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Gabu Heindl – Ökologisch und sozial gedacht
Gabu Heindl – Ökologisch und sozial gedacht, Foto: Anne Isopp

Gabu Heindl ist Architektin und Stadtplanerin in Wien und seit Herbst 2022 Professorin an der Uni Kassel, wo sie derzeit einen neuen Lehrstuhl für Architektur, Stadt und Ökonomie aufbaut. Mit ihrem Büro GABU Heindl Architektur baut sie zurzeit in Wien an einem Industriestandort ein bestehendes Ensemble zu einem selbstverwalteten Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt um. Die Gruppe, für die sie hier baut, nennt sich SchloR und ist Teil von habiTAT, einem Verein, der nach dem Modell des deutschen Mietshäuser Syndikats agiert. Gabu Heindl erzählt, warum SchloR echte Pionierarbeit leistet und warum wir intergenerational denken müssen. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

20. Dezember 2022 - Anne Isopp
„Ich bin Architektin, Stadtplanerin und Aktivistin. Ich finde Aktivistin beschreibt gut die Notwendigkeit, in der Architektur immer wieder auch eine Position mit denen und an der Seite von denen einzunehmen, die oft nicht beachtet werden. Das sind Menschen, die zum Beispiel wohnungslos sind. Ich arbeite viel mit solchen Initiativen zusammen. Ich möchte mich für eine andere, für eine gerechtere Stadt einsetzen, für ein Recht auf Stadt für alle. Da übernehmen Architektur und Stadtplanung eine wichtige Rolle.

Beim Bauprojekt SchloR habe ich ganz eindeutig die Rolle der Architektin. Die Auftraggeber*innenseite ist eine bunte Mischung an Menschen, die gemeinsam eine Art von Aktivismus verfolgen, indem sie ohne Profitorientierung selbstorganisiertes, selbstinitiiertes Wohnen und Arbeiten in der Stadt umsetzen wollen. Das Projekt heißt SchloR. SchloR steht für Schöner Leben ohne Raiffeisen, ohne Rendite, ohne Räumungen … und vieles mehr.

Man hört schon, dass es darum geht, nicht profitorientierte, nicht eigentumsorientierte Wohn- und Arbeitsräume zu errichten. Die Gruppe ist ein Teil von habiTAT, einem Verein, der hier Ähnliches aufbauen will wie das Mietshäuser Syndikat in Deutschland.

Das Grundstück, das die Gruppe erworben hat, liegt an einer Nebenstraße. In seinem Zentrum steht eine Halle, die bereits als Zirkushalle genutzt wurde und weiter zu einem Zirkuszentrum ausgebaut werden soll. Daneben gab es Werkstätten, die wir saniert und aufgestockt haben. Umbauen und Umnutzen, das sind ökologische Ziele der Gegenwart. Dann gibt es noch einen zweigeschoßigen Wohn- und Arbeitstrakt, den wir neu herstellen mussten. Hier bauen wir vorgefertigt aus Holz, Stroh und Lehm. Im Außenraum entsiegeln wir die derzeit asphaltierte Fläche und nutzen das Potenzial der Typologie des Geländes und dessen Beziehung zwischen Innen- und Außenraum: Es ist nämlich wie eine kleine Stadt in der Stadt.

Dieses Projekt ist durch Direktkredite finanziert, das heißt, es gibt – wie aber eigentlich bei allen Projekten, die wir ausführen – eine besondere Verantwortung für das Budget. Wo kann man einsparen und wo sollte man lieber nicht auf Qualität verzichten? Man würde vielleicht annehmen, dass die soziale, ästhetische und ökologische Frage da und dort auseinanderfallen. Gerade weil oft gesagt wird, dass sozialer Wohnbau nicht ökologisch sein kann, leisten Projekte wie SchloR hier tatsächlich Pionierarbeit. Denn wir kalkulieren selbstverständlich knapp, präzise und eng, streben dabei aber nach einer möglichst ökologischen Bauweise und errichten ein leiwandes Projekt.
Wie wir wissen, hat die soziale Frage immer auch eine ökologische Komponente. Mit wessen Sand bauen wir in Stahlbeton? Wo kommt der Stahl her? Auf wessen Kosten verbauen wir die Materialien, die bei uns vermeintlich günstig sind? Hier braucht es globale Solidarität und intergenerationales Denken. Wir müssen uns überlegen, wie wir der nächsten Generation eine Welt hinterlassen können, in der auch sie weiterhin gut leben kann.“

Gabu Heindl ist Architektin und Stadtplanerin aus Wien. Seit Herbst 2022 ist sie auch Professorin an der Uni Kassel. Hier baut sie einen neuen Lehrstuhl für Architektur, Städtebau und Ökonomie auf. 2022 erschien die Neuauflage ihres Buchs „Stadtkonflikte“ über radikale Demokratie in Architektur und Stadtplanung.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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