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Vom Scheitern der Moderne
„Günter Förg - 14 Photographien: Architektur Konstantin Melnikov“
Der deutsche Künstler Günter Förg ist derzeit mit Fotografien der Bauten des konstruktivistischen Architekten Konstantin Melnikov in der Sammlung Essl und mit Malereien in der Ausstellung Zeitwenden in Wien vertreten. Markus Mittringer traf ihn.
7. Juli 2000 - Markus Mittringer
Klosterneuburg - Günter Förg (48) ist gar nicht unglücklich mit der Oberflächlichkeit des Seins im Jetzt, mit der Konstruktion von Wahrheit durch die Medien. Dem Verflachen setzt er präzise formale Studien entgegen.
STANDARD: Sie sind im Moment auch in der Ausstellung Zeitwenden in Wien vertreten. Die war ja schon in Bonn heftig umstritten.
Förg: Die Idee ist nicht schlecht. Einen Rückblick zu machen und zugleich eine Vorschau. Aber in Endeffekt geht es dann immer ums Geld. Und trotz der Millionen, die da verbraten wurden, wurde es eng. Dann wurden die ganzen Kuratoren entlassen. Und das ist nicht unbedingt der wahnsinnige Stil. Der Walter Smerling (Anm.: Leiter der Schau im Kunstmuseum Bonn) hat sich damit bei der ganzen Kunstwelt unbeliebt gemacht. Dass das Ganze dann in einem Fiasko enden musste, war klar.
STANDARD: Das Problem?
Förg: Die Frage ist, brauchen wir überhaupt noch solche Großausstellungen? Langt es nicht, wenn man alle zwei Jahre an die Biennale geht oder alle fünf Jahre zur documenta? Das ganze Geschehen ist ja sehr direkt vom Kunstmarkt geprägt, also von Galeristen, die da powern und versuchen, ihre Leute reinzubringen. Da geht es schlichtweg um Geld.
STANDARD: Dafür ist Zeitwenden höchst beliebig ausgefallen.
Förg: Ich denke, die Zeit ist eben so. Insofern spiegelt die Ausstellung schon etwas wider. Ich denke, so etwas hat sich überholt. Der Herr Schlingensief hat doch hier die Aktion gemacht mit den Ausländern im Container. Die Aktion ist natürlich unsäglich. Aber ich finde, sie hat gut in unsere Zeit und vor die Oper gepasst. Das ist die heutige Wahrheit. Und dass für eine blöde Kunstausstellung eben auch vier Millionen Mark verbraten wurden, ist auch unsere heutige Zeit.
STANDARD: Trotzdem haben Sie teilgenommen.
Förg: Der Smerling hat sich damit unbeliebt gemacht und war auch vorher schon unbeliebt. Aber ich mag solche Leute immer. Und er hat dann keine Ruhe gegeben und immer wieder gesagt: "Sie müssen mitmachen. Dann habe ich halt gesagt: „Na gut, drei Bilder!“
STANDARD: In einem problematischen Zusammenhang.
Förg: Es gibt immer Idealsituationen. Aber Teil des Geschäftes ist, dass die Arbeiten in alle Winde zerstreut werden und die Idealsituation dann weg ist. Aber dann müssen sich die Bilder eben einzeln behaupten.
STANDARD: Was wäre ein zeitgemäßes Präsentationsforum?
Förg: Was wollen die als Nächstes bringen? Jan Hoet hatte 500.000 Besucher bei seiner documenta, die David dann schon Probleme, das zu halten. Wo soll das hin? Dann müsste man eine Ausstellung machen, die nicht mehr 16 Millionen Mark wie die documenta kostet, sondern 25 Millionen. Und dann braucht man eine Million Besucher. Aber so viele Schulkinder gibt es gar nicht. Am Schluss macht dann Hessen mobil, und jedes Kind muss dann die documenta sehen, damit die Statistik passt.
Ich bin ja nicht unglücklich mit der Zeit, in der ich lebe. Weil wenn alles sehr seicht und oberflächlich wird, also auf Fernsehniveau kommt, das ist eine herrliche Situation, um präzise zu sein. Wenn alle verblöden, dann kommt es auch besser, wenn man selbst eine exakte Arbeit setzt.
STANDARD: Was zeichnet Konstantin Melnikov aus?
Förg: Zuerst dachte ich, also nach Moskau, das ist doch das Allerletzte. Ich muss mir doch nicht das Elend anschauen. Aber die Architektur der Zeit Melnikovs lässt sich, gut organisiert, in einer Woche rezipieren. Also bin ich '95 doch nach Moskau. Unter den 20 Architekten ist der Melnikov der wichtigste.
Es ist doch ganz schön, dass die Moderne so gescheitert ist. Und im Fall Melnikov sieht man das ganz explizit. Der war der Star. Andere wie Lisitzky haben ja nie etwas realisiert. Der Melnikov kommt aber vom Bauen her. Die anderen haben sich nicht mehr als Individuen dargestellt, sondern für die große Idee im Kollektiv gearbeitet - anonym. Und was macht der Melnikov? Stellt sich hin, baut dieses Wohnhaus und schreibt über das riesige Atelierfenster „Konstantin Melnikow, Architekt“. Er betonte sich als Individuum, als Künstler. Und das war es dann auch. Danach durfte er nicht mehr bauen.
STANDARD: Gibt es eine Wechselwirkung zwischen Ihrer Malerei, der Skulptur, den Architekturfotos?
Förg: Wie das alles zusammenhängt? Der Zusammenhang bin ich. Es wurde aber auch immer wieder geschrieben: Die Architektur verbindet alles. Und das finde ich jetzt gar nicht so blöd.
STANDARD: Und wieso gerade diese Fotos in Wien?
Förg: Da stand dieser Kaviarhändler in meinem Wiener Hotelzimmer. Keine Ahnung, wie der da reingekommen ist. Und über die Donau gibt es ja diese Beziehung Wien-Moskau. Die Wiener sind ja melancholisch wie die Russen.
STANDARD: Sie sind im Moment auch in der Ausstellung Zeitwenden in Wien vertreten. Die war ja schon in Bonn heftig umstritten.
Förg: Die Idee ist nicht schlecht. Einen Rückblick zu machen und zugleich eine Vorschau. Aber in Endeffekt geht es dann immer ums Geld. Und trotz der Millionen, die da verbraten wurden, wurde es eng. Dann wurden die ganzen Kuratoren entlassen. Und das ist nicht unbedingt der wahnsinnige Stil. Der Walter Smerling (Anm.: Leiter der Schau im Kunstmuseum Bonn) hat sich damit bei der ganzen Kunstwelt unbeliebt gemacht. Dass das Ganze dann in einem Fiasko enden musste, war klar.
STANDARD: Das Problem?
Förg: Die Frage ist, brauchen wir überhaupt noch solche Großausstellungen? Langt es nicht, wenn man alle zwei Jahre an die Biennale geht oder alle fünf Jahre zur documenta? Das ganze Geschehen ist ja sehr direkt vom Kunstmarkt geprägt, also von Galeristen, die da powern und versuchen, ihre Leute reinzubringen. Da geht es schlichtweg um Geld.
STANDARD: Dafür ist Zeitwenden höchst beliebig ausgefallen.
Förg: Ich denke, die Zeit ist eben so. Insofern spiegelt die Ausstellung schon etwas wider. Ich denke, so etwas hat sich überholt. Der Herr Schlingensief hat doch hier die Aktion gemacht mit den Ausländern im Container. Die Aktion ist natürlich unsäglich. Aber ich finde, sie hat gut in unsere Zeit und vor die Oper gepasst. Das ist die heutige Wahrheit. Und dass für eine blöde Kunstausstellung eben auch vier Millionen Mark verbraten wurden, ist auch unsere heutige Zeit.
STANDARD: Trotzdem haben Sie teilgenommen.
Förg: Der Smerling hat sich damit unbeliebt gemacht und war auch vorher schon unbeliebt. Aber ich mag solche Leute immer. Und er hat dann keine Ruhe gegeben und immer wieder gesagt: "Sie müssen mitmachen. Dann habe ich halt gesagt: „Na gut, drei Bilder!“
STANDARD: In einem problematischen Zusammenhang.
Förg: Es gibt immer Idealsituationen. Aber Teil des Geschäftes ist, dass die Arbeiten in alle Winde zerstreut werden und die Idealsituation dann weg ist. Aber dann müssen sich die Bilder eben einzeln behaupten.
STANDARD: Was wäre ein zeitgemäßes Präsentationsforum?
Förg: Was wollen die als Nächstes bringen? Jan Hoet hatte 500.000 Besucher bei seiner documenta, die David dann schon Probleme, das zu halten. Wo soll das hin? Dann müsste man eine Ausstellung machen, die nicht mehr 16 Millionen Mark wie die documenta kostet, sondern 25 Millionen. Und dann braucht man eine Million Besucher. Aber so viele Schulkinder gibt es gar nicht. Am Schluss macht dann Hessen mobil, und jedes Kind muss dann die documenta sehen, damit die Statistik passt.
Ich bin ja nicht unglücklich mit der Zeit, in der ich lebe. Weil wenn alles sehr seicht und oberflächlich wird, also auf Fernsehniveau kommt, das ist eine herrliche Situation, um präzise zu sein. Wenn alle verblöden, dann kommt es auch besser, wenn man selbst eine exakte Arbeit setzt.
STANDARD: Was zeichnet Konstantin Melnikov aus?
Förg: Zuerst dachte ich, also nach Moskau, das ist doch das Allerletzte. Ich muss mir doch nicht das Elend anschauen. Aber die Architektur der Zeit Melnikovs lässt sich, gut organisiert, in einer Woche rezipieren. Also bin ich '95 doch nach Moskau. Unter den 20 Architekten ist der Melnikov der wichtigste.
Es ist doch ganz schön, dass die Moderne so gescheitert ist. Und im Fall Melnikov sieht man das ganz explizit. Der war der Star. Andere wie Lisitzky haben ja nie etwas realisiert. Der Melnikov kommt aber vom Bauen her. Die anderen haben sich nicht mehr als Individuen dargestellt, sondern für die große Idee im Kollektiv gearbeitet - anonym. Und was macht der Melnikov? Stellt sich hin, baut dieses Wohnhaus und schreibt über das riesige Atelierfenster „Konstantin Melnikow, Architekt“. Er betonte sich als Individuum, als Künstler. Und das war es dann auch. Danach durfte er nicht mehr bauen.
STANDARD: Gibt es eine Wechselwirkung zwischen Ihrer Malerei, der Skulptur, den Architekturfotos?
Förg: Wie das alles zusammenhängt? Der Zusammenhang bin ich. Es wurde aber auch immer wieder geschrieben: Die Architektur verbindet alles. Und das finde ich jetzt gar nicht so blöd.
STANDARD: Und wieso gerade diese Fotos in Wien?
Förg: Da stand dieser Kaviarhändler in meinem Wiener Hotelzimmer. Keine Ahnung, wie der da reingekommen ist. Und über die Donau gibt es ja diese Beziehung Wien-Moskau. Die Wiener sind ja melancholisch wie die Russen.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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