Aktionskunst-/ Parkkonzept, in welchem ein Rohrgestänge die Definition der Speaker’s Corner übernahm, mehrere Lautsprecher, eine Rundumwebkamera und eine Verbindung zum Internet die Rolle der Sprecher. Über das Internet kann sich also jede/r einwählen und seine/ihre Sicht der Welt in einem Internetforum oder/und über die Lautsprecher in Chicago kundtun. Auf eine viel alltagsnähere Weise lassen Planungsdiskussionen im Internet Entfernungen verschwinden. Zur Planung der EXPO 2000 in Hannover war die gesamte Masterplanung im Internet abrufbar und musste dort auch von den planenden Büros abgefragt werden. Detailliertere Pläne wurden über das Internet verschickt und landeten in der gleichen Zeit irgendwo in Deutschland, in Frankreich und in Australien. Änderungen an einem Plan beeinflussten sofort alle anderen tangierten Projekte und ließen die Planungen mehr zu einem einheitlichen Ganzen werden. In diesem Bereich ist die alltägliche Beeinflussung durch diese Simulationen am weitesten. Auch wenn die Aufhebung von Ort und Raum noch große Wahrnehmungsprobleme hat (man „ist“ immer noch in Graz, auch wenn die eigenen Gedanken in der Un-Örtlichkeit des Internets oder in einem Park in Chicago wirken), so kann die Simulation eines Planungskreises im nahen Verflechtungsbereich der Planenden zumindest die Schwierigkeiten mit Ort und Raum aufheben oder mindern. Doch erst in der technischen Simulation wird die Gewalt des Computers wirklich deutlich. Dadurch einen Park nicht als Raum mit Objekten, sondern als Raum aus Bewegungen zu entwerfen, gibt eine Ahnung, was sich hier noch an Beeinflussung auftun könnte.
Computer als Entwerfer
Doch nicht nur die Möglichkeiten „Computer“ beeinflussen Planungen, auch schon das Vorhandensein des Mediums „Computer“ im Entwurfsprozess verändert. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Darstellungsart oder ein bestimmtes Medium ergibt auch spezifische Entwürfe. Ein Projekt, voll über eine Collage von Photos entworfen, wird im Ergebnis anders aussehen als derselbe Entwurf mit Aquarellmalerei angegangen. Teilweise setzt schon der Gebrauch der rechten oder linken Hand beim Zeichnen eigene Ideen, Gedanken, Facetten frei. Die Festlegung auf eine Darstellungsart ist beim Planen/Entwerfen recht selten, die Tatsache aber, dass schon das Werkzeug die spätere Gestalt mit prägt, ist es nicht. In dieser Weise tritt der Computer zur Kollektion dieser Werkzeuge hinzu und „findet Ideen“. In einem zur Zeit in Essen stattfindenden konkurrierenden Workshop zur Umgestaltung einer Brache wird die gesamt Geländemodellierung dem Computer entnommen. Ein computergeneriertes Fraktalbild wird in ein Geländemodell umgerechnet und kreiert so eine völlig neue Landschaft, vom Vorhandenen völlig unbeeinflusst. Da Fraktale durch ständig wiederholte Rechenoperationen entstehen, ergibt sich eine Fläche, die an jedem Punkt, in jeder Detailstufe ein einigendes, universales Ganzes spüren lässt.
Hilft der Computer beim völlig Neuen, beim aus dem Nichts Entstehenden, so kann er aber auch gerade das Neue lähmen, verhindern. CAD-Programme, Symbolbibliotheken, schreien geradezu nach einer Modularisierung der Gestaltungselemente, nach einer fortlaufenden Wiederholung schon auf Datenträger Erfasstem. Pergolen, Pflasterungen, Lampen werden – einmal gezeichnet und immerfort angepasst – im Raster verwendet. Freilich, dem gemeinen Baumarktgarten widerfährt dies auch heute schon. Uniformität, Wiederholung des ewig Gleichen und noch höhere Entwicklungskosten des Neuen in Relation zum Alten zeigen sich. Solche Uniformität nicht geschehen zu lassen, wird mehr als zuvor in die Verantwortung der Planenden übergehen. Es hat nichts Unrechtes, Altbewährtes mehrmals zu verwenden, gute Ideen mehr als nur einmal umzusetzen, vor allem wenn durch die gleiche Technik „Neues“ kreiert wird. Die Expandierung der Möglichkeiten geht jedoch einher mit der Expandierung der Verantwortung. Wie immer.
Computer als Brille und Denkfilter
In einem viel umfassenderen Sinne jedoch verändert sich das Sehen von, das Denken über Freiräume, Gärten. Die Beschleunigung des Lebenstempos, die (Über-)Reizung der Sinne, das Erschaffen ganzer Landstriche / Städte im Virtuellen des Computers verändert die Erwartungen des Menschen. Auch die Gestaltungskunst im freien Raum spielt mit stärkeren Reizen, mit einer Abkehr vom Statischen hin zu dynamischen, einen Endzustand geradezu ablehnenden Konzepten. Die Faszination der Illumination, die Reduzierung der Architektur auf Projektionsflächen zu Gebilden vollständiger Verwandelbarkeit, wie etwa dem projektierten Haus Bill Gates, dessen Wände nur aus Monitoren bestehen und damit Bombay, die Börsenkurve oder ein Dschungel sein können, könnten Indiz dafür sein. Wichtiger jedoch ist eine andere Veränderung des Raumes, die sich eingeschlichen hat.
Informationsgeladene Räume
Virtuelle Welten sind ihrer Essenz nach reine Information. Information über den Aufbau, die Eigenschaften, das Verhalten des Raumes. Dieser Infomationslayer, das Benutzerbewusstsein des Raumes haben sich auch in die reale Welt (die eigentlich auch nur eine von vielen virtuellen Welten ist) transzendiert. Räume werden immer mehr aufgeladen mit Information, werden mehr zu Informationsüberbringern. Das waren sie vielleicht schon früher, nun sind sie es auf jeden Fall. Ein Raum soll Information schon verarbeiten können, ein Bewusstsein über den/die BenutzerIn soll in ihm stecken und sein Verhalten sich danach richten, ganz wie in den „userfreundlichen“ Welten des Internets, der Computerprogramme. Ein einfacher Dämmerungsschalter in der Garageneinfahrt illustriert dies schon. Ein Garten, der sich als leere Fassung zeigt, seine eigentliche, virtuelle Gestalt nur in Interaktion mit dem/der BenutzerIn zeigt, realisiert durch Bewegungsmelder, Kontaktschleifen, Hörpunkten, ist zur Zeit im Andenken und setzt den Dämmerungsschalter expandiert fort.
Die Veränderung der Wahrnehmung, vor allem die Veränderung unserer Betrachtungsweise des Raumes werden wohl am meisten die Zukunft der Landschaftsarchitektur mit formen. Heutige Beispiele reißen diese Wege der Zukunft nur an. Hier ist noch nichts aus-, teilweise noch nicht einmal angedacht, gleichzeitig ist aber hier das Mächtigste an Einflussnahme zu erwarten, wenngleich weniger fassbar, vor allem weniger planbar.
In allen Beispielen ging es um den Einfluss der Neuen Medien auf die moderne Landschaftsarchitektur. Die Beeinflussung der Landschaftsarchitektur durch Computer, durch virtuelle Realitäten (wovon das Internet eine ist) ist jedoch nicht einfach zu zeigen. Eigentlich ist auch der Terminus falsch. Kausale Ursache und deren Folge sind keine Ausdrücke für diese Vorgänge. Treffender ist es wohl, von einem Einhergehen von Moden, Lebensströmungen und Landschaftsarchitektur zu sprechen. Wer wen hervorgebracht hat, ist schließlich müßig. Das eine wäre ohne das andere unmöglich und umgekehrt ist es dasselbe. Unberührt davon hat sich die Landschaftsarchitektur fortbewegt und es sind Möglichkeiten geschaffen, die genutzt werden. Es wird Zeit für die nächste Frage.
Sein muss, da eine solche Form aus einem tiefen, komplizierten Gedanken entstanden, entwickelt worden sein muss. Vielleicht aber liegt der Gedanke auch gar nicht so weit weg, entbehrt vielleicht gerade der vermuteten Genialität einer „Extremidee“, welche wir in einem solch außergewöhnlichen Dach suchen. Einem Dach, das scheinbar keine Vorgänger hat, völlig aus dem Nichts nirgendwelcher Vorläufer oder wenigstens Vorgedanken entstanden ist.
Ein Blick von einer anderen Seite ergibt eine mögliche Deutung. Es ist der Blick in den Computermonitor. Mit einem einfachen, gleichwohl effektstarken 3-D-Modellierungsprogramm einen virtuellen Quader zu modulieren, ist nichts Besonderes. Bearbeitet man den Quader mit einem bestimmten, nicht völlig ungewöhnlichen Werkzeug des Programms, entwickelt sich eine Form, die Ansätze des Sony-Centerdaches zeigt! Wiederholt man diesen Schritt, evolviert immer mehr eine Form, die – nun ja – einem Dach am Potsdamer Platz recht ähnelt! Die Form eines Daches also nicht nur einfach entstanden im Computer, mehr noch entstanden durch eine simple Operation, mehrfach wiederholt. Und nicht nur die Form irgendeines Daches, sondern eines Daches, in welchem vorhin noch die geniale „Extremidee“ gesucht wurde, die allein für fähig gehalten wurde, solch eine Form zu erschaffen, besser zu erdenken!
Wie also steht es mit dem Einfluss des Computers?
Alles wird anders, der Einfluss des Computers und all seiner Möglichkeiten durchzieht alle Bereiche des Lebens. Nichts wird mehr so sein, wie es vorhin jemals war. Das Leben beschleunigt sich, Entfernungen verschwinden, die Welt wächst zusammen – so das Credo einer Mehrzahl von Stimmen, die sich momentan zu Wort melden. Wenn sich alles verändert, so kann auch der Bereich der Landschaftsarchitektur nicht außen vor sein. Was aber verändern die neuen Möglichkeiten (die so neu gar nicht mehr sind)? Oder begleiten sie nur Strömungen, die andernfalls mit dem Bleistift ausgetragen worden wären? Für den Bereich des Lebens, des „Alles“ lässt sich wohl nie eine Antwort geben, viel zu allgemein ist das Thema. Für die Landschaftsarchitektur kann man es aber versuchen.
Anders als der Einfluss der Landschaftsmalerei im 17./18. Jh. auf die Landschaftsgestaltung, scheint der Einfluss des Computermöglichen auf die Landschaftsarchitektur subtiler zu sein. Was zu Hochzeiten der Landschaftsmalerei im Ausspruch von Sir Uvedale Price gipfelte „... der beste Landschaftsmaler ist auch der beste Landschaftsarchitekt“, war die Auffassung der Landschaftsgestaltung als Teilmenge der Landschaftsmalerei, die sich selbstverständlich nach denselben Prinzipien und Kriterien richtete wie die Landschaftsmalerei. Solch eine kategorische Einbindung der Landschaftsgestaltung ist heute nirgendwo zu sehen. Gleichwohl hinterlassen die Möglichkeiten und Arten der Darstellung auch heute sehr wohl ihre Spuren. Nur subtiler, umfassender, schwerer fassbarer eben.
Insgesamt könnte man den Einfluss des Computers und vor allem des Internets in vier Bereichen sehen.
Simulation, Aufheben von Ortsbezügen, Ideenfindung, Verändern der Wahrnehmung
Der augenfälligste ist sicher die Simulation von zukünftigen oder vergangenen Zuständen. Zustände, die sich unserem gegenwärtigen Erfahren also verschließen und nur virtuell im Computer oder in den eigenen Gedanken erlebbar sind. Die Simulation im Computer jedoch ist meist präziser und vor allem objektiver, d. h. unterscheidet sich nicht von Person zu Person. Simulation sowohl als 1-zu-1-Simulation verstanden (die Simulation eines Parks etwa in Originalgröße um dem/der späteren BesucherIn eine Vorschau des späteren Parks zu geben) als auch zur Optimierung und Vorhersage eines zukünftigen Zustandes. Ein faszinierendes Beispiel diesbezüglich ist eine Abschlussarbeit an der School of Technology and Architecture in New Jersey, die versucht einen Freiraum über Labanotation zu formulieren. Labanotation ist zum Notieren von Choreografien gedacht und beschreibt Bewegungen. In dieser Abschlussarbeit wurde nicht der Zustand, sondern nur die Bewegung des Freiraums geplant. Dies war nur möglich, weil mit dem Computer ein Hilfsmittel bereitstand, um die hochkomplexen Bewegungsmuster zu simulieren und die Dimension der Zeit zu berücksichtigen.
Bei einem anderen Projekt, dem eGarden in Chicago, werden Raum- und Ortsbezüge aufgehoben. Nicht jedoch über die üblichen Mittel des Entwurfs, sondern viel deutlicher durch die Einbindung des Internets in die Parkgestaltung. Anlehnend an die berühmte Speaker’s Corner im Londoner Hyde Park entstand ein Aktionskunst-/ Parkkonzept, in welchem ein Rohrgestänge die Definition der Speaker’s Corner übernahm, mehrere Lautsprecher, eine Rundumwebkamera und eine Verbindung zum Internet die Rolle der Sprecher. Über das Internet kann sich also jede/r einwählen und seine/ihre Sicht der Welt in einem Internetforum oder/und über die Lautsprecher in Chicago kundtun. Auf eine viel alltagsnähere Weise lassen Planungsdiskussionen im Internet Entfernungen verschwinden. Zur Planung der EXPO 2000 in Hannover war die gesamte Masterplanung im Internet abrufbar und musste dort auch von den planenden Büros abgefragt werden. Detailliertere Pläne wurden über das Internet verschickt und landeten in der gleichen Zeit irgendwo in Deutschland, in Frankreich und in Australien. Änderungen an einem Plan beeinflussten sofort alle anderen tangierten Projekte und ließen die Planungen mehr zu einem einheitlichen Ganzen werden. In diesem Bereich ist die alltägliche Beeinflussung durch diese Simulationen am weitesten. Auch wenn die Aufhebung von Ort und Raum noch große Wahrnehmungsprobleme hat (man „ist“ immer noch in Graz, auch wenn die eigenen Gedanken in der Un-Örtlichkeit des Internets oder in einem Park in Chicago wirken), so kann die Simulation eines Planungskreises im nahen Verflechtungsbereich der Planenden zumindest die Schwierigkeiten mit Ort und Raum aufheben oder mindern. Doch erst in der technischen Simulation wird die Gewalt des Computers wirklich deutlich. Dadurch einen Park nicht als Raum mit Objekten, sondern als Raum aus Bewegungen zu entwerfen, gibt eine Ahnung, was sich hier noch an Beeinflussung auftun könnte.
Computer als Entwerfer
Doch nicht nur die Möglichkeiten „Computer“ beeinflussen Planungen, auch schon das Vorhandensein des Mediums „Computer“ im Entwurfsprozess verändert. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Darstellungsart oder ein bestimmtes Medium ergibt auch spezifische Entwürfe. Ein Projekt, voll über eine Collage von Photos entworfen, wird im Ergebnis anders aussehen als derselbe Entwurf mit Aquarellmalerei angegangen. Teilweise setzt schon der Gebrauch der rechten oder linken Hand beim Zeichnen eigene Ideen, Gedanken, Facetten frei. Die Festlegung auf eine Darstellungsart ist beim Planen/Entwerfen recht selten, die Tatsache aber, dass schon das Werkzeug die spätere Gestalt mit prägt, ist es nicht. In dieser Weise tritt der Computer zur Kollektion dieser Werkzeuge hinzu und „findet Ideen“. In einem zur Zeit in Essen stattfindenden konkurrierenden Workshop zur Umgestaltung einer Brache wird die gesamt Geländemodellierung dem Computer entnommen. Ein computergeneriertes Fraktalbild wird in ein Geländemodell umgerechnet und kreiert so eine völlig neue Landschaft, vom Vorhandenen völlig unbeeinflusst. Da Fraktale durch ständig wiederholte Rechenoperationen entstehen, ergibt sich eine Fläche, die an jedem Punkt, in jeder Detailstufe ein einigendes, universales Ganzes spüren lässt.
Hilft der Computer beim völlig Neuen, beim aus dem Nichts Entstehenden, so kann er aber auch gerade das Neue lähmen, verhindern. CAD-Programme, Symbolbibliotheken, schreien geradezu nach einer Modularisierung der Gestaltungselemente, nach einer fortlaufenden Wiederholung schon auf Datenträger Erfasstem. Pergolen, Pflasterungen, Lampen werden – einmal gezeichnet und immerfort angepasst – im Raster verwendet. Freilich, dem gemeinen Baumarktgarten widerfährt dies auch heute schon. Uniformität, Wiederholung des ewig Gleichen und noch höhere Entwicklungskosten des Neuen in Relation zum Alten zeigen sich. Solche Uniformität nicht geschehen zu lassen, wird mehr als zuvor in die Verantwortung der Planenden übergehen. Es hat nichts Unrechtes, Altbewährtes mehrmals zu verwenden, gute Ideen mehr als nur einmal umzusetzen, vor allem wenn durch die gleiche Technik „Neues“ kreiert wird. Die Expandierung der Möglichkeiten geht jedoch einher mit der Expandierung der Verantwortung. Wie immer.
Computer als Brille und Denkfilter
In einem viel umfassenderen Sinne jedoch verändert sich das Sehen von, das Denken über Freiräume, Gärten. Die Beschleunigung des Lebenstempos, die (Über-)Reizung der Sinne, das Erschaffen ganzer Landstriche / Städte im Virtuellen des Computers verändert die Erwartungen des Menschen. Auch die Gestaltungskunst im freien Raum spielt mit stärkeren Reizen, mit einer Abkehr vom Statischen hin zu dynamischen, einen Endzustand geradezu ablehnenden Konzepten. Die Faszination der Illumination, die Reduzierung der Architektur auf Projektionsflächen zu Gebilden vollständiger Verwandelbarkeit, wie etwa dem projektierten Haus Bill Gates, dessen Wände nur aus Monitoren bestehen und damit Bombay, die Börsenkurve oder ein Dschungel sein können, könnten Indiz dafür sein. Wichtiger jedoch ist eine andere Veränderung des Raumes, die sich eingeschlichen hat.
Informationsgeladene Räume
Virtuelle Welten sind ihrer Essenz nach reine Information. Information über den Aufbau, die Eigenschaften, das Verhalten des Raumes. Dieser Infomationslayer, das Benutzerbewusstsein des Raumes haben sich auch in die reale Welt (die eigentlich auch nur eine von vielen virtuellen Welten ist) transzendiert. Räume werden immer mehr aufgeladen mit Information, werden mehr zu Informationsüberbringern. Das waren sie vielleicht schon früher, nun sind sie es auf jeden Fall. Ein Raum soll Information schon verarbeiten können, ein Bewusstsein über den/die BenutzerIn soll in ihm stecken und sein Verhalten sich danach richten, ganz wie in den „userfreundlichen“ Welten des Internets, der Computerprogramme. Ein einfacher Dämmerungsschalter in der Garageneinfahrt illustriert dies schon. Ein Garten, der sich als leere Fassung zeigt, seine eigentliche, virtuelle Gestalt nur in Interaktion mit dem/der BenutzerIn zeigt, realisiert durch Bewegungsmelder, Kontaktschleifen, Hörpunkten, ist zur Zeit im Andenken und setzt den Dämmerungsschalter expandiert fort.
Die Veränderung der Wahrnehmung, vor allem die Veränderung unserer Betrachtungsweise des Raumes werden wohl am meisten die Zukunft der Landschaftsarchitektur mit formen. Heutige Beispiele reißen diese Wege der Zukunft nur an. Hier ist noch nichts aus-, teilweise noch nicht einmal angedacht, gleichzeitig ist aber hier das Mächtigste an Einflussnahme zu erwarten, wenngleich weniger fassbar, vor allem weniger planbar.
In allen Beispielen ging es um den Einfluss der Neuen Medien auf die moderne Landschaftsarchitektur. Die Beeinflussung der Landschaftsarchitektur durch Computer, durch virtuelle Realitäten (wovon das Internet eine ist) ist jedoch nicht einfach zu zeigen. Eigentlich ist auch der Terminus falsch. Kausale Ursache und deren Folge sind keine Ausdrücke für diese Vorgänge. Treffender ist es wohl, von einem Einhergehen von Moden, Lebensströmungen und Landschaftsarchitektur zu sprechen. Wer wen hervorgebracht hat, ist schließlich müßig. Das eine wäre ohne das andere unmöglich und umgekehrt ist es dasselbe. Unberührt davon hat sich die Landschaftsarchitektur fortbewegt und es sind Möglichkeiten geschaffen, die genutzt werden. Es wird Zeit für die nächste Frage.
Für den Beitrag verantwortlich: zolltexte
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