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Kampf und Krampf um Linz
Beim Freistilringen um rechte Worte ist das Linzer Musiktheater mit populistischem Würgegriff unsachlich, aber dauerhaft am Boden arretiert worden. Beide Gegner haben dabei „verbotene“ Griffe verwendet. Und die nächste Runde ist schon eingeläutet: Ein gnadenloser Fight rund um das neue „Lentos“-Museum zeichnet sich ab
13. Januar 2001 - Walter Chramosta
Wer eine tautologisch-suggestiv formulierte Frage auch noch zur falschen Zeit stellt, darf sich nicht wundern, wenn er eine polemisch deutbare Antwort bekommt. So könnte eine Kurzschlußbilanz zur ober- österreichischen Volksbefragung vom 26. November 2000 lauten. 59,6 Prozent der abgegebenen Stimmen hatten bei einer Wahlbeteiligung von 50,05 Prozent die Frage verneint, ob „in Linz ein neues Musiktheater gebaut werden soll“. Die Schreckstarre bei den Verantwortlichen über das eindeutige Bürgervotum hat sich noch nicht gelöst.
Das wertvolle Instrument direkter Demokratie wurde leichtfertig auf eine fachlich längst bis zur Entscheidung ausdiskutierte, freilich mit dem Bürger nicht hinreichend kommunizierte Frage angewandt. Daß die im Vergleich zu anderen Materien überschaubare Frage der Neufassung des Landestheaters in eine enge Sackgasse geriet, läßt den Schluß zu, daß das von den Freiheitlichen taktisch geschickt gelegte und von der Regionalausgabe der „Krone“ perfekt-perfid geschmückte populistische Fangeisen auslösend, aber nicht ursächlich für die Ablehnung war. Die Mobilisierung der Bürger am Befragungstag und ihre Defensivhaltung resultierte vielmehr aus der Mißachtung des aktuellen politischen Drehmoments und langfristig ausgeprägter gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Zudem glaubte man, mit „landesfürstlicher“ Kraftentfaltung noch einmal anerkannte Grundsätze zeitgemäßen Bauprojektmanagements überspielen zu können: Wir zeigen alles, was wir jetzt gerade haben.
Die Beirats- und Regierungsbeschlüsse, die Studien und Gutachten, die künstlerischen und technischen Konzepte, die architektonischen und städtebaulichen Argumente waren für die Volksbefragten zwar mehr oder weniger zugänglich, aber nicht überschau- und schon gar nicht bewertbar. Die unumgängliche Informationsbringschuld der öffentlichen Körperschaft wurde nicht erfüllt, weshalb der mit dem Thema nicht oder sonst kaum befaßte Bürger - auf den kommt es bei einem Plebiszit naturgemäß an - entweder mit einer unzumutbaren Holschuld oder omnipräsenten Trivialbotschaften konfrontiert war. Einige symptomatische Pro- und Contra-Zitate aus Zeitungen oder von Plakatständern: „Kulturbauten haben es immer schwer“, „Kleiner Mann zahlt große Oper“, „Ja zur Lebensfreude, ja zum neuen Musiktheater“, „Oberösterreich, da ist Musik drin“, „Brandgefährliche Steinzeitplanung“, „Anrainer in Angst“.
Zwischen dem klaren Sachverhalt und dem wahlberechtigten Bürger wurde, teilweise sicher arglos, aber unverzeihlich, ein bruchstückhaft-banales, symbolhaftes Ersatzmodell des Linzer Musiktheaters zusammengestellt und dadurch der Blick auf die Problemlage erschwert. Die verzweifelt wirkende Plakatoffensive der Befürworter mit dem Allerweltssujet „Cooler Baseballer stemmt die Landestrompete und sagt ja zu Oberösterreich . . .“ gehört dazu, das datenüberfrachtete und lieblos an den Sehgewohnheiten der Adressaten vorbei gestaltete „Weißbuch“ nimmt den durch die Spardebatte im Bund genervten und auf Minutenlektüren konditionierten Bürger nicht ernst. Auch die publikumsnäheren Instrumente Video und CD-Rom waren nicht auf der Höhe der Zeit, obwohl Linz als ein Weltzentrum der Neuen Medien gilt. Eine Vortragstournee des Architekten und der ihn beratenden Ingenieure durch die oberösterreichischen Städte fand vorwiegend in leeren Sälen statt. - Insgesamt erwuchs im medialen Meinungsgewitter ein linkischer, in jede Richtung radikalisierender Wortbau, der das bescheiden angedachte Musiktheater im Berg vielfach überragt. Der babylonische Wortturm zu Linz bleibt ein Torso und wird als das Jahr 2000 überschattende Leistung der österreichischen Architektur in Erinnerung bleiben. Der im internationalen Ideenwettbewerb prämierte und bis zur Ausführungsreife entwickelte Entwurf von Otto Häuselmayer steckt im Kern dieses Meinungsturms; er ist in einigen Facetten erkennbar, in seiner pragmatisch abgewogenen Gesamtheit aber außerhalb der engsten Architekturszene und der Fachpublizistik nicht verständlich geworden.
Von den Freiheitlichen in diesem obstruktiven Zusammenhang zu verlangen, daß sie Transparenz über die räumlichen Erfordernisse und die Kosten eines Mehrspartentheaters, die Reserven des alten Landestheaterstandortes, die städtebaulichen Eigenarten der untersuchten Standortvarianten oder gar die Vorzüge und Nachteile der im Architektenwettbewerb ausgezeichneten Entwürfe herstellen sollten, hieße, sie zu überfordern. Daß aber das Land Oberösterreich nicht selbst in der Lage war, die Vorgeschichte und die Tatsachen zum „Theater im Berg“ zielgruppengerecht aufzubereiten und zu verbreiten, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Leistungsfähigkeit der dortigen Administration und besonders auf die strategischen Zielsetzungen im Kulturressort. Selbst nach diesem die Polemik um das Wiener Museumsquartier in den Schatten stellenden untergriffigen Freistilringen, nach der eiskalten Novemberabfuhr und mit dem Bekenntnis, auf der Suche nach einem neuen Weg zum Musiktheater zu sein, schließt Landeskulturdirektor Manfred Mohr seine Lageeinschätzung in der Jänner-Ausgabe des oberösterreichischen Kulturberichts mit der brandgefährlichen Aussage: „Ziel muß es sein, wieder über Kunst zu reden, und nicht mehr über die Bedingungen, unter denen sie entsteht.“
Dieses hehre Ziel entspringt einer exklusiven kultur- und kunstpolitischen Idylle, die spätestens mit dem Eindringen populistischer Handlungsmuster in die Regierungen verloren war. Solange die öffentlichen Körperschaften vorrangig die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen wollten, konnten beziehungsweise mußten, war eine solche Zieldefinition schlüssig. Nachdem nun, wie der Fall des Linzer Musiktheaters drastisch zeigt, die Landespolitik über weite Strecken ungehindert Teilinteressen von Parteien oder Personen instrumentieren kann, jedenfalls über die Aufgaben der öffentlichen Hand kein Grundkonsens mehr herrscht, hat die Kunst- und Kulturbürokratie in „gesellschaftlicher Not- wehr“ nicht mehr „über Kunst zu reden“, sondern erst recht „über die Bedingungen, unter denen sie entsteht“.
Es verstärkt sich die Vermutung, daß in Hinkunft in einer solchen Frontsituation verstärkt Private die Meinungsführerschaft für das Öffentliche übernehmen müssen. Daher macht es auch grundsätzlich Sinn, wenn sich die Kulturbürokratie umfassend um Unterstützung durch kompetente Unternehmen und Fachleute bei der Öffentlichkeitsarbeit bemüht; diese unter professionellen Rahmenbedingungen herangezogenen Privaten sind möglicherweise schon längst die ehrenamtlichen Vertreter dieser Inhalte. Diese Vermittler werden nicht die Scheu haben, nur über das zu reden, was der Sache nützt, selbst wenn es dazu führt, daß nur mehr mediale Transportvorgänge des Werks zielführend sind und der Künstler seinen persönlichen Kontakt zum Kunden, der öffentliche Bauherr den hoheitlichen Durchgriff zum Bürger verliert. In Linz war im November aber noch nicht ganz klar, ob eine Volksbefragung nicht doch eine kleine Landtagswahl und eine Theaterbaukommunikation nicht doch ein kleiner Landeshauptmannwahlkampf ist.
Ersetzt man den Begriff Kunst durch dessen Teilmenge Architektur, wird noch augenscheinlicher, wie weit sich die Linzer Bürokratie von den Usancen des rezenten Architekturmarktes, also von einem Handlungsfeld der Kultur und einem Nährboden der Kunst, entfernt hat. Architekten geben heute zunehmend ihrer Überzeugung Ausdruck, daß Architektur zwar weiterhin ihr Herzensgegenstand ist, es aber gerade bei der Umsetzung öffentlicher Bauten immer weniger Sinn macht, explizit das Kunstprodukt Architektur anzupreisen, über die persönliche Handschrift ihrer Architektur zu sprechen. Die synergetische Begegnung des genialischen Architekten mit der kongenialen Bauherrenpersönlichkeit, wo so ein direkter Dialog sinnstiftend wä- re, gibt es nur mehr in Ausnahmefällen.
Architekturkommunikation erfolgt zunehmend auf erhöhte Distanz zwischen Nutzer und Architekt, über vereinfachende Stellvertretersprachen. Architekten sind oft zu detailbesessen, um ihre Arbeit zu vermitteln. Die Überzeugungsarbeit richtet sich aber oft an architektonisch Desinteressierte; solange kein kulturell geläuterter Bauherren-Typ heranwächst, wird ihre Kommunikation mit den Architekturschaffenden verflachen und der Kontakt mit den Nutzern delegiert werden: Künstlerische Qualität ist dann nur mehr implizit zu transportieren. Politiker bestellen Neubauten dann gern, wenn sie ihnen nützlich sind, vor allem aber, wenn sie als Bilder die Nutzung in ihrem Sinn emotionalisieren. Dann stimmt für sie der Preis, egal wie hoch er ist. Überhöht nach dem subjektiven Empfinden dieser an Qualität eigentlich uninteressierten Bauherren die Architektur die Nutzung nicht, dann stimmt der Preis nicht, egal wie tief er ist. Solche Projekte werden politisch rasch entsorgt.
Für Linz hat Landesrat Hans Achatz kürzlich den nächsten derartigen Schlag gegen die Kulturmeile am Donauufer, gegen das in Bau befindliche „Lentos“-Museum der Zürcher Architekten Weber & Hofer angekündigt: „Die ,Lentos'-Initiative ist durchaus zulässig, weil bekanntermaßen über Geschmack gestritten werden kann, . . . der Bau in weitesten Kreisen nicht auf Zustimmung stößt.“ Wieder scheint ein mehrheitlich prämierter Wettbewerbsgewinner in die Mehrheitsunfähigkeitsfalle zu torkeln. Wie beim Musiktheater vermittelt niemand öffentlichkeitswirksam uneingeschränkte Überzeugung von den Qualitäten des Projekts.
Das Theater im Berg exekutierte man zögerlich, aber korrekt, ließ aber keine Begeisterung erkennen. Häuselmayer ist nicht der Autor euphorisierender Architekturschöpfungen, die unterbewußte Zweifel der Bevölkerung von sich aus vergessen machen würden. Man hielt jeden Projektpreis für zu hoch, obwohl der Beweis der Angemessenheit leicht zu führen war. Zudem mußte sein tadelloses Projekt ohne Alternativen, keineswegs zur allgemein gehaltenen Fragestellung passend, als Generalköder herhalten. Man hätte es wissen müssen: Zeig dem Gegner niemals freiwillig dein empfindlichstes Stück.
Das wertvolle Instrument direkter Demokratie wurde leichtfertig auf eine fachlich längst bis zur Entscheidung ausdiskutierte, freilich mit dem Bürger nicht hinreichend kommunizierte Frage angewandt. Daß die im Vergleich zu anderen Materien überschaubare Frage der Neufassung des Landestheaters in eine enge Sackgasse geriet, läßt den Schluß zu, daß das von den Freiheitlichen taktisch geschickt gelegte und von der Regionalausgabe der „Krone“ perfekt-perfid geschmückte populistische Fangeisen auslösend, aber nicht ursächlich für die Ablehnung war. Die Mobilisierung der Bürger am Befragungstag und ihre Defensivhaltung resultierte vielmehr aus der Mißachtung des aktuellen politischen Drehmoments und langfristig ausgeprägter gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Zudem glaubte man, mit „landesfürstlicher“ Kraftentfaltung noch einmal anerkannte Grundsätze zeitgemäßen Bauprojektmanagements überspielen zu können: Wir zeigen alles, was wir jetzt gerade haben.
Die Beirats- und Regierungsbeschlüsse, die Studien und Gutachten, die künstlerischen und technischen Konzepte, die architektonischen und städtebaulichen Argumente waren für die Volksbefragten zwar mehr oder weniger zugänglich, aber nicht überschau- und schon gar nicht bewertbar. Die unumgängliche Informationsbringschuld der öffentlichen Körperschaft wurde nicht erfüllt, weshalb der mit dem Thema nicht oder sonst kaum befaßte Bürger - auf den kommt es bei einem Plebiszit naturgemäß an - entweder mit einer unzumutbaren Holschuld oder omnipräsenten Trivialbotschaften konfrontiert war. Einige symptomatische Pro- und Contra-Zitate aus Zeitungen oder von Plakatständern: „Kulturbauten haben es immer schwer“, „Kleiner Mann zahlt große Oper“, „Ja zur Lebensfreude, ja zum neuen Musiktheater“, „Oberösterreich, da ist Musik drin“, „Brandgefährliche Steinzeitplanung“, „Anrainer in Angst“.
Zwischen dem klaren Sachverhalt und dem wahlberechtigten Bürger wurde, teilweise sicher arglos, aber unverzeihlich, ein bruchstückhaft-banales, symbolhaftes Ersatzmodell des Linzer Musiktheaters zusammengestellt und dadurch der Blick auf die Problemlage erschwert. Die verzweifelt wirkende Plakatoffensive der Befürworter mit dem Allerweltssujet „Cooler Baseballer stemmt die Landestrompete und sagt ja zu Oberösterreich . . .“ gehört dazu, das datenüberfrachtete und lieblos an den Sehgewohnheiten der Adressaten vorbei gestaltete „Weißbuch“ nimmt den durch die Spardebatte im Bund genervten und auf Minutenlektüren konditionierten Bürger nicht ernst. Auch die publikumsnäheren Instrumente Video und CD-Rom waren nicht auf der Höhe der Zeit, obwohl Linz als ein Weltzentrum der Neuen Medien gilt. Eine Vortragstournee des Architekten und der ihn beratenden Ingenieure durch die oberösterreichischen Städte fand vorwiegend in leeren Sälen statt. - Insgesamt erwuchs im medialen Meinungsgewitter ein linkischer, in jede Richtung radikalisierender Wortbau, der das bescheiden angedachte Musiktheater im Berg vielfach überragt. Der babylonische Wortturm zu Linz bleibt ein Torso und wird als das Jahr 2000 überschattende Leistung der österreichischen Architektur in Erinnerung bleiben. Der im internationalen Ideenwettbewerb prämierte und bis zur Ausführungsreife entwickelte Entwurf von Otto Häuselmayer steckt im Kern dieses Meinungsturms; er ist in einigen Facetten erkennbar, in seiner pragmatisch abgewogenen Gesamtheit aber außerhalb der engsten Architekturszene und der Fachpublizistik nicht verständlich geworden.
Von den Freiheitlichen in diesem obstruktiven Zusammenhang zu verlangen, daß sie Transparenz über die räumlichen Erfordernisse und die Kosten eines Mehrspartentheaters, die Reserven des alten Landestheaterstandortes, die städtebaulichen Eigenarten der untersuchten Standortvarianten oder gar die Vorzüge und Nachteile der im Architektenwettbewerb ausgezeichneten Entwürfe herstellen sollten, hieße, sie zu überfordern. Daß aber das Land Oberösterreich nicht selbst in der Lage war, die Vorgeschichte und die Tatsachen zum „Theater im Berg“ zielgruppengerecht aufzubereiten und zu verbreiten, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Leistungsfähigkeit der dortigen Administration und besonders auf die strategischen Zielsetzungen im Kulturressort. Selbst nach diesem die Polemik um das Wiener Museumsquartier in den Schatten stellenden untergriffigen Freistilringen, nach der eiskalten Novemberabfuhr und mit dem Bekenntnis, auf der Suche nach einem neuen Weg zum Musiktheater zu sein, schließt Landeskulturdirektor Manfred Mohr seine Lageeinschätzung in der Jänner-Ausgabe des oberösterreichischen Kulturberichts mit der brandgefährlichen Aussage: „Ziel muß es sein, wieder über Kunst zu reden, und nicht mehr über die Bedingungen, unter denen sie entsteht.“
Dieses hehre Ziel entspringt einer exklusiven kultur- und kunstpolitischen Idylle, die spätestens mit dem Eindringen populistischer Handlungsmuster in die Regierungen verloren war. Solange die öffentlichen Körperschaften vorrangig die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen wollten, konnten beziehungsweise mußten, war eine solche Zieldefinition schlüssig. Nachdem nun, wie der Fall des Linzer Musiktheaters drastisch zeigt, die Landespolitik über weite Strecken ungehindert Teilinteressen von Parteien oder Personen instrumentieren kann, jedenfalls über die Aufgaben der öffentlichen Hand kein Grundkonsens mehr herrscht, hat die Kunst- und Kulturbürokratie in „gesellschaftlicher Not- wehr“ nicht mehr „über Kunst zu reden“, sondern erst recht „über die Bedingungen, unter denen sie entsteht“.
Es verstärkt sich die Vermutung, daß in Hinkunft in einer solchen Frontsituation verstärkt Private die Meinungsführerschaft für das Öffentliche übernehmen müssen. Daher macht es auch grundsätzlich Sinn, wenn sich die Kulturbürokratie umfassend um Unterstützung durch kompetente Unternehmen und Fachleute bei der Öffentlichkeitsarbeit bemüht; diese unter professionellen Rahmenbedingungen herangezogenen Privaten sind möglicherweise schon längst die ehrenamtlichen Vertreter dieser Inhalte. Diese Vermittler werden nicht die Scheu haben, nur über das zu reden, was der Sache nützt, selbst wenn es dazu führt, daß nur mehr mediale Transportvorgänge des Werks zielführend sind und der Künstler seinen persönlichen Kontakt zum Kunden, der öffentliche Bauherr den hoheitlichen Durchgriff zum Bürger verliert. In Linz war im November aber noch nicht ganz klar, ob eine Volksbefragung nicht doch eine kleine Landtagswahl und eine Theaterbaukommunikation nicht doch ein kleiner Landeshauptmannwahlkampf ist.
Ersetzt man den Begriff Kunst durch dessen Teilmenge Architektur, wird noch augenscheinlicher, wie weit sich die Linzer Bürokratie von den Usancen des rezenten Architekturmarktes, also von einem Handlungsfeld der Kultur und einem Nährboden der Kunst, entfernt hat. Architekten geben heute zunehmend ihrer Überzeugung Ausdruck, daß Architektur zwar weiterhin ihr Herzensgegenstand ist, es aber gerade bei der Umsetzung öffentlicher Bauten immer weniger Sinn macht, explizit das Kunstprodukt Architektur anzupreisen, über die persönliche Handschrift ihrer Architektur zu sprechen. Die synergetische Begegnung des genialischen Architekten mit der kongenialen Bauherrenpersönlichkeit, wo so ein direkter Dialog sinnstiftend wä- re, gibt es nur mehr in Ausnahmefällen.
Architekturkommunikation erfolgt zunehmend auf erhöhte Distanz zwischen Nutzer und Architekt, über vereinfachende Stellvertretersprachen. Architekten sind oft zu detailbesessen, um ihre Arbeit zu vermitteln. Die Überzeugungsarbeit richtet sich aber oft an architektonisch Desinteressierte; solange kein kulturell geläuterter Bauherren-Typ heranwächst, wird ihre Kommunikation mit den Architekturschaffenden verflachen und der Kontakt mit den Nutzern delegiert werden: Künstlerische Qualität ist dann nur mehr implizit zu transportieren. Politiker bestellen Neubauten dann gern, wenn sie ihnen nützlich sind, vor allem aber, wenn sie als Bilder die Nutzung in ihrem Sinn emotionalisieren. Dann stimmt für sie der Preis, egal wie hoch er ist. Überhöht nach dem subjektiven Empfinden dieser an Qualität eigentlich uninteressierten Bauherren die Architektur die Nutzung nicht, dann stimmt der Preis nicht, egal wie tief er ist. Solche Projekte werden politisch rasch entsorgt.
Für Linz hat Landesrat Hans Achatz kürzlich den nächsten derartigen Schlag gegen die Kulturmeile am Donauufer, gegen das in Bau befindliche „Lentos“-Museum der Zürcher Architekten Weber & Hofer angekündigt: „Die ,Lentos'-Initiative ist durchaus zulässig, weil bekanntermaßen über Geschmack gestritten werden kann, . . . der Bau in weitesten Kreisen nicht auf Zustimmung stößt.“ Wieder scheint ein mehrheitlich prämierter Wettbewerbsgewinner in die Mehrheitsunfähigkeitsfalle zu torkeln. Wie beim Musiktheater vermittelt niemand öffentlichkeitswirksam uneingeschränkte Überzeugung von den Qualitäten des Projekts.
Das Theater im Berg exekutierte man zögerlich, aber korrekt, ließ aber keine Begeisterung erkennen. Häuselmayer ist nicht der Autor euphorisierender Architekturschöpfungen, die unterbewußte Zweifel der Bevölkerung von sich aus vergessen machen würden. Man hielt jeden Projektpreis für zu hoch, obwohl der Beweis der Angemessenheit leicht zu führen war. Zudem mußte sein tadelloses Projekt ohne Alternativen, keineswegs zur allgemein gehaltenen Fragestellung passend, als Generalköder herhalten. Man hätte es wissen müssen: Zeig dem Gegner niemals freiwillig dein empfindlichstes Stück.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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