Bauwerk
Haus R.
Feyferlik / Fritzer - Graz (A) - 2002
Wie ins Grün gestreut
Exakt wie eine japanische Pinselzeichnung: Feyferlik und Fritzer versehen ihre Häuser mit Freiräumen, die das sinnliche Erleben der Jahreszeiten ermöglichen.
11. September 2004 - Karin Tschavgova
Die Individualisierung der Gesell schaft führt zu veränderten Le bensformen. Die Splittung des Wohnens nach Generationen bedeutet, zumindest im urbanen Raum, eine starke Zunahme von Single- und Kleinhaushalten, dazu kommen immer mehr Alleinerzieher (in Wien sind es 28 Prozent) und eine steigende Zahl von Altersheimen.
Glaubt man den demoskopischen Werten, so ändert dies nichts daran, dass das Wohnen im Einfamilienhaus die begehrteste Wohnform der Österreicher ist. Das eigene Heim ist Goldes wert, es wird mit Naturnähe gleichgesetzt und bedeutet Prestige und Tradition; es suggeriert Sicherheit und Stabilität und verheißt Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Außerdem ist der Hausbau gemeinschaftsfördernd, denn die Familie hat ein kollektives Ziel.
Dem gegenüber stehen enormer Landverbrauch und Zersiedelung, hohe Kommunalkosten für Aufschließung und Infrastruktur und die Erhöhung des Verkehrsaufkommens durch Zweitautos und lange Wegstrecken. Dennoch wird dem Wunsch nach dem frei stehenden Eigenheim von Seiten der Regierungen kein Regulativ entgegengesetzt. Im Gegenteil: Zuschüsse für Jungfamilien oder energiesparende Maßnahmen geben Anreize zum Bauen und tragen zur Erweiterung der Siedlungsgürtel an Stadträndern und in Umlandgemeinden erheblich bei. Für einen großen Anteil der Bauwilligen bedeutet der Hausbau trotz dieser Unterstützungen, jahrelange finanzielle Verpflichtungen einzugehen, die Notwendigkeit eines Zweiteinkommens und den Verzicht auf freie Wochenenden und Urlaube. Und wofür das alles?
Die Bau- und die Fertighausindustrie bieten dem Häuselbauer ein Haus von der Stange - in der Regel zweigeschoßig mit ausgebautem Dachgeschoß im Satteldach und angehobener Terrasse - und behaupten Individualität durch die Wahlmöglichkeit von Erkern, Haustürfabrikat und Fensterfarben. Mit der Verwendung von Holz als Dekor wird Bodenständigkeit suggeriert und eine solide Bauweise, indem die Leichtbauelemente des Fertighauses mit Putz kaschiert werden, um einen Massivbau vorzutäuschen. Nicht etwa, dass die Leichtbauweise gegenüber dem Ziegelbau Nachteile aufzuweisen hätte, nein, aber man weiß ja, was der Kunde will. Ein solches Haus ist für eine Normfamilie, für Normverhalten und für ein fiktives Normgrundstück geplant. Es geht weder auf die Gewohnheiten seiner Bewohner noch auf die Besonderheiten des Grundstücks und der Umgebung ein und nicht auf die Topografie. Wie wäre sonst zu erklären, dass sich trotz genauer Recherche kein Fertighaushersteller finden lässt, der ein Modell für die Hanglage anbietet?
Liegt also das Heil beim vom Architekten geplanten Haus? Nur rund sechs Prozent der Einfamilienhäuser werden unter Beiziehung von Architekten realisiert. Die Gründe dafür kennt man, sie sind mannigfaltig. Zum Beispiel keine oder falsche Vorstellungen zu haben von der Arbeit des Architekten, der ja „nur einen Plan zeichnet“. Oder zu glauben, dass Architektur nur eine Geschmacksfrage sei. Es sind Vorurteile und Ängste, etwa, dass das Architektenhonorar unleistbar ist und dass der Architekt einem seine Vorstellungen aufzwingen will. Nichts davon trifft auf einen guten Architekten zu. Nur: Was oder wer ist ein guter Architekt? Und: Sind nicht alle Architekten gut?
Auch wenn man sich in erster Linie als Vermittler zwischen Architekt und Gesellschaft sieht, muss man doch zugeben, dass es eine Menge schlechter Architekten und Bauwerke gibt. Viele, die zwar ambitioniert, aber nicht gekonnt arbeiten, und einige, die ihr Handwerk beherrschen, sich jedoch in Verkennung der Aufgaben des Architekten in Selbstdarstellung erschöpfen. Anderes wird, mit der Häufigkeit seines Auftauchens in der Architekturlandschaft, trotz Engagement und Können mit der Zeit schlichtweg langweilig. Man denke an die Mehrzahl der „Schweizer Kisten“, einfache orthogonale Baukörper, deren Varianten doch nur kleine Abweichungen des immer Gleichen sind. Der Kritiker in mir wünscht sich weniger kühle Intellektualität oder Konformität, dafür mehr Fantasie und Überraschung, ein spielerisches Element und größeren Formenreichtum. Nicht das Spektakel, aber die eigenständige Ausformung einer Idee. Ein Wohnhaus sollte immer der gebaute Ausdruck der Bedürfnisse seiner Bewohner sein, eine adäquate Antwort auf ihre Vorlieben und ihre finanziellen Möglichkeiten und eine poetische auf den konkreten Ort.
Das Haus R. der Architekten Wolfgang Feyferlik und Susi Fritzer in Grazer Randlage erfüllt all das und mehr. Bescheiden in den Dimensionen, schmiegt es sich ins Terrain, ein baumbestandenes Grundstück in sanfter Hanglage, das nach Südost ausgerichtet ist. Nach den Wohnfunktionen getrennt, sind unterschiedliche solitäre Baukörper ausgeformt, die wie Glieder einer Kette auf einer Erschließungsachse aufgefädelt sind. Der Wohnbereich als flaches Volumen wirkt leicht und lichtdurchflutet, weil er zweiseitig mit raumhohen Glasfronten versehen wurde, die ihn weniger abschließen als schwellenlos mit der Natur verbinden. Eine Gruppe von Birken und anderen Laubgehölzen spendet sommers Schatten, während im Winter die Sonne durch das schräge Oberlicht an der Fassade weit in den Wohnraum geholt werden kann.
Das „Schlafhaus“ der Eltern, holzverkleidet und kompakt, ist Inbegriff von Privatheit und lässt doch durch das rundum laufende Bandfenster den Blick in Baumkronen und auf den Himmel frei. Es schiebt sich in den Hang, macht damit der Verbindungsachse Platz und formuliert den Eingang. Dem Bedürfnis nach getrennten Bereichen entspricht auch der Kindertrakt, ein „Baumhaus“, das als aufgeständerte Box in die Krone eines Nussbaums ragt und das Ensemble aus gekonnt arrangierten Körpern, die wie ins Grün gestreut wirken, leichtfüßig abschließt.
Die Sorgfalt, mit der die Vorzüge des Grundstücks ausgelotet und mit den Wünschen der Bauherrn verschränkt wurden, zeigt sich bis ins Detail. Entstanden ist ein ins Grün fließendes harmonisches Gefüge aus teils luziden, teils kompakten Körpern mit vielfältigen Freiräumen, die das hautnahe Erleben der Natur und der Jahreszeiten möglich macht. Feyferlik und Fritzer konzipieren ihre Häuser mit leichter Geste und setzen sie exakt wie eine japanische Pinselzeichnung. Dieses Haus erreicht ohne großen Aufwand Niedrigenergie-Standard. Mit und in ihm lässt sich sowohl Energie sparen wie Energie tanken.
Glaubt man den demoskopischen Werten, so ändert dies nichts daran, dass das Wohnen im Einfamilienhaus die begehrteste Wohnform der Österreicher ist. Das eigene Heim ist Goldes wert, es wird mit Naturnähe gleichgesetzt und bedeutet Prestige und Tradition; es suggeriert Sicherheit und Stabilität und verheißt Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Außerdem ist der Hausbau gemeinschaftsfördernd, denn die Familie hat ein kollektives Ziel.
Dem gegenüber stehen enormer Landverbrauch und Zersiedelung, hohe Kommunalkosten für Aufschließung und Infrastruktur und die Erhöhung des Verkehrsaufkommens durch Zweitautos und lange Wegstrecken. Dennoch wird dem Wunsch nach dem frei stehenden Eigenheim von Seiten der Regierungen kein Regulativ entgegengesetzt. Im Gegenteil: Zuschüsse für Jungfamilien oder energiesparende Maßnahmen geben Anreize zum Bauen und tragen zur Erweiterung der Siedlungsgürtel an Stadträndern und in Umlandgemeinden erheblich bei. Für einen großen Anteil der Bauwilligen bedeutet der Hausbau trotz dieser Unterstützungen, jahrelange finanzielle Verpflichtungen einzugehen, die Notwendigkeit eines Zweiteinkommens und den Verzicht auf freie Wochenenden und Urlaube. Und wofür das alles?
Die Bau- und die Fertighausindustrie bieten dem Häuselbauer ein Haus von der Stange - in der Regel zweigeschoßig mit ausgebautem Dachgeschoß im Satteldach und angehobener Terrasse - und behaupten Individualität durch die Wahlmöglichkeit von Erkern, Haustürfabrikat und Fensterfarben. Mit der Verwendung von Holz als Dekor wird Bodenständigkeit suggeriert und eine solide Bauweise, indem die Leichtbauelemente des Fertighauses mit Putz kaschiert werden, um einen Massivbau vorzutäuschen. Nicht etwa, dass die Leichtbauweise gegenüber dem Ziegelbau Nachteile aufzuweisen hätte, nein, aber man weiß ja, was der Kunde will. Ein solches Haus ist für eine Normfamilie, für Normverhalten und für ein fiktives Normgrundstück geplant. Es geht weder auf die Gewohnheiten seiner Bewohner noch auf die Besonderheiten des Grundstücks und der Umgebung ein und nicht auf die Topografie. Wie wäre sonst zu erklären, dass sich trotz genauer Recherche kein Fertighaushersteller finden lässt, der ein Modell für die Hanglage anbietet?
Liegt also das Heil beim vom Architekten geplanten Haus? Nur rund sechs Prozent der Einfamilienhäuser werden unter Beiziehung von Architekten realisiert. Die Gründe dafür kennt man, sie sind mannigfaltig. Zum Beispiel keine oder falsche Vorstellungen zu haben von der Arbeit des Architekten, der ja „nur einen Plan zeichnet“. Oder zu glauben, dass Architektur nur eine Geschmacksfrage sei. Es sind Vorurteile und Ängste, etwa, dass das Architektenhonorar unleistbar ist und dass der Architekt einem seine Vorstellungen aufzwingen will. Nichts davon trifft auf einen guten Architekten zu. Nur: Was oder wer ist ein guter Architekt? Und: Sind nicht alle Architekten gut?
Auch wenn man sich in erster Linie als Vermittler zwischen Architekt und Gesellschaft sieht, muss man doch zugeben, dass es eine Menge schlechter Architekten und Bauwerke gibt. Viele, die zwar ambitioniert, aber nicht gekonnt arbeiten, und einige, die ihr Handwerk beherrschen, sich jedoch in Verkennung der Aufgaben des Architekten in Selbstdarstellung erschöpfen. Anderes wird, mit der Häufigkeit seines Auftauchens in der Architekturlandschaft, trotz Engagement und Können mit der Zeit schlichtweg langweilig. Man denke an die Mehrzahl der „Schweizer Kisten“, einfache orthogonale Baukörper, deren Varianten doch nur kleine Abweichungen des immer Gleichen sind. Der Kritiker in mir wünscht sich weniger kühle Intellektualität oder Konformität, dafür mehr Fantasie und Überraschung, ein spielerisches Element und größeren Formenreichtum. Nicht das Spektakel, aber die eigenständige Ausformung einer Idee. Ein Wohnhaus sollte immer der gebaute Ausdruck der Bedürfnisse seiner Bewohner sein, eine adäquate Antwort auf ihre Vorlieben und ihre finanziellen Möglichkeiten und eine poetische auf den konkreten Ort.
Das Haus R. der Architekten Wolfgang Feyferlik und Susi Fritzer in Grazer Randlage erfüllt all das und mehr. Bescheiden in den Dimensionen, schmiegt es sich ins Terrain, ein baumbestandenes Grundstück in sanfter Hanglage, das nach Südost ausgerichtet ist. Nach den Wohnfunktionen getrennt, sind unterschiedliche solitäre Baukörper ausgeformt, die wie Glieder einer Kette auf einer Erschließungsachse aufgefädelt sind. Der Wohnbereich als flaches Volumen wirkt leicht und lichtdurchflutet, weil er zweiseitig mit raumhohen Glasfronten versehen wurde, die ihn weniger abschließen als schwellenlos mit der Natur verbinden. Eine Gruppe von Birken und anderen Laubgehölzen spendet sommers Schatten, während im Winter die Sonne durch das schräge Oberlicht an der Fassade weit in den Wohnraum geholt werden kann.
Das „Schlafhaus“ der Eltern, holzverkleidet und kompakt, ist Inbegriff von Privatheit und lässt doch durch das rundum laufende Bandfenster den Blick in Baumkronen und auf den Himmel frei. Es schiebt sich in den Hang, macht damit der Verbindungsachse Platz und formuliert den Eingang. Dem Bedürfnis nach getrennten Bereichen entspricht auch der Kindertrakt, ein „Baumhaus“, das als aufgeständerte Box in die Krone eines Nussbaums ragt und das Ensemble aus gekonnt arrangierten Körpern, die wie ins Grün gestreut wirken, leichtfüßig abschließt.
Die Sorgfalt, mit der die Vorzüge des Grundstücks ausgelotet und mit den Wünschen der Bauherrn verschränkt wurden, zeigt sich bis ins Detail. Entstanden ist ein ins Grün fließendes harmonisches Gefüge aus teils luziden, teils kompakten Körpern mit vielfältigen Freiräumen, die das hautnahe Erleben der Natur und der Jahreszeiten möglich macht. Feyferlik und Fritzer konzipieren ihre Häuser mit leichter Geste und setzen sie exakt wie eine japanische Pinselzeichnung. Dieses Haus erreicht ohne großen Aufwand Niedrigenergie-Standard. Mit und in ihm lässt sich sowohl Energie sparen wie Energie tanken.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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