Beitrag

Werner Nussmüller – Ortskerne stärken
Werner Nussmüller – Ortskerne stärken, Foto: Anne Isopp

Werner Nussmüller versteht unter nachhaltigem Bauen vor allem den sorgsamen Umgang mit den bestehenden Ressourcen des Planeten. Anne Isopp holte das Statement ein.

1. Februar 2022 - Anne Isopp
„Wir haben gemeinsam mit dem Soziologen Rainer Rosegger schon öfter an Ortskernrevitalisierungen gearbeitet. Die Erfahrung von Redesign Eisenerz, bei dem es um Maßnahmen gegen Schrumpfung ging, konnten wir in Studien über Rottenmann und Wildon und zuletzt in Stanz einbringen. Stanz im Mürztal ist eine Gemeinde, in der sich seit dreißig Jahren nichts Wesentliches verändert hat. Im Zentrum kam es, wie in allen anderen entlegenen Gemeinden dieser Größenordnung in der Steiermark, zu einer Abwanderung. Das führte zu viel Leerstand im Ortskern und einer geringeren Anzahl an Gasthäusern. Die junge Bevölkerung, die blieb, baute sich außerhalb des Ortskerns ihre Einfamilienhäuser. In Stanz bauten wir auf Initiative des Bürgermeisters direkt am Hauptplatz einen neuen Lebensmittelmarkt mit 16 darüberliegenden Wohnungen für Jungfamilien, Seniorinnen und Senioren. Wir sanierten das Gemeindeamt und bauten einen neuen Gemeindesaal als Mehrzwecksaal an. Uns war es wichtig, mit neuer Architektur ein neues Lebensgefühl in diesen Ort zu bringen. Man kann wieder einkaufen und das Geschäft geht fantastisch. Weil es so toll ist, kommen Leute aus dem sieben Kilometer entfernten Kindberg einkaufen. Es ist faszinierend, wie der Ort nun auflebt.

Ich bin überzeugt davon, dass nachhaltige Architektur argumentierbar ist. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wir müssen die endlosen Diskussionen über explodierende Baukosten beenden und endlich über Lebenszykluskosten sprechen. Nur wenn wir über einen Zeitraum von zwanzig bis fünfzig Jahren denken, können wir von Nachhaltigkeit sprechen. Doch genau das tun wir beim Bauen nicht. Warum uns das so schwerfällt in der Architektur? Das ist eine schwierige Frage. Es kommt auf der einen Seite auf das Umfeld, auf die Anforderungen der Auftraggeber an. Auf der anderen Seite glaube ich, dass uns unsere Eitelkeit daran hindert, langfristig zu handeln. Wir Architekten denken viel lieber daran, wie ein Gebäude aussieht, als daran, wie es sich in seinem ökologischen Umfeld präsentiert. Ich setze dabei große Hoffnung in die Jugend. Auch in der Steiermark geht die Entwicklung des Holzbaus in großen Schritten voran. Man muss allerdings zugeben, dass das teilweise Mode und nicht nur von Ökologie beeinflusst ist.

Wir beschäftigen uns gerade mit Fassadensystemen aus Holz als Alternative zum Vollwärmeschutz. Wie muss eine Fassade gebaut sein, damit man sie später ohne Weiteres wieder abnehmen und erneuern kann? Wie baut man ein Gebäude, damit es sich wieder demontieren lässt und seine Bauelemente neu verwendet werden können? In Stanz konnten wir diese nachhaltigen Elemente der Demontage noch nicht umsetzen, weil hier die Revitalisierung des Ortskerns mit Bürgerbeteiligung vorrangig war. Wenn man in einem Ortskern wie Stanz baut, geht es vor allem um die Einfügung in den Bestand.“

Werner Nussmüller ist Architekt in Graz. Hier gründete er nach der Zusammenarbeit mit Herfried Peyker und Nikolaus Schuster (Gruppe 3) in den 1990er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Inge das Büro Nussmüller Architekten, das inzwischen von seinem Sohn Stefan Nussmüller geführt wird. Nussmüller Architekten begannen schon früh, mit Holz zu bauen. Zuletzt wurden ihre Holzwohnbauten in der Max-Mell-Allee in Graz und ihre Ortskernentwicklung in Stanz mit Preisen ausgezeichnet. Letztere war für den Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit nominiert.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

teilen auf