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6. März 2010 Der Standard

Raimund Abraham 1933-2010

Architekt Raimund Abraham, ein Befürworter des Einfachen und Sinnfälligen in der Baukunst, wirkte als Künstler, Anreger und Lehrer. Er ist 76-jährig einem Verkehrsunfall in Los Angeles zum Opfer gefallen.

Vergangenen Mittwochabend hielt Raimund Abraham am Southern California Institute of Architecture seinen letzten Vortrag: Die Verklärung der Stars unter den Architekten war einer der zentralen Punkte, die Abraham, der die Komplexität des Einfachen bedingungslos gegenüber dem Spektakulären, dem technisch gerade noch Machbaren verteidigte, dabei ein letztes Mal scharf kritisiert hat.

Ein letztes Abendessen mit Freunden und Wegbegleitern wie Eric Owen Moss und Peter Noever später war Abraham tot, mit einem Bus in Downtown L.A. kollidiert, noch an Ort und Stelle seinen Verletzungen erlegen. Raimund Abraham hat - prototypisch für sein Leben - nicht die vorgeschriebene Fahrtrichtung eingeschlagen.

Der 1933 in Lienz in Osttirol geborene Architekt war nicht im Ruhestand, hat nicht daran gedacht, das eigene Haus, an dem er seit Jahren in Mexiko baute, als Alterssitz zu nutzen.

Er hat dort umgesetzt, was seine Sache, seine Haltung war: kompromissloses Bauen, elementare Architektur, schlichte Häuser mit einer sinnstiftenden Verschränkung von internen und externen Blicken, Häuser, die skulptural erscheinen mögen, im Kern aber der Funktion verpflichtet sind - Orte, die Intimität und Öffentlichkeit versöhnen.

Verbindliche Botschaft

„Ich werde“, sagt Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien, „die Botschaft von Raimund Abraham niemals vergessen: ,Jeder Bau verletzt die Erde. Jeder Architekt hat deshalb die Verantwortung, dass diese aufgeladene Schuld der Verletzung der gegebenen Erde nur durch eine kulturelle und künstlerische Verbesserung versöhnt werden kann.'“

In Mexiko und in New York, der Stadt, in der er seit 1971 lebte, hat er weitergeplant, gezeichnet, gedacht, seine Vorlesungen (an der Cooper Union und am Pratt Institute in New York) ausgearbeitet. In Vorbereitung war etwa ein Musikerhaus auf dem ehemaligen Militärgelände bei Neuss in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Projekts „Museumsinsel Hombroich“.

Als Raimund Abrahams Hauptwerk gilt das Austrian Cultural Forum in New York, das, so Dietmar Steiner, „nur unter schwierigsten Rahmenbedingungen verwirklicht werden konnte, aber heute als Manifest und Landmark zeitgenössischer Architektur in die globale Architekturgeschichte eingeschrieben ist“. Das Magazin Wallpaper hat Abrahams Bau, der auf nur sieben Metern Breite und - für New York - mickrigen 24 Etagen den großen Bürotürmen locker Paroli bietet, unter die fünf wichtigsten Gebäude New Yorks gereiht.

Protest gegen FP-Beteiligung

Zwei Jahre vor der Eröffnung des Hauses legte Abraham aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ seinen österreichischen Pass nieder. 2002 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Österreichs aktuelle Kulturministerin Claudia Schmied würdigte Abraham in einer ersten Reaktion kenntnisreich: „Diese Qualität betraf nicht nur sein architektonisches Werk, sondern auch sein öffentliches Wirken. Er ging keine Kompromisse ein, da er bedingungslos an seinen Prinzipien festhielt.“ Und diese Prinzipien vor allem auch weitergab.

Elementarteile

Abraham, der wenig gebaut hat - einige Wohn- und Geschäftshäuser in den USA, die Hypo-Bank-Filiale in seiner Heimatstadt Lienz - war ein ungemein bedeutender und einflussreicher Lehrer; hierzulande leider nur im Rahmen von Gastvorträgen bei Kollegen.

"Raimund Abraham hat der Architektur unserer Zeit von seinen ersten Recherchen der bäuerlichen „elementaren Architektur“ des Alpenraums bis zu seinen großartigen literarisch-poetischen Zeichnungen und den wenigen ihm vergönnten Bauten (Anm: bei den internationalen Wettbewerben zum Centre Pompidou und der Bastille-Oper in Paris wurde er jeweils auf den zweiten Rang gereiht) eine neue Begründung ermöglicht", sagt Dietmar Steiner stellvertretend für viele, denen Abraham weit mehr war, denn der „Schwierige“ mit dem Kulturinstitut.

6. Dezember 2008 Der Standard

Edle Festung für die Kunst im Golf

Nach langer Architekten- und Standortsuche wurde es nun eröffnet: Ieoh Ming Peis Museum of Islamic Art in Doha. Ein Signal zur Positionierung Katars als Kultur- und Bildungszentrum am Persischen Golf

Der beigefarbene Magny- und Charmesson-Kalkstein kommt aus Frankreich, der edle graue Jet-Mist-Granit aus den USA, der rostfreie Edelstahl aus Deutschland; für Standort und Hülle hat der aus China stammende Ieoh Ming Pei gesorgt; die Innenausstattung der Schauräume hat das Pariser Büro von Jean-Michel Wilmotte unter anderem mit brasilianischem Perlholz (Louro Faia) verkleidet. (Woher das die Nahsicht doch etwas irritierende Silikon in den Fugen der steinernen Fassadenverkleidung kommt, ist nicht bekannt.)

Zum Direktor wurde Oliver Watson ernannt, ehedem Chefkurator der Middle Eastern Collections am Londoner Victoria & Albert Museum. Der Auftraggeber ist der Emir von Katar, seine Hoheit Scheich Hamad Bin Khalifa Al-Thani. Dessen Tochter, ihre Exzellenz Sheikha Al-Mayassa Bint Hamad Bin Khalifa Al-Thani steht dem Board of Trustees vor. Beide stammen ebenso wie die spezielle, dem Klima trotzende Betonmischung aus Katar.

Alles zusammen ergibt das eben eröffnete Museum of Islamic Art in Doha, ein spektakuläres Haus auf einer künstlichen, etwa 60 Meter dem Festland vorgelagerten Insel im Golf.

I. M. Pei bestand auf dieser Insel, einem Bauplatz, von dem er sicher sein konnte, dass kein noch so himmelstrebender Bauboom sein Haus je in den Schatten stellen würde. Souverän ruht seine etwa 50 Meter hohe Burg auf ihren 35.000 Quadratmetern Grundfläche in der Bucht, unberührt von Jean Nouvels Büroturm in der Skyline Dohas gegenüber an der Nordseite, unberührbar auch von allen Bauten, die da, wie etwa ein geplantes Fotomuseum von Santiago Calatrava oder eine riesige Struktur Arata Isozakis, noch kommen mögen.

Solitär im Meer

I. M. Pei hat einen Solitär ins Meer gesetzt, seine Essenz islamischer Architektur in zeitgemäßer Interpretation. Der Pritzger-PrizeTräger von 1983 und Architekt des Grand Louvre (der „Pyramide“) war nicht die erste Wahl, ein Symbol für Katars Positionierung als Kultur- und Bildungszentrum in der Region zu errichten. Ein Wettbewerb hatte Jahre zuvor kein befriedigendes Resultat gebracht. Schließlich wurde Pei direkt (er nimmt seit Jahrzehnten an keinen Wettbewerben mehr teil) quasi aus der Pension geholt, um noch einmal „Wesentliches“ zu errichten.

Und der machte die Insel als Bauplatz zur Bedingung - und ging auf Reisen; besuchte die große Moschee von Córdoba in Spanien, die Mogul-Residenz Fatehpur Sikri in Indien, die Omayyaden-Moschee in Damaskus, die Grenzfestungen von Monastir und Souuse. Um schließlich bei einem Brunnen für rituelle Waschungen aus dem 13. Jahrhundert innezuhalten: Der Sabil der Ibn-Tulun-Moschee von Kairo hat ihm letztlich „die streng minimalistische Architektur aufgezeigt, die erst durch die Sonne, durch das Spiel von Schatten und Farbschattierungen zum Leben erweckt wird“, war „Vorbild“ für sein annähernd fensterloses Zentralgebäude, den „Ausdruck einer geometrischen Sequenz“. Durch einen Arkadengang und ein wasserbespieltes Atrium mit dem Hauptgebäude verbunden ist ein zweigeschoßiger „Education Wing“.

Erschlossen wird die Insel durch zwei Fußgeherstege zu den Nebeneingängen und eine (autotaugliche) zeremonielle Rampe zum Haupteingang. Und - die wohl eindrucksvollste Annäherung - durch einen dem Emir vorbehaltenen Bootssteg samt drehbarer offener Hebebühne zum Transport der Eminenzen auf das Niveau des zentralen, spektakulär überkuppelten Foyers.

Hier übersetzt Pei die Komplexität orientalischer Dekors in ein dreidimensionales Spiel von Überschneidungen, schwelgt in den unendlichen Möglichkeiten des Ornaments, zitiert in einem monumentalen Luster perforierte ägyptische Metallarbeiten, lässt die mit Edelstahl ausgekleidete Kuppel via Licht zum „lebendig“ facettierten Gewölbe werden.

Zugleich ist das Foyer der Raum, um „moderne“ Materialien einzubringen: Gläserne Treppen und Geländer, stählerne Handläufe, computergenerierte Stahlbrücken bringen im Verbund mit dem verglasten Erker ebenso Licht wie das reale Leben ins Heiligtum - sorgen aber auch für dezente Shoppingmall-Atmosphäre.

4. November 2008 Der Standard

Provisorium mit Zukunft

Die Temporäre Kunsthalle Berlin wurde mit Candice Breitz eröffnet: Adolf Krischanitz' Holzbau bringt zumindest für zwei Jahre die Gegenwart auf den Schlossplatz.

Berlin - Jetzt also auch in Berlin: eine simple Schachtel für Kunst nach dem Adolf-Krischanitz-Prinzip. Temporäre Kunsthalle Berlin nennt sich das Unternehmen, das, entstanden aus einer Privatinitiative, zumindest vorübergehend die Gegenwart auf den Berliner Schlossplatz bringt. Soll doch in zwei Jahren der Kunstzauber mit dem Himmel, so wie Gerwald Rockenschaub ihn versteht - grob gepixelt -, wieder weg sein. Soll doch dann eine ganz und gar nicht gegenwärtige Kiste den Schlossplatz dominieren: Die „kritische“ Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses, gebaut, um auch noch die letzte Erinnerung an DDR-Zeiten zu löschen.

Vom Palast der Republik stehen nur mehr die Stiegenhäuser - und inmitten der offenen Kellergeschoße und Fundamente nun diese blaue Schachtel mit 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche und einer Bar (Friedrichs) mit großzügigem Freigelände.

Und das Wien-Prinzip - Kunst an Milchcafé, Bier und Cocktails - sollte auch in Berlin aufgehen. Die Eröffnung war gut besucht, und die Schau - ebenfalls in Ansätzen aus Wien übernommen - bietet leichte Kost für alle Berliner: Kunsthalle-Wien-Direktor Gerald Matt hat Candice Breitz ausgewählt, um die Berliner gleich vorweg mit der in Wien einst so umstrittenen blauen Kiste auszusöhnen. Die in Johannesburg geborene Candice Breitz porträtiert Popstars: Bisher entstanden: Legend (A Portrait of Bob Marley), Queen (A Portrait of Madonna), King (A Portrait of Michael Jackson) und Working Class Hero (A Portrait of John Lennon).

John Lennons Jünger

Da man über diese Popstars ohnehin schon alles weiß, lässt Candice Breitz auch alles Wissenswerte weg. Übrig bleiben Texte und Melodien, interpretiert von Fans der härteren Sorte. Im Fall von John Lennon muss man sich das jetzt so vorstellen: 25 Jünger geben Lennons erstes Soloalbum John Lennon / Plastic Ono Band von 1970 zu ihrem jeweils Besten. Und Candice Breitz bastelt aus den Ton- und Videospuren dann eine Choralversion auf 25 parallel geschalteten Monitoren. Übrigens exakt in der Originallänge von 39 Minuten und 55 Sekunden.

So etwas hält die stärkste Badewanne nicht aus und wird deswegen eher im Kunstkontext vertrieben. Das Lennon-Tribute etwa wurde von der Londoner White Cube Gallery produziert und hatte 2006 in Gateshead Premiere. Dort fanden sich nebst dem Publikum von White Cube, welches man sonst auch gerne auf der Londoner Frieze Art Fair oder der Art Basel in Miami Beach antrifft, vor allem Familienmitglieder der Interpreten. Die Pop-Geschichte weiß von den Originalaufnahmen zu Working Class Hero zu berichten, dass Lennon sich zu der Zeit nicht nur Yoko Ono, sondern auch Dr. Arthur Janovs angeblich Traumata löschenden Urschreitherapie zu widmen hatte.

Die Fans dürften sich die Anekdote zu Herzen genommen haben. Jeder Auserwählte müht sich ab, sein Innerstes nach außen zu kehren. Was vor allem auch den absolut mangelhaften Beitrag des englischen Gesundheitssystems zur Zahnhygiene ungeschminkt aufdeckt, aber auch von den insularen Eigenheiten betreffend die Ernährung zu berichten weiß. Der Rest ist pure Inbrunst: 25 vom eigenen Gemüt völlig ergriffene, eher einfache Gemüter schmettern eher schwer als „lyrics“ erkennbare Zeilen ins Publikum: „As soon as you're born they make you feel small / By giving you no time instead of it all / Till the pain is so big you feel nothing at all / A working class hero is something to be / A working class hero is something to be / They hurt you at home and they hit you at school / They hate you if you're clever and they despise a fool / Till you're so fucking crazy you can't follow their rules ...“

Band-Aid-Video-Clip

Und also erkennt der geübte Kunstfreund sofort die kritische Analyse der jüngeren Sozialgeschichte Großbritanniens in der liebevollen Persiflage auf das Genre Band-Aid-Video-Clip.

Warum Candice Breitz? Sie arbeitet ebenso in Berlin (derzeit an einem Jack-Nicholson-Porträt, das noch in die laufende Ausstellung eingespeist werden wird) wie jene Künstler, denen die kommenden Ausstellungen gewidmet sind: Simon Starling, Katharina Grosse, Jennifer Allora & Guillermo Calzadilla. In einer nächsten Serie soll dann die jüngere Berliner Szene vorgestellt werden. Und: Provisorien halten meist länger als geplant. Vielleicht auch in Berlin.

3. Oktober 2005 Der Standard

Mittelstädte mit Kunstputz

Zunächst muss festgestellt werden: Es ist dem steirischen herbst gelungen, Chris Burdens Pizza City aus dem Wiener Museum für angewandte Kunst temporär ins Kunsthaus Graz zu überstellen. Die monumentale Mischtechnik aus Spielzeug- und Modellbauhäuschen dient, wie die meisten der bildenden Kunst zuzuordnenden Exponate innerhalb der Ausstellung M Stadt Europäische Stadtlandschaften, als Showelement.

Und angesichts von Burdens überbordendem Idyll stellt sich gleich die Frage nach dem „M“ im Titel: Mittelstadt? Mittelmaß? Migration und Stadt? Mega-City? Metropolis? Oder, um bei Fritz Lang zu bleiben: Sucht Graz diesen Herbst einen Mörder? Oder geht es wieder einmal um Metaebenen, um Diskurse, um Medien und das Urbane, oder das Urbane als Medium?

Nun, es geht genau gesagt um das Viele, das so anfällt, wenn Städte sich wandeln (Diskursdeutsch: „Veränderungsprozess“), was sie seit ihrer Erfindung eigentlich gerne tun. Noch nie aber wurden sie dabei so genau beobachtet wie eben heute. (Diesfalls unter der kuratorischen Oberaufsicht des Architekturtheoretikers Marco De Michelis).

Und so gibt sich gleich die Ausstellungsarchitektur des spanischen Studios ReD/Research+Design als quasi urbanes Setting, legt im Space02 des Grazer 60er-Jahre-Retro-Aliens Wege an, setzt Blöcke in den Weg, erzwingt Ausweichmanöver, bietet Abkürzungen, um von Objekt zu Objekt zu gelangen. Und lässt von der Decke abgehängte Stoffbahnen eine Welle bilden, das Panorama einer Landschaft. Auf dieser Ebene finden sich die sechs Themen und Fragen wieder, die M Stadt zumindest gestellt haben will.

In Earthscapes untersucht der katalanische Architekt Vicente Guallart die geologischen Beschaffenheiten der Gebiete, in denen Städte entstanden sind, und kommt zur wenig erstaunlichen Erkenntnis, dass die Architektur weit mehr ihren eigenen Prinzipien gehorcht, als sich für die jeweilige Umgebung immer wieder selbst zu erfinden. Die Abteilung Euro-Sprawl will zeigen, dass europäische Städte heute ebenso ihrer Zentren verlustig gehen, wie amerikanische solche nie hatten. Dan Grahams Arbeit Homes for Amerika wird da als künstlerischer Input aufgeboten. In der Abteilung für Migrations sorgen Duane Hansons Derelict Woman - eine hyperrealistische Sandlerin aus bemaltem Polyester - und Gavin Turcs Nomad betitelte, befleckte Schlafsäcke aus bemalter Bronze, für Drastik.

Spätestens im Abschnitt Shopping wird deutlich, dass vieles an „Kunst“ nur aufgeboten wird, um einer naturgemäß spröderen Architekturausstellung Pepp zu verleihen und die Vorzeigeschau des Festivals in allen Sparten mit großen Namen ausstatten zu können. Andreas Gurskys Mixed-Media-Arbeiten zur Marke Prada bringen ebenso wenig ein wie Sylvie Fleurys zu Tode ausgestellter vergoldeter Einkaufswagen. Und auch das Shopping-Wagerl, das der Berliner Stiletto 1989 zu einem Fauteuil recycelt hat, lässt den Zusammenhang mit Debatten und Modellen zu Shoppingmalls und anderen Freizeitlandschaften schwer vermissen.

Eine Ebene höher wurden die das Kunsthaus charakterisierenden, lichtgebenden Warzen bis in Betrachterhöhe nach innen verlängert. Und dienen nun als Kleinkinoräume, in denen Porträts der Städte Basel, Krakau, Triest, Ljubljana und des urbanen Systems des Ruhrgebietes laufen. Das sieht zwar recht hübsch aus, beschert aber weder der Schau noch deren Themen irgend einen Mehrwert.

23. Oktober 2004 Der Standard

Kiste mit Jägerstüberl innen drin

Das Salzburger Museum der Moderne ist nun auch offiziell eröffnet - Enttäuschung hinter der geraden Linie ...

Das Salzburger Museum der Moderne ist nun auch offiziell eröffnet. Und lädt ein, die Enttäuschung hinter der geraden Linie zu erleben. Und die Depression im Jägerstüberl

Am Mönchsberg steht ein Jägerstüberl. Es ist von außen nicht als solches zu erkennen. Weil sich nämlich ein karges Museum über das Jägerstüberl stülpt. Dort, wo einst das Café Winkler stand, befindet sich jetzt das Museum der Moderne. Es ist schon länger offen, eröffnet wurde es aber erst jetzt. Das hängt mit den Festspielen zusammen, die frecherweise im Sommer schon stattfanden.

Und da die Salzburger Festspiele ja allerhand Besucher anlocken, zu welchem Zweck ja Salzburg von der Österreich Werbung erst errichtet wurde, musste das Museum eben schon im Sommer eingeleuchtet werden. Und jetzt, da es sich erst richtig fertig zeigt, will gar nicht recht viel Glamour aufkommen.

Allein ein Faktor ist es schon; und startet daher auch gleich mit der Vision einer Sammlung. Mit der Behauptung also, es hätte keine richtige eigene. Weil das, was an Grundstock so da ist - die Sammlung des Kunsthändlers Friedrich Welz, die später dann ergänzt wurde um Figuratives und Fotografie durch Otto Breicha, um Egon Schiele durch Peter Weiermeier - mag nicht recht in den Zeitgeist passen, für den die Direktorin des Hauses steht.

Der Zeitgeist fordert das internationale Format, und so wurde mit allerhand Leihgaben an einer Vision einer Sammlung gearbeitet, die so international werden will, auf dass man sie bald schon nicht mehr von anderen Sammlungen unterscheiden wird können. Das ist ein weiter Weg, aber mit Vanessa Beecroft ist schon ein guter Anfang gemacht. Die findet sich, samt ihren jeweils unterschiedlich gruppierten Nackerten, nun endlich auch in Salzburg.

Eine Tischgesellschaft stellt die Beecroft diesmal unter Zuhilfenahme tadellos gertenschlanker Models - kritisch wie immer - dar. Und mit allerhand Leihgaben aus den bewährten Sammlerhänden der Familien Batliner oder Thyssen Bornemisza oder Ploil, nebst einer Imi-Knoebel-Schenkung durch Thaddaeus Ropac kommt dann, ergänzt durch die untadelig kühle Architektur des Münchner Büros Klaus Friedrich, Stefan Hoff und Stefan Zwink, kommt dann doch Weltstadtstimmung auf, an der Salzach, die - ganz so weltstädtisch wie Graz - auch schon eine Insel hat. Nur weniger Acconci-mäßig, mehr in Richtung der bewährten Atterseeschifffahrt designt. Zum Museum ist sonst noch zu sagen, dass es lichttechnisch besser funktioniert als die eigentliche Eröffnungsschau - Ein-Leuchten - vermuten ließ.

Die über drei Etagen und 2300 Quadratmeter verteilten Räume bleiben aber bedrückend nieder. Doch wichtiger sind ja heutzutage, wo es vorwiegend darum geht, Einnahmen zu lukrieren, der Shop und das Wirtshaus. Das Wirtshaus ist der schönste Raum des neuen Mönchsbergkomplexes. Leider hat ihn Mattheo Thun verschandelt, weil ihm nichts Besseres eingefallen ist, als seine Installation Lusterweibchen - darunter muss man sich jetzt ein von der Decke schwebendes Band aus ganz vielen Hirschgeweihen vorstellen - mit lila bezogenen und ansonsten blattvergoldeten Sessel zu kombinieren.

Mozartkugel-Würfe

Die übrigen Sitzgelegenheiten sind grün, und man greift intuitiv nach einer vollen Ladung Mozartkugeln, den Meister dorthin zu bomben, wo er auch hingehört: in die 80er-Jahre, in denen man sich unter Design etwas unbedingt Lustiges vorzustellen hatte. Da hilft letztlich nur noch die Zuflucht. Eva Schlegl hat eine Lounge gebaut - so etwas braucht ein Museum heutzutage unbedingt - in der man es echt aushält. Zumal man ja im Shop ein Buch kaufen kann, um abzutauchen.

Salzburg hat nun also auch offiziell ein Museum der Moderne. Es schaut tadellos aus, ist aber voll von Kunstwerken, die gemäß der Vision ausgesucht wurden, es möglichst schnell verwechselbar zu machen. Das ist schade. Weil, wie Tim Noble & Sue Webster in ihrer Neonarbeit so allgemein gültig feststellen: Man hätte so gerne wieder einmal „fucking beautiful“ gesagt und damit nicht nur die Hülle gemeint.

19. Juni 2001 Der Standard
15. Juli 2000 Der Standard
7. Juli 2000 Der Standard

Vom Scheitern der Moderne

„Günter Förg - 14 Photographien: Architektur Konstantin Melnikov“

Der deutsche Künstler Günter Förg ist derzeit mit Fotografien der Bauten des konstruktivistischen Architekten Konstantin Melnikov in der Sammlung Essl und mit Malereien in der Ausstellung Zeitwenden in Wien vertreten. Markus Mittringer traf ihn.

Klosterneuburg - Günter Förg (48) ist gar nicht unglücklich mit der Oberflächlichkeit des Seins im Jetzt, mit der Konstruktion von Wahrheit durch die Medien. Dem Verflachen setzt er präzise formale Studien entgegen.

STANDARD: Sie sind im Moment auch in der Ausstellung Zeitwenden in Wien vertreten. Die war ja schon in Bonn heftig umstritten.

Förg: Die Idee ist nicht schlecht. Einen Rückblick zu machen und zugleich eine Vorschau. Aber in Endeffekt geht es dann immer ums Geld. Und trotz der Millionen, die da verbraten wurden, wurde es eng. Dann wurden die ganzen Kuratoren entlassen. Und das ist nicht unbedingt der wahnsinnige Stil. Der Walter Smerling (Anm.: Leiter der Schau im Kunstmuseum Bonn) hat sich damit bei der ganzen Kunstwelt unbeliebt gemacht. Dass das Ganze dann in einem Fiasko enden musste, war klar.

STANDARD: Das Problem?

Förg: Die Frage ist, brauchen wir überhaupt noch solche Großausstellungen? Langt es nicht, wenn man alle zwei Jahre an die Biennale geht oder alle fünf Jahre zur documenta? Das ganze Geschehen ist ja sehr direkt vom Kunstmarkt geprägt, also von Galeristen, die da powern und versuchen, ihre Leute reinzubringen. Da geht es schlichtweg um Geld.

STANDARD: Dafür ist Zeitwenden höchst beliebig ausgefallen.

Förg: Ich denke, die Zeit ist eben so. Insofern spiegelt die Ausstellung schon etwas wider. Ich denke, so etwas hat sich überholt. Der Herr Schlingensief hat doch hier die Aktion gemacht mit den Ausländern im Container. Die Aktion ist natürlich unsäglich. Aber ich finde, sie hat gut in unsere Zeit und vor die Oper gepasst. Das ist die heutige Wahrheit. Und dass für eine blöde Kunstausstellung eben auch vier Millionen Mark verbraten wurden, ist auch unsere heutige Zeit.

STANDARD: Trotzdem haben Sie teilgenommen.

Förg: Der Smerling hat sich damit unbeliebt gemacht und war auch vorher schon unbeliebt. Aber ich mag solche Leute immer. Und er hat dann keine Ruhe gegeben und immer wieder gesagt: "Sie müssen mitmachen. Dann habe ich halt gesagt: „Na gut, drei Bilder!“

STANDARD: In einem problematischen Zusammenhang.

Förg: Es gibt immer Idealsituationen. Aber Teil des Geschäftes ist, dass die Arbeiten in alle Winde zerstreut werden und die Idealsituation dann weg ist. Aber dann müssen sich die Bilder eben einzeln behaupten.

STANDARD: Was wäre ein zeitgemäßes Präsentationsforum?

Förg: Was wollen die als Nächstes bringen? Jan Hoet hatte 500.000 Besucher bei seiner documenta, die David dann schon Probleme, das zu halten. Wo soll das hin? Dann müsste man eine Ausstellung machen, die nicht mehr 16 Millionen Mark wie die documenta kostet, sondern 25 Millionen. Und dann braucht man eine Million Besucher. Aber so viele Schulkinder gibt es gar nicht. Am Schluss macht dann Hessen mobil, und jedes Kind muss dann die documenta sehen, damit die Statistik passt.

Ich bin ja nicht unglücklich mit der Zeit, in der ich lebe. Weil wenn alles sehr seicht und oberflächlich wird, also auf Fernsehniveau kommt, das ist eine herrliche Situation, um präzise zu sein. Wenn alle verblöden, dann kommt es auch besser, wenn man selbst eine exakte Arbeit setzt.

STANDARD: Was zeichnet Konstantin Melnikov aus?

Förg: Zuerst dachte ich, also nach Moskau, das ist doch das Allerletzte. Ich muss mir doch nicht das Elend anschauen. Aber die Architektur der Zeit Melnikovs lässt sich, gut organisiert, in einer Woche rezipieren. Also bin ich '95 doch nach Moskau. Unter den 20 Architekten ist der Melnikov der wichtigste.

Es ist doch ganz schön, dass die Moderne so gescheitert ist. Und im Fall Melnikov sieht man das ganz explizit. Der war der Star. Andere wie Lisitzky haben ja nie etwas realisiert. Der Melnikov kommt aber vom Bauen her. Die anderen haben sich nicht mehr als Individuen dargestellt, sondern für die große Idee im Kollektiv gearbeitet - anonym. Und was macht der Melnikov? Stellt sich hin, baut dieses Wohnhaus und schreibt über das riesige Atelierfenster „Konstantin Melnikow, Architekt“. Er betonte sich als Individuum, als Künstler. Und das war es dann auch. Danach durfte er nicht mehr bauen.

STANDARD: Gibt es eine Wechselwirkung zwischen Ihrer Malerei, der Skulptur, den Architekturfotos?

Förg: Wie das alles zusammenhängt? Der Zusammenhang bin ich. Es wurde aber auch immer wieder geschrieben: Die Architektur verbindet alles. Und das finde ich jetzt gar nicht so blöd.

STANDARD: Und wieso gerade diese Fotos in Wien?

Förg: Da stand dieser Kaviarhändler in meinem Wiener Hotelzimmer. Keine Ahnung, wie der da reingekommen ist. Und über die Donau gibt es ja diese Beziehung Wien-Moskau. Die Wiener sind ja melancholisch wie die Russen.

Publikationen

2012

Sepp Auer. und
Arbeiten 2003-2011

Sarkastische Statements, konzeptuell-minimalistisch formuliert, charakterisieren die neuen künstlerischen Arbeiten des Bildhauers Sepp Auer, die hier zu einem thematischen Zyklus versammelt sind. Gruppierte Versatzstücke aus einer industriell gestalteten, entsinnlichten Welt werden bedruckt mit extrem
Autor: Markus Mittringer, Sepp Auer
Verlag: Schlebrügge Editor

2005

L.A. Women

„L.A. Women“ ist das Porträt einer Szene: Eva Schlegel fotografierte während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Los Angeles rund 40 Künstlerinnen und Architektinnen, nahm ihre Studios, Mitarbeiter, Häuser, Manuskripte, Zeichnungen, Modelle und Arbeitsprozesse auf. Es entsteht ein Bild des Milieus, in
Autor: Markus Mittringer, Eva Schlegel, Robert Fleck, Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs, Brigitte Huck, Andrea Lenardin, Peter Noever, Martin Prinzhorn, Annette Südbeck
Verlag: Schlebrügge Editor